Mit heißer feder schreiben bedeutung

Ratsversammlung der Franken mit Turpin (auch: Tilpin), dem Erzbischof von Reims, Rolandslied des Pfaffen Konrad. Übersetzung bzw. Bearbeitung der altfranzösischen Chanson de Roland (um 1100). Blatt 15v, 12. Jahrhundert

Westliche Kalligrafie (altgriechisch κάλλος kállos, deutsch ‚Schönheit‘ bzw. καλός kalós, deutsch ‚schön‘, ‚gut‘ und -grafie) bezeichnet die Schönschrift in lateinischen, griechischen oder kyrillischen Buchstaben und stellt eine eigenständige Kunstform dar. Sie hatte ihre Blütezeit im Hochmittelalter, als ein hoher Bedarf an Bibelabschriften bestand, und wird heute noch als entspannendes Hobby oder zu besonderen Anlässen ausgeübt. Kalligrafie wird in Europa und Nordamerika meistens mit einer Bandzugfeder, einer Schreibfeder mit breiter Spitze, betrieben.

Die Geschichte der Kalligrafie ist mit der Entwicklung der Schrift untrennbar verbunden. Dabei versteht man unter Kalligrafie nicht nur das Schreiben mit Pinsel oder Feder, sondern auch das kunstvolle Eingravieren von Texten in Holz, Stein oder Metall. Im Mittelalter erlebte sie in Europa eine Blüte, die, neben der starken Aktivität christlicher Klöster, mit der Gründung der ersten Universitäten und dem dadurch entstandenen Bedarf an Büchern zusammenhing. Mit dem Aufkommen des Buchdrucks tradierten Schreibmeister die Kunst, verschiedene Schriftstile von Hand zu schreiben. Heutzutage führt die Schreibkunst eher ein Schattendasein neben den anderen Kunstformen, dennoch finden sich immer wieder Beispiele für hervorragende und innovative handgeschriebene Schriftgestaltung.

Beschriebene Stoffe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Codex Argenteus, eine gotische Bibelübersetzung des Bischofs Wulfila in einer Abschrift des 6. Jhd., wurde auf mit Purpur gefärbtem Pergament geschrieben. Die silbernen Buchstaben wurden dabei mit Pinseln aufgetragen.

In der Antike und bis weit ins Mittelalter hinein war Papyrus das Maß der Dinge. Auf ihm wurden Urkunden festgehalten, Manuskripte verfasst und religiöse Texte verewigt. Das aus dem Papyrusmark hergestellte Blatt wurde meistens nur einseitig beschrieben und als Buchrolle gelagert. Durch geschickte Herstellung konnten Rollen weit über 20 Meter lang werden.[1]

Diese unhandliche Art der Aufbewahrung wurde ab dem ersten Jahrhundert vom Codex abgelöst, der im Wesentlichen der heutigen Buchform entspricht. Das leichter faltbare Pergament, das langsam an die Stelle des Papyrus trat, förderte diese neue Form. Sein Ursprung lässt sich bis ins 3. vorchristliche Jahrhundert zurückverfolgen, bis in das griechische Pergamon, von dem sich auch der Name herleitet. Während der neue Beschreibstoff schon bald für Manuskripte Verwendung fand, wurde er für Urkunden nur zögerlich eingesetzt. So stieg der Vatikan erst unter Benedikt VIII. Anfang des 11. Jahrhunderts von Papyrus auf Pergament um.[2]

Dieses ablehnende Verhalten wiederholte sich mit der Einführung des Papiers. Der vermutlich im alten China erfundene Beschreibstoff fand seinen Weg nach Europa über Arabien und Spanien, wo ihn die Mauren im 11. Jahrhundert einführten. Für Deutschland gilt das 1246 begonnene Registerbuch des Domherrn und Domdekans von Passau Albert Behaim als die erste Papierhandschrift.[3] Wie zuvor das Pergament war das Papier lange Zeit als Träger für Urkunden verboten. Nach dem Statut von Padua von 1236 besaßen Urkunden auf Papier keine Rechtskraft.[4] In den späteren Jahrhunderten führt die Verwendung von Papier selbst zum Zurückdrängen mancher Schriftarten, wie der Textura, die für Papier nicht sonderlich geeignet ist, zugunsten der Bastarda.[5]

