Teil 1: Allgemeine Hinweise Show
Inhaltsverzeichnis
Zum ThemaMit den vier Evangelien – Matthäus, Markus, Lukas und Johannes – und der Apostelgeschichte beginnt das Neue Testament. Diese fünf Bücher sind zwar der Zeit nach nicht die ältesten Schriften des Neuen Testamentes, bilden jedoch geschichtlich (und ebenfalls der Lehre nach) die Grundlage für die folgenden Bücher (die Briefe und die Offenbarung). Sie sind für jeden Bibelleser – unabhängig vom Alter und der geistlichen Reife – wichtig und sollten immer wieder gelesen werden.
A. C. Gaebelein weist darauf hin, dass Gott in diesen geschichtlichen Büchern nicht wie ein „Reporter“, sondern eher wie ein „Herausgeber“ schreibt.2 Die Aufgabe des Reporters besteht darin, Sachverhalte so zu schreiben, wie sie passiert sind. Der Herausgeber hingegen stellt das Material in einer Weise zusammen, die seinen Überlegungen entspricht. Deshalb legen die Schreiber den Schwerpunkt häufig nicht auf die zeitliche Reihenfolge, sondern stellen sie nach inhaltlichen Themen dar. Eine treffliche Zusammenfassung dessen, was die Evangelien und die Apostelgeschichte berichten, gibt Petrus im Haus des Kornelius:
Die Evangelien zeigen, wie Gott seine Zusagen aus dem Alten Testament erfüllt und den „zuvor bestimmten Christus Jesus“ gesandt hat (Apg 3,20). Allerdings machen sie ebenfalls klar, dass die Juden, zu denen Er vornehmlich kam, Ihn abgelehnt und umgebracht haben. Die Apostelgesichte zeigt, wie sich die Botschaft über „diesen Jesus“ verbreitet hat. Für jeden Bibelleser ist es unerlässlich, das zu tun, wozu uns der Schreiber des Hebräerbriefes auffordert:
Man kann die Evangelien und die Apostelgeschichte nur mit großer Ehrfurcht und mit Respekt lesen. Sie beinhalten nicht nur das Handeln Gottes und seine großen Taten, sondern es geht um Gott selbst, der in seinem Sohn Mensch wird und zu uns Menschen kommt – Gott offenbart im Fleisch (1. Tim 3,16). Während die Evangelien den Schwerpunkt darauf legen, was Er für uns tat, legt die Apostelgeschichte den Schwerpunkt auf das, was Er durch uns tun will. 1. Teil des Neuen TestamentesDie genannten fünf Bücher eröffnen den Kanon des Neuen Testamentes. Dieser zweite Teil der Bibel ist anders als der erste Teil und dennoch untrennbar damit verbunden. Das Alte Testament beschäftigt sich (mit Ausnahme der ersten 11 Kapitel des 1. Buches Mose) mit der Geschichte des irdischen Volkes Gottes. Die Juden teilen das Alte Testament in drei Teile ein. Diese Einteilung wird vom Herrn Jesus ausdrücklich bestätigt (vgl. Lk 24,44b): 3
Das Neue Testament gehört – wie das Alte Testament – zu den von Gott eingegebenen Schriften. Es beschäftigt sich im Wesentlichen mit Gottes himmlischem Volk (ohne das irdische Volk völlig außer Acht zu lassen). Es entstand im 1. Jahrhundert n. Chr. (etwa zwischen 45 und 95 n. Chr.) und umfasst insgesamt 27 Bücher, die von weniger als 10 Schreibern verfasst wurden. Es wurde in griechischer Sprache geschrieben. Die 27 Bücher des Neuen Testamentes können leicht in vier Teile unterteilt werden, sodass sich für die gesamte Bibel sieben Teile ergeben:
Diese Einteilung ergibt sich u. a. in Anlehnung der Worte des Herrn Jesus, der seinen Jüngern vier Dinge nannte, die mit der Aktivität des Heiligen Geistes verbunden sind:
Zusammenfassend halten wir fest, dass die Bibel aus sieben Teilen besteht, deren Autorität der Herr Jesus ausdrücklich bestätigt. Die vier Evangelien bilden dabei einen eigenständigen Teil. Sie sind der zentrale Mittelpunkt und leiten zugleich das Neue Testament ein. Die Apostelgeschichte schließt sich unmittelbar an. Es sind die fünf historischen Bücher des Neuen Testamentes. 2. Vierhundert Jahre Schweigen und ihr EndeDie Zeit zwischen dem Alten und dem Neuen Testament wird häufig dadurch beschrieben, dass Gott 400 Jahre lang geschwiegen hat. Das ist insofern zutreffend, weil zwischen dem letzten Propheten des Alten Testamentes – Maleachi – und Johannes dem Täufer (dem Vorläufer des Messias) in der Tat ca. 400 Jahre vergangen waren. In dieser Zeit hatte Gott keine direkte Botschaft an sein Volk. Das bedeutet allerdings nicht, dass Gott in seinem Wort über diese Zeit nichts zu sagen hat. Er hat sehr wohl darüber gesprochen. Besonders der Prophet Daniel schreibt über diese Zeit. Er erwähnt die vier Weltreiche, von denen drei in dieser Phase an der Macht waren. Das sind zunächst das persische Reich (von 539–331 v. Chr.), dann das griechische Reich (von 331–143 v. Chr.) und schließlich das aufkommende Römische Reich. Sowohl in Daniel 2 als auch in Daniel 7 ist von diesen politischen Mächten die Rede. Sehr ausführlich wird in Daniel 11 über die Zeit zwischen Maleachi und Johannes gesprochen. Nachdem die Juden nach der siebzigjährigen Gefangenschaft in ihr Land zurückgekehrt waren und die Tempel und die Stadt Jerusalem wiederaufgebaut hatten, zeigte sich erneuter Verfall. Davon sprechen die geschichtlichen Bücher Esra und Nehemia sowie die dazu gehörenden prophetischen Bücher Haggai, Sacharja und Maleachi.5 Danach schweigt Gott. Und doch hat Er sein Volk nicht aus den Augen verloren. In diese Zeit fällt z. B. der Aufstand der Makkabäer, in der Gott seinem Volk ein gewisses Aufleben schenkte. Dennoch ist diese Zeit im Wesentlichen dadurch gekennzeichnet, dass das Volk insgesamt ein Spielball politischer Mächte im Norden und Süden (die Nachfolger Alexander des Großen im Norden und Ägypten im Süden) war und nur wenige Juden treu an ihrem Gott festhielten. Am Ende dieser Zeitperiode gehörten die ersten drei Weltreiche (Babylon, Persien, Griechenland) der Vergangenheit an. Zu Beginn des Neuen Testamentes regierten die römischen Kaiser als Vertreter des vierten Weltreiches. Und Gott benutzte in seiner Vorsehung gerade die Römer, um – äußerlich gesehen – günstige Voraussetzungen für die Verbreitung des Evangeliums weit über die Grenzen Israels hinaus zu schaffen. Er tat das durch die „Pax Romana“ (oder „Pax Augusta“). Darunter versteht man den Römischen Frieden, eine ca. 250 Jahre währende Periode, die im Großen und Ganzen von innerem politischen Frieden und Stabilität geprägt war. Die Phase begann unter Kaiser