Wo war der 100 jährige Krieg

Martin Clauss

Das 14. Jahrhundert gilt als Krisenzeit des Mittelalters. „Dramatisches Jahrhundert“ nannte es die amerikanische Historikerin Barbara Tuchmann.

Der Hundertjährige Krieg zwischen Frankreich und England, in der Kirche die „Avignonesische Gefangenschaft“ und das große abendländische Schisma, Pestepidemien und Naturkatastrophen – war das alles aber nur eine dunkle Epoche?
Denn weitreichende Entwicklungen zeichneten sich bereits ab. So erlebte etwa die Hanse ihre Blütezeit. Litauen stieg zu einem neuen europäischen Machtfaktor auf. In Italien bildeten sich dominante Stadtrepubliken heraus und die Reichsstädte stärkten ihr Selbstbewusstsein gegenüber König und Fürsten. Kaiser Karl IV. konsolidierte durch geschickte Politik seine Herrschaft und Bayern schließlich erlebte eine Zeit der Teilungen mit der Besonderheit, dass das Herzogtum Straubing-Holland seinen Regierungssitz in Den Haag hatte.
Humanismus und Renaissance nahmen ihren Anfang, Giotto di Bondone ragt als Wegbereiter der neuzeitlichen Malerei hervor, in der Literatur Giovanni Boccaccio, dessen „Decamerone“ nachhaltig die abendländische Literatur beeinflusste. Und Caterina von Siena, die darauf hinwirkte, dass der Papstsitz nach Jahrzehnten von Avignon wieder nach Rom zurückverlegt wurde, gilt als eine der bedeutendsten Frauengestalten der Kirchengeschichte.
Prof. Dr. Martin Clauss, Professor für Europa im Mittelalter und der Frühen Neuzeit an der Technischen Universität Chemnitz, referierte bei den Historischen Tagen (10. – 13.2.2016) zum Thema: „Die Krise, die Europa formte: England, Frankreich und der Beginn des Hundertjährigen Krieges“.

Von 1337 bis 1453 währte der englisch-französische Konflikt, der als Hundertjähriger Krieg in die Geschichte eingegangen ist. Dabei ging es vor allem um den englischen Einfluss in Frankreich, letztlich aber auch um die Verteilung der Macht in Europa. Dabei hatte der Hundertjährige Krieg Folgen, die bis zum heutigen Tag spürbar sind, war er doch maßgeblich für die Herausbildung eines Nationalbewusstseins in beiden Ländern. Obwohl die großen Schlachten wie Crécy und Azincourt von den Engländern gewonnen wurden, triumphierten am Ende die französischen Könige. Bis 1453 verlor England alle seine Festlandsbesitzungen mit Ausnahme der Hafenstadt Calais.

Beiträge in dieser Ausgabe

Vorlesen Als die englische und die französische Monarchie in jene langwierige militärische Auseinandersetzung hineinglitten, die man seit dem 19. Jahrhundert „Der Hundertjährige Krieg“ nennt, wurden beide Länder von Königen regiert... mehr

Vorlesen Die schweren französischen Reiter waren in der Schlacht von Azincourt am 25. Oktober 1415 dem vernichtenden Dauerbeschuss von 5 000 englischen Bogenschützen ausgesetzt. Am Ende wurde Azincourt zu einer der größten Niederlagen... mehr

Vorlesen Unter englischer Herrschaft wurde Bordeaux zum größten Weinhandelsplatz der mittelalterlichen Welt und zur Hauptstadt eines Vizekönigtums. Die Stadt dankte es den englischen Königen mit Loyalität im Hundertjährigen Krieg.... mehr

Vorlesen Schon in der Spätantike beschäftigten sich Theologen und Juristen mit der Frage, wann ein Krieg gerechtfertigt war. Im Hundertjährigen Krieg wurde diese Diskussion ebenfalls breit geführt. Jeanne d’Arc bemühte dabei... mehr

Vorlesen Der Hundertjährige Krieg wurde fast ausschließlich auf dem Kontinent ausgetragen. Doch hinterließ er in Frankreich nicht nur Tod und Verwüstung. Die Auseinandersetzung führte zu einem breite Schichten erfassenden... mehr

Vorlesen Obwohl offiziell nicht gern gesehen, unterhielten Soldaten der Wehrmacht im besetzten Frankreich häufig Beziehungen zu französischen Frauen. Rund 200 000 Kinder gingen daraus hervor. Eines dieser Kinder, deren Existenz man nach... mehr

Vorlesen Der spanische Philosoph José Ortega y Gasset schrieb 1948, die Corrida sei nicht nur eine bedeutende Wirklichkeit in der spanischen Geschichte seit 1740. Vielmehr könne man die spanische Geschichte der Neuzeit gar nicht angemessen... mehr

Vorlesen Untergebracht im ehemaligen Kloster zu Allerheiligen, lädt das Museum in Schaffhausen seine Besucher ein zu einem informativen Rundgang und vielen überraschenden Abstechern.... mehr


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Dieser Hundertjährige Krieg, von Historikern aus Gründen der Zweckmäßigkeit von 1337 bis 1453 datiert, obwohl die Streitigkeiten bis ins 12. Jahrhundert zurückreichten, veränderte die Landkarte Westeuropas. Die Engländer verloren nach vielen Erfolgen und Rückschlägen ihre Neigung, sich auf dem Kontinent festzusetzen, und widmeten sich der Entfaltung einer eigenen politischen Identität, in der die Krone und die Nation symbolisch miteinander verschmolzen. Die Franzosen, die mehrmals am Rande des Abgrunds standen, legten die Grundlage für die Bildung eines einheitlichen, ungeteilten Königreichs, das fortan Sicherheit in der Ausdehnung bis zu seinen "natürlichen" geografischen Grenzen suchte.

Schlüsselübergabe durch die Bürger von Calais

Zur ersten großen Schlacht kam es im Sommer 1346, nachdem König Eduard persönlich mit einem Invasionsheer von etwa 12.000 Mann in die Normandie eingefallen war und Caen eingenommen hatte. Bei Crécy nördlich von Abbeville stießen die beiden Heere am 26. August aufeinander. Der französische König, der zahlenmäßig weit überlegen war, ließ seine Ritter frontal angreifen. Eduards Truppen hatten eine defensive Position bezogen. Seine Langbogenschützen mähten die in mehreren Wellen heranstürmenden französischen Ritter von beiden Flanken mit einem verheerenden Geschosshagel nieder. Die Pfeile durchschlugen die Rüstungen; waffentechnische Überlegenheit und taktisches Geschick der Engländer führten binnen weniger Stunden zu einer völligen Niederlage des französischen Heeres.

Am Ende des Tages lagen über 1500 französische Ritter tot auf dem Schlachtfeld, darunter der Bruder des Königs, der Graf von Flandern und der mit den Franzosen verbündete blinde König Johann von Böhmen aus dem Hause Luxemburg, Vater des römisch-deutschen Königs Karl IV., der mit seinem sinnlosen Heroismus in die Legende einging. König Philipp VI. selbst kam verwundet davon.

Eduard rückte nun nordwärts vor und belagerte Calais, um einen für den Nachschub und den Wollexport wichtigen Brückenkopf zu gewinnen. Die Stadt fiel erst ein Jahr später, im August 1347. Die Schlüsselübergabe durch die berühmten "Bürger von Calais" hat der Bildhauer Auguste Rodin in seiner eindrucksvollen Skulptur künstlerisch verewigt. England blieb über zweihundert Jahre im Besitz dieses bedeutenden strategischen Vorpostens.

Der Schock begründete die Rivalität zwischen beiden Nationen

Crécy, wo die Blüte des französischen Adels fiel, und die folgenreiche Kapitulation von Calais sind als traumatischer Schock in das kollektive Gedächtnis der Franzosen eingegraben. Es war jedoch nur der erste in einer Kette desaströser Rückschläge, die das französische Königtum fast vernichteten, dem Land den Stachel eines anhaltenden Minderwertigkeitskomplexes einpflanzten und eine unauslöschliche Rivalität zwischen den beiden Nationen begründete. Sie war noch nach Frankreichs Zusammenbruch 1940 im angespannten Verhältnis zwischen Winston Churchill und Charles de Gaulle spürbar; alte Nationen haben ein langes Gedächtnis.

König Eduards ältester Sohn, wegen seiner schwarzen Rüstung der "Schwarze Prinz" genannt, verwüstete den französischen Südwesten. Im September 1356 wiederholte sich das Schlachtmuster von Crécy in der Nähe von Poitiers; abermals vernichteten die englischen Bogenschützen das französische Ritteraufgebot. Johann der Gute, der seinem Vater Philipp als König nachgefolgt war, geriet in Gefangenschaft und wurde als Geisel nach England gebracht.

Frankreich stürzte in eine schwere Krise. Ein Bauernaufstand, eine Revolte der Kaufleute von Paris und zunehmende innenpolitische Spannungen zwangen den König zu einem für ihn blamablen Frieden, der den Engländern beträchtliche territoriale Gewinne brachte. Johann der Gute starb am 8. April 1364 in London.

