Enuma elisch und gen 1 1-2 4a im vergleich

Die Frage nach dem Beginn der Menschheit beschäftigt uns schon immer. In den verschiedensten Feldern wird diese aufgenommen und bearbeitet. Seien es Naturwissenschaften, die sich mit unseren Vorfahren auseinandersetzen oder Literatur, Film und Kunst, die diesem Aspekt mit kreativen, expressionistischen Ideen nachgehen. Die nach wie vor bekannteste Antwort stammt aus der Bibel, aus der Genesis.

In der sogenannten „Urgeschichte“ wird von der Erschaffung der Welt und des Menschen durch Gott gesprochen. Mich begleitet diese Geschichte bereits seit der frühen Schulzeit, in der die Geschichte von Adam und Eva auch heute noch ein häufig behandeltes Thema ist. Auf die elementarste Frage der Menschheit gibt diese Erzählung eine simple Antwort. Oder ist die Antwort doch nicht so simpel? Im Zuge meiner weiteren Schullaufbahn und des Studiums stolperte ich immer wieder über diese Textstelle, die mir doch einmal so einfach vorgekommen war. Bei genauerer Beschäftigung drängten sich immer mehr Fragen auf. In der weiterführenden Schule konnte ich nicht verstehen, warum der Mensch in der Schöpfungsgeschichte gleich zweimal geschaffen wird, immerhin war die Bibel für mich damals eine durchgehende Geschichte. Später lernte ich, dass mein Bibelverständnis vereinfacht war und die Bibel alles andere als eine durchgängige, stringente Erzählung ist, die von einer Person geschrieben wurde. Selbst im Studium sollte sich mir diese Textstelle bisher nicht komplett erschließen. Noch immer bleiben einige Fragen offen. Dabei hilft es manchmal nicht weiter, zu interpretieren, sondern man muss nach dem Ursprung dieser Textstellen suchen.

Im Rahmen dieser Arbeit werde ich also nicht die Frage bearbeiten, woher der Mensch kommt oder wohin er geht, sondern Ziel meiner Bachelorarbeit ist es, herauszufiltern, wo die Textstelle ihre Wurzeln hat. Durch einen Vergleich mit älteren Schöpfungserzählungen aus dem räumlichen Umkreis der Genesis1, dem altorientalischen Mesopotamien, werde ich herausfinden, welche äußeren Einflüsse die Entstehung der Schöpfungsgeschichte mitbestimmt und gelenkt haben. Letztlich werde ich überprüfen, wie sich diese Erkenntnisse auf die Aussage des Textes auswirken und ob dies möglicherweise sogar Einfluss auf das biblische Gottesbild hat. Im Fazit werde ich auch auf mein persönliches Gottesbild zu sprechen kommen.

Ich werde mich neben den Perikopen Gen 1, 24-31; 2,4b-8 und 2,18-252 besonders auf drei außerbiblische Schöpfungsmythen beziehen. In unterschiedlicher Abstufung werde ich den akkadischen Gilgamesch-Epos, den sumerischen Mythos um Enki und Ninmah und die babylonisch-mesopotamische Schöpfungsgeschichte Enuma Elisch in Beziehung zu der Schöpfungsgeschichte der Genesis setzen. Dazu ist jedoch eine exegetische Untersuchung der entsprechenden Perikopen selbst notwendig, womit ich in den ersten Kapiteln beginne. Als Grundlage werde ich die Perikopen abgrenzen, sowie eine sprachliche Analyse durchführen, um ein Fundament für den späteren Vergleich zu schaffen. Auch die Schöpfungserzählungen des Alten Orients werde ich zunächst kurz darlegen, bevor der Vergleich mit der Schöpfung in der Genesis die Arbeit abschließt.

Zwar werde ich zur Bearbeitung auch Sekundärliteratur, Wörterbücher und Konkordanzen zu Hilfe nehmen, jedoch fußt meine Arbeit besonders auf dem selbstständigen Vergleich der Texte, weshalb sich die Verwendung von Sekundärliteratur in Grenzen hält. Der Fokus meiner Arbeit liegt auf der linguistischen Bearbeitung des Quellenmaterials.

2. Abgrenzung der Perikopen

Um genauer zu bestimmen, welche Textstellen in dieser Bachelorarbeit untersucht werden, wird es in diesem Kapitel darum gehen die verschiedenen Perikopen abgrenzen. Das ist in dieser Arbeit von besonderer Bedeutung, da statt einer Perikope gleich drei betrachtet werden. Diese drei Perikopen werden teilweise nur von wenigen Versen getrennt, weshalb es umso wichtiger ist, eine genaue Abgrenzung vorzunehmen. Den gesamten Schöpfungsbericht als Vorlage für diese Arbeit zu verwenden, würde den Rahmen der Arbeit sprengen und eine detaillierte Betrachtung einzelner Aspekte erschweren. Da die Perikopen nach ihrem Inhalt ausgewählt wurden, wird bei der Abgrenzung zu einem Großteil der Inhalt ausschlaggebend sein, jedoch werden auch andere Merkmale hinzugezogen.

