Warum kann mein Baby den Kopf nicht halten?

Federleicht wirkt das Neugeborene, wenn Mama oder Papa es das erste Mal in ihre Arme nehmen. Dabei hat es selbst große Mühe, seinen eigenen Kopf zu tragen. Fast ein Drittel des zarten Körpers nimmt er ein. Im Fruchtwasser war das kein Problem. Doch jetzt im Reich der Schwerkraft sind die Muskeln des Babys in den ersten Wochen noch zu schwach, um den Kopf zu heben und zu halten.

Nur im Notfall, zum Beispiel wenn es keine Luft bekommt, kann das Neugeborene sein Köpfchen einige Millimeter hochnehmen und zur Seite drehen. Diesen Überlebensreflex hat die Natur ihm mitgegeben. Beim Herausnehmen aus seinem Bettchen aber, beim Baden, beim Anziehen oder wenn es trinkt, braucht der Kopf noch einen sicheren Halt – erst durch Mamas oder Papas flache Hand, später genügen dann zwei, drei Finger als Nackenstütze.

Babys müssen ihre Muskeln trainieren

Nach den ersten Wochen wird Kopfhaltung für das Baby dann zur Trainingssache – und für Eltern zu einer Frage des Gefühls. “Die meisten sind sehr vorsichtig”, sagt Krankengymnastin Verena Schaaf, “und muten ihrem Baby zu wenig zu.” Stärken können Eltern die Hals- und Nackenmuskulatur ihres Kindes, indem sie es bäuchlings auf dem Unterarm herumtragen. Oder es in Bauchlage auf eine Decke legen – mit einem interessanten Spielzeug in Blicknähe. Unwillkürlich wird es dann versuchen, seine Muskeln anzuspannen und sein Köpfchen zu heben. Bereits im zweiten Monat kann ein Säugling seinen Kopf ganz gut mitnehmen, wenn er in Seitenlage hochgehoben wird. Aus der Rückenlage oder auf dem Arm braucht er in diesem Alter noch Unterstützung. Mit drei Monaten streckt das Kind in Bauchlage sein Köpfchen schon ziemlich sicher nach oben, und einen Monat später haben die meisten kleinen Menschen den Kampf gegen die Schwerkraft endgültig gewonnen. Sie bewegen ihren Kopf immer sicherer.

Manche Kinder haben eine schwache Seite

Bei manchen Kindern dauert es auch etwas länger. Weil sie zum Beispiel eine Lieblingsseite haben und ihr Köpfchen immer nur in eine Richtung drehen. Dadurch wird die Nackenmuskulatur einseitig belastet. In diesem Fall braucht das Baby Hilfe. Es sollte von der anderen Seite hochgenommen und dazu animiert werden, die Blickrichtung zu ändern. Am besten bietet man ihm auf der “schwachen Seite” interessante, möglichst bunte Spielsachen an Das reizt jedes Kind; es wird versuchen, sein Köpfchen zu drehen und sich diesen Dingen zuzuwenden, um sie genauer zu betrachten.

Der Kinderarzt Karl-Heinz Deeg über die Folgen des Schütteltraumas bei Babys. Das Schütteln sei eher Hilflosigkeit als bewusste Misshandlung.

Warum kann mein Baby den Kopf nicht halten?

Eltern müssen vorsichtig sein, denn bei kleinen Kindern sind die Halsmuskeln noch schwach. Foto: Patrick Pleul (dpa)

taz: Herr Deeg, warum ist ein Schütteltrauma für Babys so gefährlich?

Karl-Heinz Deeg: Der Kopf eines Säuglings ist im Unterschied zum Körper sehr groß. Ein Neugeborenes kann seinen Kopf nur schlecht kontrollieren, erst mit einem halben Jahr, wenn es zu sitzen beginnt, sind die Halsmuskeln so gut entwickelt, dass eine bessere Kopfkontrolle möglich ist. Wenn man ein sehr kleines Kind mit den Händen unter die Achseln hält, hin und her schüttelt und auffordert: „Hör endlich auf zu schreien!“, dann schleudert sein Kopf genau in diesem Takt hin und her.

Das klingt nach einer Alltagssituation.

Den Leuten ist nicht bewusst, wie extrem gefährlich das ist. Der schwere Kopf schleudert unkontrolliert vor und zurück. Wie bei einem Aufprallunfall mit dem Auto, nur dass es für das Kind viel schlimmer ist. Wird der Körper nach vorne bewegt, schleudert der Kopf phasenverschoben nach hinten. Bewegt sich der Körper nach hinten, schleudert der Kopf nach vorn.

im Interview:

Karl-Heinz Deeg

Warum kann mein Baby den Kopf nicht halten?

