Wer immer lieb zu allen ist

Hast du auch schon oft zu hören bekommen, dass du “zu lieb und nett” seist? Hattest du schon häufiger das Gefühl, dass du schlecht behandelt wirst, obwohl du Anderen immer höflich, nett und sogar zuvorkommend gegenübertrittst? Leider kommt es gar nicht so selten vor: Wer “zu” nett ist, wird schlecht behandelt. Obwohl wir eigentlich alle nur nach dem Prinzip leben möchten, “behandle andere so, wie du behandelt werden willst.”

Woran es also liegt, dass das nicht immer klappt, das erkläre ich hier im Beitrag.

Inhalt

  • Was ist eigentlich zu nett?
  • Beziehungen basieren auf Kommunikation
  • Selbstwert und “zu nett sein”
  • Warum wir selber entscheiden sollten
  • Burnout durch Aufopferung
  • Selbstwert trainieren

Was ist eigentlich zu nett?

“Everybody’s darling” ist sicherlich jemand, der eigentlich einfach zu nett ist. Denn wer es jedem Recht machen will, der schafft es vor allem einem nicht recht zu machen: sich selber. “Zu nett” ist, wer die eigenen Bedürfnisse permanent hinten anstellt. Versteht mich nicht falsch: Gerade wenn man funktionierende Beziehungen führen möchte, kann man nicht immer egoistisch sein und seine eigene Linie fahren. Dort sind Kompromisse und auch mal die Aufgabe eigener Standpunkte angebracht. Schwierig wird es eben erst, wenn wir nur noch Kompromisse eingehen und den Anderen probieren die Wünsche von den Lippen abzulesen. Es kann dann vorkommen, dass du dir ein Bein ausreist, um der anderen Person das Leben besser zu machen oder ihm/ihr entgegen zu kommen – und dafür Undankbarkeit oder sogar Spott erntest.

Vielleicht kennt ihr das auch, wenn ihr immer für jemand anderen verfügbar und parat seid. “Mach dich rar” ist zwar ein blöder Spruch, beinhaltet aber leider viel Wahres. Denn auch hier greif das Prinzip: Stellst du die Bedürfnisse anderer Menschen permanent über die eigenen, so vergessen die Anderen, das zu schätzen.

Beziehungen basieren auf Kommunikation

Die Frage ist: Warum ist das so?

Nun, wir kommunizieren immer. Mit Sprache, Gesten, Mimik und natürlich auch damit, wie wir verfügbar/erreichbar sind und auf Situationen reagieren. Jemand, der zu nett ist, neigt dazu, wie eine Teflonpfanne zu sein: da gibt es nichts, an dem man sich reiben kann, alles rutscht aalglatt daran herunter. Ohne Reibung keine Spannung und ohne Spannung kann keine wirkliche Kommunikation entstehen. Ein Ja-Sager ist einfach nicht spannend und man kann von ihm/ihr nichts Neues lernen oder daran wachsen. Zu zu netten Menschen baut man keine Beziehung auf, weil keine Kommunikation im Sinne eines Austausches stattfindet. Entsprechend lässt die Bindung, die man zu einem Menschen aufgebaut hat, schnell nach, empfindet man ihn oder sie als “zu nett”.

Selbstwert und “zu nett sein”

Besonders aber wird das Problem deutlich, wenn wir unser Verhalten gegenüber anderen Menschen einmal mit etwas Abstand betrachten und hinterfragen, warum wir so handeln. Warum werden die eigenen Bedürfnisse immer hinten angestellt? Warum springt man jedes Mal, wenn man vermutet, dass der Gegenüber einen gebrauchen kann?

Wenn wir ehrlich sind: Wohl weil unser Selbstwert angeknackst ist. Wir möchten vermeiden etwas falsch zu machen, unseren Partner zu verlieren oder Konflikte herauf zu beschwören. Es erscheint leichter, sich selber zu verbiegen um den harmonischen Zustand beizubehalten. Doch haben wir oben schon festgestellt: Zu harmonisch ist zu aalglatt.

Keine Panik: Zum Einen kann man daran arbeiten, mit sich selber mehr im Reinen zu sein und Konflikte nicht per se zu scheuen. Zum Anderen bedeutet das auch zum Glück nicht, dass man auf Krawall gebürstet sein und seine eigenen Ideen immer durchsetzen muss.

Warum wir selber entscheiden sollten

Statt “Entscheide du” und “Ist mir egal” darf es ruhig die eigene Meinung sein. Gerade in Beziehungen ist es wichtig, von sich selber etwas zu zeigen, damit man eben nicht zu Teflonpfanne für den Partner wird. Und im Prinzip zeigt genau das auch, dass man den eigenen Partner oder Freund/Bekannten schätzt: Man zeigt die Bereitschaft, sich selber preis zu geben und macht sich verletzlich – gleichzeitig aber stärker und spannender. Ein Paradoxon, das zu erkunden sogar Spaß machen kann wenn man sich aus seinem Schneckenhaus traut.

Wer es nicht immer allen recht macht, sondern durchaus eigene Standpunkte vertritt und seine eigenen Grenzen kennenlernt – und kommuniziert! – der hat am Austausch mit anderen Menschen auch deutlich mehr Spaß. Denn man hört auf der unwichtige Fußabtreter zu sein und wird zu einer Persönlichkeit.

Burnout durch Aufopferung

Wem das noch nicht als Argument reicht: Sich immer aufzuopfern und die eigenen Bedürfnisse zu ignorieren, schafft den Nährboden für einen echten Burnout. Die Symptome sind dabei sehr ähnlich zu einer Depression – und das möchte man sicherlich nicht.

Selbstwert trainieren

Was hilft, ist also bewusst auch mal nur an sich zu denken. Das muss nicht in egoistischen Entscheidungen geschehen, sondern fängt damit an, dass man sich bewusst Zeit für sich selber nimmt. Sich selber kennenlernen, in sich hinein horchen, eigene Gefühle bewusst und achtsam wahrnehmen, verstehen und dadurch seine Grenzen kennen zu lernen. Die Methoden dafür sind vielfältig, sodass jede/r da eine Möglichkeit finden kann, mit der er/sie gut zurecht kommt. Von Meditation über Achtsamkeitstraining bis hin zum Tagebuch führen gibt es viele Mechanismen. Aber auch Sport hilft dabei, den eigene Körper bewusster wahr zu nehmen und kennen zu lernen – ein erster Schritt, um sich selber besser zu kennen- und lieben zu lernen.