Die Aufführung verdeutlichte einmal mehr den ungewöhnlichen Status der Komischen Oper - von Theaterfreunden der geteilten Vier-Sektoren-Stadt augenzwinkernd auch "Fünfter Berliner Sektor" genannt. Geografisch stand die Komische Oper auf der östlichen Seite des "Eisernen Vorhangs". Aber ihr Selbstverständnis, ihre Wirkung und Ausstrahlung hatten mit dem territorialen Standort nur wenig gemein. In seiner "Langen Nacht" zeichnet der Autor "Traditionen des Milchmanns Tewje" nach -
mit Blick auf Felsenstein-Produktionen aus den Jahren vor und nach dem Bau der Berliner Mauer bis hin zur Inszenierung des "Fiedler auf dem Dach", bei der er dem Regisseur assistierte. Show "Werkstatt Musiktheater" ist ein ungewöhnliches Buch über den großen künstlerischen Reformer und bedeutenden Regisseur Walter Felsenstein, dem neben Wieland Wagner wohl bedeutendsten Opernregisseur der Nachkriegszeit in Deutschland. Am 5. Juni 1947 wird Felsenstein in Berlin die Lizenz für die "Komische Oper" überreicht und damit die Berufung zum Intendanten und Chefregisseur. Gemeinsam mit einem unvergesslichen Ensemble prägte er an diesem Ort eine neue Form des Musiktheaters, die zu Weltruhm gelangte. In eindrucksvollen Fotografien dokumentiert der vorliegende Bildband viele Jahre der Probenarbeit Walter Felsensteins in der Komischen Oper und seine spektakuläre Filmarbeit. Es ist die Hommage an einen grandiosen Schöpfer und Humanisten der Bühne und macht die ungeheure Intensität seiner Arbeitsweise und die fürsorgliche Nähe zu den Künstlern sichtbar. Walter Felsenstein: Die Pflicht, die Wahrheit zu finden 1947 gründete Walter Felsenstein die Komische Oper in Berlin und wurde dann deren erster Intendant. Damit hatte er sich die Möglichkeit geschaffen, seine Idee von Musiktheater umzusetzen, die geprägt war von der Forderung, dass "alles Sichtbare Musik und alles Hörbare Handlung" sein muss. Doch nicht nur zu Oper und Musiktheater äußerte er sich häufig und umfassend, sondern zu allen Fragen des Theaters. In diesem von Ilse Kobßn zusammengestellten Band sind Briefe, Aufsätze und Essays versammelt, die ein lebendiges Bild von den Ideen und der praktischen Arbeitsweise dieses großen Theaterschaffenden des 20. Jahrhunderts vermitteln. Eine Zeittafel, eine Auswahlbibliographie, ein Personen- und ein Werkregister runden den Band ab. Walter Felsenstein Edition 12 DVD-Videos, O. m. U. Arthaus Musik, 2007 Walter Felsenstein (1901 - 1975), Begründer und Intendant der Komischen Oper Berlin, war einer der großen kreativen Theaterregisseure des 20. Jahrhunderts. Seine Bedeutung für die Wiederbelebung der Oper als theatralische Kunstform ist immens. Das Schaffen dieses genialen
Künstlers umfasste über 190 Inszenierungen und war den Werken, ihren Schöpfern, dem Ensemble und dem Publikum gleichermaßen verpflichtet. Diese Edition vereint 7 Opernfilme, die rare Dokumente und Zeugnisse der Theaterarbeit eines Mannes sind, der mit seinen legendären Inszenierungen ein internationales Publikum über Jahrzehnte faszinierte. Erstmals sind diese Filme in digitaler, aufwändig restaurierter Fassung wieder erlebbar. Die konsequente Arbeit Felsensteins an einer musikalisch-szenischen