Augustus kurz vor der Geburt Christi und währte bis etwa 235 n. Chr. Während dieser Zeitperiode war es aufgrund des äußeren Friedens relativ ungefährlich, im römischen Reich von einer Region zur anderen zu reisen. Hinzu kam, dass die Römer über ein gut ausgebautes Wegenetz (Land und Mittelmeer) verfügten, wodurch das Reisen erleichtert wurde.6 Das alles trug nicht unwesentlich zur Verbreitung des Evangeliums in der Zeit der Apostelgeschichte und danach bei. Das Ende dieser Zeit nennt die Bibel „die Fülle der Zeit“ (d. h. die von Gott festgelegte Zeit). Als dieser Zeitpunkt gekommen war, sandte Gott seinen Sohn (Gal 4,4). Zu diesem Zeitpunkt waren 69 der 70 Jahrwochen erfüllt, über die Gott zu Daniel gesprochen hatte (Dan 8,25.26). Danach sollte der Messias kommen – und Er ist gekommen. Doch Er wurde – wie vorausgesagt – weggetan und hatte nichts. Der Vorläufer des Messias – Johannes der Täufer – war ebenfalls angekündigt worden. Der letzte Prophet des Alten Testamentes spricht von ihm: „Siehe, ich sende meinen Boten, damit er den Weg vor mir her bereite. Und plötzlich wird zu seinem Tempel kommen der Herr, den ihr sucht; und der Engel des Bundes, den ihr begehrt: Siehe, er kommt, spricht der HERR der Heerscharen“ (Mal 3,1). Er war die „Stimme eines Rufenden“, von der wir bereits in Jesaja 40,3 lesen. Mit Johannes dem Täufer endete die Zeit des Schweigens Gottes – die zugleich eine Zeit des Gerichtes war. Die Fülle der Zeit war gekommen und Gott sandte seinen Sohn, der jedoch abgelehnt und am Ende an ein Kreuz genagelt wurde. Genau das ist – mit unterschiedlichen Schwerpunkten – das Thema der vier Evangelien. In der Apostelgeschichte wird davon Zeugnis abgelegt. Es bleibt die Frage, wann genau Jesus Christus geboren wurde, wann Er seinen Dienst begann und wann Er starb. Die Kalender, die wir heute benutzen, gehen davon aus, dass Er im Jahr 1 geboren wurde (AD bedeutet Anno Domini oder im Jahr des Herrn). Allerdings gibt es gute Gründe anzunehmen, dass das Jahr 1 als tatsächliches Geburtsjahr nicht ganz korrekt ist. Interne Belege der Bibel selbst und externe Belege außerhalb der Bibel lassen auf ein etwas früheres Datum schließen (wahrscheinlich 5 v. Chr.). Matthäus 2,1 und Lukas 1,5 zeigen, dass Herodes (der Große) noch lebte, als Jesus geboren wurde. Historischen Quellen zufolge verstarb er im Jahr 4 v. Chr. Demnach muss das Geburtsjahr unseres Herrn mindestens ein Jahr vorher liegen (vgl. Mt 2,6). Unser Herr begann seinen Dienst, als Er ungefähr 30 Jahre alt war (Lk 3,23).7 Vorher trat Johannes der Täufer auf – und zwar im fünfzehnten Jahr des Kaisers Tiberius (Lk 3,1). Wann genau das war, lässt sich ebenfalls nicht mit letzter Sicherheit sagen. Es muss 28 oder 29 n. Chr. gewesen sein. Damit fällt der Beginn des Dienstes des Herrn wahrscheinlich in das Jahr 29 n. Chr. Das Jahr seiner Kreuzigung war demzufolge mit hoher Wahrscheinlichkeit das Jahr 33 n. Chr. – und zwar am jüdischen Passahfest. Das war im Jahr 33 n. Chr. ein Freitag (der 14. Nisan). Der Zeitraum des öffentlichen Dienstes des Herrn umfasst damit zwischen 3 und 4 Jahren. Johannes erwähnt drei Passahfeste, die in dieser Zeit stattfanden (Joh 2,13; 6,4; 11,55). Möglicherweise gab es noch ein weiteres Passahfest, das nicht mit Namen genannt wird (Joh 5,1). Wenn das so ist, dann umfasste der öffentliche Dienst des Herrn mindestens drei und maximal vier Jahre. 3. Der politische HintergrundZum Verständnis mancher Aussagen in den Evangelien und der Apostelgeschichte ist es nützlich, den politischen Hintergrund der damaligen Zeit ein wenig zu kennen. Die politische Situation leitet sich aus den Ereignissen ab, die zwischen dem Alten und dem Neuen Testament stattfanden. Die Juden waren aufgrund ihrer Untreue und Rebellion gegen Gott von dem Regenten des ersten Weltreiches – dem babylonischen Reich – in die Gefangenschaft gebracht worden. Damit hatten die „Zeiten der Nationen“ (Lk 21,24) begonnen, in der Gott die Regierung der Völker ausdrücklich in die Hand der Nationen gegeben hatte. Diese Zeit dauerte an, als Christus geboren wurde. Das babylonische Reich war längst Geschichte, ebenso das folgende persische und das darauffolgende griechische Reich. Gerade unter den Nachfolgern des ersten Regenten des griechischen Reiches – Alexander des Großen – hatten die Juden besonders zu leiden gehabt. Inzwischen hatten die Römer (das vierte Weltreich) die Macht ergriffen und regierten über Palästina. Pilatus war der Vertreter der römischen Besatzungsmacht, der Christus zum Tod verurteilte. Die Juden litten unter der römischen Besatzung und wünschten sich Befreiung. Das galt für alle Bevölkerungsschichten (vgl. Lk 2,38; 17,20; 19,11; 24,21; Apg 1,6). Doch das römische Joch konnte nicht abgeschüttelt werden, weil die Juden ihren Messias ablehnten und Ihn – sogar in Kooperation mit den Römern – zu Tode brachten. Am Ende behaupteten sie sogar, dass sie keinen König hätten als nur den Kaiser. 3.1. Die römischen KaiserIn Rom herrschten um die Jahrtausendwende die Kaiser (Cäsaren). Die Familie Cäsars regierte bis zu Kaiser Nero. Die Bibel erwähnt namentlich Kaiser Augustus (Lk 2,1) und Kaiser Tiberius (Lk 3,1), der während des öffentlichen Dienstes des Herrn Jesus Kaiser war. Nero – ohne Frage ein besonders grausamer Kaiser – wird namentlich nicht erwähnt. Wir finden ihn allerdings andeutungsweise in 2. Timotheus 4,17 als „Löwe“ erwähnt. Einen direkteren Hinweis gibt es in Apostelgeschichte 25,21 und 25, wo er „Augustus“ (wörtlich „der zu Verehrende“) genannt wird8. Hier eine Liste der Kaiser in der Zeit des Neuen Testamentes:
3.2. Die römischen StatthalterDas Römische Reich erstreckte sich um die Jahrtausendwende über den gesamten Mittelmeerraum und darüber hinaus. Es bestand aus einer Vielzahl von kleineren und größeren Satellitenstaaten, mit denen in der Regel gesonderte Vereinbarungen geschlossen worden waren. Die einzelnen Länder wurden von römischen Statthaltern (Landpflegern, Prokuratoren, Prokonsuln) verwaltet. Sie mussten unter anderem dafür Sorge tragen, dass die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet wurde, dass die Steuern rechtzeitig bezahlt wurden (dies geschah durch die „Zöllner“) und dass das römische Recht eingehalten wurde. Der bekannteste Statthalter im Neuen Testament ist Pilatus, den Kaiser Tiberius eingesetzt hatte. Er verfügte über große Macht und war Oberbefehlshaber der in Cäsarea stationierten römischen Besatzungsarmee. Er war es, der die Hohenpriester einsetzte. Pilatus galt als brutal und exzessiv und wurde von den Juden gehasst. Am Ende seiner Amtszeit wurde er nach Rom zurückbeordert, wo er wenig später vermutlich durch Selbstmord starb. Weitere in der Bibel erwähnte Prokuratoren sind Felix und Festus. Beide verhörten Paulus, bevor er nach Rom kam (Apg 23–26). Hier eine Aufstellung der römischen Statthalter in Palästina:
3.3. Die Könige aus der Dynastie des HerodesEs war eine Besonderheit, dass die Juden trotz der römischen Besatzung in einem gewissen Umfang eigene politische Aktivitäten entwickeln durften. Im Jahr 63 v. Chr. wurde der jüdische Hohepriester Johannes Hyrkanos II von Rom als Herrscher (Ethnarch) in Palästina eingesetzt. Doch schon während seiner Regierungszeit gewann ein Idumäer (eine Nachkomme Esaus oder Edoms) mit Namen Antipater die Gunst der Römer. Es gelang ihm, seinen Söhnen einflussreiche Machtpositionen in Palästina zu verschaffen. Einer davon war Herodes (der Große). Er wurde schließlich zum König ernannt und regierte von 37 bis 4 v. Chr. Unter König Herodes blühte Israel wirtschaftlich und politisch in gewisser Hinsicht auf, militärische Auseinandersetzungen hielten sich in Grenzen. Unter seiner Regierung begann der umfangreiche Umbau des Tempels zu einem besonderen Prachtbau. Obwohl er ein Edomiter war, hatte er die jüdische Religion angenommen. Doch schon aufgrund seiner Herkunft konnte er nur ein „falscher“ König der Juden sein. Bei den Juden war er sehr unbeliebt. Er galt als grausam und brutal und misstraute zugleich jedem. Deshalb ließ er einige seiner Kinder und Verwandten ebenso wie seine zweite Ehefrau (von insgesamt zehn) ermorden. Seine möglicherweise letzte Gräueltat war das Massaker der Jungen in Bethlehem (Mt 2,12–18), dem auch der geborene wirkliche König der Juden zum Opfer fallen sollte. Sein Sohn Archelaus (Mt 2,22) wurde sehr bald von den Römern abgesetzt. Dessen Bruder „Herodes, der Vierfürst“ (Antipas) (Lk 3,19), regierte über den anderen Teil des Reiches seines Vaters. Mit diesem Herodes hatten sowohl Johannes der Täufer als auch Jesus selbst unmittelbar vor seiner Kreuzigung zu tun. Im Jahr 36 n. Chr. wurde er abgesetzt. Ihm folgte sein Sohn, der „Herodes, der König“ (Agrippa I) genannt wird (Apg 12,1). Er starb plötzlich (Apg 12,23) und wurde von seinem Sohn Agrippa II beerbt, dem die Römer erneut den Königstitel gaben (vgl. Apg 25 und 26). Hier eine Übersicht der Dynastie der Könige aus der Dynastie des Herodes:
Das Neue Testament erwähnt weitere Verwandte des Herodes, die jedoch nicht König waren. Es sind Herodes Philippus I (Mk 6,17), Herodias (Mk 6,17), Drusilla (Apg 24,24) und Bernice (Apg 25,13.23; 26,30). 3.4. Die HerodianerDie Herodianer hatten zwar ebenfalls einen gewissen religiösen Einfluss, sind jedoch eher eine politische Partei als eine religiöse Gruppierung. Sie fanden ihre Wurzeln in der Zeit der Regierung von Herodes und seiner Söhne und unterstützten sie. Sie waren der fortschreitenden Hellenisierung Palästinas gegenüber offen und standen damit im Widerspruch zu den Pharisäern und den Schriftgelehrten. Im Neuen Testament werden sie nur dreimal erwähnt (Mt 22,16; Mk 3,6; 12,13). Es ist bezeichnend, dass diese politische Gruppierung und die der Pharisäer und Schriftgelehrten in ihrem Hass gegen Christus einig waren. Schon in Markus 3,6 halten sie gemeinsam Rat gegen Ihn, um Ihn umzubringen. 4. Der religiöse HintergrundWichtiger als der politische Hintergrund ist der religiöse Hintergrund, vor dem sich die Ereignisse in den Evangelien und in der Apostelgeschichte abspielen. Dies sind zum einen die Religionen und Philosophien der römischen Welt und ihr Einfluss (die griechisch-römische Götterwelt, der Kaiserkult, die Mysterienkulte und der Gnostizismus9). Zum anderen sind die verschiedenen religiösen Strömungen unter den Juden bedeutsam. Unser Herr wurde mit verschiedenen religiösen Gruppen konfrontiert. Hinzu kommt, dass verschiedene Institutionen und Gewohnheiten erwähnt werden, die man als Leser verstehen muss, um den Inhalt richtig zu erfassen. Die Wurzeln dieser jüdischen Gruppen, Institutionen und Gewohnheiten liegen in der Geschichte der Juden – und zwar besonders in der Zeit nach dem babylonischen Exil. Nachfolgend werden einige genannt: 4.1. Die PharisäerDer Name leitet sich von einem hebräischen Wort ab, das „abtrennen“ oder „absondern“ bedeutet. Diese Gruppe von Leuten bezeichneten sich deshalb als Abgesonderte. Es war eine relativ kleine, dennoch sehr einflussreiche Vereinigung von Juden, die eine strikte Trennung von der Lebensweise und den Praktiken der Nichtjuden forderten. Man schätzt ihre Zahl zu Beginn des ersten Jahrhunderts n. Chr. auf ca. 6.000. Es ist nicht eindeutig, wie diese Gruppe entstanden ist. Sie geht jedoch sehr wahrscheinlich auf die Zeit nach dem babylonischen Exil zurück. Dort gab es Juden, die für ihre abwehrende Haltung gegenüber dem damals aufkommenden Hellenismus bekannt waren (man nannte sie „Chassidim“ oder „Fromme“). Sie bildeten vermutlich die Grundlage für die Pharisäer, wie sie uns in den Evangelien begegnen. Obwohl die Pharisäer nur eine relativ kleine Gruppe von Personen waren, hatten sie großen Einfluss unter den Juden. Zudem sahen sie sich als Vertreter des gemeinen Volkes an. Klassenunterschiede machten sie kaum. Deshalb blickten viele Menschen zu ihnen auf und respektierten sie. Es ist wahrscheinlich so, dass gerade die Pharisäer durch ihr äußerliches Festhalten am Alten Testament die Erwartung auf den Messias hochhielten. Doch als Er wirklich kam, waren die Pharisäer Ihm gegenüber nicht nur kritisch, sondern sogar feindlich eingestellt. Die Ursache liegt auf der Hand, denn der Herr Jesus demaskierte diese Menschen, die zwar einen frommen Schein an den Tag legten, in Wirklichkeit jedoch Heuchler waren. Worte und Taten stimmten nicht überein. Am Ende gehörten sie zu denen, die vehement den Tod Jesu forderten. 