Stifte und Federn[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ägypter verwendeten Rohrfedern, um die hieratische Schrift auf Papyrus zu bringen. Die Hieroglyphen, die in den Stein gemeißelt wurden, haben eine signifikant andere Form. Das gleiche beobachtet man bei den Griechen und Römern. Die Formvollendung einer Capitalis monumentalis[6] stammt von den Werkzeugen der Steinmetze. Die Schreiber nahmen dagegen einen Griffel (lat. stilus) für Wachstafeln oder angespitzte Schilfrohre (lat. calamus), in deren Spitze ein Spalt geschnitten wurde, um den Tintenfluss zu erleichtern. Ab dem 6. oder 7. Jahrhundert kamen Vogelfedern, besonders Gänsekiele, als Schreibwerkzeuge auf. Der Pinsel als Schreibgerät fand nur selten Einsatz, zum Beispiel bei goldenen Schriftzügen oder aufwändigen Initialen. Sehr wichtig war ein scharfes Messer, um die Schreibgeräte, deren Spitzen schnell abstumpften oder ausfransten, bei Bedarf wieder anspitzen zu können. Für das Ausbessern kleiner Schreibfehler hatten die Schreiber stets ein scharfes Messer, das rasorium, bereit, mit dem sie die entsprechenden Stellen vom Pergament abschaben konnten. Mit Einführung des billigen, aber wenig widerstandsfähigen Papiers wurde dies bald überflüssig.

Gänsefedern (Gänsekiele) werden, bevor sie zum Schreiben verwendet werden können, gehärtet. Das sogenannte „Ziehen“ der Federn erfordert einiges an Übung. Das Härten geschieht durch Erhitzen der Feder entweder in heißem Sand oder in heißer Asche, oder indem man den Kiel über einer starken Hitzequelle (kein offenes Feuer) so lange hin und her bewegt, bis er gleichmäßig erweicht ist. Ist die Hitze hierbei zu stark oder zu gering, erhält der Kiel im Anschluss nicht die notwendige Härte und wird beim Schneiden splittern und „Zähne“ bekommen. Sodann wird mit Hilfe eines Messers auf einer weichen Unterlage die oberste Haut des Kiels gleichmäßig auf allen Seiten abgeschabt. Anschließend muss der Kiel, solange er noch warm ist, wieder in seine ursprüngliche runde Form gedrückt werden. Das geschieht am leichtesten durch mehrmaliges Ziehen des Kiels durch ein weiches Tuch. Ist er so vorbereitet, kann er schließlich geschnitten werden. Damit die Tinte nicht zu schnell aus dem Federkiel fließt, wird eine Schreibunterlage genutzt, die zwischen 40 und 60 % geneigt ist.[7]

Heutzutage werden Gänsefedern nur noch für besondere Aufgaben, z. B. besonders feine Linien, verwendet. Sie wurden von Stahlfedern abgelöst. Moderne Breit-[8] oder Bandzugfedern[9][10] verfügen über einen kleinen Tuschetank auf der Oberseite, der es erlaubt, mehrere Wörter zu schreiben, ohne erneut Tusche aufnehmen zu müssen. Die in Europa am weitesten verbreiteten werden von der Firma Brause hergestellt und sind in verschiedenen Strichbreiten von 0,5 mm bis 5 mm erhältlich.

Soll die Schrift einen speziellen Charakter erhalten, greifen moderne Kalligrafen auch auf Pinsel zurück oder konstruieren die Schrift mit Lineal und Bleistift. Daneben gibt es spezielle Kalligrafiefüller, die mit einer breiten Spitze ausgestattet sind. Sie erreichen meist nicht das Schriftbild einer Stahlfeder und sind teurer in der Anschaffung. Dafür erübrigt sich aufgrund der Tintenpatronen das häufige Nachfüllen von Tusche. Zudem ist ein breites Sortiment an Stiften, Tintenrollern, speziellen Rund- und Copperplatefedern im Fachhandel erhältlich.[11]

Schreib- und Bastelläden bieten Tuschen und Tinten in ausreichend guter Qualität für die meisten kalligrafischen Belange an. Neben farbigen Tuschen ist auch Blattgold leicht zu bekommen. Als Beschreibmaterial dient heute meistens Papier. Papyrus und Pergament sind zwar auf Bestellung erhältlich, allerdings zu Preisen, die ein normales kalligrafisches Projekt nicht rechtfertigt. Zudem ist Papier in vielen Fällen handlicher und durch die unterschiedlichen möglichen Farben und Strukturen vielfältiger einsetzbar.[12]

Im Laufe der Geschichte führten neue Schreibgeräte und Beschreibstoffe, politische und kulturelle Veränderungen und der technische Fortschritt immer wieder zu Herausforderungen, die die Entwicklung der Kalligrafie und der kalligrafischen Techniken und Schriften beeinflussten.

Diese Entwicklungen wirken bis in die Gegenwart hinein, da moderne kalligrafische Arbeiten von historischen Vorbildern inspiriert werden und diese Vorbilder so zum Ausgangspunkt des heutigen kalligrafischen Schaffens werden.

Der folgende historische Überblick stellt den Einfluss der jeweiligen Epochen auf die Entwicklung der heutigen, westlichen Kalligrafie dar. Zum wissenschaftlichen Bild der Geschichte der lateinischen Schrift vgl. den Artikel Lateinische Paläografie.

Bereits im alten Ägypten wurden besonders wichtige Schriftstücke in den schöneren hieratischen Hieroglyphen verfasst, während man im alltäglichen Schriftverkehr die wesentlich praktischere demotische Schrift verwendete. Mit der Erfindung von Rohrfeder und Papyrus war es möglich, Schriftstücke und Buchrollen schnell zu erstellen, zu kopieren und zu verbreiten. Dies vergrößerte auch den Bedarf an geübten Schreibern, die sowohl leserlich als auch kunstvoll die Buchrollen gestalteten.

Griechischer Text (Codex Ephraemi aus dem 5. Jahrhundert n. Chr., Beispiel eines Palimpsestes)

Zu Beginn des ersten vorchristlichen Jahrtausends begann mit der Entwicklung des phönizischen Alphabets eine neue Ära. Die Kaufleute und Händler verbreiteten diese Konsonantenschrift im ganzen Mittelmeerraum, und bald darauf entstand nach dieser Vorlage das griechische Alphabet, in dem auch die Vokale ausgeschrieben werden.

Daraus wiederum entwickelten die Etrusker ein eigenes und daraus das lateinische Alphabet, das die Römer übernahmen, und das, bis auf wenige Ausnahmen (das sind die aus dem Griechischen übernommenen Buchstaben H, K, Y und Z und die neueren Buchstaben J, U und W), mit unserer heutigen Schrift übereinstimmt. Es war in der Zeit Ciceros und Caesars bereits ausgereift und in der Form der Capitalis monumentalis, einer von Steinmetzen geschaffenen Schrift für Gebäude und Triumphbögen, perfektioniert. Man sieht letztere heute an den Überresten zum Beispiel auf dem Forum Romanum, besonders an der Trajanssäule. Die Römer kannten und verwendeten nur die heutigen Großbuchstaben, die Kleinbuchstaben entwickelten sich erst im Laufe des frühen Mittelalters.

Die Römer waren es auch, die die heutige Buchform entwickelten. Für das schnelle Schreiben entwickelten sie Wachstäfelchen (tabellae oder codices), die sich mit einem Griffel beschreiben und mit dessen flacher Rückseite wieder löschen ließen. Diese Täfelchen waren zu zweien oder dreien zusammengebunden und bildeten so die Vorlage für aus Pergament gebundene so genannte Codices.

Historischer Überblick[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das frühe Christentum förderte durch einen hohen Bedarf an aufwändigen Kopien der Bibel und anderer heiliger Texte die Entwicklung der Schreibkunst. In Klöstern in ganz Europa wurden auf der Basis der lateinischen Schrift die Testamente vervielfältigt. Einige besonders wichtige Stücke wurden auf purpurgefärbtem Pergament mit Gold- oder Silbertinte geschrieben. In dem großräumigen Gebiet, in dem die lateinische Schrift nach dem Zusammenbruch des Römischen Reichs verwendet wurde, entwickelten sich sehr unterschiedliche Schreibstile. Um 800 war dieses Phänomen so fortgeschritten, dass selbst Personen mit guter Schriftkenntnis Schwierigkeiten beim Lesen von Texten aus anderen Regionen hatten. Deswegen bestimmte Karl der Große seinen Hoftheologen Alkuin von York, den Abt von St. Martin in Tours, dazu, eine Schrift zu entwickeln, die leicht lesbar war und im gesamten karolingischen Reich verwendet werden sollte. Diese karolingische Minuskel wurde bis in das 11. Jahrhundert hinein verwendet.

Davor hatte sich bereits eine Vielzahl an Schriften entwickelt. Die wichtigste, die Unziale, wurde seit dem 2. Jahrhundert in Nordafrika verwendet und fand von dort über die Reste des Römischen Reichs ihren Weg nach Europa. Sie erfuhr dabei Einflüsse unterschiedlicher Strömungen, so dass sich unter anderem die so genannte Halbunziale entwickelte, die bereits deutlich an unsere Kleinbuchstaben erinnert. Irische und schottische Mönche griffen Unziale und Halbunziale auf und entwickelten daraus die insularen Schriften oder Celtic Hand. Der Name verrät bereits, dass hier auch keltische Einflüsse und Traditionen der Schreiber mit einflossen. In einem ersten Höhepunkt christlicher Buchkunst entstand in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts das Book of Kells, das heute wegen seiner verschwenderischen Verzierungen berühmt ist und im Dubliner Trinity-College eine Touristenattraktion darstellt.

Ab dem 11. Jahrhundert entstanden die gebrochenen oder gotischen Schriften (analog zum Architekturstil der damaligen Zeit, der Gotik). Dieser auch unter dem Namen Textura bekannt gewordene Schriftstil hängt mit den damals hohen Preisen für Beschreibstoff zusammen. Durch die dichte Form der Buchstaben konnte auf engem Raum viel Text untergebracht werden. Ein weiteres Phänomen dieser Rohstoffknappheit sind die so genannten Palimpseste. Dabei handelt es sich um alte Schriftstücke, die von mittelalterlichen Schreibern wiederverwertet wurden. Die alten Schriften wurden abgekratzt und das Pergament neu beschrieben. Dadurch sind uns, so paradox es klingen mag, viele Schriften der Antike erhalten geblieben. Denn statt die alten Bücher einfach wegzuwerfen, wurden sie, neu beschrieben, bis heute aufgehoben. Mittlerweile können jedoch durch chemische Methoden oder Untersuchungen unter UV-Licht die alten Textreste rekonstruiert werden.

Während in ganz Europa immer kantiger geschrieben wurde, widersetzten sich italienische Schreiber diesem Trend in der Schrift zumindest teilweise. Sie schufen eine rundere Form der gotischen Schrift, die so genannte Rotunda. Sie war leichter lesbar und wurde deswegen bevorzugt in liturgischen Büchern eingesetzt, aus denen während des Gottesdienstes gelesen wurde.

Im Hochmittelalter fanden Buchmalerei und Kalligrafie eine weitere Blütezeit. In den Klöstern wurden prachtvolle Handschriften für den kirchlichen und, in adligen Kreisen, privaten Gebrauch hergestellt, die mit Miniaturen und Initialen verschönert wurden.

Neben den gebrochenen Schriften entwickelten Beamte und Kaufleute Kursivschriften, die als so genannte Bastardschriften kalligrafischen Ansprüchen genügten. Der Name kennzeichnet sie als „nicht reine Lehre“, obwohl so auf höchstem Niveau geschrieben worden sind (z. B. Bourguignonne).

Gestaltung eines mittelalterlichen Codex[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ausschnitt einer mittelalterlichen Handschrift des Klosters Malmesbury (1407): Beispiel einer Textura

In einer Schreibstube des Mittelalters herrschte bereits bis zu einem gewissen Grad der Vervollkommnung das Prinzip der Arbeitsteilung. Um die prächtigen Handschriften für den großen Bedarf der Kirchen und Klöster liefern zu können, konzentrierten sich die Schreiber nur auf den Text. Die Werke begannen dabei, ohne Titelblatt, nur mit einer Einleitungsformel, meistens Incipit (lat. „Hier beginnt“). Vor dem Schreiben wurden die Seiten mit einem Falzbein liniiert oder die Linien durch kleine Löcher festgelegt. Dies hatte den Vorteil, dass sie auf Vorder- und Rückseite deckungsgleich waren. Geübte Schreiber konnten so manches Buch in lediglich einem Monat kopieren.

