Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

Bruno Altherr aus Reitnau sammelt seit über 20 Jahren alles rund um die Geschichte der Drucktechnik. In seiner «Gutenberg-Werkstatt» finden sich inzwischen zahlreiche Trouvaillen.

Katrin Freiburghaus 04.10.2017, 09.30 Uhr

Bruno Altherr mit einer Bibel aus dem Jahr 1571 in seiner «Gutenberg-Werkstatt».

Mitte des 15. Jahrhunderts hat Johannes Gutenberg die herkömmliche Methode des Buchdrucks mit dem Erfinden der beweglichen Lettern revolutioniert. Diese Erfindung trug Jahrzehnte später zum Erfolg der Reformation bei. Dank des Buchdrucks verbreiteten sich die Schriften Martin Luthers explosionsartig. Der Buchdruck hat schliesslich einem grösseren Kreis der Bevölkerung den Zugang zu Bildung und Aufklärung ermöglicht. «Durch das Aufkommen des Buchdrucks hat sich das Leben der Menschen stark verändert. Die Welt wäre ohne diese Erfindung heute eine andere», sagt Bruno Altherr.

Der 63-Jährige weiss, wovon er spricht. Seit über 25 Jahren sammelt er alles rund um die 500 Jahre alte Geschichte der Drucktechnik. Im Keller der Druckerei Altherr in Reitnau, welche inzwischen seine Tochter Gabriela Diriwächter führt, erinnern zahlreiche Trouvaillen an das Buchdruck-Handwerk von einst: Setzkästen mit Lettern, Platzhaltern und Leerräumen aus Blei, Buchstaben aus Holz oder die über 30 Maschinen aus den verschiedensten Epochen. So ist der Rentner unter anderem im Besitz eines Nachbaus einer Gutenbergdruckpresse aus dem 15. Jahrhundert, einer Original-Steindruck-Handpresse von 1810 und einer Zeitungsdruckmaschine von 1870. «Ziel ist, dass möglichst viele der Maschinen laufen und ich aufzeigen kann, wie Druckprodukte dereinst in aufwendiger Arbeit entstanden sind», sagt Altherr, der nach der obligatorischen Schulzeit eine Lehre als Elektromechaniker absolviert und auf zweitem Bildungsweg Offsetdrucker gelernt hat. Damals, im Jahr 1978, sei die Druckbranche im Umbruch gewesen, die Buchdrucker immer mehr von der Bildfläche verschwunden. «Es hat mich geschmerzt, zuzuschauen, wie Druckmaschinen teilweise im Alteisen gelandet sind.» Deshalb habe er in den Achtzigerjahren mit dem Sammeln begonnen. Die Augen vor Neuem hat Altherr aber nie verschlossen. Im Gegenteil, er besitzt unter anderem einen der ersten Apple-Computer. Heute ist der Rentner überzeugt: «Der Digitaldruck setzt sich durch. Aber die Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen.»

Bibel von 1571

Nebst den Werkzeugen und Maschinen sammelt Bruno Altherr auch alte Bücher, welche er meist von Leuten als Geschenk erhält. «Mein Prunkstück ist eine Bibel aus dem Jahr 1571. Es ist eindrücklich, welch Handwerk unsere Vorfahren beherrscht haben», sagt der Vater von sieben Kindern und einer Pflegetochter. Er schätzt, dass das Erstellen des rund 300-seitigen Buchs wohl ein halbes Jahr gedauert habe. Für die meisten Menschen sei es im heutigen Zeitalter unvorstellbar, dass Bücher in filigraner und aufwendiger Handarbeit entstanden sind. «Es ist mir ein Anliegen, dass diese Kunst nicht in Vergessenheit gerät», sagt Altherr, der sein Atelier jeden Donnerstagvormittag der Öffentlichkeit zugänglich macht. Am Sonntag nahm er für einmal auch die Besucher des Heimatmuseums Rothrist mit auf eine Reise in die Welt des Buchdrucks. Anlässlich der Sonderausstellung «Altes Handwerk» präsentierte er eine 500 Jahre alte, funktionstüchtige Spindelpresse. Interessierte konnten zudem selber etwas Bleibendes drucken oder den eigenen Namen mit Lettern setzen und drucken. «Ich will damit aufzeigen, wie viel Geduld die Arbeit erforderte und vor allem auch, wie exakt ein Buchdrucker arbeiten musste.» Mit so vielen Einzelteilen sauber und schön zu drucken, sei eine grosse Herausforderung, weiss Altherr aus eigener Erfahrung. Noch immer druckt er das eine oder andere Dokument – wie es einst Gutenberg getan hat.

Das ist ein bezahlter Beitrag mit kommerziellem Charakter. Text und Bild wurden von der Firma Muster AG aus Musterwil zur Verfügung gestellt oder im Auftrag der Muster AG erstellt.