4.2. Die SchriftgelehrtenDie Schriftgelehrten waren – im Gegensatz zu den Pharisäern – keine Partei oder Gruppe, sondern eine bestimmte Gesellschaftsschicht. Die meisten unter ihnen waren gebildet und ihre Aufgabe bestand darin, das Gesetz zu lehren und zu erklären. Das taten sie vornehmlich in den Synagogen. Aufgrund ihrer Tätigkeit werden sie manchmal als „Gesetzgelehrte“ bezeichnet. Sie waren darüber hinaus dafür zuständig, Gesetzesbrecher zu verfolgen. Eine Reihe von Schriftgelehrten – wie z. B. Paulus – waren zugleich Pharisäer. Deshalb werden sie häufig (vor allem bei Matthäus und Lukas) zusammen erwähnt. Die Schriftgelehrten fügten dem Gesetz Gottes eigene Vorschriften hinzu und machten so das Wort Gottes ungültig (Mk 7,13). Der Herr brandmarkte das Verhalten dieser Männer wiederholt und deutlich. 4.3. Die SadduzäerDie Sekte der Sadduzäer entstand ebenfalls in der Zeit zwischen den beiden Testamenten. Die Herleitung des Namens ist unklar. Sie waren zahlenmäßig zwar noch geringer als die Pharisäer, dennoch sehr einflussreich. Während die Pharisäer fast 100-mal und die Schriftgelehrten ca. 70-mal im Neuen Testament erwähnt werden, kommen die Sadduzäer nur etwa 15-mal vor. Ihre Mitglieder stammten überwiegend aus der Oberschicht. Es waren hochrangige Priester und Männer aus dem Laienstand. Ihr Einfluss war nicht nur religiös, sondern ebenso politisch. Sie waren deutlich strenger als die Pharisäer, wenn es darum ging, Verbrechen zu bestrafen. Sie waren – um ihre gesellschaftliche Position zu wahren – eher zur Zusammenarbeit mit den Römern bereit als die Pharisäer und Schriftgelehrten. Mit ihnen standen sie ohnehin häufig auf Konfrontation, denn sie lehnten deren mündliche Hinzufügungen zum Gesetz ab, leugneten die Auferstehung der Toten und glaubten weder an Engel noch an den kommenden Messias. Sie beschränkten sich darauf, die fünf Bücher Mose als von Gott gegeben anzuerkennen. In ihrer Feindschaft gegen Christus waren sie sich hingegen mit den Pharisäern und Schriftgelehrten einig. 4.4. Das SynedriumDas Synedrium war der hohe Rat, der wichtige religiöse und juristische Entscheidungen traf. Es war so etwas wie der oberste jüdische Gerichtshof. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Zusammensitz“. Es wurde ebenfalls auf ein Gericht oder ein Direktorium angewandt. Das Synedrium bestand aus 71 Mitgliedern und tagte unter dem Vorsitz des jeweiligen Hohenpriesters. Es bestand neben den Hohenpriestern aus Ältesten, Obersten, Schriftgelehrten, Pharisäern und Sadduzäern. Der Rat kam auf dem Tempelgelände in Jerusalem zusammen. Entstanden ist dieses Gremium um ca. 135 v. Chr. in der Zeit der bedingten Unabhängigkeit der Juden unter den Makkabäern. Das Synedrium hatte einen relativ großen Einfluss in religiösen und zivilrechtlichen Fragen – der allerdings aufgrund der römischen Oberherrschaft doch eingeschränkt war. So konnte das Synedrium zur Zeit Jesu keine Todesurteile fällen. Dennoch gestanden die Römer dem Synedrium gerade bei internen Angelegenheiten relativ große Freiheiten zu. In der Apostelgeschichte wird das Synedrium auch „Rat“, „hoher Rat“ oder „Ältestenschaft“ genannt. Das Synedrium war – schon aufgrund seiner Besetzung – gegen Christus eingestellt. Seine Mitglieder versuchten mehrfach, Ihn zu verhaften (Joh 7,32) und zu töten (Lk 22,2). Bei seiner Festnahme und Verurteilung spielte der hohe Rat eine wichtige Rolle (Mk 14,43), obwohl die Beteiligten dabei gegen ihre eigenen Gesetze und Regeln verstießen (Mt 26,59; 27,41). 4.5. Der TempelDer Tempel war – zusammen mit dem Synedrium – eine wesentliche Institution, die die jüdische Religion zur Zeit des Neuen Testamentes prägte. Der Tempel war das Haus Gottes, das nach Gottes Gedanken in Jerusalem stand. Den ersten Tempel hatte Salomo gebaut. Die Herrlichkeit Gottes hatte diesen Tempel erfüllt, ihn jedoch später aufgrund der Untreue der Juden verlassen. Nebukadnezar hatte diesen Tempel zerstört. Unter Serubbabel und Joschua wurde er nach der babylonischen Gefangenschaft neu aufgebaut. Es war dann Herodes der Große, der damit begann, diesen Tempel um- und auszubauen. Er begann damit im Jahr 19 v. Chr. Vollendet wurde der Bau erst 64 n. Chr., d. h. wenige Jahre bevor er 70 n. Chr. erneut zerstört wurde. Zur Zeit Jesu befand sich der Tempel also noch im Bau (vgl. Joh 2,20), war jedoch bereits ein prachtvolles Gebäude (Mt 24,1.2; Mk 13,1.2). Der Herr Jesus erkannte den Tempel einerseits als das „Haus seines Vaters“ an (Joh 2,16), allerdings musste Er zugleich feststellen, dass die Juden dieses Haus zu einer „Räuberhöhle“ gemacht hatten (Mt 21,13; Mk 11,17; Lk 19,46). Das Tempelgelände hatte drei Vorhöfe. Der äußere war der „Vorhof der Heiden“, den auch Menschen betreten durften, die keine Juden waren. Dann gab es den „Vorhof der Frauen“ und den „Vorhof Israels“. Nichtjuden war es bei Todesstrafe verboten, diese beiden zuletzt genannten Vorhöfe zu betreten. Eine von den Römern genehmigte „Tempelwache“ (eine Art Polizei) wachte darüber, wer Zutritt haben durfte (vgl. z. B. Apg 21,28). Den inneren Hof durften nur Männer betreten und den eigentlichen Tempel nur die Priester. Innerhalb des Tempels gab es die bekannte Aufteilung in das „Heiligtum“ und das „Allerheiligste“. Gold und Marmor waren wesentliche Bestandteile des Gebäudes. Die Vorderseite war komplett vergoldet. Im Tempel fand der Opferdienst statt. Vor allem an den Festtagen wurden dort große Mengen an Opfern geschlachtet. Das Blut wurde in das Kidrontal und den Fluss abgeleitet. Um das eigentliche Tempelgebäude herum gab es Hallen, in denen die Schriftgelehrten ihre Anhänger belehrten. Dort wird der Herr als Junge gewesen sein, als Er die Lehrer befragte und ihnen zuhörte (Lk 2,46). Dort wird Er später selbst das Volk belehrt haben (Joh 7,28; 8,20). 4.6. Die HohenpriesterIm Tempel selbst übten die Hohenpriester den Dienst aus. Täglich wurden die Morgen- und Abendopfer dargebracht, obwohl Gott an diesen Opfern kein Gefallen haben konnte.10 Anders als von Gott nach der Ordnung Aarons vorgesehen, wurden sie jedoch von den politischen Machthabern eingesetzt. Annas war von Pilatus abgesetzt und durch Kajaphas ersetzt worden. Die Juden erkannten jedoch beide an (Lk 3,2). Beide beteiligten sich an dem Verhör des Herrn vor dem jüdischen Rat. Hier eine Übersicht der Hohenpriester in der Zeit der Evangelien und kurz danach, von denen das Neue Testament nur zwei nennt:
4.7. Die SynagogeEine Synagoge ist eigentlich eine „Ansammlung von Menschen“ oder eine „Gemeinde“. Sie war zur Zeit des Neuen Testamentes ein Ort, wo Menschen zusammenkamen, um das Gesetz zu hören. Die Anfänge der Synagogen im Land Israel lassen sich möglicherweise auf die Zeit des babylonischen Exils zurückführen (Hes 8,1; 20,1–3). Nach der Rückkehr in ihr Land entstanden an vielen Orten Versammlungsorte, in denen die Menschen zum Gebet und Studium des Gesetzes zusammenkamen. Der hebräische Text wurde in Aramäisch übersetzt, damit er verstanden wurde. In der Zeit des Neuen Testamentes gab es solche Synagogen überall im Land und auch im Ausland. Es wird gesagt, dass zehn fromme Juden erforderlich waren, um eine Synagoge zu gründen. Jeder Jude konnte daran aktiv teilnehmen und etwas vorlesen und dazu sagen. Der jeweilige Vorsteher der Synagoge war dafür verantwortlich, dass alles der vorgegebenen Ordnung entsprach. Obwohl im Ablauf der Zusammenkünfte einerseits eine gewisse Freiheit gegeben war, gab es andererseits einen ausgeprägten Formalismus.11 Männer und Frauen saßen getrennt und nur Männer durften reden. In den Synagogen wurden ebenfalls die Jungen im Wort Gottes unterwiesen. Für viele Juden in der Zeit Jesu – vor allem außerhalb von Jerusalem – war die Synagoge Dreh- und Angelpunkt des religiösen Lebens. Die Ältesten, die einer Synagoge gemeinsam mit dem Vorsteher vorstanden, hatten weitreichende Kompetenzen, ihre Mitglieder zu strafen oder sogar auszuschließen (Joh 9,22; 12,42), was einer Ächtung gleichkam. 5. Der Begriff EvangeliumDie vier Berichte über das Leben und Sterben des Herrn sind mit dem Wort „Evangelium“ überschrieben. Diese Überschriften sind nicht vom Geist Gottes inspiriert, sondern später von Menschen hinzugefügt worden. Die vier Evangelien tragen diese Überschrift jedoch mit vollem Recht. In der Apostelgeschichte lesen wir wiederholt, dass das Evangelium verkündigt wurde. Das Wort „Evangelium“ kommt im Neuen Testament über 70-mal vor, zum ersten Mal in Matthäus 4,23, wo von dem Herrn gesagt wird, dass Er das Evangelium des Reiches predigte. Hinzu kommen die Verse, die von einer „guten Botschaft“ sprechen, die verkündigt wird (z. B. Mt 11,5; Lk 1,19; 3,18; 4,18; 7,22). Mit „Evangelium“ wurde ursprünglich der Lohn für das Überbringen einer guten Botschaft bzw. die Botschaft selbst beschrieben. Dabei handelte es sich häufig um Siegesbotschaften nach einem militärischen Sieg oder auch um politische oder private Freudenbotschaften. Religiöse Bedeutung bekam das Wort im Kaiserkult der Römer. So wurden z. B. der Regierungsantritt und Geburtstag des Kaisers oder andere große Taten als „Evangelium“ vom „göttlichen Weltherrscher“ proklamiert. Es geht also jedenfalls um eine gute oder freudige Nachricht. Das Neue Testament verbindet mit dem „Evangelium“ vor allem die Heilsbotschaft über den Retter, das ist Gott. Es ist in der Tat vor allem eine „gute Botschaft“, dass alle Menschen – obwohl sie Sünder sind – von einem heiligen und gerechten Gott auf der Grundlage des Werkes seines Sohnes am Kreuz angenommen werden können. In Matthäus 11,5 lesen wir, dass Armen „gute Botschaft“ verkündigt wird. In diesem Sinn gebraucht vor allem Paulus das Wort „Evangelium“ (vgl. z. B. Röm 1,1; 1,9; 1. Kor 15,1; 2. Kor 4,4; Gal 1,7; Eph 1,13 u.a.). In den Briefen der übrigen Schreiber kommt das Wort nur einmal vor, nämlich in 1. Petrus 4,6. Das Evangelium ist somit die gute Botschaft Gottes über seinen Sohn. Markus 1,1 verbindet diesen Ausdruck ausdrücklich mit dem Bericht über die Person des Herrn Jesus. Markus schreibt: „Anfang des Evangeliums Jesu Christi, des Sohnes Gottes“. Es fällt allerdings auf, dass das Wort in der Bibel stets in der Einzahl gebraucht wird. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn es gibt nur das eine Evangelium von Jesus Christus, dem Sohn Gottes. Es umfasst seine Person und sein Werk. Diese Botschaft verkündigten die Apostel. Dennoch sprechen wir heute häufig von den „vier Evangelien“ (Mehrzahl). Schon die frühen Kirchenväter haben dieses Vokabular so benutzt – und das nicht zu Unrecht. Die ersten vier Bücher des Neuen Testamentes enthalten tatsächlich Gottes gute Botschaft an uns Menschen. Gott kommt in Jesus Christus zu uns Menschen, um uns zu retten. Die Verkündiger dieser Botschaft werden folglich zu Recht „Evangelisten“ genannt, selbst wenn die Bibel das nicht ausdrücklich tut.12 Der biblische Begriff „Evangelium“ hat seine Wurzeln allerdings bereits im Alten Testament. Dort steht in Jesaja 61,1.2 der Ausdruck „frohe Botschaft“. Er entspricht in etwa dem neutestamentlichen Wort „Evangelium“. Der Herr Jesus bezieht sich in Lukas 4,17.18 ausdrücklich auf diese Stelle und zeigt, dass sie in seiner Person erfüllt worden ist. Die Evangelien dokumentieren somit die Erfüllung alttestamentlicher Voraussagen auf und durch Jesus Christus. Was die Propheten im Alten Bund geweissagt haben, hat sich zu einem Teil bereits erfüllt. Das Evangelium von Jesus Christus ist die gute Botschaft Gottes für alle Menschen! Was noch nicht erfüllt ist, wird sich ebenso sicher in der Zukunft noch erfüllen. 6. Der Inhalt der Evangelien und der ApostelgeschichteOhne zunächst auf die Unterschiede der vier Evangelien einzugehen, können wir acht Perioden im Leben unseres Herrn unterscheiden, die behandelt werden (obwohl aus gutem Grund nicht von allen Schreibern gleichzeitig): Die Zeit vor seiner Geburt: Matthäus und Lukas schreiben davon, wie seine Geburt angekündigt wurde und unter welchen Umständen das geschah. Markus und Johannes erwähnen diese Zeit überhaupt nicht. Johannes geht allerdings auf die Ewigkeit vor der Zeit zurück, wenn er davon spricht, dass im Anfang das Wort war.