Zunächst muss erwähnt werden, dass die drei Perikopen zur Schöpfungsgeschichte der Genesis gehören, welche sich von Gen 1,1 bis 3,24 erstreckt. Die Schöpfungsgeschichte ist wiederum Teil der Urgeschichte, welche die Kapitel 1-11 der Genesis umfasst.

Aufgrund zweier unterschiedlicher Quellen lässt sie sich in zwei Teile gliedern. Während der erste Teil der Schöpfungsgeschichte (Gen 1,1 bis 2,4a) der sogenannten Priesterschrift, meistens durch P abgekürzt, zugeschrieben wird, wird der zweite Teil der Schöpfungsgeschichte einer Quelle zugeordnet, die in der neueren Literatur „Nicht-P“ genannt wird.3 Dementsprechend gehört Gen 1,24-31 zu P, während Gen 2,4b-8 und Gen 2,18-25 Nicht-P zugehörig sind.4 Auch deshalb müssen die drei Perikopen in den ersten Kapiteln unabhängig voneinander betrachtet werden.

Die Perikope Gen 1,24-31 ist Teil der Weltschöpfung von P, in der Gott die Welt inklusive der Tiere und des Menschen in sechs Tagen erschafft. In der gesamten Weltschöpfung finden sich Signalsätze, die entweder die Tage voneinander abgrenzen („Und es wurde Abend und es wurde Morgen“, Gen 1,5; 1,8; 1,13; 1,19; 1,23; 1,31) oder die Schöpfungsakte als fertig kennzeichnen und abschließen („Und Gott sah, dass es gut war“, Gen 1,12; 1,18; 1,21; 1,25). Die Perikope Gen 1,24-31 umfasst einen Tag und zwei Schöpfungsakte. Vor der Perikope steht der Abschluss des fünften Tages („Und es ward Abend und es ward Morgen: fünfter Tag.“, Gen 1,23), womit der Schöpfungsakt dieses Tages abgeschlossen ist und ein neuer beginnt. Dieses Schema zieht sich durch die Textstelle, so beginnt auch hier der neue Schöpfungsakt mit den Worten „Und Gott sprach:“ (Gen 1,26). Diese Perikope schließt mit der Formel, mit der auch der fünfte Tag bereits beendet wurde („Und es ward Abend und es ward Morgen: sechster Tag.“, Gen 1,31). Auch der Schöpfungsakt wird, wie zuvor üblich, am Ende des Tages abgeschlossen, jedoch mit einem kleinen Unterschied: Statt „Und Gott sah, dass es gut war“ (Gen 1,12; 1,18; 1,21; 1,25) steht hier als Abschluss der gesamten Weltschöpfung „Und Gott sah alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ (Gen 1,31).

Die zweite Perikope Gen 2,4b-8 der Quelle Nicht-P, ist nicht so eindeutig strukturiert und abgegrenzt, wie es bei der Weltschöpfung von P der Fall ist. Zwischen der ersten und zweiten Perikope befindet sich nur der Ruhetag Gottes, welcher drei Verse einnimmt (Gen 2,1-3). Der folgende Vers Gen 2,4 wird geteilt in Gen 2,4a und Gen 2,4b. Wie bereits erwähnt, wird Gen 2,4a P zugeschrieben, während Gen 2,4b den Beginn von Nicht-P markiert. In Gen 2,4a wird die Schöpfung von P abschließend betrachtet. „Dies ist die Entstehungsgeschichte des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden.“ Mit diesem Satz schließt P ab und die ausgewählte Perikope beginnt mit den Worten „An dem Tag, als Gott, der Herr, Erde und Himmel machte“ (Gen 2,4b). In der Folge werden die Ereignisse der Weltschöpfung aus Gen 1 ignoriert und eine „neue“ Schöpfungserzählung wird begonnen. Gen 2,5 beschreibt noch einmal, was alles noch nicht geschaffen wurde, um die Schöpfung des Menschen einzuleiten. Als Abschluss der Perikope dient Gen 2,8, in welchem der zuvor erschaffene Mensch in den neu gepflanzten Garten Eden gesetzt wird. Im Anschluss wird der Garten Eden beschrieben, der Mensch hingegen bleibt bis Gen 2,16 unerwähnt. Der eigentliche Akt der Erschaffung findet lediglich in Gen 2,7 statt, während Gen 2,8 als Abschluss der Erschaffung und demnach der Perikope fungiert, da dort der erschaffene Mensch in den Garten Eden gesetzt wird. Obwohl dieser Vers auch als Beginn einer neuen Handlung um die Paradiesgeschichte gesehen werden kann, bemerkt Claus Westermann, dass der in Gen 2,8 gepflanzte Garten noch nicht das Paradies ist, sondern nur zur Ernährung des Menschen dient. Die Paradiesgeschichte beginnt also erst im folgenden Vers Gen 2,9.5 Daher gehört Gen 2,8 noch zur Perikope Gen 2,4b-8.