Nach dem Schreiber folgte der „Rubrikator“. Er schrieb mit roter (lat. ruber) Tinte die Kapitelüberschriften und markierte die ersten Buchstaben mit roten oder blauen Strichen. Von dieser Arbeit leitet sich das Wort „Rubrik“ ab.

Dann erst bemalte der Buchmaler die Seiten mit den kunstvollen Miniaturen oder Initialen. Er verwendete dazu Pinsel aus den Schwanzhaaren von Eichhörnchen und Wasserfarben aus Farbpigmenten, die mit Gummi arabicum oder Eiweiß gebunden wurden. Jede Farbe einer Miniatur hat dabei ihre eigene Geschichte. Ultramarinblau wurde beispielsweise aus zerstoßenem Lapislazuli gewonnen, der über das Meer (ultra marine) geliefert wurde. Das leuchtende Rot stammte oft von Zinnober (Quecksilbersulfid), das im Mittelalter minium hieß und so den Miniaturen ihren Namen gab. Er hat also ursprünglich nichts mit ihrer Größe zu tun.[13]

Bedeutende Schreibstuben des Mittelalters[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Handschriften und Miniaturen wurden im Mittelalter an vielen Orten angefertigt. Klöster hatten jedoch die Möglichkeiten, besonders hervorragende Werke zu schaffen. Einige wichtige Orte im deutschsprachigen Raum waren die Klöster Aachen, Seeon[13] und St. Gallen[14] in karolingischer Zeit[15] und Mittelzell in Reichenau,[16] Trier,[17] Echternach,[18][19] Köln,[20][21] Fulda,[22] Minden, Hildesheim,[23] Magdeburg[24] und Kloster Sankt Emmeram in Regensburg im Hochmittelalter.[25]

Angebliche Urkunde Ludwig des Frommen, 814

Bei Untersuchungen von Wissenschaftlern in vielen Archiven des Mittelalters wie z. B. dem Domarchiv von Arezzo oder Klosterbeständen stellten sich im Laufe der letzten 100 Jahre etliche kostbare Handschriften und Urkunden als Fälschungen heraus, die im Nachhinein Gebietsansprüche oder Schenkungen rechtlich absichern sollten.[26][27] 60 % aller Königsdokumente der Merowingerepoche wurden von Klöstern gefälscht, Mark Mersiowsky überprüfte Ende der 1990er Jahre die 474 erhaltenen Urkunden Ludwig des Frommen[28] und sortierte alleine dabei 54 Diplome als Fälschungen aus, die zum Teil recht plump gediehen waren, aber nicht selten auch täuschend echte Dokumente, die in Schrift und Fertigung des Siegels nebst Schnuraufhängung annähernd perfekt waren: „Per Federstrich attestierten sich Klöster Zollprivilegien. Sie sackten riesige Ländereien ein, gewährten sich Steuerfreiheit oder Immunität. Machte ihnen der Adel Besitz streitig, konterten sie mit Pergamenten, an denen Kaisersiegel baumelten.“[29] Zu den kreativsten Fälschern zählten Wibald von Stablo,[30] Vorsteher der sächsischen Reichsabtei Corvey, Petrus Diaconus,[31] Bibliothekar aus dem Kloster Montecassino, und schließlich Guido von Vienne,[32] der es dank seiner Beugung der Wahrheit sogar als Papst Kalixt II. 1119 zu höchsten Würden brachte. Übertroffen wurde jedoch alles von der sogenannten Konstantinischen Schenkung des 8. Jahrhunderts. Dieses vorgeblich aus dem 4. Jahrhundert stammende Dokument sollte der Kirche umfangreiche Gebiete weltlichen Besitzes sichern und den eigenen Machtanspruch des Papstes gegenüber dem Kaiser manifestieren.[33]

Daneben wurden Handschriften auch von Privatleuten in Klöstern oder bei freien Künstlern in Auftrag gegeben. Im Namen reicher Adliger und Händler entstanden teure und berühmte Werke, z. B. das Stundenbuch Très Riches Heures des Herzogs von Berry.[34]