63, ist Chefarzt der Kinderklinik Bamberg, ist unter anderem Kinderkardiologe, Neonatologe und Spezialist für pädiatrische Intensivmedizin und Ultraschall in der Kinderheilkunde. Er war lange Jahre Vorsitzender pädiatrischen Sektion der DEGUM (Deutsche Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) und der Süddeutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin.

Und das schädigt das Hirn?

Das Hirn schwimmt in Flüssigkeit, dem Nervenwasser. Die außen lokalisierte graue Substanz des Gehirns ist über kleinste Gefäße mit den sie umgebenden Hirnhäuten verbunden. Die innere weiße Substanz ist demgegenüber nicht fixiert. Durch das Schleudern verschieben sich graue und weiße Substanz gegenläufig zueinander. An der Grenze zwischen grauer und weißer Substanz kann es zu Zerreißungen kommen. Die Nervenzellen können dann keine Impulse mehr weiterleiten. Schwerste neurologische Schäden mit geistiger Behinderung sind die Folge.

Wie reagiert das Kind?

Wenn es zu Verletzungen im Gehirn gekommen ist, hört das Kind eventuell auf zu schreien. Es kann zu Bewusstseinstrübungen, zur Hirnschwellung und zu Hirnblutungen kommen. Ein Kind muss daran nicht unbedingt sterben. Es kann jedoch zu schweren geistigen Behinderungen führen.

Wie stellen Sie als Arzt ein Schütteltrauma fest?

Es ist schwer zu diagnostizieren. Da man dem Kind die Hirnverletzungen nicht ansieht, muss man zunächst daran denken, dass eventuell ein Schütteltrauma vorliegt. Beim jüngsten Fall, den ich hatte, wurde ein Baby gebracht, das schlecht trank, bewusstseinsgetrübt war und nur noch wimmerte. Mit hoch auflösenden Ultraschalluntersuchungen oder einer Kernspintomografie des Gehirns kann man die Verletzungen sichtbar machen. Typisch für das Schütteltrauma sind zudem Netzhautblutungen, sodass der Augenhintergrund untersucht werden sollte.

Gibt es Risiko-Konstellationen?

In der Regel sind es junge Eltern, oft aus schwächeren sozialen Schichten, sowie Menschen ohne berufliche Perspektive. Häufig sind die Täter Männer. Bei alleinerziehenden Müttern ist es dann vielleicht nicht der Vater des Kindes, sondern ein Freund. Der fühlt sich in dem, was er tut, gestört, und will seine Ruhe.

Geschieht dies aus böser Absicht?

Nein. Wenn man ein Kind schlägt und ihm die Knochen bricht, dann ist das eine bewusste Kindesmisshandlung. Das Schütteln ist eher eine Hilflosigkeit und keine bewusste Misshandlung. Aber auch gerade deshalb gefährlich.

Ein jungen Vater in Hamburg wurde gerade zu sieben Jahren verurteilt, weil sein Kind durch Schütteln sehr schwer verletzt wurde.

Das finde ich lange. Nicht dass ich das gut finde, ich bin Anwalt des Kindes. Aber die Täter wissen oft gar nicht, wie gefährlich das ist was sie tun.

Passiert es häufiger als früher?

Nein. Aber, die inneren Verletzungen sind heute durch die modernen bildgebenden Verfahren früher und besser zu erkennen.

Was sollte man tun als Prävention?

Zum einen die Gefahr bekannter machen in der Öffentlichkeit. Zum anderen ist das Schütteltrauma oft ein mehr-zeitiges Ereignis. Das heißt, die meisten betroffenen Kinder wurden nicht nur einmal geschüttelt und sterben nicht beim ersten Mal daran. Wenn man es rechtzeitig diagnostiziert, kann man eingreifen und das Kind aus der Familie nehmen.

Was passiert wenn man bei Babys den Kopf nicht hält?

Säuglinge können ihren Kopf noch nicht alleine halten. Beim Schütteln wird der Kopf vor- und zurückgeworfen. Dabei kann es zu schweren Verletzungen im Gehirn kommen, das bei einem kleinen Kind noch sehr zart ist. Man spricht dann von einem Schütteltrauma.

Wie lernt mein Baby den Kopf zu halten?

Möchte man sein Kind etwas ermutigen, den Kopf zu heben und somit die Nackenmuskulatur zu trainieren, kann man das Baby von Zeit zu Zeit auf den Bauch drehen. Es wird versuchen, nach dir oder seinem Spielzeug zu schauen. Das sollte jedoch behutsam passieren und stets unter Aufsicht.

Wann soll Baby Kopf halten?

-2. Monat: Schon in den ersten Wochen kann Ihr Baby in Bauchlage den Kopf für kurze Zeit anheben und zur Seite drehen. Im 2. Monat hebt Ihr Baby seinen Kopf in der Bauchlage bereits für einige Sekunden so hoch an, dass das Kinn die Unterlage nicht mehr berührt.