Die dritte Perikope, Gen 2,18-25, spricht ein gänzlich neues Thema an. Nach der Beschreibung des Garten Eden und der Warnung Gottes an den Menschen, nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen, wird in Gen 2,18 ein neuer Aspekt beigesteuert. Indem Gott spricht „Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, seines Gleichen.“ (Gen 2,18), wird eine neue Person, obwohl sie noch nicht auftritt, zum Mittelpunkt des Textes. Diese Neuheit kennzeichnet eindeutig den Beginn der Perikope. Auch das Ende der Perikope ist inhaltlich bestimmbar. In Gen 2,25 schließt Gott die Suche ab, indem geschrieben steht „Und sie waren beide nackt, der Mensch und sein Weib, und sie schämten sich nicht.“. Die Verbundenheit von Mann und Frau löst das Problem aus Gen 2,18 und beendet somit inhaltlich die Perikope. Schaut man einen Vers weiter, so sieht man, dass in Gen 3,1 ein Personenwechsel vollzogen wurde. Statt einer Handlung um Gott, Mann und Frau spricht nun die Schlange zu der Frau. Dieser Personenwechsel unterstreicht den Abschluss dieser Perikope in Gen 2,25. Claus Westermann sieht den Abschluss der Perikope bereits in Gen 2,24 und verweist darauf, dass Gen 2,25 als eine Art Bindeglied auftritt, nachdem die Perikope in Gen 2,24 bereits ihren Abschluss fand.6 Doch auch als Bindeglied ist Gen 2,25 Teil der Perikope, weshalb der Vers in dieser Arbeit zur Perikope dazugezählt wird.

3. Sprachlich-sachliche Analyse

Wie in der Einleitung bereits dargestellt, ist das Ziel dieser Arbeit eine diachrone Analyse der Perikopen, in denen es um die Menschenschöpfung geht. Es soll also ein Vergleich zwischen den biblischen Textstellen und den außerbiblischen Schöpfungserzählungen Enuma Elisch, dem Gilgamesch-Epos und Enki & Ninmah stattfinden, um einen möglichen Ursprung oder eine Übernahme von Motiven zu überprüfen. Um diesen Vergleich jedoch ziehen zu können, muss zunächst herausgearbeitet werden, was die Schwerpunkte der einzelnen Perikopen sind und ob sie überhaupt kohärent sind. Es kann keine diachrone Analyse stattfinden, wenn nicht zuvor eine synchrone Analyse durchgeführt wurde. Zu diesem Zweck wird im folgenden Kapitel eine sprachlich-sachliche Analyse der Perikopen durchgeführt.

3.1. Linguistische Analyse

Zunächst ist eine linguistische Vorgehensweise notwendig, um die Perikopen auf ihre strukturelle und semantische Einheitlichkeit zu untersuchen. Dazu werden auffällige Begriffe und Stilmittel im Fokus stehen. Außerdem wird eine semantische Gliederung der jeweiligen Textstelle Teil der Analyse sein. Obwohl die Perikopen in diesem Kapitel noch nicht miteinander verglichen werden, wird kurz auf Ähnlichkeiten hingewiesen. Ziel dieses Vorgehens ist das Feststellen der Kohärenz der einzelnen Perikopen.

3.1.1. Genesis 1,24-31

Wie bereits in der Abgrenzung dieser Perikope erwähnt, beginnt die Textstelle mit, der für den Schöpfungsakt typischen Einleitung „Und Gott sprach“ (Gen 1,24). Dieser Einleitungssatz „Und Gott“ findet sich im weiteren Verlauf des Textes häufiger und auch in aufeinanderfolgenden Sätzen, sodass dies durchaus als Anapher betrachtet werden kann (Gen 1,27-31). Mit diesen Worten werden die Handlungen Gottes, die in dieser Perikope im Vordergrund stehen, eingeleitet. Auch der für den Schöpfungsakt übliche Abschlusssatz, der das Ende des Tages markiert, ist in Kombination mit dem Einleitungssatz ein Indiz für die Einheitlichkeit dieser Perikope.