Die Zunahme des Bücherbedarfs nach der Gründung der ersten Universitäten förderte die Entstehung privater Schreibstuben. Sie widmeten sich speziell den Lehrbüchern, die die Studenten benötigten, aber auch Andachtsschriften für Privatleute.[35] Durch die neuen Werke der Professoren, die vervielfältigt werden mussten, war ihr Umsatz sichergestellt. Selbst die Klöster des Spätmittelalters stellten freie Schreiber ein und bildeten Nicht-Mönche aus. Als Ergebnis nahm die Qualität der Bücher oft in dem Maße ab, wie ihre Zahl anwuchs. Richard de Bury, Bischof von Durham, schrieb dazu im 14. Jahrhundert, die Mönche widmeten sich mehr dem Leeren der Becher als dem Schreiben von Codices.[36]

Mit dem Aufkommen des Humanismus und des preiswerten Papiers als Beschreibstoff begannen Zeitgenossen, Werke selbst zu kopieren. Dies animierte findige Händler, Bücher der zeitgenössischen Literatur in hoher Zahl von vielen Schreibern preiswert abschreiben zu lassen und an eine bürgerliche Kundschaft zu verkaufen. Ihr Ruf war in den Kreisen gebildeter Bürger jedoch eher zweifelhaft.[37]

Nach der Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern durch Johann Gutenberg im 15. Jahrhundert verloren handgeschriebene und handverzierte Bücher stetig an Bedeutung. Die Schönheit der bemalten und illuminierten Seiten wurde zugunsten der kostengünstigen Produktion einer hohen Auflage, die die neue Technik erlaubte, aufgegeben. Dennoch mussten viele Texte noch mit der Hand geschrieben werden.[38] Diese Handschriften hatten auf die Entwicklung der Buchstabenformen für die Lettern der Drucker durchaus Einfluss. So entstanden in italienischen Kalligrafien zur Zeit der Renaissance die Antiqua und die humanistische Kursive, Schriften, die bis heute verwendet werden.[39]

In Deutschland wurde auch im Druckereiwesen die gebrochene Schrift weiter verwendet. In der Form der Fraktur und Schwabacher, die sich aus den Bastardschriften und der Textura entwickelten, wurden sie bis in die 1940er Jahre verwendet.

Mit dem 16. Jahrhundert endet die Zeit der Codices und Miniaturen. Der Buchdruck setzt sich langsam auch im Bereich der Illustration teurer Werke durch, und selbst die spanischen und flämischen Künstler wenden sich der großflächigen Malerei zu.

Die Kunstform Kalligrafie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde die Kalligrafie von William Morris[40] und der Arts-and-Crafts-Bewegung wiederentdeckt[41] einer breiteren Volksschicht zugänglich gemacht. Viele berühmte Schriftkünstler wie etwa Edward Johnston, der die Foundational Hand und die Schrift der Londoner U-Bahn, die Johnston Sans, entwickelte, und Eric Gill wurden von Morris beeinflusst.[42] In Deutschland entwickelte Rudolf Koch[43] Anfang des 20. Jahrhunderts Fraktur und Schwabacher weiter.[44]

Zwei wichtige zeitgenössische Schriftkünstler sind Arthur Baker[45] und Hermann Zapf.[46] Von ihnen entwickelte Schriftarten sind heute auch auf vielen Computern zu finden, z. B. Baker Signet oder ITC Zapf Book.[47]

Im Alltag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Musterüberschrift einer kalligrafierten Urkunde

Da handgeschriebene Formen der Kommunikation selten geworden sind,[48] wird die Kalligrafie heutzutage[49] meist nur noch für spezielle Gelegenheiten wie das Adressieren von Hochzeitseinladungen und wichtigen Ankündigungen angewandt. „Computer, E-Mail, aber auch Telefon und Handy: alle diese nützlichen Einrichtungen werden vermutlich dazu beitragen, dass jene schönen, sorgfältigen Manuskripte, die in den Archiven zu bewundern sind, in Zukunft seltener entstehen werden als in früheren Jahrhunderten. Trotzdem besteht noch kein Grund zu der Annahme, das Schreiben mit der eigenen Hand gehe in absehbarer Zeit völlig verloren. Die Beobachtung lehrt, dass das so genannte ‚Veraltete‘ oder ‚Überholte‘ sehr häufig weiter besteht – wenn auch nicht unbedingt in seiner ursprünglichen Funktion.“[50] Durch die Konzentration auf Text und Arbeit lässt sich der Stress des Alltags abschalten und eine ruhige Gefühlslage erreichen. Ein Zitat von Andreas Schenk gibt diesen Sachverhalt wieder: „Die Ruhe dieser Arbeit erfüllt das ganze Wesen mit einer umfassenden Zufriedenheit, wo Zeit und Raum, für kurze Zeit wie weggewischt, uns nicht mehr kümmern noch belasten“.[51]

