Was behandeln die Grundrechtsartikel in der Charta der Grundrechte der EU?

Die Gründungsverträge enthalten schließlich selbst noch einige grundrechtsähnliche Verbürgungen. Diese finden sich zunächst in den vier „Grundfreiheiten“:

  1. dem freien Warenverkehr,
  2. dem freien Personenverkehr,
  3. dem freien Dienstleistungsverkehr und
  4. dem freien Kapitalverkehr.

Sie enthalten nicht nur eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten, sondern können auch unmittelbare Rechte und Pflichten von Individuen begründen. So kann jeder EU-Bürger gegen im Einzelfall unverhältnismäßige Beschränkungen, wie z. B. der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit, gerichtlich vorgehen. Dies gilt auch für eine Verletzung der so genannten „Nichtdiskriminierungsklauseln“, die einen besonderen Aspekt des Gleichbehandlungsgrundsatzes gewährleisten. Dies betrifft z. B. das Verbot jeglicher Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit (Art. 12 EGV), oder den Grundsatz der Lohngleichheit für Männer und Frauen (Art. 141 EGV).

Der EuGH hat auf dieser Grundlage in seiner langjährigen Rechtsprechung eine breite Palette von Gemeinschaftsgrundrechten anerkannt und im konkreten Einzelfall angewandt. Dies gilt insbesondere für die Rechte auf:

  • Menschenwürde,
  • Achtung der Privatsphäre,
  • Unverletzlichkeit der Wohnung,
  • das Briefgeheimnis,
  • Religionsfreiheit,
  • Vereinigungsfreiheit,
  • Handelsfreiheit,
  • Berufsfreiheit,
  • Eigentum,
  • das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechts,
  • den Gleichheitsgrundsatz,
  • Meinungs- und Veröffentlichungsfreiheit,
  • das Verbot der Rückwirkung von Strafgesetzen und auf den Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz und auf einen fairen Prozess.

Das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, dass dieser Grundrechtsschutz dem Grundgesetz im Wesentlichen gleichwertig ist.

Entwicklung des Grundrechtsschutzes in der EU

Der EuGH nahm erst Ende der sechziger Jahre seine Grundrechtssprechung auf. 1969 erklärte sich der EuGH erstmals für zuständig, die Grundrechte zu schützen, die er im Wege der wertenden Rechtsvergleichung aus den Verfassungen seiner Mitgliedstaaten ableitete. Er erkannte an, dass der Einzelne sich gegenüber Akten der Gemeinschaft auf Grundrechte berufen könne.
Die Zuständigkeit des EuGH zur Grundrechtssprechung wurde vom Europäischen Rat, vom Europäischen Parlament (EP) und von der Europäischen Kommission in ihrer gemeinsamen Erklärung zum Grundrechtsschutz vom 05.04.1977 ausdrücklich anerkannt. Das Europäische Parlament und die Europäische Kommission bemühten sich in der Folgezeit weiter darum, den Grundrechtsschutz in der EU zu stärken. Das Europäische Parlament legte 1984 den Entwurf einer Europäischen Verfassung vor und verabschiedete 1989 einen umfassenden Grundrechtskatalog, die trotz der Bemühungen der Parlamentarier keine Relevanz erlangen konnten. Die Europäische Kommission schlug 1979 und 1990 erfolglos den Beitritt der Gemeinschaft zur EMRK vor.
Erst mit dem Vertrag von Maastricht wurde 1992 die Verpflichtung der EU zur Achtung der Grundrechte unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die EMRK in Art. 6 Abs. 2 EUV vertraglich festgeschrieben. Damit wurde die bisherige Rechtsprechung des EuGH zu den Gemeinschaftsgrundrechten bestätigt.
Die vom EuGH entwickelten Grundrechte erschließen sich jedoch nur über die einschlägige Fachliteratur oder die Durchsicht sämtlicher Entscheidungen des EuGH. So ist es für den einzelnen Unionsbürger schwierig, seine Grundrechte überhaupt zu kennen. Dieser Mangel an Transparenz und Rechtsklarheit für die Bürger ist der Grund, weshalb immer wieder ein festgeschriebener Grundrechtskatalog für die EU gefordert wurde.

Am 4. Juni 1999 beschloss der Europäische Rat in Köln auf Initiative der deutschen Ratspräsidentschaft die Ausarbeitung einer Grundrechtecharta. Der Europäische Rat von Tampere vom 15./16. Oktober 1999 legte dann die Zusammensetzung eines Gremiums zur Ausarbeitung der Charta sowie das Verfahren fest. Das Gremium setzte sich wie folgt zusammen:

  • 15 Beauftragte der nationalen Regierungen,
  • ein Beauftragter des Präsidenten der EU-Kommission,
  • 16 Mitglieder des Europäischen Parlaments,
  • 30 Mitglieder der nationalen Parlamente (zwei pro Mitgliedstaat).

