Der gute mensch von sezuan berliner ensemble

Der gute mensch von sezuan berliner ensemble
Die Schaubühne in Berlin hat mit einer sehr beachtlichen Insznierung von „Der gute Mensch von Sezuan“ in den letzten Spielzeiten einmal mehr von sich reden gemacht.
tsm video hat diese Inszenierung aufgenommen und dabei gleichzeitig einen Film zum Leben und Werk Bertolt Brechts entwickelt, der sein gesamtes Schaffen mitten in den Focus rückt.
Auftraggeber ist jetzt die Matthias Film GmbH aus Berlin, die seit 1950 mit sehr vielen überragenden Produktionen für die Schulbildung am Markt sind.
Interessant sind besonders die Interviewpartner: Oliver Reese, Intendant vom Berliner Ensemble oder auch Achim Freyer, weltweit anerkannter Regisseur mit vielfältigsten Theater- und Kunstprojekten, der Bertolt Brecht noch in seiner Jugend persönlich kennengelernt hatte.
Authentisch erzählt er von seinen ersten Jahren als Bühnenbildner im Ensemble von Bertolt Brecht und Helene Weigel.
Beonders die Zeit von der Uraufführung der Dreigroschenoper, das Exil und die Rückkehr nach Deutschland bis zu seinem Tod im Jahr 1956 werden thematisiert.
Erhältlich über Matthias Film Berlin – www.matthias-film.de

Trailer:

�Der gute Mensch von Sezuan� von Bertolt Brecht am Berliner Ensemble, Regie Alejandro Quintana

Einst fernes M�rchen, nun wieder naheger�ckt

Die Shen Te der Carmen-Maja Antoni im Berliner Ensemble schreit ihre Verzweiflung schlie�lich elementar heraus. Die drei G�tter entschweben in dem kleinen Tabakladen, mit dem die Odyssee des �Guten Menschen von Sezuan" begann. Shen Te konnte nicht gut sein zu sich und zugleich zu anderen. Sie brauchte den b�sen Vetter Shui Ta. Nun, da ihr selbst die neuen Richter � sprich: alten G�tter � nicht helfen, wei� sie sich keinen Rat mehr.

Regisseur Alejandro Quintana verzichtet auf den Epilog, in dem Brecht die Fragen noch einmal b�ndelte, die er mit seiner tragischen Parabel aufgeworfen hatte: �Soll es ein andrer Mensch sein? Oder eine andre Welt? Vielleicht nur andere G�tter? Oder keine?" Mit hintersinniger Verspieltheit endet, woran der Dichter bis 1941, ein Jahrzehnt, gearbeitet hatte. Er l��t einen Darsteller vor den Vorhang treten und sich daf�r entschuldigen, da� alle Fragen offen und kein �rechter Schlu�" gefunden sei.

Heute, f�nfzig Jahre sp�ter, braucht's den Epilog nicht, lassen sich Antworten wissen. Quintana hat die naheliegendste inszeniert: Der Mensch kann nicht gut sein. Keine freundlich verfremdende Distanz zur Geschichte daher, wie sie Benno Besson mit K�the Reichel zun�chst in Rostock und dann 1957 am Berliner Ensemble zeigte. Damals schien's ein fernes M�rchen, weil in der Realit�t ein �rechter Schlu�" gefunden worden war. Ein Trugschlu�, wie sich inzwischen erwies. Bitterer, assoziationsreicher denn je ist Brechts St�ck naheger�ckt.

Die G�tter erreichen Sezuan � im Berliner Ensemble nun wieder zu den Orten geh�rend, an denen Menschen ausgebeutet werden � durch einen Irrgarten (Ausstattung: Manfred Grund). Auf der Hauptb�hne symbolisch eine absch�ssige Schr�ge. Rechts die �ffnung eines gro�en Rohres der Kanalisation. Dort haust Wang, der Wasserverk�ufer. Ekkehard Schall spielt ihn als einen modernen Clochard, der die Erleuchteten (Arno Wyzniewski, Peter Hladik, Franz Viehmann) aufgeregt empf�ngt. Schall hat einen gewissen erz�hlenden Gestus und �berzeugt mit den Songs von Paul Dessau, die im �brigen fast �berfl�ssig scheinen.

Quintanas Inszenierung ist nicht in der darlegenden Spielweise angelegt, sondern sucht N�he und Identifikation. Die Shen Te der Carmen-Maja Antoni ist ein vom Leben gepr�gtes plebejisches Menschenkind von hier und heute, nicht romantisch-einf�ltig, sondern urw�chsig vital, unverbraucht redlich, trotz widriger Umwelt. Bis sie wahr macht, was der Verwandtschaft vorsch�tzend einf�llt: den Vetter.

Dazu eine helle Halbmaske, ein wenig Mummerei auch mit Lederjacke und Stirnband. Aber Vetter Shui Ta ist nicht �berzogen, sondern sozusagen nur typisch b�sartig, n�mlich nach Ma�gabe b�rgerlicher Selbstverst�ndlichkeit. Weswegen man sich in Sezuan auch gar nicht erst lange wundert, sondern schnell kuscht. Denn der �abwickelnde" Shui Ta handelt f�r diese Welt normaler als die g�tige Shen Te.

Die Liebesszene des �Engels der Vorst�dte", wie Shen Te genannt wird, mit dem des Lebens �berdr�ssigen Flieger unterm Baum im Regen ist von rauher Poesie. Wie die Antoni bringt auch Jaecki Schwarz als Sun einen sehr nat�rlichen Ton ein. Dieser arbeitslose Flieger ist in solch eindringlicher Wahrhaftigkeit wohl noch nie gespielt worden.

Das �brige Figuren-Ensemble ist behutsam stilisiert. Die Witwe Shin von Annemone Haase h�lt mit ihren lebenskundigen Anmerkungen gern ein wenig Kontakt zum Publikum, Peter Bauses eitler, gesch�ftst�chtig �wohlt�tiger" Barbier Shu Fu sucht scheinheilig sogar dessen gl�ubiges Wohlwollen. Veit Schuberts Polizist ist eine possierliche willf�hrige Marionette, Barbara Bachmanns Mi Tz� der Prototyp der s�ffisanten Hausbesitzerin.

Sehr herzlicher Beifall zur Premiere im Berliner Ensemble.

Neues Deutschland, 2. April 1991