Die Apostelgeschichte bezeugt das, was in den Evangelien berichtet wird. Es geht um das authentische Zeugnis derer, die Jesus Christus entweder auf der Erde erlebt hatten (die 12 Jünger) oder Ihm als dem Auferstandenen begegnet waren (Paulus). Je nachdem, welches Evangelium wir lesen, liegt der Schwerpunkt der Berichterstattung etwas anders. Warum das so ist, werden wir in der Einführung zu dem jeweiligen Evangelium im Detail besehen. Hier im Folgenden nur ein Überblick. 7. Vier Evangelien und ihre SchreiberDie Bibel enthält bewusst nicht nur eine einzige Beschreibung des Lebens und Sterbens unseres Heilandes, sondern Gott beauftragt vier Männer, unter der Leitung des Heiligen Geistes über seinen Sohn zu schreiben. Er tut das nicht ohne Grund und jedes menschliche Bemühen, aus den vier verschiedenen Evangelien ein Einheitsevangelium zu schaffen, ist zum Scheitern verurteilt. Gott hat uns mit Absicht vier Evangelien gegeben.
Auf die Frage, warum Gott vier Schreiber beauftragt, über seinen Sohn zu schreiben, können wir verschiedene Antworten geben. Eine Antwort lautet, dass die Person, die beschrieben wird, so groß ist, dass eine einzige Beschreibung (und selbst zwei oder drei) nicht ausreichen würden, sie angemessen zu würdigen. Deshalb beauftragt Gott vier Männer damit (Joh 21,25). Vier ist die Zahl der Universalität (vier Himmelsrichtungen, vier Winde, vier Ecken der Erde, vier Jahreszeiten, vier Weltreiche, vier Ackerböden usw.). Die vier verschiedenen Blickwinkel geben uns ein angemessenes und notwendiges Verständnis dieser für uns Menschen nicht zu erfassenden Person, obwohl wir niemals wirklich in der Lage sein werden, das Geheimnis seiner Person – Gott und Mensch zugleich – ergründen zu können. Zudem richtet sich das Heil, das in dem Sohn Gottes offenbart wird, ohne Unterschied an jeden Menschen, sei er Jude, Römer, Grieche oder unzivilisierter Heide. Und gerade aus den unterschiedlichen Lesern ergibt sich eine weitere Notwendigkeit für vier Evangelien. Einem Juden musste das Evangelium anders erklärt werden als einem Römer, einem Griechen oder einem Heiden. Die missionarische Zielsetzung der Evangelien erfordert unterschiedliche Verfasser. Eine weitere Antwort ist, dass Gott Wert darauf legt, das Wirken seines Sohnes eindrucksvoll und nachhaltig zu bezeugen. Im Alten Testament galt der Grundsatz, dass jede Sache von mindestens zwei (besser drei) Zeugen bestätigt werden sollte (vgl. 5. Mo 17,6; 19,7). Dieses Prinzip wird im Neuen Testament ausdrücklich bestätigt (Mt 18,16; 2. Kor 13,1). Nun geht Gott in den Evangelien sogar darüber hinaus und gibt uns vier Zeugen. In einem gewissen Sinn beschreiben die Evangelien den Höhepunkt der göttlichen Heilsgeschichte und da reichen zwei oder drei Zeugen nicht aus. Es sind zweimal zwei Zeugen. Die vier ausgewählten Schreiber der fünf Bücher sind Matthäus (Levi), Markus (Johannes), Lukas (der geliebte Arzt, Schreiber des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte) und Johannes (der Jünger, den Jesus liebte). Zwei (Matthäus und Johannes) waren Jünger des Herrn Jesus und damit direkte Augen- und Ohrenzeugen dessen, wovon sie berichten. Sie wurden später zu den Aposteln gezählt. Zwei (Markus und Lukas) waren darauf angewiesen, dass andere ihnen von dem Leben Jesus erzählten.14 Lukas erwähnt das ausdrücklich (vgl. Lk 1, 1–4).15 Im Fall von Markus ist davon auszugehen, dass er viele Informationen von Petrus empfangen hat, mit dem er eng verbunden war (vgl. 1. Pet 5,13). Wir können Lukas und Markus zu den neutestamentlichen Propheten zählen. Drei Evangelisten (Matthäus, Markus und Johannes) sind gebürtige Juden. Lukas hingegen war von Geburt griechischer Staatsbürger. Er ist der einzige Schreiber im Neuen Testament, der kein Jude war. Wir erkennen darin die besondere Weisheit Gottes, der das Evangelium der universalen Gnade Gottes, die jeden Menschen anspricht, einem Mann anvertraut, der aus den Heiden stammt. Und gerade er ist es, dem der Auftrag gegeben wurde, die Apostelgeschichte zu schreiben. 8. Unterschiedliche Schwerpunkte in den vier EvangelienBeim Lesen der vier Evangelien wird unmittelbar klar, dass sie einerseits eine literarische Einheit bilden und ein gemeinsames Thema haben. Andererseits wird ebenso unmittelbar klar, dass jeder Schreiber einen unterschiedlichen Schwerpunkt hat. Die Apostelgeschichte hat ihren eigenen Charakter, schließt jedoch unmittelbar an die Berichterstattung in den Evangelien an (vgl. Apg 1, 1). Im Folgenden konzentrieren wir uns auf die Schwerpunkte in den Evangelien. 8.1. Das Leben des Herrn JesusIm Blick auf das Leben des Herrn Jesus werden folgende Merkmale sichtbar:
Als Überschrift kann man die Aussage aus dem Propheten Jeremia setzen:
Als Überschrift kann man die Aussage aus dem Propheten Sacharja setzen:
Als Überschrift kann man die Aussage aus dem Propheten Sacharja setzen:
Als Überschrift kann man die Aussage aus dem Propheten Jesaja setzen:
8.2. Das Opfer des HerrnDas Leiden und Sterben des Herrn Jesus reflektiert die vier blutigen Opfer, die zu Beginn des 3. Buches Mose genannt werden, nämlich
Die Reihenfolge in den Evangelien ist allerdings umgekehrt. In 3. Mose sehen wir die Opfer aus der Sichtweise Gottes (deshalb steht das Brandopfer an erster Stelle). In den Evangelien sehen wir die Sichtweise des Menschen (deshalb beginnt es mit dem Schuldopfer).
Wenn wir abschließend noch an das Speisopfer denken (ein unblutiges Opfer), so finden wir darin das Leben des Herrn Jesus in seiner Reinheit vorgestellt. Das Speisopfer wurde stets zusammen mit einem anderen Opfer gebracht. Es erinnert an das reine und vollkommene Leben des Herrn Jesus, so wie es uns in allen vier Evangelien gezeigt wird. Die Predigt von Jesus Christus in der Auferstehung basiert auf seinem Werk am Kreuz. Ohne das Opfer des Herrn Jesus gibt es keine gute Botschaft für verlorene Menschen. Deshalb schließt die Apostelgeschichte unmittelbar an die Evangelien an. 8.3. Hinweise im Alten TestamentMan findet speziell die Unterschiede zwischen den vier Evangelien im Alten Testament illustriert. Hier einige Beispiele:
8.4. Weitere UnterschiedeWeitere Unterschiede in den Evangelien zeigen, dass sich häufig eine Einteilung in „zwei und zwei“ ergibt:
Auffallend ist jedoch, dass es ebenso eine Einteilung in „drei plus eins“ gibt.17 Die ersten drei Evangelien werden häufig die „synoptischen Evangelien“ genannt. „Synopsis“ bedeutet so viel wie „Zusammenschau“. Die Berichte der drei Synoptiker weisen inhaltlich deutliche Parallelen auf, die man gut nebeneinanderstellen und vergleichen kann. Johannes hingegen schreibt völlig anders. Die Parallelen zwischen Johannes einerseits und den drei übrigen andererseits sind nicht sehr groß. Ca 90% dessen, was Johannes schreibt, findet sich in den anderen Evangelien nicht. Johannes erwähnt z. B. nur ein einziges Wunder, das die übrigen Evangelisten ebenfalls erwähnen. Alle übrigen Zeichen, von denen Johannes spricht, werden wiederum in den ersten drei Evangelien nicht erwähnt. Der Inhalt der Kapitel 13 bis 17 des Johannesevangeliums fehlt in den ersten dreien vollständig, während Johannes keine der großen Ansprachen des Herrn Jesus erwähnt, von denen in den ersten dreien die Rede ist (z.B. die Bergpredigt oder die Endzeitrede). Hier wird besonders deutlich, dass Gott nicht nur drei Zeugen auswählt, sondern einen vierten, der völlig anders schreibt. Bei Johannes ist die Ablehnung des Herrn Jesus durch sein Volk von Anfang an eine feststehende Tatsache, während sie sich in den drei übrigen Evangelien erst sukzessive zeigt. Die ersten drei Evangelien wurden vor der Zerstörung des Tempels im Jahr 70 n. Chr. geschrieben. Johannes hingegen schreibt sein Evangelium erst ca. 20 Jahre danach. Während in den ersten drei Evangelien die Zerstörung des Tempels noch angekündigt wird, ist sie bei Johannes längst eine bekannte Tatsache. Der jüdische Gottesdienst war damit bereits zu einem Ende gekommen. Johannes beschreibt überwiegend den Dienst des Herrn Jesus in Judäa, während sich die Synoptiker mehr mit seinem Dienst in Galiläa beschäftigen. 8.5. Die AdressatenMit Ausnahme des Lukasevangeliums werden die ursprünglichen Adressaten nicht ausdrücklich genannt. Dennoch ist es der Mühe wert, auf diese Frage kurz einzugehen, denn es hilft häufig, ein Bibelbuch besser zu verstehen, wenn man die ursprüngliche Zielgruppe kennt. In der Zeit, in der das Neue Testament geschrieben wurde, konnte man die Menschheit in vier Gruppen einteilen, nämlich erstens die Juden (das irdische/alte Volk Gottes), zweitens die Römer (die politischen Machthaber), drittens die Griechen (die kulturellen Menschen) und viertens die Christen. Gott in seiner Weisheit hat es so geführt, dass jeweils ein Evangelium sich ursprünglich besonders an eine dieser vier Gruppen richtete (wobei klar ist, dass der Inhalt grundsätzlich für jeden Menschen wichtig ist).
8.6. Keine Widersprüche in den vier EvangelienSelbst wenn es auf den ersten Blick an manchen Stellen so aussieht, beinhalten die vier Evangelien an keiner einzigen Stelle einen Widerspruch. Im Gegenteil: Sie ergänzen einander und gerade im Studium der Unterschiede liegt ein besonderer Segen für jeden Leser. Einige Beispiele aus dem täglichen Leben machen klar, dass unterschiedliche Berichte sich keineswegs widersprechen müssen, sondern einander vielmehr ergänzen.