Dazu kamen zwei Beobachter des Europäischen Gerichtshofs und zwei des Europarats, darunter einer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Es wurde festgelegt, dass der Wirtschafts- und Sozialausschuss, der Ausschuss der Regionen und der Europäische Bürgerbeauftragte zu hören seien, und ein Gedankenaustausch mit den Beitrittsländern stattfinden sollte. Das Gremium konnte sonstige Gremien, gesellschaftliche Gruppen oder Sachverständige hören. Die Sitzungen und Dokumente sollten grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich sein. Das gesamte Verfahren war bis dato in der Geschichte der Union beispiellos und ein scharfer Gegensatz zu den Regierungskonferenzen hinter verschlossenen Türen. Das Gremium trat am 17.12.1999 erstmals zusammen und wählte den ehemaligen deutschen Bundespräsidenten und Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, ROMAN HERZOG, zu seinem Vorsitzenden. Zunächst vom Europäischen Rat von Tampere als „Gremium“ bezeichnet, benannten sich dessen Mitglieder selbst in „Konvent“ um. Innerhalb von neun Monaten erarbeitete der Konvent den Entwurf einer „Charta der Grundrechte der EU“.

Mit der Grundrechtecharta gelang es erstmals, die bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte, die bislang in verschiedenen nationalen und internationalen Verträgen niedergelegt waren, zu einem einzigen, verständlichen Text zusammenzufassen. Diese Rechte sind in sechs große Kapitel unterteilt:

  1. Würde des Menschen,
  2. Freiheiten,
  3. Gleichheit,
  4. Solidarität,
  5. Bürgerrechte und
  6. justizielle Rechte.

Sie beruhen insbesondere auf den in der Europäischen Menschenrechtskonvention anerkannten Rechten und Grundfreiheiten, den Verfassungstraditionen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, der Europäischen Sozialcharta des Europarates und der Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer sowie anderen internationalen Übereinkommen, denen die Europäische Union oder ihre Mitgliedstaaten angehören.

Der Charta-Entwurf wurde vom Europäischen Rat von Biarritz (13./14. Oktober 2000) gebilligt. Die Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Europäischen Rates und der Europäischen Kommission unterzeichneten und proklamierten die Charta im Namen ihrer jeweiligen Institutionen am 7. Dezember 2000 in Nizza. Rechtlich bleibt die Charta jedoch bis heute unverbindlich. Zwar stärkt der geschriebene Grundrechtekatalog die Legitimität der EU, dies würde aber durch die Rechtsverbindlichkeit der Charta noch deutlicher geschehen.
Die Grundrechtecharta wurde von Anfang an als zentrales Element oder Fundament einer möglichen Verfassung beschrieben, der Konvent als Probelauf für einen Verfassungskonvent. Gerade diese Verbindung führte zum Widerstand gegen die Rechtsverbindlichkeit der Charta. Dennoch ebnete der Grundrechtekonvent den Weg für die Verfassungsdiskussion. Die positiven Erfahrungen mit dem ersten Konvent führten dazu, dass der Europäische Rat von Laeken sich im Dezember 2001 für die Einberufung eines zweiten Konvents zur Zukunft der Union entschied.

Der „Entwurf eines Vertrages über eine Verfassung für Europa“ sah eine Einbeziehung der Charta in Teil II des Vertrags vor. Durch Ablehnung durch Frankreich und die Niederlande konnte der Verfassungsvertrag jedoch nicht ratifiziert werden. An seine Stelle tritt der Reformvertrag (Vertrag von Lissabon). Durch einen Verweis im Reformvertrag wird die Grundrechtecharta für rechtsverbindlich erklärt.

Welche Inhalte stehen in der Charta der Grundrechte der EU?

In sechs Titeln (Würde des Menschen, Freiheit, Gleichheit, Solidarität, Bürgerrechte und justizielle Rechte) fasst die Charta die allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte und die wirtschaftlichen und sozialen Rechte in einem Dokument zusammen.

Was garantiert die Grundrechtecharta der EU?

Inhaltlich geht die Grundrechtecharta weiter als die meisten nationalen Verfassungen in der EU . Beispielsweise garantiert sie ausdrücklich Rechte von Kindern und älteren Menschen, den Schutz personenbezogener Daten oder das Recht auf gute Verwaltung.

Wann sind Grundrechte der Grundrechtecharta anwendbar?

Im Rahmen der Prüfung seiner Zuständigkeit hat der Gerichtshof zunächst darauf hingewiesen, dass der Anwendungsbereich der Charta, was das Handeln der Mitgliedstaaten betrifft, in Art. 51 Abs. 1 der Charta definiert ist. Danach gilt diese für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union.

Was besagt der Artikel 21 der EU Grundrechtecharta?

Charta der Grundrechte der Europäischen Union Unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge ist in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten.