Das Bruttonationaleinkommen (BNE), bis 1999 auch Bruttosozialprodukt (BSP) (englisch Gross National Income (GNI) bzw. Gross National Product (GNP)), ist ein zentraler Begriff aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) und eine volkswirtschaftliche Kennzahl, die den Wert aller Waren und Dienstleistungen misst, die in einer Rechnungsperiode mit Hilfe von Produktionsfaktoren hergestellt werden, die sich im Besitz von Inländern befinden (alle von Inländern erwirtschafteten Einkommen, gleichgültig, ob im Inland oder im Ausland erzielt). Show
Allgemeines[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Dies ist gleichbedeutend mit den an Inländer geflossenen Einkommen aus Erwerbstätigkeit und Vermögensbesitz (Zinsen und andere Kapitalerträge, nicht allerdings Einkommen aus Veräußerungsgeschäften), weshalb das Bruttonationaleinkommen als zentraler Einkommensindikator einer Volkswirtschaft gilt. Begriffliche Einordnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Bruttonationaleinkommen ist als Unterform des Nationaleinkommens der Wert der Endprodukte und Dienstleistungen, die in einer bestimmten Periode durch Produktionsfaktoren, die sich im Eigentum von Inländern befinden, produziert werden. Es schließt ein (jeweils zu dem Anteil, zu dem die Güter in der betrachteten Periode durch im Besitz von Inländern befindliche Produktionsfaktoren hergestellt worden sind):
Folglich kann man sich das Bruttonationaleinkommen (BNE) als den gesamten Wert der laufenden Produktion vorstellen, die Inländer erbracht haben. Damit stellt es eine wichtige Kennzahl der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) dar. Berechnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Verteilung des Bruttonationaleinkommens; bis 1991 altes, nach 1991 neues Bundesgebiet Bruttonationaleinkommen, Nettonationaleinkommen und Volkseinkommen in der Bundesrepublik Deutschland von 1970 bis 2013. Bis 1991 nur Westdeutschland Das Bruttonationaleinkommen zu Marktpreisen ist die Summe der Werte der von allen Bewohnern eines Staates innerhalb einer bestimmten Periode (ein Jahr) bezogenen Einkommen aus Arbeit (Arbeitnehmerentgelt) und Kapital (Unternehmens- und Vermögenseinkommen) zuzüglich der Produktions- und Importabgaben, abzüglich der Subventionen (Gütersteuern minus Gütersubventionen) und zuzüglich der Abschreibungen. Im Zusammenhang mit anderen volkswirtschaftlichen Kennzahlen stellt sich dies wie folgt dar:
1999 wurde die Bezeichnung „Bruttosozialprodukt“ (BSP) im Zuge der Einführung des ESVG 1995 durch den Ausdruck „Bruttonationaleinkommen“ in der EU ersetzt. Das BNE unterscheidet sich in der Berechnung vom BSP lediglich dadurch, dass es die saldierten Produktions- und Importabgaben (z. B. Zölle) und Subventionen aus der EU berücksichtigt. Wird das BNE aus dem BIP zu Marktpreisen abgeleitet, ergibt sich folgende Berechnung:[1]
Für andere Wirtschaftsräume sind BNE und BSP identisch.[2] Der Zusammenhang des Bruttonationaleinkommens mit den anderen Kenngrößen der VGR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Abgrenzung vom Bruttoinlandsprodukt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das Bruttonationaleinkommen ähnelt dem Bruttoinlandsprodukt, unterscheidet sich jedoch dadurch, dass für das Bruttoinlandsprodukt das Inlandskonzept greift, während für das Bruttonationaleinkommen das Inländerkonzept gilt. Das Inlandskonzept erfasst die wirtschaftliche Leistung in einem Wirtschaftsbereich unter Einbezug der Einpendler und Nichtbeachtung der Auspendler. Im Gegensatz zum Inlandskonzept des Bruttoinlandsprodukts wird beim Inländerkonzept des Bruttonationaleinkommens nicht das Gebiet betrachtet, in dem die Leistung erbracht wurde, sondern die in diesem Gebiet wohnenden Personen, an welche die Einkommen aus den wirtschaftlichen Leistungen zufließen. Das bedeutet, dass beim Inländerkonzept Personen, die nach ihrem Arbeitsort einem anderen Wirtschaftsbereich zugerechnet werden (im Ausland arbeitende Inländer) in die Leistungsberechnung miteinfließen, während im Wirtschaftsbereich arbeitende Personen, die nach ihrem Wohnort einem anderen Wirtschaftsbereich zugeordnet werden (im Inland arbeitende Ausländer), unberücksichtigt bleiben. Das Inländerkonzept stellt auf die Wohnbevölkerung ab, nicht auf die Staatsbürgerschaft. So werden auch Personen ohne beispielsweise österreichische Staatsbürgerschaft, die in Österreich leben, dem österreichischen Bruttonationaleinkommen zugerechnet, während österreichische Staatsbürger, die im Ausland leben, dort nicht eingerechnet werden. Kurz:
Für große Volkswirtschaften sind Bruttoinlandsprodukt und Bruttonationaleinkommen fast identisch, während es für kleine Volkswirtschaften erheblich auseinanderfallen kann. So beträgt das Verhältnis des Bruttonationaleinkommens zum Bruttoinlandsprodukt für Deutschland im Jahr 2009 1,014, für die Vereinigten Staaten 0,998. San Marino dagegen kommt auf ein Verhältnis von 0,85, Luxemburg gar nur auf 0,526. Beispielrechnung für Deutschland 2010 in Milliarden Euro
Abgrenzung zum Nettonationaleinkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Die Unterscheidung zwischen Brutto- und Nettonationaleinkommen stellt darauf ab, ob der Verschleiß an den Produktionsanlagen, die Wertminderung des Kapitalstocks durch technischen Fortschritt etc. anhand der Abschreibungen berücksichtigt werden oder nicht. Folglich erfasst das Netto-Nationaleinkommen die Einkommen der Inländer vermindert um die Abschreibungen. Abgrenzung zum Volkseinkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Davon ausgehend kann nun das Volkseinkommen sowie das verfügbare Einkommen berechnet werden. Das Volkseinkommen hängt eng mit dem Bruttonationaleinkommen zusammen, im Gegensatz dazu enthält es jedoch keine Abschreibungen und indirekte Steuern. Übersicht über den prinzipiellen Zusammenhang der Kenngrößen der VGR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Das BNE, welches in den 1940er Jahren von Simon Kuznets entwickelt worden war (auf Deutsch damals BSP genannt), um zu überprüfen, ob die US-amerikanische Wirtschaft zu einer Teilnahme am Zweiten Weltkrieg im Stande wäre, wurde seither häufig als Wohlstandsfaktor gebraucht. Auch Simon Kuznets selbst bezeichnete „seinen“ Indikator als „scientifically unsound“ (deutsch „wissenschaftlich unsolide“). Robert F. Kennedy kritisierte das „Gross National Product“ am 18. März 1968 so:[3]
– Robert F. Kennedy[4] Alternativen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Um treffendere Indikatoren für tatsächlichen Wohlstand zu entwickeln, wurden unter anderem folgende Indikatoren entwickelt:
Alle diese Indikatoren aggregieren eine Vielzahl von Daten, die nicht in das Bruttonationaleinkommen eingehen (siehe Aggregation (Wirtschaft)). Amartya Sen bildete die Wohlfahrtsfunktion als Alternative beispielsweise zum Median aus dem Produkt des Bruttonationaleinkommens und der relativen Gleichverteilung[5] dieses Einkommens. In Deutschland suchte vom Januar 2011 bis zum Juni 2013 die Enquete-Kommission Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität des Bundestages nach einer möglichen neuen Messzahl für Wohlstand und Fortschritt jenseits der Wachstumsfixierung des bisher beherrschenden Maßstabs Bruttosozialprodukt.[6] Andrew Oswald, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der University of Warwick,[7] hält das BNE als Maßstab für „Wohlstand“ für veraltet. Er schlägt vor, einen Maßstab zur Messung des „Glücks und seelischen Wohlbefindens der Bürger“ zu entwickeln.[8][9] Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
Was ist der Unterschied zwischen BNE und BIP?Das BIP misst somit die ökonomische Wertschöpfung eines Landes. Ein eng mit dem BIP verbundener Indikator ist das Bruttonationaleinkommen (BNE), das früher Bruttosozialprodukt genannt wurde.
Wann BIP und BNE?Die Berechnung des Bruttonationaleinkommens erfolgt auf Grundlage des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Das heißt, Einkommensarten, die an das Ausland geflossen sind, werden vom BIP abgezogen. Auf der anderen Seite werden Einkommen, die im Ausland erwirtschaftet wurden, hinzugerechnet.
Was ist der Unterschied zwischen dem BIP und dem BSP?Im Unterschied zum BIP bezieht sich das Bruttosozialprodukt auf den Wohnort der Arbeitnehmer, nicht auf den Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit. Während das BIP regional ausgerichtet ist, orientiert sich das Bruttosozialprodukt daran, wie viel sogenannte Inländer erwirtschaften.
Was versteht man unter dem Bruttonationaleinkommen?Summe der innerhalb eines Jahres von allen Bewohnern eines Staates (Inländer) erwirtschafteten Einkommen, unabhängig davon, ob diese im Inland oder im Ausland erzielt wurden; bis 1999 auch Bruttosozialprodukt (BSP) genannt.
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