Wann sollte man zu einem Psychologen gehen?

Die Seele sitzt im Hirn und wird viel zu oft ignoriert, sagt Sabine Wery von Limont - und plädiert für regelmäßige Check-ups.

BRIGITTE: Sie bezeichnen die Seele als Organ. Allerdings kann man diese, wie schon der Untertitel Ihres Buches sagt, anders als Herz oder Leber nicht sehen. SABINE WERY VON LIMONT: Aber wir können ihr bei der Arbeit zuschauen. Durch moderne technische Methoden ist es möglich zu bestimmen, welche Areale des Gehirns bei Bildern, Gefühlen usw. besonders aktiv sind. Und der Bereich, der uns primär antreibt und für unsere Gefühle verantwortlich ist, sitzt relativ tief im Hirn: Limbisches System, Amygdala, Hippocampus heißen diese Strukturen. Man kann sagen, das ist unsere Seele.

Ob die Leber gesund ist, zeigen Untersuchungen. Was aber ist der Sollzustand der Seele, und wie stellt man ihn fest? Genau das ist schwierig. Natürlich gibt es diagnostische Kriterien, aber eher um eine Störung festzustellen. Allerdings muss ich auch nicht unbedingt zum Arzt gehen, um zu verstehen, dass zwei Liter Bier am Tag schlecht für meinen Körper sind. Was ich damit sagen will: Viele wissen zu wenig über psychische Zusammenhänge und Wirkmechanismen zwischen Körper und Seele. Wenn wir mehr über die Seele wüssten, wüssten wir auch eher, ob sie sich im grünen Bereich befindet. Dass mit meiner Seele etwas nicht in Ordnung ist, kriege ich eigentlich immer dann mit, wenn sich Dinge wiederholen, wenn ich anecke, aus dem Job raus fliege, immer die falschen Männer kennenlerne. Was wir dann gern machen, ist zu sagen: Chefin doof, Mann doof, alles doof. Stattdessen würde ich mir die Frage wünschen: Was passiert da eigentlich in mir? 

Man sollte öfters in sich gehen

Also die Erkenntnis, dass man sich das eigene Unglück selbst eingebrockt hat ... Nein, es geht nicht um Schuld, sondern um Eigenverantwortung: Ich bin verantwortlich für das, was ich tue oder lasse, und nur in meinem Verantwortungsbereich kann ich etwas ändern. Unser Körper passt sich ständig an, zum Beispiel wenn wir vom Warmen ins Kalte gehen. Und auch unserer Seele gelingen diese Anpassungsprozesse. Dafür gibt sie uns sogar Signale, nur leider ignorieren viele die erst mal. Und da ist es von der Seele ein cleverer Schachzug, dass sie in Wechselwirkung mit anderen Organen steht. Erst wenn wir dann eine Magenschleimhautentzündung bekommen, nehmen wir unsere Gesundheit wahr und ernst.

"Das ist psychisch" hört man aber meist nicht gern, wenn es einem schlecht geht. Ja, das ist wahr. In einem Gespräch wird der Satz oft als Kränkung empfunden, denn es gibt immer noch eine Stigmatisierung. Das Nichtwissen über psychische Zusammenhänge löst viele Ängste aus. Übrigens auch bei Medizinern. Ich fände es schön, wenn die in allen Bereichen die Psyche mit im Blick behalten würden. Stattdessen ist die Diagnose "psychisch" das, was übrig bleibt, wenn man nichts anderes findet - wie der Schwarze Peter, den niemand will.

Um den Körper durchchecken zu lassen, geht man regelmäßig zum Arzt. Empfehlen Sie das auch für die Seele? Oh ja! Ich wünsche mir inständig, dass die Krankenkasse ein-, zweimal im Jahr einen Seelen-Check-up bezahlt, um zu schauen, ob alles in Ordnung ist. Denn natürlich lässt sich, wenn man bei Problemen frühzeitig einschreitet, auch schneller eine Veränderung erzielen. Wenn es gelernt ist, zum Therapeuten zu gehen, und ich weiß, was mich dort erwartet, ist außerdem die Hemmschwelle geringer, Hilfe zu suchen, wenn wirklich etwas ist. Mir als Therapeutin begegnen viele Vorurteile - Gesundheitslatschen, komische Klamotten, halbseidenes Gerede. Nach der ersten Sitzung dann sind die Patienten erleichtert und sagen: Da hätt’ ich auch schon zehn Jahre früher kommen können.

Fazit: Jede Menge Wissen,  trotzdem leicht lesbar - und eine gute Anleitung, um mit sich selbst in Kontakt zu kommen.

Wann sollte man zu einem Psychologen gehen?

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Brigitte 18/2018

Die Krankenkassen erkennen derzeit vier Therapierichtungen an und übernehmen für diese die Kosten, wenn die Psychotherapie von qualifizierten und kassenärztlich zugelassenen Psychotherapeuten, Psychologen oder Psychiatern durchgeführt wird.

Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie orientiert sich an der gegenwärtigen Situation des Betroffenen. Sie geht davon aus, dass bestimmte problematische Verhaltensweisen erlernt sind – und auch wieder verlernt werden können. Dazu werden zunächst gemeinsam die Bedingungen erarbeitet, die für die aktuelle Lebenssituation verantwortlich sind, und darauf aufbauend ein Therapieplan erstellt. Der Patient soll im Laufe der Therapie aktiv sein Denken, Fühlen und Handeln verändern und so seine psychische Situation verbessern. Dazu werden meist Übungen und Hausaufgaben genutzt.

Systemische Therapie

Die Systemische Therapie sieht den Menschen als Teil von Beziehungssystemen (Familie, Freunde, Beruf). Psychische Probleme resultieren aus Störungen dieser Beziehungen und sollen durch die Veränderung von familiären und sozialen Interaktionen gelöst werden. Das gelingt durch spezielle Fragetechniken und Gesprächsführungen durch den Therapeuten – auch unter Einbindung von Bezugspersonen. Oft wird die Systemische Therapie in der Paar- oder Familientherapie angewandt.

Analytische Psychotherapie

Die Analytische Psychotherapie geht auf die Psychoanalyse Sigmund Freuds zurück. Unbewusste, verdrängte, innere Konflikte, Erinnerungen und Gefühle aus der Vergangenheit gelten als Ursachen von psychischen Krankheiten. Sie sollen zusammen mit dem Therapeuten wieder durchlebt, erkannt und berabeitet werden, um eine Integration und eine heilsame Veränderung der psychischen Situation zu erlangen.

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Die tiefenpsychologische Therapie stellt eine Modifikation der Psychoanalyse dar und sieht als Ursprung für aktuelle psychische Probleme den „Zentralen Konflikt“, der seine Ursachen in der Persönlichkeit und Vergangenheit des Betroffenen hat. Die Patienten sollen unbewusste Motive und Konflikte, z.B. aus der Kindheit, erkennen, sich mit ihnen auseinandersetzen und sie schließlich überwinden. Der Schwerpunkt liegt auf der Bearbeitung der aktuellen Konflikte.

Seit 2015 bezahlen gesetzliche und private Krankenkassen bei erwachsenen Patienten auch EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) als Teil eines der oben dargestellten anerkannten Therapieverfahren, wenn der Psychotherapeut eine spezielle EMDR-Ausbildung hat. EMDR ist eine wirksame Behandlungsmethode bei posttraumatischen Belastungsstörungen und wird zum Beispiel auch bei Angst- und Panikstörungen, Depressionen und Alkoholabhängigkeit eingesetzt.

Mehr Informationen zum Thema Psychotherapie:

Therapeutensuche: www.therapie.de/therapeutensuche/

Therapeutensuche: Kassenärztliche Vereinigung: www.kbv.de/html/arztsuche.php

Telefonseelsorge: www.telefonseelsorge.de/

Depressionsforum: www.diskussionsforum-depression.de

EMDR: www.emdria.de

Was macht ein Psychologe mit mir?

Wörtlich übersetzt bedeutet Psychotherapie „Behandlung der Seele“ bzw. Behandlung von seelischen Problemen. Mit psychologischen Methoden - wie psychotherapeutischen Gesprächen, Entspannungsverfahren oder kognitiven Methoden - werden Störungen des Denkens, Handelns und Erlebens identifiziert und therapiert.

Wie verhalte ich mich richtig beim Psychologen?

Üblicherweise fühlen sich Patienten durch Ihre Probleme stark belastet. Es macht also Sinn, gleich beim ersten Kontakt darüber zu sprechen. Erzählen Sie einfach, was Ihnen am Herzen liegt. Wenn der Psychiater danach noch Fragen hat, wird er diese vorsichtig und empathisch stellen.