Wer erinnert sich nicht noch an diese gruseligen 90er des vergangenen Jahrhunderts zurück? Diese zehn Jahre, in denen gefühlt 90% aller veröffentlichten Lieder und Alben einfach nur Mist waren. Einfallslos, planlos, kraftlos und vor allem langweilig. Dancemusic und Techno mit unsagbar miesen Coverversionen von Klassikern der 70er und 80er regierten die Charts, Platz für Qualität war da scheinbar keine mehr. Wenn man nicht gerade Rammstein-Fan war oder abseits des Mainstream und der Hitparaden tief in die Materie eingetaucht ist, hatte man schlicht und ergreifend schlechte Karten und Tristesse pur. Ob sich das nun genau mit der Jahrtausendwende wieder in eine andere Richtung verändert hat, kann an dieser Stelle nicht genau gesagt werden. Fakt ist aber, dass wir seit etwa zehn oder zwölf Jahren wieder erstklassige neue Produktionen aus deutschen Landen haben. Zuerst nur ein paar, kurz darauf wieder regelmäßig und viel. E-Gitarren, handgemachte Musik und gute Vokalisten verdrängten langsam aber sicher "rülpsende Techno-Frösche" und nervende "Kuschelhasen". An diesem Aufschwung sind Bands wie MIA., Wir sind Helden, Luxuslärm, aber auch SILBERMOND kräftig beteiligt. Frischer Wind aus alten Proberäumen. Junge Kapellen aus Deutschland eroberten plötzlich wieder die Charts und hinterließen nicht nur One-Hit-Wonder, sondern richtige Klassiker. Die Gruppe SILBERMOND um die Sängerin Stefanie Kloß startete ihren Angriff auf die Single- und Album-Charts im Jahre 2004. Wer der Meinung ist, der Band sei alles nur so zugeflogen und der Erfolg hätte sich von selbst eingestellt, der irrt sich gewaltig. Hinter dem Erfolg von SILBERMOND stecken harte Arbeit, gute Song- und Textideen und großes Talent. Natürlich war auch etwas Glück dabei, aber hier hat sich letztlich die Qualität durchgesetzt. Seit ihrer ersten Nummer 1 Single ("Das Beste", 2006) ist SILBERMOND in der Oberliga des Deutschrock angekommen und darf sich zu recht zur Speerspitze der hiesigen Musikszene zählen. Im Frühjahr erschien mit "Himmel auf" das vierte Album der Berliner Band, die ihre Wurzeln im sächsischen Bautzen hat. Die Scheibe zeigt die Band deutlich gereift und erwachsener, und sie beinhaltet Songs mit einer unbeschreiblich guten Qualität. Doch wo kommt das alles her? Die Ideen, das Talent, der Erfolg und diese scheinbar unerschöpfliche Kreativität? Das wollten wir herausfinden und haben Sängerin Stefanie und Schlagzeuger Andreas für ein Interview zu uns eingeladen... Show Vorab die Frage zum Video zu Eurer ersten Single "Himmel auf": Dort habt Ihr unterschiedliche Leute erzählen lassen, was für sie Glück bedeutet. Wer hatte die Idee zu diesem Video und
bekamt Ihr schon Feedbacks, wie das draußen im Land angekommen ist? Zum Album möchte ich sagen, dass es eins der beeindruckendsten neuen Alben ist, welches ich in den letzten Jahren hörte. Neben den frischen und knackigen Arrangements fällt besonders die Tiefe der Texte sofort auf. Wie kam es dazu, dass diese Themenvielfalt und -tiefe plötzlich bei Euch Einzug gehalten hat? Das klingt ja so, als hättet Ihr diesmal einen Songüberschuss gehabt. Die jüngere Generation gilt ja so ein bisschen als oberflächlich. Das mag zwar auf einige zutreffen, aber sicher nicht auf alle. Trotzdem steht die Behauptung im Raum, dass das Partymachen im
Vordergrund steht und dass man sich auch über verschiedene Dinge wenige bis gar keine Gedanken macht, bevor man handelt. Ist Silbermond auf dem Weg, da ein bisschen gegenzulenken und zumindest ihren Fans zu zeigen, "Hey, schaut mal etwas genauer hin"? Das Stück "Unter der Oberfläche" lädt ein, einen tieferen Blick zu werfen und den Menschen genauer und besser kennen zu lernen. Ist das ein generelles Problem unserer heutigen Zeit, dass weniger hinter die Fassaden geschaut
wird? In wie weit hat da das Fernsehen mit seinen Casting-Shows und dem vermittelten Bild vom perfekten Menschen Schuld daran? Dann findet sich aber auch eine Eurer Stärken auf der neuen Platte wieder, nämlich die, erstklassige Liebeslieder und Balladen zu machen. Das Stück "Ja" ist so ein tolles Lied. Wie bitte kommt man auf so einen Text, der vor Bildern und Schönheit nur so
strotzt? Ein weiteres, sehr beeindruckendes Stück ist "Weiße Fahnen". Das Lied beschreibt auf der einen Seite ganz einfühlsam die Träume eines Kindersoldaten, auf der anderen Seite rüttelt es einen auf und schreit einen an, dass man dieses
Elend und diese Tragödien, die ja heute noch immer tagtäglich auf der Welt stattfinden, nicht aus den Augen verlieren soll. Was war für Euch der Anlass, ein Stück über so ein Thema zu schreiben und es in dieser Form zu tun? Hat dieses Lied kein Happy End vertragen? Immerhin scheint der Soldat im Lied am Ende ja seinen Frieden gefunden zu haben, ohne wirklich Frieden gefunden zu haben... Ein weiteres Stück, über das wir noch sprechen sollten, ist "Waffen". Die Eltern haben einem
als Kind früher immer gesagt, "Man zeigt nicht mit nackten Fingern auf angezogene Leute". Ihr habt daraus gemacht "Man zeigt nicht mit Waffen auf andere Leute". Ist es in der Erziehung aller Menschen Deiner Meinung nach zu kurz gekommen, dass ausreichend Frieden gelehrt wurde? Dass man schon von Kindertagen an beigebracht bekommt, dass man keinen Krieg führen sollte? Dabei habt Ihr gerade in Berlin ja Eure Kriege fast jeden Tag vor der eigenen Haustür, wenn sich Jugendliche halb totschlagen oder mit Waffen umbringen. Muss man da nicht erst im "Kleinen", sprich vor der eigenen Tür anfangen, die Leute wachzurütteln oder lässt sich dieses Stück auch auf diese Kriegsschauplätze im eigenen Land übertragen? Nachdem
wir jetzt so lange über den Inhalt gesprochen haben, lasst uns mal über die Entstehung der Scheibe reden. Ihr habt nach dem Abschluss Eurer letzten Tour im Jahre 2010 eine Pause angekündigt und offensichtlich auch eingelegt. Wann habt Ihr angefangen, an "Himmel auf" zu arbeiten und wann habt Ihr mit den ersten Songideen begonnen? Wie sind die Lieder entstanden? Hat sich in Eurer Arbeitsweise im Vergleich zu den Vorgänger-Alben etwas verändert? Stefanie, Du sagtest, das Schlimmste für eine Band wäre, das dritte Album noch mal zu schreiben. Mal unter uns gesagt: Die Rolling
Stones oder meinetwegen auch AC/DC machen seit Jahrzehnten immer wieder das gleiche Album... Wie war die Arbeit im Studio? Das Album klingt - trotz aller Tiefgänge und teils schwer verdaulichen Themen - recht locker und leicht, als sei Euch das recht leicht
gefallen. Täuscht mich mein Eindruck, oder habt Ihr tatsächlich eine Albumproduktion wie aus einem Guss hinbekommen? Nun hat man als Musiker sicher seinen Lieblingssong dabei. Welches Stück - oder vielleicht auch mehrere - liegt Dir besonders am Herzen, oder gibt's da keinen Favoriten? Ihr habt auch bei diesem Album
wieder mit dem Produzententeam von Valicon zusammen gearbeitet. Wie wichtig ist dieses Team für die Musik von SILBERMOND oder anders gefragt: Wie würde SILBERMOND klingen, würde ein anderer Produzent an den Reglern sitzen? Kommen wir nun mal zur Bandgeschichte von SILBERMOND. Es ist an mehreren Stellen zu lesen, dass Ihr im Jahre 1998 als
Sextett angefangen habt. Was ist eigentlich aus Juliane Katzer und Maximilian Maneck geworden, die bis 2000 zusammen mit Euch gespielt haben? Seid Ihr Autodidakten oder haben die Jungs und Mädels von SILBERMOND ihren Job richtig gelernt, sprich Unterricht gehabt? Ihr kommt ja aus einer Gegend, in der in