Bei der Beschreibung der Tiere finden sich zwei Merismen. Zunächst beschreibt er die Tiere gegensätzlich als „Fische des Meeres“ und „Vögel des Himmels“ (Gen 1,28). Diese Unterscheidung verändert sich nur wenige Verse später in „Tiere der Erde“ und „Vögel des Himmels“ (Gen 1,30). Diese Betitelung der Tiere zieht sich durch die gesamte Perikope zieht. Dreimal wird auf die Tiere Bezug genommen, während das Wort „Mensch“ nur zwei Mal genannt wird. Gottes Handeln steht im Vordergrund, weshalb „Gott“ der vorherrschende Begriff dieser Perikope ist.

Um die Einheitlichkeit der Perikope zu verdeutlichen, wird die Textstelle nun semantisch gegliedert. Zu Beginn der Perikope steht Gen 1,26 als Einleitung des Schöpfungsaktes für sich allein. Auf das übliche „Und Gott sprach“ folgt der Entschluss zur Menschenschöpfung. Auf diesen Entschluss folgt nun der eigentliche Akt, der in Gen 1,27 stattfindet. Es folgt eine Ansprache Gottes an den geschaffenen Menschen, die sich über Gen 1,28-30 erstreckt. Auch diese Rede könnte man zweiteilen, da in Gen 1,28 der Imperativ in Bezug auf den Menschen benutzt wird, in den darauffolgenden Versen jedoch nicht mehr. Ob dies auch im hebräischen Urtext im Imperativ steht, kann ich nicht beurteilen. In Gen 1,31 erfolgt nun der an Gen 1,26 angeschlossene Abschluss des Schöpfungstages, wodurch die Perikope in sich geschlossen wird.

3.1.2. Genesis 2,4b-8

In der kurzen Perikope Gen 2,4-8 finden sich keine wiederholenden Stilmittel. Auffällig am Schreibstil des Autors ist allerdings die Länge der Sätze. Während Gen 2,4b noch kurzgehalten ist, erstreckt sich der folgende Satz über Gen 2,5-7. Zusätzlich wird in Gen 2,4b-8, anders als in der Perikope Gen 1,24-31, dem Begriff „Gott“ jeweils „der Herr“ angehängt, was sich durch unterschiedliche Gottesbezeichnungen im hebräischen Originaltext ergeben hat.

Im Gegensatz zu den Stilmitteln gibt es in Gen 2,4-8 zwei Begriffe die überproportional häufig auftreten. Diese Begriffe sind „Erde“ und „Erdboden“. Beide Begriffe ziehen sich durch die Perikope und insbesondere dem Begriff „Erdboden“ kommt bei dem Schöpfungsakt eine besondere Rolle zu. Darauf werde ich allerdings in Kapitel 3.2 etwas genauer zu sprechen kommen.

Aufgrund der Kürze dieser Perikope ist eine semantische Gliederung kaum möglich. Lediglich die Erschaffung selbst in Gen 2,7 kann gesondert betrachtet werden. Während zuvor der Zustand nach der Weltschöpfung beschrieben wird, finden hier eine aktive Handlung statt. Diese geht von Gott aus und wird mit den Worten „da bildete Gott“ eingeleitet.

Die Einheitlichkeit der Perikope wird vor allem durch die beiden Begriffe „Erde“ und „Erdboden“ deutlich. Der Begriff Erdboden wird auch in der dritten Perikope, Gen 2,18-25, wieder aufgenommen.

3.1.3. Genesis 2,18-25

Diese Perikope ist im Gegensatz zu den anderen Textstellen etwas reicher an linguistischen Ansatzmöglichkeiten. So findet sich beispielsweise in Gen 2,18-19 eine Anapher, indem jeweils der Satzanfang „Und Gott, der Herr“ benutzt wird. Jedoch zieht sich diese Verwendung nicht durch die gesamte Perikope, sondern tritt nur noch einmal in Gen 2,22 auf. Es findet sich zudem derselbe Merismus wie in Gen 1,24-31. Hier wird zwei Mal zwischen den „Tieren des Feldes“ und den „Vögeln des Himmels“ (Gen 2,19-20) unterschieden.

Ein Begriff, der in der gesamten Perikope häufig benutzt wird, und somit auf eine Kohärenz des Textes hinweist, findet sich in dem Wort „Mensch“. In jedem Vers der Perikope kommt der Begriff „Mensch“ vor, bis auf Gen 2,24, in dem differenziert von Geschlechterrollen gesprochen wird, weshalb aus „Mensch“ in diesem Vers „Mann“ und „Frau“ werden.

Im Folgenden wird die Personenkonstellationen zwischen Gott und Mensch sowie Mann und Frau geschildert. Die einzigen beiden handelnden Figuren in dieser Perikope sind Gott und der Mensch, wobei Gott über den Großteil der Perikope der aktivere Charakter ist. Lediglich die Benennung der Tiere sowie die Benennung der Frau in Gen 2,23 sind Handlungen vom Menschen. Sein Handeln tätigt Gott für den Menschen und schon in Gen 2,18 ist in der Aussage „Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei; ich will ihm eine Hilfe machen, die ihm entspricht“ zu erkennen, dass Gott sich um den Menschen sorgt. Die einzigen Handlungen des Menschen werden ihm von Gott überlassen oder ermöglicht. Man kann dieses Verhältnis also durchaus als Vater-Sohn-Beziehungen interpretieren. Die Frau wird aus dem Menschen geschaffen, wodurch es erst zur Geschlechtertrennung kommt. Diese Geschlechtertrennung bringt mit sich, dass sich Mann und Frau zusammentun, um wieder „zu einem Fleisch“ (Gen 2,24) zu werden. Ebenso ist die kleine Ergänzung „die ihm entspricht“ (Gen 2,18) sehr wichtig für das Verhältnis der beiden. Das Wort „Hilfe“ (Gen 2,18), mit dem die „Frau“ vor ihrer Erschaffung beschrieben wird, ist keineswegs abwertend gemeint. Dies wird mit dem Zusatz „die ihm entspricht“ gekennzeichnet. Mann und Frau befinden sich also auf einer Ebene.

Bei der semantischen Gliederung wird erkennbar, dass Gen 2,18 als Einleitungssatz für sich alleine steht. Er beginnt mit dem erwähnten „Und Gott, der Herr, sprach“, worauf das Thema dieser Perikope folgt. Es geht um die Aufgabe, dem Menschen ein Gegenüber zu machen. Diese Aufgabe startet in Gen 2,19 erneut mit den Worten „Und Gott, der Herr“. Es folgt der Versuch, ein Gegenüber in den Tieren zu finden, was in Gen 2,20 mit der Einsicht endet „keine Hilfe, die ihm entspricht“ gefunden zu haben. Damit schließt der zweite Teil ab. Es folgt nun die Haupthandlung der Perikope, die von Gen 2,21-22 andauert. Es beginnt erneut mit der Einleitung einer göttlichen Handlung: „Da ließ Gott, der Herr“ (Gen 2,21). In diesem Abschnitt findet vor allem das Wort „Rippe“ (Gen 2,21) Gewichtung. In Gen 2,23 beginnt nun eine wörtliche Rede des Menschen in der Art und Weise, wie sonst die Handlungen „Gottes“ eingeleitet werden, nämlich mit „Da sagte der Mensch“. In dieser Rede, die Gen 2,24 einschließt, findet die Benennung der „Frau“ und damit einher die Differenzierung der Geschlechter statt. Das Wort „Rippe“ findet hier keine Erwähnung mehr, dafür stehen die Begriffe „Gebein“ und „Fleisch“ im Vordergrund. In Gen 2,25 folgt nun ein Schlusssatz, in dem die Perikope ihr inhaltliches Ende findet, indem die in Gen 2,18 auferlegte Aufgabe als erledigt angesehen wird. Nach der wörtlichen Rede des „Menschen“, in dem lediglich von „Frau“ und „Mann“ die Rede war, wird hier wieder der Begriff „Mensch“ für „Mann“ verwendet, wodurch sich auch eine semantische Schließung der Perikope ergibt.

3.2. Sozialgeschichtliche, historische Fragen und Realienkunde

Im zweiten Teil der sprachlich-sachlichen Analyse müssen sozialgeschichtliche und historische Fragen zu den Perikopen sowie deren Realien geklärt werden. Dabei wird es vor allem um die Erläuterung unklarer Begriffe gehen, die historisch und lebensweltlich erklärbar sind. In keiner der drei Perikopen gibt es Ortsangaben oder Zeitangaben, ebenso sind auch gesellschaftliche Angaben nicht vorhanden, weshalb eine sozialgeschichtliche Untersuchung sehr schwierig ist, dennoch wird die sozialgeschichtliche Dimension an einigen Stellen auftauchen. Im Mittelpunkt wird die Realienkunde stehen, bei der einzelne Begrifflichkeiten und deren hebräische Bedeutung mit Hilfe einer Konkordanz und Wörterbüchern zur Bibel untersucht werden. Da es sich bei diesem Vorgehen um eine synchrone Analyse handelt, werden auch in diesem Kapitel die Perikopen für sich betrachtet, aber auf Ähnlichkeiten oder Überschneidungen wird hingewiesen.