Die häufigsten Schriften, die in Kalligrafien der heutigen Zeit verwendet werden, sind weiterentwickelte Formen der Unziale, die besonders in modernen Kirchen Verwendung finden, die Textura, die Fraktur und die Humanistische Kursive.[52]

Schönschrift lernen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit heißer feder schreiben bedeutung

Illustration, die die Wirkung unterschiedlicher Federgrößen bei der Kalligrafie verdeutlicht

Es gibt zwei wesentliche Wege, die Kalligrafie für sich zu entdecken. Zum einen autodidaktisch, indem man selbst experimentiert oder anhand eines Lehrbuchs (→ Lit.) lernt. Die zweite Möglichkeit sind Kalligrafiekurse von unterschiedlichen Trägern.[53] Evangelisches und katholisches Bildungswerk sowie manche Volkshochschulen[54][55] bieten Kurse zur Kalligrafie an, in denen man zumindest die grundlegenden Techniken erlernen kann.

Im Gegensatz zu vielen anderen Kunstformen benötigt man für den Einstieg lediglich eine Breitfeder und Tusche. Jedoch bieten weitere Techniken immer weitere Herausforderung. Das Schrägstellen der Feder oder Variationen des Schreibwinkels zwischen der Grundlinie und der Feder sind selbst für einen geübten Schreiber nicht selbstverständlich. Und um die Gleichmäßigkeit der Buchstaben in einem großen Werk zu gewährleisten, muss er konzentriert bleiben und routiniert schreiben können.

Man kann seit den Ägyptern zwischen zwei Schriftstilen unterscheiden: Gerade und Kursivschriften. Gerade Schriften wurden in offiziellen Texten und religiösen Manuskripten verwendet, während die Kursivschriften sich meistens aus diesen bildeten, indem schneller geschrieben wurde. Dadurch entstanden Schriften für den täglichen Schriftverkehr, die schnell und praktisch waren, jedoch vielfach an Leserlichkeit einbüßten. Mit Beginn des Buchdrucks veränderte sich diese Aufteilung. Schrift und Kursive wurden im Drucktext verwendet, während sich für die Handschrift eigene Schreibschriften entwickelten, beispielsweise die Copperplate, unsere Lateinische Schreibschrift oder im Deutschland des 19. Jahrhunderts die deutsche Kurrentschrift.[56]

Innerhalb der lateinischen Schrift wird weiterhin unterschieden zwischen Schriften, die nur aus Großbuchstaben (auch Majuskeln oder Versalien genannt) bestehen, etwa die Capitalis monumentalis oder die Unziale, den Schriften, die nur aus Kleinbuchstaben (auch Minuskeln genannt) bestehen, wie die karolingischen Minuskeln, und Schriften, die wie die Antiqua oder die Fraktur aus Groß- und Kleinbuchstaben bestehen. Letztere wurden erst ab dem 8. Jahrhundert verwendet, als Schreiber begannen, die Anfangsbuchstaben der Handschriften besonders zu kennzeichnen.

Die folgende Tabelle stellt einen Überblick über Herkunft und Verwendung wichtiger kalligrafischer Schriften dar. Die Spalte „wirkt auf“ beschreibt, welche Schriften von dem entsprechenden Stil beeinflusst wurden. Der Typ hinter dem Namen erläutert, ob es sich um eine Schrift in Großbuchstaben, in Kleinbuchstaben, eine gerade Schrift (mit Groß- und Kleinbuchstaben), kursive oder Schreibschrift handelt. Die Angabe der Jahrhunderte stellt einen ungefähren Wert dar, da sich die Schriften in den unterschiedlichen Regionen Europas unterschiedlich schnell durchgesetzt haben.