den 70ern und 80ern große Bands aktiv waren. Studierte Musiker, die die Kunst mehr als exzellent beherrschten, Botschaften in ihren Texten lyrisch und/oder poetisch zum Publikum zu transportieren. Kennt Ihr Euch in der Musikgeschichte aus? Habt Ihr Bezug zum sogenannten Ostrock? Ihr habt anfangs noch englisch gesungen, zuerst gecovert und dann auch eigene Lieder auf Englisch gemacht. Was waren die Gründe dafür, dass Ihr irgendwann gesagt habt, "Ab sofort machen wir deutsche Texte"? War das Eure Entscheidung oder hat
Euch jemand geraten, die Richtung zu ändern? Die Fans der Deutschrockband PUHDYS erzählen immer wieder gerne, dass die Gruppe SILBERMOND ihren ersten großen Auftritt im Vorprogramm ihrer Band hatte. Das war in Kamenz, wo die
Herren Birr, Meyer & Co jedes Jahr auf dem Hutberg spielen. Stimmt das so, wie es erzählt wird? Wie war das damals? Da habt Ihr aber noch nicht SILBERMOND geheißen, richtig? Wie seid Ihr dann überhaupt auf den Bandnamen SILBERMOND gekommen? Welche Idee steckt dahinter? Und dann kam der berühmte Umzug einer Band von Bautzen nach
Berlin, medial begleitet von SAT 1 und festgehalten in einer Dokumentation, die im TV ausgestrahlt wurde. Wie hat sich das ergeben und was hat diese Aktion der Band gebracht? Wie ging's dann für die Band weiter? Wie entstanden die ersten Songs, wann seid Ihr ins Studio gegangen und wie seid Ihr an Euren Plattenvertrag gekommen? Die Single "Mach's Dir selbst" wurde ein kleiner Achtungserfolg, aber schon Euer Debüt-Album "Verschwende Deine Zeit" wurde sofort ein Hit. Platz 2 der Album Charts. Wie überraschend kam der Erfolg für Euch und wie habt Ihr den damals wahrgenommen? Weißt Du noch, wo und wann Du von dem 2. Platz für Euer Album erfahren hast? Die Scheibe wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland wahrgenommen und konnte dort Erfolge feiern. Verliert man da nicht - zumindest kurzzeitig - die Bodenhaftung, wenn man so von 0
auf 100 durchstartet? Ihr seid dann auf Eure erste große Tournee gegangen. An was erinnerst Du Dich da noch besonders gut? Was hat Dich beeindruckt und gab es auch etwas, das Dich vielleicht sogar erschreckt hat? Die Lawine war ab diesem Zeitpunkt nicht mehr aufzuhalten. Ihr seid von einem Erfolg zum nächsten gestürmt. Hat man bei all dem Stress, all den Terminen und vor allem all der Arbeit überhaupt einen Moment, um inne zu halten und diese Momente zu genießen? Ihr habt immer ein Album gemacht, seid dann damit auf Tour
gegangen und anschließend ging es wieder von vorne los. Wo und in welchen Momenten blieb da die Zeit, weiterhin so großartige Songs, wie z. B. "Das Beste" oder "Krieger des Lichts" und so erstklassige Alben zu schreiben. Sowas macht man ja nicht mal eben zwischen Tür und Angel... Neben all den Chart-Erfolgen hat es bis heute auch schon reichlich Preise gegeben. Von den Goldenen Schallplatten und Platinauszeichnungen mal abgesehen, gab's auch schon mehrfach den Echo und andere heißbegehrte Preise. Wenn man schon so viel erreicht hat: Welche Ziele gibt's jetzt noch, die man erreichen möchte? Ich kenne Leute, die auf SILBERMOND angesprochen, schon mal den Kommentar ablassen: "Silbermond, Juli, Jennifer Rostock, Luxuslärm, Christina Stürmer... das klingt für mich alles gleich". Wie würdest Du so einen Zeitgenossen von SILBERMOND überzeugen und ihm zeigen, dass Ihr anders seid und anders klingt, ohne ihm einfach nur eine CD von Euch in die Hand zu
drücken? Trotz all dem
Stress und der vielen Termine findet Ihr immer noch Zeit, Euch auch für andere Dinge zu engagieren. Ihr fördert den Nachwuchs und setzt Euch gegen Rechtsextremismus ein. Bleiben wir mal kurz bei der Nachwuchsförderung. Seid Ihr damals zufriedenstellend gefördert worden, oder wollt Ihr es mit Eurem Engagement einfach besser machen und anderen das bieten, was Euch früher gefehlt hat? Wie gesagt, Ihr engagiert Euch auch schon seit eh und je gegen Rechtsextremismus. Es