3.2.1. Genesis 1,24-31

Bei Betrachtung dieser Perikope ist bereits in Gen 1,26 eine auffällige Formulierung vorzufinden. Der Satz „Lasst uns Menschen machen in unserm Bild, uns ähnlich“ scheint mit der Ausgangssituation nicht übereinzustimmen. Warum spricht Gott, der soeben erst die Welt erschaffen hat und daher keinen Ansprechpartner hat, hier im Plural? Diese Frage lässt sich nicht durch einen Blick in die Konkordanz oder ein Wörterbuch auflösen. Es lässt sich allerdings feststellen, dass dies die einzige Stelle in der Schöpfungsgeschichte ist, in der Gott von sich im Plural spricht. Im Kapitel der Traditionskritik wird dieser Aspekt noch einmal detaillierter betrachtet und auch bei dem religionsgeschichtlichen Vergleich noch einmal aufgegriffen.

Der weitaus bekanntere Teil von Gen 1,26 ist der, in dem die Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott zum Thema wird. Dieser Aspekt wird in späteren Kapiteln ebenfalls behandelt werden, weshalb hier einige Begrifflichkeiten beleuchtet werden. Gott schafft den Menschen „in seinem Bild“ (Gen 1,26). Der Begriff „Bild“ wird in dem Sprachschlüssel der Elberfelder Studienbibel mit zäläm7 übersetzt, was auch „Abbild“, „Götzenbild“ oder „Schattenbild“ bedeuten kann.8 Gerhard von Rad9, wie auch Hans Wildberger in seinem Beitrag im „Theologisches Handwörterbuch zum Alten Testament“10, weisen darauf hin, dass der hebräische Begriff häufig als Bezeichnung für plastische Nachbildungen, wie etwa Statuen genutzt wird. Wildberger sieht die Wurzel des hebräischen Wortes im Wortstamm zlm, welche zwar für das Hebräische nicht nachgewiesen ist, jedoch im Arabischen „abhauen“, „behauen“, „schneiden“ oder „schnitzen“ bedeuten kann. Damit stellt er sich gegen die Aussagen von W.H. Schmidt, der den Ursprung im Wort zel für „Schatten“ sieht, woraus sich die Bedeutung „Abbild“ ableitet. Damit nimmt er auch Bezug auf die Stellung des Menschen, der Gott demnach „nur“ ähnelt.11 Auch Gerhard von Rad nimmt Stellung zur „Ähnlichkeit“, bezieht sich dabei jedoch auf das nachgestellte Wort demut, dessen hebräische Bedeutung darlegt, dass nicht die Wesenszüge des Menschen Gottes ähnlich sind, sondern, dass diese Ähnlichkeit körperlich gemeint ist.12 Dem gegenüber sieht Wildberger keine abschwächende Körperlichkeit im Begriff demut.13 Wildberger geht zudem noch einmal auf den Plural der Gottesrede ein. Er sieht einen Zusammenhang zwischen der Ähnlichkeit zwischen Gott und Mensch und dem benutzten Plural. Demnach würde der Plural darauf hindeuten, dass der Mensch nicht dem einen Gott ähnlich ist, sondern dem Wesen von Gottheiten, wie es in polytheistischen Traditionen der Fall ist. Außerdem bezieht sich Wildberger noch auf die Präposition, die in diesem Fall benutzt wird und warnt davor diese mit „nach unserem Bilde“ zu übersetzen, sondern schlägt „als unser Bild“ oder „zu unserem Bilde“ vor.14

Es lässt sich also aus diesen drei Positionen herauslesen, dass die „Ebenbildlichkeit“15 als Nachbildung verstanden werden sollte. Gott erschuf den Menschen in dieser Perikope als körperliches Abbild seiner selbst, was eine Abschwächung zur genannten „Ebenbildlichkeit“ darstellt. Mit seinem Ansatz, dass der Mensch gar nicht Gott, sondern Gottheiten an sich ähnlich ist, steht Wildberger in der Wissenschaft alleine da. Daher wird der Ansatz nicht weiterverfolgt.

3.2.2. Genesis 2,4b-8

In dieser kurzen Perikope sind einige Begriffe enthalten, deren Bedeutung zunächst geklärt werden müssen. So stellt sich die Frage, was der „Dunst“, der den „Erdboden“ bewässert, mit der Erschaffung des Menschen zu tun hat und ebenso, wie durch den „Atem des Lebens“ eine „lebende Seele“ aus dem Menschen wird. Dementsprechend wird der „Erdboden“ genauer betrachtet werden sowie in diesem Zusammenhang der Begriff „Dunst“ und der Begriff „bildete“. Ebenso werden die Begrifflichkeiten „Atem des Lebens“ und die Bedeutung des Wortes „Seele“ näher beleuchtet.

