Was tun wenn Lagerungsschwindel nicht weg geht?

Stand: 23.09.2022 12:11 Uhr

Schwindel kann vielfältige Ursachen haben, die jeweils unterschiedliche Therapien erfordern. Oft wird das Schwindelgefühl von Übelkeit begleitet. Helfen können unter anderem Medikamente, Sport und Psychotherapie.

Schwindel ist keine Krankheit, sondern ein Symptom. Es entsteht ein Gefühl, dass sich die Umgebung oder der eigene Körper dreht oder schwankt. Dabei handelt es sich nicht um Bewegungen, sondern um eine gestörte Wahrnehmung der Umgebung.

So funktioniert das Gleichgewichtsorgan im Innenohr

Das Gleichgewichtsorgan im Innenohr ist dafür verantwortlich, dass Menschen nicht aus der Balance geraten. Es besteht aus drei mit Flüssigkeit gefüllten Bogengängen, in denen sich Sinneszellen befinden. Bei jeder Bewegung werden die Zellen aktiviert und liefern Informationen an das Gehirn. Dort findet ein Abgleich mit Informationen der Augen, der Stellung von Gelenken und der Muskulatur statt. Das Gehirn berechnet daraus die Position des Körpers im Raum. Passen eine oder mehrere Informationen nicht zueinander, entsteht Schwindel.

Zentralen und peripheren Schwindel unterscheiden

Es gibt zwei Arten von Schwindel:

  • Zentraler Schwindel entsteht durch Störungen im Gehirn, also zum Beispiel als Folge von Durchblutungsstörungen bei einem Schlaganfall oder durch Tumore.
  • Peripherer Schwindel liegt vor, wenn das Gleichgewichtsorgan (Lagerungsschwindel) oder der Gleichgewichtsnerv (Morbus Menière) gestört sind. Der beidseitige Ausfall der Gleichgewichtsorgane kann durch die Nebenwirkungen einiger Medikamente oder durch eine Hirnhautentzündung ausgelöst werden. Typische Symptome sind Schwindelattacken und wackliges Sehen, vor allem bei körperlicher Bewegung.

Lagerungsschwindel: Spontane Symptome durch Kopfbewegung

Die häufigste krankhafte Schwindelform ist der Lagerungsschwindel. Etwa 2 bis 2,5 Prozent der Bevölkerung sind betroffen. Diese Art des Schwindels ist unangenehm, aber harmlos. Typische Symptome:

  • Der Schwindel tritt spontan auf.
  • Die Attacken treten bei Bewegungen des Kopfes auf.
  • Der Schwindel dauert bis zu 60 Sekunden.

Lagerungsschwindel entsteht in der Regel, wenn sich im hinteren Bogengang eines Gleichgewichtsorgans Kalziumkristalle (Otolithen) ansammeln. Bei bestimmten Bewegungen bewegen sich die Kristalle mit der Schwerkraft in der Lymphflüssigkeit des Bogenganges und reizen die Sinneshärchen. Dadurch ist das Gehirn irritiert, Drehschwindel entsteht.

Typische Auslöser für Lagerungsschwindel:

  • Aufrichten und Umdrehen im Bett
  • Bücken
  • Hinlegen
  • Arbeiten über Kopf
  • Hochschauen

Gegen Lagerungsschwindel helfen Übungen

Warum sich Kalziumkristalle im Gleichgewichtsorgan bilden und ablösen, ist nicht geklärt. Vermutlich handelt es sich um einen normalen Alterungsprozess. In den meisten Fällen bildet sich Lagerungsschwindel von selbst zurück. Falls nicht, können spezielle Lagerungsmanöver, die von einem Arzt oder einer Ärztin durchgeführt werden, helfen. Auch bestimmte Übungen, die zuhause durchgeführt werden können, sind wirksam. In vielen Fällen reichen drei Sitzungen, um die Beschwerden deutlich zu lindern oder zu beseitigen.

Morbus Menière: Innenohr-Erkrankung verursacht Schwindel und Übelkeit

Was tun wenn Lagerungsschwindel nicht weg geht?

Ein weiterer Grund für Schwindel kann Morbus Menière sein. Die Erkrankung des Innenohres beeinträchtigt die Funktion des Gleichgewichtsorgans erheblich. Schwindel und Übelkeit treten sehr plötzlich auf, oft verbunden mit Schwerhörigkeit, Ohrgeräuschen und Druck auf den Ohren.

Drehschwindel durch Entzündung des Gleichgewichtsnervs

Ein einseitiger Ausfall eines Gleichgewichtsorgans ist in der Regel die Folge einer Entzündung des Gleichgewichtsnervs. In den meisten Fällen werden die Entzündungen durch Herpesviren verursacht. Bei der sogenannten Neuritis vestibularis tritt plötzlich Dreh- und Kippschwindel - verbunden mit Übelkeit und Erbrechen - auf. Betroffene neigen zu Stürzen und haben sichtbare Störungen der Augenbewegung (Nystagmus).

Typischerweise nehmen die Beschwerden in den ersten Stunden rasch zu, bleiben einige Tage und bilden sich schließlich innerhalb von Tagen bis Wochen zurück. Die Besserung der Beschwerden ist darauf zurückzuführen, dass das Gehirn lernt, den Ausfall eines Gleichgewichtsorgans zu kompensieren. Zur Behandlung können Kortisonpräparate eingesetzt werden.

Schwindelgefühle durch Corona-Erkrankung

Auch wenn Schwindel kein spezifisches Covid-19-Symptom ist, klagen viele Corona-Patientinnen und -Patienten im Laufe ihrer Erkrankung über Schwindelgefühle, wie Studien zeigen. Ursachen können eine akute Entzündung des Innenohrs oder des Gleichgewichtsnervs (Vestibularis-Nerv), eine Mittelohrentzündung oder ein Schlaganfall sein. Es kann dabei auch zu einer Hörminderung kommen. Auch bei einem Long-Covid-Syndrom berichten die Betroffenen häufig über Schwindelgefühle. Bleibt das Schwindelgefühl nach dem Abklingen der Covid-19-Symptome bestehen, muss es ärztlich abgeklärt und behandelt werden.

Psychische Ursachen: Schwankschwindel bei Angsterkrankungen

Schwindel kann auch psychisch bedingt sein. Experten sprechen dann von einem somatoformen oder psychosomatischen Schwindel. Nach dem gutartigen Lagerungsschwindel ist er die zweithäufigste Schwindelform. Bei etwa 15 bis 20 Prozent der Betroffenen liegt ein somatoformer Schwindel vor. Am häufigsten ist der phobische Schwankschwindel im Rahmen von Angsterkrankungen. Typischerweise treten die Schwindelanfälle dabei nur in bestimmten Situationen, zum Beispiel beim Aufenthalt in großen Menschenmengen oder beim Überqueren großer Plätze auf. Oft werden diese Schwindelattacken von heftigen vegetativen Symptomen wie Schweißausbrüchen, Herzrasen oder Übelkeit begleitet.

Bei psychosomatischem Schwindel helfen Therapien

Beim psychosomatischen Schwindel sind die Gleichgewichtsorgane unversehrt. Daher lassen sich die Beschwerden in den meisten Fällen erfolgreich behandeln. Entscheidend ist, die Betroffenen über die psychischen Hintergründe und die Mechanismen der Schwindelentstehung aufzuklären. Bereits das Wissen darüber erleichtert vielen Betroffenen den Alltag. Im Rahmen von Psychotherapien, kognitiven Verhaltenstherapien und unterstützenden physiotherapeutischen Therapien lernen die Betroffenen, das Schwindelgefühl zu beherrschen und den Teufelskreis von Schwindel und Angst zu unterbrechen. Typischerweise bessern sich die Beschwerden, wenn das Gleichgewichtsorgan gefordert wird.

Mit Sport und Bewegung vom Schwindel ablenken

Bei Schwindel durch psychische Auslöser kann Ablenkung durch Sport und Bewegung helfen. Der Körper lernt dadurch, den Schwindel zu kompensieren. Dabei sollten Betroffene mit ungefährlichen Aktivitäten beginnen, die das Gleichgewicht nicht zu sehr fordern. Gut geeignet sind zum Beispiel Nordic Walking und Spinning (Indoor Cycling). Ideal ist ein Gleichgewichtstraining bei Physiotherapeuten, die auf Gleichgewichtsprobleme spezialisiert sind (Vestibulartherapeuten). Wichtig: Die Therapie erfordert Geduld, sie kann mehrere Monate dauern.

Soziale Isolation durch erlernten Schwindel

Wer organischen Schwindel erlebt hat, kann einen sogenannten erlernten Schwindel entwickeln. Betroffene fühlen dann unbewusst einen Schwindel, auch wenn sich keine organische Ursache mehr finden lässt. Das Schwindelgefühl kann zu Fehlhaltungen, Angst vor Stürzen und nicht selten in die soziale Isolation führen. Viele Betroffene trauen sich kaum noch aus dem Haus.

Ursachen erkennen: Untersuchung und Diagnose in der Schwindelambulanz

Die Ursachen für Schwindel lassen sich zum Beispiel in einer Schwindelambulanz herausfinden, in der Spezialisten mehrerer Fachrichtungen zusammenarbeiten. Wichtig dabei sind:

  • eine genaue Beschreibung des Schwindelgefühls
  • Eine genaue Beschreibung der Situationen, in denen es zu Schwindel kommt: Wie fühlt es sich an? Kommt es zu Schweißausbrüchen? Gibt es besondere Auslöser? Gibt es Dinge, die den Schwindel lindern? Dafür kann ein Schwindeltagebuch hilfreich sein.
  • Medikamente auf Nebenwirkungen prüfen, zum Beispiel Blutdrucksenker, Antidepressiva, Antiepileptika, Beruhigungsmittel und Schlafmittel.
  • bildgebende Verfahren wie Computertomografie (CT) und Magnetresonanztomografie (MRT)
  • eine Messung reflexartiger Augenbewegungen bei abrupter Kopfbewegung per Spezialbrille (Videookulografie)

Übungen gegen Schwindel

In vielen Fällen können Betroffene etwas gegen die Ursachen des Schwindels tun. Spezielle Übungen:

  • stabilisieren den Kreislauf bei niedrigem Blutdruck.
  • ermöglichen einen stabilen Stand.
  • trainieren den Gleichgewichtssinn.