In einer Liste der wichtigsten Errungenschaften der Menschheit, die Stefan Ledergerber, Direktor des Gutenberg-Museums Freiburg, gerne zitiert, steht der Buchdruck auf Rang neun, zwar hinter dem Faustkeil und dem Rad, aber weit vor dem Peni­cil­lin oder dem Internet. Die Rang­liste belege die Bedeutung der Erfindung des Johannes Gensfleisch, genannt Gutenberg, um 1450, welche die Geschichte der Menschheit grundlegend verändert habe, so Ledergerber. Um dies in Erinnerung zu rufen, nimmt das Gutenberg-Museum den 550. Todestag Gutenbergs zum Anlass für einen Tag der offenen Tür (siehe Kasten).

Stefan Ledergerber hat im Vorfeld mit den FN über Gutenberg, Winnetou und die Liebe zum gedruckten Buch gesprochen.

Stefan Ledergerber, warum schenken Sie Johannes Gutenberg auch nach fünfeinhalb Jahrhunderten eine so grosse Beachtung?

Sogar das «Time Magazine» erklärte Gutenberg zum «Man of the Mil­len­nium», vor Männern wie Leonardo da Vinci oder Martin Luther – und wenn das sogar die Amerikaner sagen, will das etwas heissen. Das Gutenberg-Museum will in Erinnerung rufen, wie wichtig Gutenbergs Erfindung des Buchdrucks mit beweglichen Lettern war. Es ist ein kulturelles Erbe, dessen Bedeutung wir gar nicht hoch genug einschätzen können.

Warum?

Weil Gutenbergs Erfindung die Welt verändert hat. Bevor es den Buchdruck gab, entschied die Kirche, welche Bücher kopiert wurden. Mit dem Buchdruck gab es plötzlich viel mehr Bücher zu vielen Themen. Das gab vielen Menschen die Möglichkeit, sich zu bilden und selber zu denken. Die Wissenschaft entwickelte sich, Universitäten entstanden. Alle profitierten vom Buchdruck – und bis heute halten die Menschen für wichtig und wahr, was schwarz auf weiss in der Zeitung steht.

Der Buchdruck also als Voraussetzung für die Vermittlung von Wissen?

Ja, es geht um Kommunikation, um den Austausch von Informationen und um das Vermitteln von Wissen an ein breites Publikum. Jedes Kind hat ein verfassungsmässig garantiertes Recht auf Bildung, und dafür braucht es Bücher. Ein Buch ist geballtes Wissen. Es bewahrt das Wissen und macht es zum Allgemeingut.

Aber braucht es denn dazu in Zeiten von E-Books und digitaler Datenspeicherung noch auf Papier gedruckte Bücher?

Natürlich gibt es immer mehr digitale Bücher, und vielleicht besteht tatsächlich die Gefahr, dass das gedruckte Buch ausstirbt. Ich persönlich glaube nicht, dass das passieren wird. Es geht doch nichts über den Geruch eines neuen Buches und über das Rascheln von Papier. Einem hochwertigen Buch merkt man an, mit wie viel Liebe es gemacht wurde. Man erfährt viel über ein solches Buch, wenn man es nur anfasst. Es ist ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann.

Woher kommt Ihre Liebe zum Buch?

Sie fing mit «Winnetou» an! Ich war ein mittelmässiger Schüler, und mein Vater schenkte mir die «Winnetou»-Bücher, um mich zum Lesen zu bringen. Mit Erfolg: Ich kam auf den Geschmack und las immer mehr. Später wurde ich Polygraf und stellte selber Bücher her. Ich liebe Bücher als Produkte und als Wissensvermittler.

Zurück zu Gutenberg: Wie kam es damals zu seiner bahnbrechenden Erfindung?

Vieles aus Gutenbergs Leben liegt im Dunkeln. Belegt ist, dass er sich von 1434 bis 1444 in Strassburg aufhielt und ab 1448 wieder in seiner Geburtsstadt Mainz. Ob er das Drucken mit beweglichen Lettern schon in Strassburg oder erst in Mainz erdachte, ist umstritten. Tatsache ist, dass er 1452 in Mainz mit seinem grossen Werk des Bibeldrucks begann. Paral­lel dazu druckte er allerhand Auftragsarbeiten wie die Ablassbriefe.

Gibt es im Gutenberg-Museum Zeugnisse aus dieser frühen Zeit des Buchdrucks?

Tatsächlich besitzen wir eine Originalseite aus der 42-zeiligen Gutenberg-Bibel von 1456. Zu den ältesten Raritäten in unserer Sammlung gehören auch zwei Exemplare der Frosch­auer-Bibel, der ersten Bibel in deutscher Sprache, die in der Schweiz gedruckt wurde, und zwar ab 1524. Unsere Exemplare stammen aus den Jahren 1536 und 1539.

