Wird der Regenwald immer noch abgeholzt?

Wald-MonitoringberichtWo weniger abgeholzt wird

Der Schwund tropischer Regenwälder hielt 2021 nach Satellitenbild-Auswertungen unverändert an. Hohe Verluste, ausgelöst durch Brände, gab es zudem in borealen Nadelwäldern wie in Sibirien. Russland erlebte dabei seine schlimmste Feuersaison. Doch es gibt auch einen richtigen Lichtblick.

Wird der Regenwald immer noch abgeholzt?

In Malaysia sollen Palmölplantagen zurück in Regenwald verwandelt werden. (dpa / picture alliance / Tiam Seong Yew)

Mikaela Weisse arbeitet im globalen Wald-Monitoringprogramm des World Resources Institute in Washington. Noch immer bemüht die US-Geographin einen Vergleich, den wir schon so oft gehört haben und der auch für 2021 gilt:

"Der Verlust tropischer Wälder bleibt unverändert hoch. Im vergangenen Jahr ist jede Minute eine Fläche so groß wie zehn Fußballfelder verlorengegangen. Weltweit waren es elf Millionen Hektar - ein Drittel davon in tropischen Urwäldern."

Brasilien büßte massiv Regenwaldfläche ein

Diese Zahlen leiten sich aus Satellitenbildern ab. Ausgewertet wurden sie von einem Geoforschungsteam der Universität von Maryland in den USA. Die mit Abstand größten Flächen büßte demnach Brasilien im zurückliegenden Jahr ein – dreimal mehr als die Demokratische Republik Kongo im afrikanischen Regenwald:

"2021 haben sich die Regenwaldverluste vor allem im bisher noch nicht so auffälligen westlichen Amazonas-Gebiet intensiviert. In manchen Bundesstaaten nahmen sie im Vergleich zum Jahr davor um mehr als 25 Prozent zu. Vor allem dort, wo schon Straßen existieren, kommt es zu großflächigen Kahlschlägen - wahrscheinlich für die Rinderzucht."

Rückgänge in Indonesien und Malaysia

Besser dagegen die Situation in Südostasien, wo Regenwald häufig gerodet wird, um Soja-Plantagen anzulegen. Dazu die Umweltwissenschaftlerin Elizabeth Goldman vom World Ressources Institute:

“Wir haben gute Nachrichten aus Indonesien. Die Regenwaldverluste dort haben im vergangenen Jahr um 25 Prozent abgenommen. Das ist der fünfte Rückgang in Folge! Das Gleiche kann man für Malaysia sagen. Dieser Trend - vor allem der in Indonesien - zeigt: In Gang gesetzte Programme zur Reduzierung der Waldverluste funktionieren!"  

Russland stark betroffen

Wälder gehen aber nicht nur in den Tropen verloren. Ein weiterer Hotspot war 2021 die boreale Zone in hohen nördlichen Breiten. In den ausgedehnten Nadelholzwäldern dieser Region kam es zu massiven Bränden:

"Die Verluste waren dort im letzten Jahr so extrem wie noch nie und um 30 Prozent höher als 2020. Vor allem Russland war betroffen. Es erlebte seine bisher schlimmste Feuersaison. Brände sind zwar ein natürliches Phänomen in borealen Ökosystemen. Aber wenn sie so massiv auftreten, ist das bedenklich. Und erst recht in Russland! Denn in Sibirien gibt es riesige Moor- und Permafrostgebiete. Beide speichern große Mengen Kohlenstoff. Und die können freigesetzt werden, wenn Moore brennen und der Permafrost auftaut."

Belohnungen als Anreiz für andere Länder

Auf dem Klimagipfel von Glasgow im vergangenen Jahr haben über 140 Staatsregierungen erklärt, sie wollten Waldrodungen bis zum Jahr 2030 ganz stoppen. Dann müssten jetzt aber auch energische Taten folgen, mahnt die US-Zoologin Frances Seymour:

"Wir haben jetzt Daten aus zwei Jahrzehnten, die zeigen: Allein von tropischen Urwäldern gehen permanent Millionen Hektar pro Jahr verloren. Um diese Verluste wie geplant auf Null zu reduzieren, brauchen wir dramatische und schnelle Veränderungen!"

Ihr Vorschlag: Man sollte Länder wie Indonesien und Malaysia dafür belohnen, dass sie Abholzungen und Brandrodungen erfolgreich verringern, mit Geldern aus dem internationalen Klimatopf. Andere würden dem Beispiel dann umso eher folgen.

Brasilien ist die achtgrößte Wirtschaftsmacht der Welt. Das Land hat ein Bruttoinlandsprodukt von rund 3,24 Billionen US-Dollar. Die Landwirtschaft macht davon nur 6,6 Prozent aus. Obwohl Kaffee, Soja und Weizen wichtige Exportgüter für das Land sind, stützen sie die Wirtschaftskraft viel weniger als die Industrie. Sie erwirtschaftet mehr als 20 Prozent des brasilianischen Bruttoinlandsproduktes. Dazu gehören jedoch auch Produkte aus dem Bergbau. Aktuell erholt sich Brasiliens Volkswirtschaft aus einer starken Rezession. Die Strategie der brasilianischen Regierung, mehr Bergbau im Regenwald zu erlauben, verfolgt also auch wirtschaftliche Ziele.

Die Rolle der Politik

Brasilien hat sich zu Klimaschutzzielen verpflichtet. Bis 2030 will das Land seinen CO2-Ausstoß um 43 Prozent im Vergleich zu 2005 senken und keinerlei illegale Abholzung mehr dulden. Zusätzlich schützt die nationale Strategie für den Erhalt der Artenvielfalt den Regenwald als Biotop.

Mit Beginn der Regierungszeit von Präsident Jair Bolsonaro im Januar 2019 ist die Entwaldung aber wieder schneller vorangeschritten. Per Dekret hat der neue Präsident die Umweltbehörden und die für die indigene Bevölkerung zuständige Behörde FUNAI dem Kommando der Militärs unterstellt. In einer Antwort der deutschen Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion der Grünen heißt es, Jair Bolsonaro wolle die Schutzgebiete der indigenen Bevölkerung für den Bergbau öffnen und die zuständige Schutzbehörde FUNAI stehe nun unter der Leitung eines Agrarlobbyisten. Jair Bolsonaro hatte schon in seinem Wahlkampf 2018 angekündigt, Gebiete am Amazonas stärker für die Wirtschaft erschließen zu wollen.

Im Februar 2020 unterzeichnete der brasilianische Präsident ein Gesetz, das Bergbau auch in den geschützten Gebieten der indigenen Bevölkerung erlaubt. Forschende aus Sao Paulo haben festgestellt, dass allein durch die Ankündigung die Zahl der Anträge auf Bergbau in die Höhe geschnellt ist.

Strafen werden meistens nicht bezahlt

Brasiliens Gesetze zum Schutz des Regenwaldes zeigen sich derzeit nicht besonders wirkungsvoll. Das liegt auch daran, dass sie sich leicht umgehen lassen. Strafen, die Behörden wegen Umweltverbrechen verhängen, bezahlen die Holzfäller und Landwirte meistens nicht. Forschende der staatlichen Universität Amapá gehen davon aus, dass die illegalen Holzfäller nur 0,2 bis 5 Prozent der Strafgelder tatsächlich bezahlen. Dazu sei es schwierig, Strafen überhaupt zu verhängen, denn oft ist gar nicht klar, wem ein Grundstück im Wald gehört.

Das Freihandelsabkommen mit der EU begrenzt die Abholzung nicht genug

Wie schon Ex-US-Präsident Donald Trump hatte auch Jair Bolsonaro einen Ausstieg seines Landes aus dem Pariser Klimaschutzabkommen angekündigt. Bisher ist das aber nicht passiert. Dieser Schritt hätte das Freihandelsabkommen zwischen dem Staatenbund Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay) und der Europäischen Union (EU) gefährdet. Seit Juni 2019 gibt es eine grundsätzliche Einigung über das Abkommen zwischen den Verhandlungsführern. Brasilien hat sich damit auch zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens verpflichtet, vor allem zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes. Das Europäische Parlament muss den Text noch ratifizieren.