Zunächst muss erwähnt werden, dass der Begriff „Erdboden“ von dem Begriff „Erde“ zu trennen ist. „Erde“ ist mit dem hebräischen Begriff ‘äras zu übersetzen, was laut dem „Theologischen Handwörterbuch zum Alten Testament“ so viel bedeutet wie „Festland“, welches im Gegensatz zum Himmel oder dem Wasser steht. Weiterhin kann es für den Boden, auf dem etwas steht, benutzt werden oder aber für eine geographische oder politische Lokalisation.16 „Erdboden“ hingegen ist mit ‘adama zu übersetzen, was für das rötliche Ackerland steht, welches zur Bebauung genutzt wurde.17 Diese Unterscheidung ist für das Verständnis der Perikope enorm wichtig. Die Bedeutung des „Erdbodens“ oder ‘adama ergibt sich in der Bedeutung des Ackerbaus. Der Ackerbau hat in der Bibel eine hohe Bedeutsamkeit und wird an vielen Stellen angesprochen. Dies liegt daran, dass der Ackerbau in der biblischen Zeit einen hohen Stellenwert im Leben der Menschen hatte. Die Landwirtschaft war ein wichtiger Teil der Gesellschaft und durch den Wein-, Getreide- und Obstanbau die große Einnahmequelle. Gerade im klimatisch heißen Umland von Israel war deshalb die Bewässerung von großer Bedeutung. Die Landwirtschaft war in der Zeit vor dem Babylonischen Exil bereits systematisiert, um die Bewässerung aufrecht erhalten zu können und die Ernten zu sichern. Auch waren gab es bereits Werkzeuge, die dem Ackerbau dienten. Die Agrarwirtschaft und insbesondere der Ackerbau dienten also als Existenzgrundlage der damaligen Menschen. Auch die Viehzucht war wichtig in der damaligen Gesellschaft. Das Halten von Schafen, Rindern und Ziegen gehörte ebenso zum landwirtschaftlichen Alltag, wie der Ackerbau. So finden sich auch hierzu viele Textstellen in der Bibel, wie beispielsweise die Erschaffung der Tiere als Hilfe für den Menschen in der dritten Perikope Gen 2,18-25. Unter dieser Voraussetzung kann auch der Satz „und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen“ aus Gen 1,28 der ersten Perikope anders gelesen werden, als er es häufig getan wird. Somit bezieht er sich nicht nur auf den höheren Stand des Menschen, sondern auch auf den ganz praktischen Nutzen der Tiere als Nahrung.18

Durch die Bedeutung des Ackerbaus ergibt sich nun auch eine neue Bedeutung für das Wort „Dunst“, der aus dem Erdboden steigt und ihn bewässert. Betrachtet man die Wichtigkeit des Wassers für den Ackerbau, so macht erst der „Dunst“ den Boden fruchtbar und die Erschaffung des Menschen möglich. Die deutsche Übersetzung des hebräischen Wortes ‘ed ist deshalb etwas irreführend, da es kaum andere Verweise auf das hebräische Wort gibt. In der Bibel wird es einzig in Hiob 36,27 benutzt. Obwohl es auch in diesem Vers um Wasser geht, übersetzt die Elberfelder Studienbibel es dort mit „Nebel“. Sowohl der Sprachschlüssel der Elberfelder Studienbibel als auch das „Lexicon in veteris testamentii Libros“ von Ludwig Koehler und Walter Baumgartner geben noch eine andere Möglichkeit an. Diese Alternativbedeutung ist ein unterirdischer Quell- oder Süßwasserstrom.19 Zusätzlich geben Baumgartner und Koehler auch die Übersetzung „Hochwasser“ an. Weitere Erklärungen zu diesem Begriff gibt es allerdings nicht, außer, dass sowohl die Ableitung, als auch die Bedeutung unklar ist.20 In anderen hebräischen Wörterbüchern zum Alten Testament taucht ebenfalls keine Erklärung zu diesem Begriff auf. Fest steht jedoch, dass er in Verbindung mit Wasser steht, was im Fall dieser Perikope die Bewässerung des Ackerbodens nach sich zieht.

Aus diesem Erdboden oder Ackerboden „bildet“ Gott nun den Menschen. Doch wie genau geschieht dies? Darauf gibt das hebräische Äquivalent jasar einige Hinweise. Dies steht vor allem in Verbindung mit dem Beruf des Töpfers. Obwohl dies häufig nur mit „bilden“ oder „formen“ übersetzt ist, ist die Grundform des Verbs mit der Töpferei verbunden. Es beschreibt die töpferische Tätigkeit des Gestaltens und Fertigens. Dennoch kann der Wortstamm jsr auch andere handwerkliche Tätigkeiten, wie das Schmieden, Gießen oder ähnliches bedeuten. Außerhalb des Schöpfungsberichtes findet man das Bild des Töpferns im Alten Testament auch bei Jesaja und Jeremia21, wo es eher sinnbildlich für das Erschaffen oder durch das Zerbrechen des Tons für die Zerstörung steht.22 Westermann behauptet, dass das Wort jasar zuerst für die Erschaffung des Menschen und der Tiere benutzt wurde und erst später um die allgemeinere Bedeutung des Töpferns ergänzt wurde. Dies schließt er unter anderem daraus, dass der Begriff für die einmalige Erschaffung von etwas Plastischem benutzt wird, nicht aber auf die handwerkliche Arbeit, die sich durch ständige Wiederholungen auszeichnet. Zuletzt verweist er auf das ältere, bestehende Motiv des Erschaffens aus Lehm, welches später genauer thematisiert wird.23