Heinrich V. brachte die Normandie fest in englische Hand

Die nächste große Konfrontation auf dem Schlachtfeld folgte am 25. Oktober 1415 bei Azincourt. In England herrschte inzwischen Heinrich V., in Frankreich der geistig umnachtete Karl VI., für den ein Regentschaftsrat hatte bestimmt werden müssen - eine Quelle weiteren innenpolitischen Zwists. Militärisch hatten Frankreichs Adelige nichts hinzugelernt. Sie rannten, obwohl dreimal so stark wie die Engländer, wieder in ein schreckliches Blutbad. Am Ende hatten die Engländer 10.000 Franzosen niedergemetzelt und selbst in der dichterisch verklärten Erinnerung nur 29 Mann verloren. Die Chronisten berichteten, die Leichen hätten in solchen Haufen gelegen, dass sich nicht mehr darüber hinwegsteigen ließ. Shakespeare hat diesen großen Sieg der englischen Geschichte in seinem Stück "König Heinrich der Fünfte" gefeiert: "We few, we happy few, we band of brothers."

Der englische Sieg bei Azincourt versetzte das gesamte Abendland in Erstaunen. Der heimkehrende König Heinrich wurde in London triumphal empfangen, er war der Held der Nation geworden. Der Erfolg verlieh den Engländern enormes Selbstbewusstsein. Die französische Sprache, die bis dahin am Hof dominiert hatte, wurde verdrängt. Hass und Misstrauen gegen die "Fremden" förderten eine Insel-Mentalität, in der das entstehende Nationalgefühl sich zur Loyalität gegenüber der Krone verdichtete. Begeisterung für die Sache des Königs, Verunglimpfung seiner Feinde wurden patriotisches Gebot. Der Keim für den späteren englischen "Jingoismus", eine britische Variante des Hurra-Patriotismus, war gelegt. Heinrich brachte die Normandie fest in englische Hand. Mit dem Vertrag von Troyes (1420) erkannte er zwar den König Karl VI. für dessen Lebenszeit als französischen Herrscher an. Dafür aber heiratete er die Tochter des französischen Königs, Katharina, und sollte nach Karls Tod die Nachfolge im Königtum antreten.

Heinrich V. und Karl VI. starben 1422 kurz nacheinander, sodass der einjährige Sohn Heinrichs aus der Ehe mit Katharina nicht nur König von England (als Heinrich VI.), sondern nach dem Vertrag von Troyes auch König von Frankreich wurde.

Jeanne d'Arc: mit weißer Rüstung und Lilienbanner an die Spitze

Doch der eigentliche Dauphin, der Sohn Karls VI., der nach dem Vertrag für immer von der Thronfolge ausgeschlossen sein sollte, errichtete in Bourges eine Gegenregierung, von wo aus sich sein Einfluss auf weite Gebiete Mittelfrankreichs sowie die Provinzen südlich der Loire (mit Ausnahme der englischen Gascogne) erstreckte. Während die Engländer unter dem Herzog von Bedford planmäßig ihre militärische Position verbesserten, blieb der Dauphin, der nunmehr als Karl VII. die französische Krone beanspruchte, überraschend passiv, als habe er resigniert. Ein Wunder errettete ihn.

Ein Bauernmädchen aus dem lothringischen Dorf Domrémy, Jeanne d'Arc, kaum 19 Jahre alt, erschien Ende Februar 1429 am Hof des Dauphins in Chinon, um eine Botschaft zu verkünden, die himmlische Stimmen ihr aufgetragen hätten. Mit großer Überzeugungskraft trug sie ihre Vision vor, eine Kommission von Theologen bestätigte ihre Glaubwürdigkeit. In weißer Rüstung und mit einem Lilienbanner gelang es ihr an der Spitze einer kleinen Schar, die von den Engländern belagerte Stadt Orléans an der Loire zu stützen. Die verunsicherten Engländer zogen letztlich ab, und die Streitmacht des Dauphin bahnte sich weiter ihren Weg in die alte Krönungsstadt Reims, wie Johanna es gewünscht und prophezeit hatte. Am 18. Juli 1429 wurde Karl VII. in Anwesenheit Johannas in der Kathedrale von Reims gekrönt und gesalbt.

Das war ein Akt von entscheidender politischer Bedeutung: Die Franzosen im besetzten Norden konnten nicht länger ignorieren, dass sie wieder einen nationalen König hatten. Der Mythos der Jungfrau von Orléans war geboren, Frankreich hatte seine Nationalheilige. Ihr Glaube an den göttlichen Auftrag, die Engländer aus dem Land hinauszuwerfen, wirkte auf die ganze Nation. Die Befreiung des Landes war nicht mehr nur eine Angelegenheit rivalisierender Adliger, sonder die Aufgabe eines ganzen Volkes, das in mystischer Einheit im Banne einer Gottgesandten zusammenrückte.