Das Mercosur-Abkommen hat Höchstgrenzen für den Import festgelegt. Diese seien aber viel zu hoch, um die Entwaldung zu stoppen, sagt das Forschungsteam um Laura Kehoe an der Universität Oxford. Gehen die Importe nach Europa in diesem Maß weiter, bedeute das die Rodung einer fußballfeldgroßen Fläche Regenwald alle drei Minuten. Die Europäische Union hat in den vergangenen Jahren jährlich mehr als 20 Millionen Tonnen Soja und 200.000 Tonnen Rindfleisch aus dem Mercosur-Gebiet importiert, so die Forschenden. Bei den Verhandlungen sei keine deutliche Verringerung der Importmengen vereinbart worden.

In Brasilien machen Umweltschützer inzwischen mobil. Während einige von ihnen mit der Aktion “Bolsonaro zündet den Amazonas an. Schon wieder. Auf welcher Seite stehst du?” Investoren dazu aufrufen, ihr Engagement in Brasilien von der Verpflichtung zum Schutz des Amazonas-Regenwaldes abhängig zu machen, poltert der Präsident in seiner wöchentlichen Facebook-Übertragung: “Ich bin streng mit diesen Leuten, aber ich schaffe es nicht, diesen Krebs zu töten, den die meisten NGOs darstellen.”

Norwegen stoppte seine Zahlungen an den Amazonienfonds

Brasilien bekommt finanzielle Unterstützung aus Europa, damit der Regenwald geschützt wird. Bisher hat der Amazonienfonds nach Angaben der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit 1,29 Milliarden US-Dollar nach Brasilien ausgezahlt. Norwegen ist mit 1,21 Milliarden US-Dollar der größte Geber des Fonds. Deutschland hat über die KfW-Entwicklungsbank bisher rund 55 Millionen Euro beigesteuert. Wie die Bundesregierung bestätigt, sind inzwischen aber die Zahlungen gestoppt. Norwegen, das 91,1 Prozent des Geldes im Fonds beisteuert, hat seine Zahlungen ebenfalls komplett eingefroren. Der Grund dafür ist, dass Präsident Jair Bolsonaro im April 2019 die Steuerungsgremien des Amazonienfonds aufgelöst hat.

Wie lange wird es den Regenwald noch geben?

Der Regenwald an Brasiliens Atlantik-Küste wird einer Studie zufolge in gut 40 Jahren vollständig verschwunden sein, wenn die Zerstörung im derzeitigen Tempo fortgesetzt wird.

Wann wird der Regenwald komplett abgeholzt sein?

Von August 2020 bis Juli 2021 wurden demnach 13.235 Quadratkilometer Regenwald zerstört. Das waren fast 22 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, als ebenfalls ein Höchststand verzeichnet wurde. In Brasilien wird weiterhin Amazonaswald abgeholzt - mit fatalen Folgen.

Was passiert wenn der Regenwald weiter abgeholzt wird?

Durch die Zerstörung des Regenwaldes werden nicht nur Bäume und Pflanzen vernichtet. Tiere verlieren auch ihren Lebensraum. Einige Tiere und Pflanzen sind an ganz bestimmte Ökosysteme und Regionen angepasst und kommen nur dort vor und können nirgends sonst überleben.

Wie viel Regenwald wird pro Tag abgeholzt 2022?

Schonungslose Ausbeutung: 2.000 Fußballfelder Regenwald verschwinden pro Tag. Zweitausend Fußballfelder Regenwald werden pro Tag abgeholzt. Insgesamt wurden in den ersten 5 Monaten des Jahres 3.360 Quadratkilometer Wald unwiederbringlich zerstört.