Es ist deshalb von vornherein zum Scheitern verurteilt zu versuchen, aus den vier Evangelien ein einziges Evangelium zu machen. Das entspricht nicht der Absicht Gottes, der uns gerade durch die Unterschiede der vier Evangelien ein helles Licht auf die Größe und Herrlichkeit seines Sohnes gibt. So wie niemand in der Lage ist, die verschiedenen Farben eines Regenbogens zu einer Einheitsfarbe zu mischen, wollen wir die einzelnen Berichte so stehen lassen wie sie sind. Das entspricht erstens der Absicht Gottes, zweitens macht es uns unseren Herrn und Heiland umso größer und herrlicher. 8.7. ZwischenfazitAls Zwischenfazit halten wir fest, dass es zwar vier Evangeliumsberichte, aber nur ein Evangelium gibt. Es gibt vier Berichterstatter, doch nur einen, von dem sie berichten und nur einen, der sie inspiriert hat (der Heilige Geist). Das Zeugnis der Jünger in der Apostelgeschichte beweist das nachdrücklich. Es gibt vier verschiedene Empfänger, die repräsentativ für alle Menschen stehen, denen das Evangelium des Heils in Christus gilt. Folgende Tabelle fasst einige Punkte zusammen:
9. Die Entstehung der EvangelienDie Frage stellt sich, wie es dazu kam, dass gerade die vier Evangelisten ihre unterschiedlichen Berichte über das Wirken des Herrn Jesus auf der Erde aufgeschrieben haben. Die Antwort darauf kann nur lauten: Sie taten es im Auftrag und unter der Leitung des Heiligen Geistes. Er hat ihnen Wort für Wort eingegeben, was sie schreiben sollten (2. Tim 3,16; 2. Pet 1,21). Deshalb sind die vier Evangelien (und die Apostelgeschichte) erstens fehlerfrei und ohne jeden Widerspruch, zweitens besitzen sie die volle Autorität des Wortes Gottes. 9.1. Mündliche und schriftliche ÜberlieferungenDie Tatsache der geistgewirkten Inspiration schließt nicht aus, dass die Verfasser auf unterschiedliche Weise und in ihrer jeweiligen Persönlichkeit von Gott benutzt wurden und auf ihnen vorliegende Informationen zurückgegriffen haben. Gerade Lukas macht das in seinen einleitenden Worten deutlich (Lk 1,1–4). Er spricht von Berichten, die verfasst worden sind. Er spricht von Überlieferungen von Augenzeugen, denen er genau gefolgt ist. Die Autoren waren keine „willenlosen Instrumente“. Das gilt für alle Verfasser biblischer Bücher – die vier Evangelisten und die Apostelgeschichte eingeschlossen. Wir können also davon ausgehen, dass die vier Schreiber – die ja nur zum Teil Augenzeugen waren – mündliche und schriftliche Berichte vorliegen hatten, auf die sie beim Schreiben unter der Leitung des Heiligen Geistes zurückgegriffen haben. Zunächst werden das mündliche Überlieferungen gewesen sein, die aufgrund der Informationen der Augenzeugen (vor allem der Jünger) unter den ersten Christen kommuniziert wurden. Diese Überlieferungen stammten also aus unterschiedlichen Quellen. Die Jünger Jesu hatten sich gut gemerkt, was Jesus getan und gelehrt hatte und gaben es an andere weiter. Das bestätigt z. B. Petrus in seiner Rede im Haus des Kornelius (Apg 10,37–43). Wir können davon ausgehen, dass die Botschaft von Jesus Christus in den ersten 20 Jahren hauptsächlich mündlich weitergegeben wurde. Diese mündlichen Informationen bildeten neben den Erinnerungen der Augenzeugen die Basis für die geschriebenen Berichte. Es liegt auf der Hand, dass es notwendig wurde, die Erinnerungen an das Leben des Heilands schriftlich niederzulegen. Nur so konnte – vor allem im Blick auf die zügige Verbreitung des Evangeliums in der damals bekannten Welt – sichergestellt werden, dass korrekte Informationen verfügbar waren. Außerdem verminderte sich im Lauf der Zeit die Anzahl der Augenzeugen auf natürliche Weise. Das erste Evangelium entstand daher etwa 20 Jahre nach der Himmelfahrt Jesu. Viele Gelehrte gehen davon aus, dass Markus der erste Schreiber war (ca. 45–60 n. Chr.). Ganz sicher ist das jedoch nicht. Kurz darauf folgten Matthäus und Lukas. Als gesichert gilt, dass alle drei vor der Zerstörung Jerusalems im Jahr 70 n. Chr. geschrieben haben. Zuletzt schrieb Johannes (ca. 90–95 n. Chr.). Woher nun hatten die vier Verfasser ihre Informationen?
9.2. Die synoptische FrageUnter den frühen Christen gab es keine Zweifel darüber, wie die vier Evangelien entstanden sind. Später jedoch stellten sich vermehrt die Fragen, auf welche Quellen die Verfasser wohl zurückgegriffen haben und vor allen Dingen, ob sie voneinander abgeschrieben haben. Besonders Theologen, die die göttliche Inspiration der Bibel in Frage stellen, haben diese Fragen aufgeworfen und allerhand Theorien und Hypothesen aufgestellt. Die aufgeworfenen Fragen werden in der Theologie als das „synoptische Problem“ bezeichnet, weil davon besonders die ersten drei Evangelien betroffen sind. Es würde den Rahmen und das Ziel dieser Einführung in die vier Evangelien sprengen, die verschiedenen Theorien hier im Einzelnen darzustellen. Heute gehen viele bibelkritische Theologen20 von der sogenannten „Zwei-Quellen-Theorie“ aus.21 Diese Theorie besagt im Prinzip zweierlei:
Beide Hypothesen dieser Theorie sind zurückzuweisen. Dazu nur ein paar kurze Hinweise:
Letztlich ist es müßig, diesen Fragen ausführlich nachzugehen. Es stimmt nachdenklich, wenn man erstens bedenkt, dass Verfechter dieser Theorien die göttliche Inspiration der Evangelien im Wesentlichen ablehnen und stattdessen eine historisch-kritische Haltung einnehmen. Zweitens ist falsch, die Unterschiede in den Evangelien historisch erklären zu wollen. Sie sind – wie wir gesehen haben –, vielmehr von Gott beabsichtigt. 10. Der praktische NutzenDie Lektüre der vier Evangelien und der Apostelgeschichte ist von größtem praktischen Nutzen für jedes Kind Gottes. Mehr noch, es ist für jeden Jünger Jesu absolut notwendig, sich immer wieder diesen Büchern zuzuwenden und sie aufmerksam zu lesen. Der Nutzen liegt vor allem in drei Dingen:
Die Evangelien lehren uns, wie Jesus auf der Erde gelebt und gewirkt hat. Die Apostelgeschichte lehrt uns, wie Er vom Himmel aus weiterwirkt (Mk 16,20). In den übrigen Büchern des Neuen Testamentes (und vorbildlich zusätzlich im Alten Testament) finden wir zwar durchaus wichtige Hinweise auf sein Leben auf der Erde. Doch nirgendwo finden wir eine solche Fülle von Informationen wie in den Evangelien und der Apostelgeschichte. Wir brauchen diese Bücher, um der Aufforderung des Johannes nachzukommen, so zu leben, wie Jesus gelebt hat (1. Joh 2,6)! Wenn man jeweils eine praktische Kernkonsequenz nennen sollte, könnte man Folgendes sagen:
Fußnoten Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel Wie heißen die vier Bücher der Bibel?Genesis (1. Mose). Exodus (2. Mose). Levitikus (3. Mose). Numeri (4. Mose). Deuteronomium (5. Mose). Was ist das vierte Buch im Neuen Testament?Das vierte und letzte Evangelium ist das Johannes-Evangelium, das etwa um 100 nach Christus entstand, vermutlich in Ephesus, der heutigen Türkei.
Wie nennt man das erste Buch der Bibel?Buch Mose, hebräisch בְּרֵאשִׁית (bere'šīt) Bereschit, altgriechisch Γένεσις (Génesis) Genesis genannt, ist das erste Buch des jüdischen Tanach, des samaritanischen Pentateuch wie auch des christlichen Alten Testaments (auch bezeichnet als Erstes Testament oder Hebräische Bibel), und damit das erste Buch der ...
Wie heißen die Bücher der Bibel?Inhaltsverzeichnis. 2.1 Evangelien.. 2.2 Geschichtsbuch.. 2.3 Apostelbriefe. 2.3.1 Paulusbriefe. 2.3.2 Hebräerbrief und Katholische Briefe.. 2.4 Apokalyptisches Buch.. |