Rheinland-Pfalz und Bayern fordern mehr Verantwortung für die Betreiber von Sozialen Netzwerken bei der Bekämpfung strafbarer Inhalte. Die Justizminister beider Bundesländer wollen sich bei der zweitägigen Justizministerkonferenz am 1. und 2. Juni in Hohenschwangau (Bayern) mit einem gemeinsamen Antrag für eine neue gesetzliche Regelung stark machen, teilte der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) am Samstag mit. Hintergrund der Initiative sei eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln vom März, die das Netzwerkdurchsetzungsgesetz quasi außer Kraft gesetzt habe. Den Betreibern von Sozialen Netzwerken war zuvor durch Paragraf 3a dieses Gesetzes die Pflicht auferlegt worden, dem Bundeskriminalamt bestimmte möglicherweise strafbare Inhalte mitzuteilen, wenn Nutzer sich darüber beschwerten. Die Kölner Richter urteilten nun allerdings, dass diese Vorgabe nicht mit EU-Recht vereinbar sei. Als Konsequenz aus dieser Entscheidung sei es nun wichtig, so Mertin, „auf europäischer Ebene für eine gleichwertige rechtssichere Lösung zu sorgen“. Bei den Bürgern sei durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz „die berechtigte Erwartung geweckt“ worden, der Staat werde „effektiver gegen Hass und Hetze im Netz vorgehen“. EU-Recht dürfe hier zu keinem Rückschritt hinter den bisherigen deutschen Standard führen, so der Justizminister. Anlass für den gemeinsamen Antrag der beiden Länder ist laut Mertin „die besorgniserregende Zunahme von Hasskommentaren, Beleidigungen und Bedrohungen im Internet“, die sich jüngst „besonders abstoßend nach der Tötung einer Polizeianwärterin und eines Polizeibeamten in Kusel“ gezeigt hätten, als „die beiden Tatverdächtigten in den sozialen Medien auch vielfach gefeiert und die beiden Opfer verhöhnt“ worden seien. |mk Mit einem neuen Gesetz soll der Hass im Netz eingedämmt werden. Das Bundeskriminalamt will Verstößen mit einer zentralen Meldestelle nachgehen, doch die Strafverfolger befürchten auch viel zusätzliche Arbeit. 11.01.2022, 07.12 Uhr
Symbolbild Hate Speech: 200 Beamte sollen beim BKA künftig hierzu ermitteln Foto: Thomas Trutschel / photothek / imago imagesDas Bundeskriminalamt (BKA) rechnet wegen des neuen Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) gegen Hass in sozialen Netzwerken mit rund 150.000 Strafverfahren pro Jahr. »Nach derzeitiger Schätzung ist jährlich mit rund 250.000 NetzDG-Meldungen zu rechnen, die etwa 150.000 neue Strafverfahren nach sich ziehen werden«, sagte ein BKA-Sprecher den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Die »Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI)« mit rund 200 Beamtinnen und Beamten unter dem Dach des BKA werde fristgerecht zum 1. Februar ihre Arbeit aufnehmen, »um eine konsequente Strafverfolgung der Verfasser solch strafbarer Inhalte durch die zuständigen Strafverfolgungsbehörden in den Ländern zu ermöglichen«, sagte der Sprecher. Die Prozesse würden derzeit innerhalb des BKA, aber auch mit den Kooperationspartnern aus Polizei und Justiz entwickelt und gemeinsam getestet, um für die Zeit ab dem Stichtag bestmöglich vorbereitet zu sein. Das reformierte NetzDG sieht vor, dass soziale Netzwerke strafbare Inhalte nicht mehr wie bisher lediglich löschen, sondern an das BKA melden müssen. Google und Facebook wehren sich gegen MeldepflichtZwar gehe das BKA derzeit davon aus, dass die US-Internetkonzerne Facebook und Google vorerst keine mutmaßlich strafbaren Delikte melden würden. Beide hatten beim Verwaltungsgericht Köln Anträge auf einstweilige Anordnungen gestellt.
Die Techkonzerne halten es für unverhältnismäßig, alle Posts selbst auf Strafbarkeit prüfen und sie im Zweifel an das BKA weiterleiten zu müssen und klagten deshalb im Juli vergangenen Jahres – sowohl im Eilverfahren wie auch grundsätzlich. Das Bundesjustizministerium hatte daraufhin im August entschieden, bis zur Entscheidung im Eilverfahren nicht auf Meldungen beider Konzerne zu bestehen. Unabhängig davon würden jedoch »weitere soziale Netzwerke mit mindestens zwei Millionen registrierten Nutzerinnen und Nutzern der gesetzlichen Meldeverpflichtung nach dem NetzDG zum 1. Februar 2022 unterliegen«, sagte der BKA-Sprecher den RND-Zeitungen. Kürzlich hatte auch der Richterbund im Zusammenhang mit dem NetzDG von 150.000 neuen Strafverfahren jährlich gesprochen. Die Wirksamkeit des NetzDG ist umstritten, da viele Nutzer, die auf großen Plattformen wie Facebook oder YouTube Einschränkungen ihrer Meinungsfreiheit befürchten, auf Plattformen wie Telegram ausweichen, die sich Experten zufolge oft nicht an das NetzDG halten. |