Bildsprache des Opernfilmes ist auch heute noch wegweisend. Staunend erfahren wir, wie klar, intensiv und wertvoll Oper im Film, Oper als Film ist. Ein künstlerisches Vermächtnis für Generationen! Alejchem Scholem: Tewje, der Milchmann "Wenn ich einmal reich wär ", singt der Milchmann Tewje im Musical "Anatevka", das auf Scholem Alejchems jiddischem Schicksalsroman basiert. Arm an Geld, reich an Kindern, träumt Tewje von einem erfüllten Leben ohne Entbehrungen und Demütigungen. Doch das Schicksal will es anders und stellt seinen Glauben auf eine schwere Probe. Tewje ist ein moderner Hiob - eine Dulderseele, die wahrlich allen Grund hätte, mit Gott zu hadern: Nach einem unverhofften Geldsegen wendet sich plötzlich das Blatt. Er muss mitansehen, wie seine Familie auseinanderbricht, wie sich das ganze Dorf gegen ihn stellt. So bleibt er am Ende allein in der Welt zurück, mit nichts als seinem Gottvertrauen und einem unerschütterlichen Humor. Scholem Alejchem hat durch sein berührendes Hauptwerk das Jiddische erstmals in den Rang einer Literatursprache erhoben und der ostjüdischen Welt mit ihren Archetypen ein Denkmal gesetzt. Hinter dem privaten Schicksal Tewjes und der schtetl-Idylle von 1900 zeichnet sich schon der Wahnsinn des bevorstehenden Weltenbrandes ab, von ferne kündigen sich Revolutionen, Pogrome, Vertreibungen an. Doch im "Tewje" ist all diesen Bedrohungen ein humanes, verschmitztes Trotzdem entgegengestellt, das Trotzdem des wahren Humoristen, der selbst unter Tränen noch lacht. Mit der Neuübersetzung nach mehr als achtzig Jahren liegt der Roman nun zum ersten Mal in einer vollständigen deutschen Fassung vor. Anatevka (engl. Originaltitel Fiddler on the Roof, dt.: Der Fiedler auf dem Dach) ist ein Musical nach dem Roman "Tewje, der Milchmann" von Scholem Alejchem. mehr... Auszug aus dem Manuskript Es geschah am 23. Januar 1971: In der damaligen "Hauptstadt der DDR", im Ostteil Berlins zog die Felsenstein-Inszenierung vom "Fiedler auf dem Dach" in die Komische Oper ein. Der Premierenabend wurde zum unvergesslichen Erlebnis für alle, die vor, auf und hinter der Bühne das Glück hatten, dabei zu sein: eine Felsenstein-Premiere, die den besonderen Status der Komischen Oper deutlich machte und die von den Theaterfreunden der geteilten Vier-Sektoren-Stadt augenzwinkernd auch als '"ünfter Berliner Sektor" bezeichnet wurde. Geografisch gesehen befand sich die Komische Oper zwar auf dem Boden Ostberlins, aber gestalterisch zeigte sie ein unabhängiges Gesicht. Das präsentierte sie insbesondere bei der Aufführung des Broadway-Musicals "Der Fiedler auf dem
Dach". Inhalt und Interpretationsweise wirkten gegenüber dem landläufigen Theaterbetrieb der DDR, der einem "sozialistischen Realismus" huldigen musste, wie ein Sprengsatz. Wir wollen heute - wie es im Untertitel der Langen Nacht heißt - von Konzeptions- und Aufführungstraditionen erzählen, die an der Komischen Oper Berlin zur Bühnenexistenz des Milchmanns Tewje geführt haben, an jenem Ostberliner "Kunsttempel", dem der österreichische Staatsbürgers Felsenstein in den Jahren vor und nach dem Bau der Berliner Mauer, zu Zeiten des Kalten Krieges und des "Eisernen Vorhangs"
vorstand. Am 23. Dezember 1947 wurde die Komische Oper eröffnet - mit der "Fledermaus" in der Regie des Intendanten Walter Felsenstein (1901-1975). Felsenstein verwirklichte hier seine Vorstellung von realistischem Musiktheater. Ein Interview mit dem Sohn
Felsensteins,dem Schauspieler und Kapitän Christoph Felsenstein. Auszug aus dem Manuskript Die Zuschauer, mehrheitlich DDR-Bürger, lauschten mit angehaltenem Atem dem