Schwindel mit Medikamenten therapieren

Wird keine eindeutige, behandelbare Ursache für einen chronischen Schwindel gefunden, kann ein Behandlungsversuch mit einem sogenannten Antivertigonosum sinnvoll sein. Diese Medikamente werden zur symptomatischen Therapie des Schwindels eingesetzt: Sie können Schwindel und Übelkeit lindern, beseitigen aber nicht deren Ursache.

Dabei gibt es fünf Wirkstoffklassen:

  • Antihistaminika, zum Beispiel Dimenhydrinat
  • Kalziumkanalblocker, zum Beispiel Cinnarizin und Flunarizin
  • Histaminagonisten, zum Beispiel Betahistin (vor allem bei Morbus Menière eingesetzt)
  • Dopaminrezeptorantagonisten, zum Beispiel Sulpirid, Alizaprid (bei peripherem Schwindel)
  • Pflanzliche Wirkstoffe: Ginkgo, Ingwer

Die Kombination aus Cinnarizin und Dimenhydrinat wirkt zugleich auf zentralen und peripheren Schwindel und wird deshalb oft bei chronischem Altersschwindel eingesetzt, bei dem keine einzelne Ursache festzustellen ist. Sie kann Betroffenen helfen, den Schwindel in den Griff zu bekommen und ein Stück Lebensqualität zu gewinnen.

Wichtig ist, dass bei einem schon lange bestehenden Schwindel keine sofortige Wirkung zu erwarten ist. In diesem Fall lässt sich erst nach einiger Zeit beurteilen, ob das Medikament den Schwindel effektiv lindern kann oder nicht. Es sollte daher nicht ohne Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden, wenn der Erfolg zunächst ausbleibt.

Auch der Dopaminantagonist Sulpirid kann bei chronischem Schwindel hilfreich sein.

Nebenwirkungen von Schwindel-Medikamenten: Müdigkeit und Benommenheit

Medikamente gegen Schwindel wirken im Gehirn. Als häufigste Nebenwirkungen treten Müdigkeit und Benommenheit auf, beides kann zu Schwindelgefühlen führen. Einige Medikamente gegen Schwindel verursachen auch Mundtrockenheit, Sehstörungen und Blutdruckveränderungen.

Pflanzliche Mittel: Was hilft gegen Schwindelgefühl und Übelkeit?

Bei leichten Beschwerden werden auch frei verkäufliche pflanzliche Präparate aus den Blättern des Ginkgo biloba-Baums eingesetzt, die die Durchblutung des Gehirns verbessern sollen. Die Studienlage hierzu ist allerdings widersprüchlich, Beweise für die Wirksamkeit von Ginkgo-Extrakten gegen Schwindelgefühle gibt es bislang nicht.

Ingwer und Ingwerextrakte haben zwar keine Wirkung gegen die Schwindelgefühle selbst, können aber gegen die damit oft verbundene Übelkeit helfen.

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Visite | 27.09.2022 | 20:15 Uhr

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Was tun wenn Lagerungsschwindel nicht weg geht?

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Wie lange dauert es bis Lagerungsschwindel weggeht?

Mit der Zeit können sich die Steinchen aber im Bogengang festsetzen und vom Körper abgebaut werden. Deshalb verschwindet ein gutartiger Lagerungsschwindel häufig von allein: Ungefähr die Hälfte der Betroffenen ist innerhalb von drei Monaten wieder beschwerdefrei.

Warum bekomme ich immer wieder Lagerungsschwindel?

Ein gutartiger Lagerungsschwindel kann verschiedene Ursachen haben. Eine der häufigsten ist das Ablösen der Ohrensteine (Otolithen) im Innenohr. Diese gelangen in die Bogengänge des Ohres. Da sich nahe dem Innenohr das Gleichgewichtsorgan befindet, wird dieses durch die Otolithen negativ beeinflusst.

Wie bekommt man Kristalle im Ohr weg?

Die klassische Behandlung dieser Schwindelanfälle besteht in einer Behandlung durch einen Physiotherapeuten. Ziel ist es, die Wanderung der Kristalle in ein Gefäß im Innenohr zu beschleunigen, wo sie ihre Bewegung stoppen und auf natürliche Weise vom Körper abgebaut werden können.

Was ist ein bösartiger Lagerungsschwindel?

Es gibt grundsätzlich keinen bösartigen Lagerungsschwindel. Es gibt nur die Bezeichnung gutartiger Lagerungsschwindel, weil in diesem Fall dann keine unmittelbaren Schäden ausgelöst werden. Die Schäden entstehen vielmehr durch Stürze oder die nervlichen Belastungen, die eine Folge sein können.