fehlt bei allem Kampf gegen rechtes Gedankengut doch auch ein bisschen der Dialog, wie ich finde. Es werden Konzerte gegeben und gespielt "gegen rechts". Es werden Friedensmärsche auf die Beine gestellt und "marschiert gegen rechts". Warum glaubt Ihr, setzt sich keiner mit den Rechten an einen Tisch und versucht durch Dialoge Lösungen zu finden und ein Umdenken zu bewirken? Glaubst Du, dass dieses Problem irgendwann mal komplett gelöst werden kann? Was kann uns allen die Kraft und Hoffnung geben, dass Rechtsextremismus wirklich komplett ausgelöscht werden kann? Ist es für einen Künstler,
der erfolgreich ist und in der Öffentlichkeit steht, wichtig, sich auch politisch zu engagieren und den eigenen Fans vielleicht auch dadurch einen Schubs zu geben, selbst ein Auge auf die Politik zu werfen und sich zu beteiligen? Wie steht man als Künstler zu der Piraten-Partei, die derzeit nicht nur einen Höhenflug in Sachen Wählergunst erfährt,
sondern die ganz nebenbei auch das Urheberrecht nicht nur aufweichen, sondern offenbar abschaffen will? Was liegt als nächstes bei Euch an? Ich habe gelesen, dass Ihr jetzt im Mai in London und Paris spielen werdet. Sind das schon die ersten Schritte in Richtung internationale Karriere? Wie kam es zu diesen Terminen im Ausland? Das provoziert ja förmlich die Frage, ob Ihr denn zumindest in London den einen oder anderen Titel auf Englisch singt? Ab Juni spielt Ihr Euer neues Programm Open Air und ab Herbst (November) geht Ihr auf Hallentour. Was habt Ihr für Eure Tournee vorbereitet, auf was können sich die Konzertbesucher freuen? Abschließend noch eine Frage: Viele Bands zerbrechen oft am Erfolg. Irgendwann fängt einer an,
sich selbst verwirklichen zu wollen, macht 'ne eigene Platte und steigt dann möglicherweise komplett aus. Bei anderen Bands zieht irgendwann Routine ein und Lustlosigkeit macht sich breit. Was lässt Euch hoffen, dass das bei SILBERMOND nicht der Fall sein wird? Wir wünschen Euch viel Erfolg für die neue Platte und die Tour. Damit sind wir am Ende unseres Interviews. Gibt's noch etwas, das Ihr unseren Lesern mit auf den Weg geben möchtet, was Ihr ihnen abschließend noch sagen möchtet? Interview: Torsten Meyer & Christian Reder (Juni 2012) Wann kam das Lied das Beste von Silbermond raus?Das Beste ist ein Pop-Song der deutschen Band Silbermond, der als dritte Single von ihrem zweiten Studioalbum Laut gedacht am 6. Oktober 2006 veröffentlicht wurde. In den deutschsprachigen Ländern erreichte der Song in den Charts Spitzenpositionen.
Wie hieß Silbermond vorher?Silbermond (ehemals JAST) ist eine deutsche Rock-Gruppe aus Sachsen. Durch ihre deutschen Songtexte und die Teilnahme an einigen Bandcontests gewannen Silbermond langsam wachsende Bekanntheit und Beliebtheit. Ein weiterer Schritt zum Erfolg war eine Tour als Vorgruppe von Jeanette Biedermann.
Hat sich Silbermond aufgelöst?Wie war das bei Silbermond? Stefanie: Wir haben uns als Band in dem ganzen Pop-Business nicht verloren. Auch als Freunde nicht. Dass wir hier jetzt stehen als eine Band, wo es viele Kollegen von uns gibt, die sich aufgelöst haben und wir eigentlich so die Einzigen sind, die noch da sind.
Wie viele Mitglieder hat Silbermond?Silbermond ist eine (Rock-)Band aus Bautzen (Ostsachsen). Sie besteht aus 4 jungen Leuten: Andreas Nowak am Schlagzeug, Stefanie Kloß am Mikrofon, Thomas Stolle an der Gitarre, und Johannes Stolle am Bass (v.l.n.r.).
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