Dialog zwischen Tewje und dem russischen Dorfgendarm. Die Ostberliner Ministerien für Kultur und Äußeres und die für die Theater zuständige Abteilung im ZK der SED setzten gemäß der offiziellen Lesart "pro-jüdisch" mit 'pro-israelisch" gleich. Liebend gern hätten sie gesehen, dass
das Inszenierungsvorhaben scheitert. Aber sie scheuten davor zurück, ein direktes Aufführungsverbot auszusprechen. Sie warteten ab, warteten gespannt auf ein Eingreifen des "Großen Bruders" in Gestalt der Sowjetischen Botschaft in der DDR. Schließlich - wenn auch zur Zarenzeit - spielte das Musical auf dem Territorium der damaligen Sowjetunion - und zeigte Misshandlung und Vertreibung jüdischer Menschen durch präfaschistoide russische Gendarmen und Kleinbürger. Nach zwei Stunden - die den Wartenden im Opernhaus wie eine halbe Ewigkeit vorkamen - kehrte der Intendant von seinem Canossa-Gang zurück - mit dem erlösenden Satz: "Wir spielen, aber…" Das Aber waren Textänderungen, die der sowjetische Botschafter zur Bedingung gemacht hatte: So durfte der Name der Stadt Kiew nicht genannt werden - in der Aufführung hieß sie nun "Jeguptz". Das war zwar das gleiche - aber auf jiddisch. Oder der Begriff "Pogrom": Auf sowjetisches Verlangen wurde er umschrieben mit "eine inoffizielle Belästigung". Und das jüdische Fluchtziel Amerika wurde ersatzlos gestrichen. Archiv Darstellende Kunst: Walter Felsenstein Archiv Rudolf Asmus, deutscher Opernsänger (Bass-Bariton) der Berliner Komischen Oper. Nach einem Gesangsstudium debütierte er auf der Bühne in Ostrava und gelangte über Engagements in Brünn 1953 an das Prager Nationaltheater. 1956 holte ihn Walter Felsenstein, der Gründer und Intendant der Komischen Oper nach Berlin. Hier feierte der Sänger große nationale wie auch internationale Erfolge in diversen Operninszenierungen. mehr... Auszug aus dem Manuskript Der Besucheransturm auf den Fiedler ließ über Jahre nicht nach. Vor ausverkauften Repertoire-Vorstellungen wurden an der geschlossenen Theaterkasse Schilder hochgehalten mit der Aufschrift: "Biete 100 DM für eine Karte!" Man beachte: Ein blauer Westhunderter wurde da illegalerweise in Ost-Berlin geboten! Gemessen an den anerkannt niedrigen Theaterkartenpreisen in der DDR fast schon eine wucherische Versuchung für so manchen
braven Bürger, der zwar eine sozialistisch preiswerte und mühevoll erstandene Eintrittskarte in seinen Händen hielt, aber kein ihm die Wunder pseudokapitalistischer Intershops erschließendes Westgeld. Als sich am 17. Juni 1988, nach der 506. und letzten Aufführung des "Fiedler auf dem Dach" die Theatercourtine vor Valerij Leventals Bühnenbild senkte, hatten mehr als eine halbe Million Besucher aus Ost und West diese Aufführung gesehen - oder zutreffender gesagt: erfahren. Sie alle verließen reich beschenkt
die Komische Oper. Ein offizielles "Staatstheater der DDR" hatte sich einmal mehr als ein humanistisches Gewissen der ostdeutschen Theaterlandschaft erwiesen, als "Fünfter Berliner Sektor". Wer singt das Lied Wenn ich einmal reich wär?Ivan Rebroff
Woher kommt das Lied Wenn ich einmal reich wär?„Wenn ich einmal reich wär'...“, so singt Tewje im „Fiedler auf dem Dach“. Ein Gassenhauer, wie so viele Lieder aus dem berühmten Musical, das auf dem Roman „Tewje, der Milchmann“ von Sholem Alejchem basiert.
Wie alt ist das Lied Wenn ich einmal reich wär?Ivan Rebroff Wenn ich einmal reich wär'. |