Hoffnungen auf einen nationalen Erlöser aus Zeiten der Krise

Die bedrängten Engländer versuchten sich zu wehren, indem sie ebenfalls überirdische Kräfte bemühten. Schließlich war Gott, wie sie meinten, bis dahin auf ihrer Seite gewesen. Johanna eine Heilige? Eine Hexe! Als sie im Mai 1430 vor Compiègne in Gefangenschaft geriet, machte man ihr in Rouen den Prozess. Zu Richtern und Gutachtern erkor man französische Kollaborateure, auch vor Protokollfälschungen schreckte man nicht zurück. Am Ende des auch nach damaliger Vorstellung rechtlich höchst problematischen "Inquisitionsverfahrens" wurde Johanna am 30. Mai 1431 auf dem Marktplatz von Rouen lebendig verbrannt - ein politischer Schauprozess und ein Verbrechen, wie jedem französischen Schulkind noch heute eingeschärft wird.

So schwenkt der rechtsextreme Front national, der Frankreichs Wiedererstarken zu vergangener Größe verheißt, heute seine Paniere im Gedenken an Jeanne d'Arc. Dass so viele französische Wähler immer wieder Hoffnungen auf einen nationalen Erlöser aus Zeiten der Krise setzen, sei es Philippe Pétain vor Verdun 1916 oder Charles de Gaulle 1944 oder einen ihrer gegenwärtigen Möchtegern-Epigonen, verblüfft Engländer stets aufs Neue.

Die Invasoren von der Insel hatten nach Jeanne d'Arcs Erscheinen die militärische und diplomatische Initiative verloren. Mit der Einnahme von Bordeaux durch die Franzosen kam der Hundertjährige Krieg 1453 praktisch zum Ende, auch wenn kein offizieller Friedensschluss unterzeichnet wurde. Die Engländer hatten ihre Besitztümer auf dem Festland verlassen, ihre Ambitionen auf ein englisch-französisches Doppelkönigtum waren gescheitert.

In wechselseitiger Faszination und galliger Zwietracht vereint

Ein bizarrer Nachhall erklang noch einmal im Debakel Frankreichs von 1940, als der britische Premier Winston Churchill Paris eine britisch-französische Union anbot.

Paris und London bleiben in wechselseitiger Faszination und galliger Zwietracht vereint. Jean Froissart, der Chronist des Hundertjährigen Kriegs, konstatierte: "Es gibt unter der Sonne kein gefährlicheres Volk als die Engländer." Umgekehrt schmähte der anonyme Autor einer "Invective against France" die Franzosen als effeminiert und pharisäisch; sie wurden mit Luchsen, Schlangen und Füchsen verglichen - Sinnbilder der Falschheit. Noch der Seeheld Lord Nelson ermahnte seine Landsleute im 18. Jahrhundert: "Ihr müsst den Franzosen hassen wie den Teufel." Kaiser Napoleon machte das Wort "L'Albion perfide" danach zum festen Begriff in ganz Europa: "Zittere und verzage, perfides Albion!"

Mitten in der am 8. April 1904 unterzeichneten Entente cordiale, dem "herzlichen Einverständnis" zwischen Großbritannien und Frankreich, befand Georges Clemenceau, Frankreichs "Tiger" im Ersten Weltkrieg: "England, das ist eine französische Kolonie, die auf die falsche Bahn geraten ist."

Und Präsident Charles de Gaulle begründete seine Ablehnung des britischen Beitrittsgesuchs zur Europäischen Gemeinschaft 1963 so: "England ist ein Inselstaat, ausgerichtet auf die See."

Welche Länder kämpften im Hundertjährigen Krieg?

In dieser Zeit gab es einen Krieg zwischen England und Frankreich, der über 100 Jahre dauerte. Deshalb nennt man ihn den "Hundertjährigen Krieg". Die Engländer unterlagen am Ende.

Wann und wo war der Hundertjährige Krieg?

Von 1337 bis 1453 währte der englisch-französische Konflikt, der als Hundertjähriger Krieg in die Geschichte eingegangen ist. Dabei ging es vor allem um den englischen Einfluss in Frankreich, letztlich aber auch um die Verteilung der Macht in Europa.

Wer gewann den 100 jährigen Krieg?

Alles begann als Duell der Plantagenets mit den Kapetingern. Schon der englische König Heinrich II., der von 1154 bis 1189 regierte, beherrschte durch Erbschaft, Heirat und Zukäufe den größten Teil Frankreichs und drängte die französische Krone unter Philipp II. immer weiter zurück.

Was war der Auslöser für den Hundertjährigen Krieg?

Die Territorialgewinne der englischen Könige zum späten 12. Jahrhundert bildeten eine Verschärfung der ohnehin gestörten Machtverhältnisse. Ein Auslöser für den Hundertjährigen Krieg war der Streit um das Herzogtum Guyenne 1337.