Das Gutenberg-Museum richtet sich an ein breites Publikum, speziell an Kinder und Jugendliche. Wie schaffen Sie es, diese für Ihr auf den ersten Blick verstaubtes Thema zu begeistern?

Gerade dieses «Verstaubte» macht es interessant, zum Beispiel dann, wenn unsere Besucher selber ihren Namen in Blei giessen können. Es ist eine simple Technik, bei der man sehen kann, wie sie funktioniert, im Gegensatz etwa zu einem Computer. Gerade Kinder und Jugendliche sind beeindruckt, dass eine über hundert Jahre alte Maschine immer noch funktioniert. Es riecht und rattert und man bekommt dreckige Hände – das können die Menschen bei uns erleben.

Programm

Morgen Sonntag gibt es einen Tag der offenen Tür

Das genaue Geburtsjahr von Johannes Gutenberg ist nicht bekannt, wohl aber der Todestag am 3. Februar 1468. Heute begeht das Gutenberg-Museum Freiburg diesen Todestag mit geladenen Gästen. Morgen Sonntag findet ein Tag der offenen Tür für das breite Publikum statt: Von 10  bis 17   Uhr gibt es Führungen in der permanenten Ausstellung und in der Sonderausstellung (siehe Artikel unten), und es stehen verschiedenen Ateliers offen. Neben den bewährten Buchdruck- und Tiefdruckateliers sind auch zwei neue Ateliers zu entdecken, das Siebdruck- und das Buchbinderatelier. Um 15 Uhr gibt der Gitarrist Gerald Handrick ein Konzert.

cs

Weitere Infos: www.gutenbergmuseum.ch

60267

War dieser Artikel nützlich für Sie?

Ja Nein

Vielen Dank, Ihre Stimme wurde angenommen!

  • Grossfreiburg

Meistgelesen

Mehr zum Thema

Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

  • Bern
  • 02.12.2022

  • Paid Post
  • 02.12.2022

Schweiz fällt bei Tabakprävention weiter zurück

Die Schweiz tut zu wenig gegen die Eindämmung des Tabakkonsums. Das stellt die Vereinigung der europäischen Krebsligen fest. In einem europäischen Ranking liegt die …

Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

  • Fussball
  • 02.12.2022

  • Paid Post
  • 02.12.2022

Deutsche kritisieren sich selbst

Die ersten Reaktionen der Deutschen auf das WM-Aus fallen selbstkritisch aus. …

Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

  • Washington
  • 02.12.2022

  • Paid Post
  • 02.12.2022

Nasa-Mission «Artemis 1″ aus Mondumlaufbahn ausgeschwenkt

Die Nasa-Mondmission «Artemis 1» macht sich auf den Heimweg. Die unbemannte «Orion”-Kapsel feuerte am Donnerstag ihre Triebwerke an und schwenkte aus ihrer Umlaufbahn um …

Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

Hat die Erfindung des Buchdrucks das Leben der Menschen stark verändert?

  • Fussball
  • 02.12.2022

  • Paid Post
  • 02.12.2022

Die Schweiz will das Achtelfinal-Ticket aus eigener Kraft lösen

Mit einem Sieg gegen Serbien kann sich die Schweiz am Freitag in Katar aus eigener Kraft für die WM-Achtelfinals qualifizieren. Die politische Brisanz stört …

Welche Folgen hatte die Erfindung des Buchdrucks für die Menschen?

Der Buchdruck trägt dem gewachsenen Bedürfnis nach Schriftlichkeit im frühkapitalistischen Handel sowie in der städtischen und fürstlichen Verwaltung Rechnung; die Schriftlichkeit entspricht der gewachsenen Laienbildung in den Städten und treibt ihrerseits wiederum Alphabetisierung und Schriftlichkeit im Alltagsleben ...

Wie hat der Buchdruck das Leben der Menschen verändert?

Erst der Buchdruck mit den beweglichen Lettern ließ es zu, dass Menschen die Möglichkeit hatten, gleichzeitig die gleiche Information an die Hand zu bekommen. Erst durch das Lesen von gedruckten Schriften konnten sie sich informieren, konnten sie aufgefordert werden, auch zu widersprechen und sich zusammenzutun.

Hat sich durch den Buchdruck für die Menschen etwas verändert Was hat sich verändert?

Mit dem Buchdruck gab es plötzlich viel mehr Bücher zu vielen Themen. Das gab vielen Menschen die Möglichkeit, sich zu bilden und selber zu denken. Die Wissenschaft entwickelte sich, Universitäten entstanden.

Was veränderte sich durch den Buchdruck?

Der Buchdruck ermöglichte erstmals die massenhafte Verbreitung von Wissen, Nachrichten und Meinungen frei von Kontrolle durch Kirche und Obrigkeit, was langfristig große gesellschaftliche Umwälzungen beförderte – so war er eine der Triebkräfte für die Epoche der Renaissance sowie für das Zeitalter der Aufklärung, und ...