Welche bedeutung hatte die schweiz für nazigegner

Am 29. September 1938 steht Europa am Rande des Krieges. Die Sudetenkrise zwischen dem Deutschen Reich und der Tschechoslowakei droht zu eskalieren. Die Großmächte einigen sich - zugunsten Hitlers.

Veröffentlicht am 29.09.2013 | Lesedauer: 3 Minuten

Welche bedeutung hatte die schweiz für nazigegner

Welche bedeutung hatte die schweiz für nazigegner

Adolf Hitler (M) steht zwischen (l-r) Arthur Neville Chamberlain (Großbritannien), Edouard Daladier (Frankreich), Benito Mussolini (Italien) und Graf Galeazzo Ciano (Italien) in Mü...nchen.

Quelle: picture-alliance / akg-images

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Vor 75 Jahren steht die Welt am Abgrund eines Krieges: Nach dem "Anschluss" Österreichs im März 1938 richteten sich Adolf Hitlers Begehrlichkeiten auf die Tschechoslowakei. Dort lebte eine drei Millionen Menschen starke deutsche Minderheit.
Auf dem Reichsparteitag "Großdeutschland" stellte Hitler im September 1938 aggressive Forderungen an das Nachbarland. Er schürte die Autonomieforderungen der Sudetendeutschen Partei des Politikers Konrad Henlein. Der Turnlehrer probte darauf - erfolglos - einen Aufstand gegen das tschechoslowakische Militär.

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In der angespannten Lage kamen die Großmächte Frankreich, Großbritannien, Italien und Deutschland am 29. September 1938 im "Führerbau" in München zusammen. Der britische Premier Neville Chamberlain, Frankreichs Regierungschef Edouard Daladier, Hitler und der italienische Diktator Benito Mussolini besiegelten in der Nacht die Abtrennung der Sudetengebiete von der Tschechoslowakei (CSR).

Kein Vertreter des betroffenen Landes war dabei. Tschechoslowakische Diplomaten wurden bereits am Flughafen von Gestapo und Polizei empfangen und in ein Hotel gebracht. Erst spät erfuhren sie die ganze Wahrheit: "Auf Befehl Chamberlains übergab man uns einen neuen Plan der abzutretenden Gebiete und Henleins Karte mit den markierten Bezirken", berichtete ein Diplomat später.

"Diktat von München" ist noch heute ein Trauma

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Im heutigen Tschechien wird das Abkommen, das den Verlust von 30 Prozent des Staatsgebiets bedeutete, als "Diktat von München" wahrgenommen. "Es war eine Illusion zu glauben, dass diese Machtordnung Bestand haben könnte", meint der Historiker Oldrich Tuma, der das nationale Institut für Zeitgeschichte in Prag leitet.

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Doch im Westen überwog zunächst die Erleichterung. Der britische Premierminister Neville Chamberlain verkündete nach seiner Rückkehr, er habe den "Frieden für unsere Zeit" gesichert. Mit dem Einmarsch Hitler-Deutschlands in der sogenannten "Rest-Tschechei" zerschlugen sich diese Hoffnungen weniger als sechs Monate später. Chamberlains Beschwichtigungspolitik (Appeasement) war gescheitert.

"Es ging Hitler nicht um die Minderheit", meint der Historiker Tuma. Der Diktator habe von Anfang an die Tschechoslowakei zerschlagen wollen. Das Nachbarland sei beispielsweise ein Zufluchtsort für Nazi-Gegner gewesen. So tagte der SPD-Vorstand von 1933 bis zum Frühjahr 1938 in Prag im Exil.

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Tuma räumt ein, dass die Behandlung der deutschen Minderheit in der CSR nicht immer mustergültig war. "Es gab Nadelstiche, die überflüssig waren, aber sehr viel Verärgerung und Bitterkeit verursachten", sagt Tuma. Die Deutschen hätten wiederum nie den Verlust ihrer herrschenden Rolle in der Habsburgermonarchie mit der Gründung der Tschechoslowakei im Jahr 1918 verwinden können.

Der lange Schatten des Münchner Abkommens

Für diplomatische Wirrungen sorgte das Münchner Abkommen noch einmal in den 1970er Jahren. Die Bundesrepublik unter dem damaligen Kanzler Willy Brandt (SPD) wollte mit dem Nachbarland Beziehungen aufnehmen. Doch die Tschechoslowakei forderte, Deutschland müsse das Münchener Abkommen für "von Anfang an ungültig" erklären.
Bonns Standpunkt war klar: Das Abkommen wurde erst mit dem Einmarsch in die sogenannte "Rest-Tschechei" im März 1939 nichtig. Es ging vor allem um die Gültigkeit von Rechtsakten. Schlimmstenfalls hätte die Tschechoslowakei die deutsche Staatsbürgerschaft der Sudetendeutschen anzweifeln können, erklärt Tuma. "Weil sie in der deutschen Armee dienten, hätte die Tschechoslowakei sie dann für Hochverräter halten müssen."

Heute ist die Frage kein Thema mehr, das die Beziehungen belasten würde. Zum 75. Jahrestag kocht in Prag eine ganz andere Diskussion wieder hoch: Hätte sich die tschechoslowakische Armee gegen Hitler-Deutschland wehren müssen, fragen Publizisten. Im Einklang mit den meisten Historikern meint Tuma dazu indes: "Die Vorstellung eines Kriegs im Alleingang ist einfach unrealistisch."