In Gen 2,6 steht nun die Erweckung des Menschen durch das Einhauchen des Atems des Lebens und dem damit verbundenen Begriff der „lebenden Seele“ im Vordergrund. Der Begriff „Atem“ hat in unserem Sprachgebrauch eine eindeutige Bedeutung. Die Bedeutung des hebräischen Begriffs nesamah geht allerdings darüber hinaus. Laut dem Theologischen Wörterbuch zum Alten Testament bedeutet der Begriff sowohl „Atem“ oder „Wind“, als auch „Lebensatem“, „Lebensodem“ oder „lebendes Wesen“. Diese Perikope wird als der älteste Beleg und zugleich als Beleg für die Bedeutung des Wortes als „Lebensatem“ oder „Lebenshauch“ genannt.24 Der „Atem“ wird verknüpft mit dem Lebendig-Sein. „Der ‚Lebensatem‘ also bedeutet einfach die Lebendigkeit, das Einhauchen des Lebensatems die Belebung des Menschen, nichts weiter.“25 Durch diese Belebung wird der Mensch in Gen 2,7 zu einer „lebenden Seele“.

Bevor der Begriff „Seele“ analysiert wird, muss zunächst kurz das Wort „Mensch“ angesprochen werden, das für das Verständnis von „Seele“, aber auch für die dritte Perikope, eine große Rolle spielt. Der in diesen Perikopen mit „Mensch“ übersetzte Begriff lautet im hebräischen ‘adam. Obwohl eine direkte Verwandtschaft der beiden Begriffe umstritten ist, so ist doch die Nähe zu dem Wort ‘adama kaum zu übersehen. Ob es nur ein Wortspiel ist oder es tatsächlich einen ursprünglichen Zusammenhang zwischen den beiden Begriffen gibt, ist unerheblich. Allerdings ist es wichtig, dass diese Begriffe zusammenhängen, da dies dem „Erdboden“ eine weitere erhebliche Bedeutung zuspricht. Der Begriff ‘adam wird lediglich im Singular benutzt, da er nicht etwa den individuellen Menschen meint, sondern den Menschen in seiner Menschheit.

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1 Bei der Genesis, auch 1. Buch Mose genannt, handelt es sich um das erste Buch der Bibel. Es behandelt den Ursprung der Welt und Menschheit, das Leben der ersten Menschen und der Erzväter Israels.

2 Die Perikopen liegen mir in der Übersetzung der Elberfelder Studienbibel vor. Auf diese Übersetzung werde ich mich in meiner Bachelorarbeit beziehen und dies bei Bibelstellenangaben nicht speziell kennzeichnen.

3 Die Bezeichnungen P und Nicht-P werde ich in dieser Arbeit beibehalten.

4 Obwohl es dadurch im Grunde zwei Schöpfungsberichte sind, werde ich bei Bezug auf alle drei Perikopen oder den Schöpfungsbericht als Gesamttext nur vom „Schöpfungsbericht (der Genesis)“ sprechen.

5 Vgl. Westermann, Claus – Genesis. S. 264f & 284.

6 Vgl. Westermann, Claus – Genesis. S. 260.

7 Da es mir nicht möglich ist hebräische Begriffe in der originalen Schrift darzustellen, werde ich diese vereinfacht darstellen.

8 Vgl. Elberfelder Studienbibel. S.1747.

9 Vgl. Von Rad, Gerhard – Das erste Buch Mose. S. 37.

10 Vgl. Wildberger, Hans – Art. salam. S. 557.

11 Vgl. Schmidt, Werner H. – Die Schöpfungsgeschichte der Priesterschrift. S. 132f.

12 Vgl. Von Rad, Gerhard – Das erste Buch Mose. S. 37.

13 Vgl. Wildberger, Hans – Art. salam. S. 559.

14 Vgl. ebd. S. 559.

15 Ich werde in späteren Kapiteln ebenfalls auf das Motiv der „Ebenbildlichkeit“ zu sprechen kommen. Obwohl in diesem Kapitel deutlich geworden ist, dass „Ebenbildlichkeit“ für Gen 1, 26-31 nicht der passende Begriff ist, werde ich diesen der Einfachheit halber für das erwähnte Motiv beibehalten.