Eine Sammelrezension von Julian Mühlbauer Eagleton, Terry: Warum Marx recht hat. Berlin: Ullstein, 2012. Hobsbawm, Eric: Wie man die Welt verändert. Über Marx und den Marxismus. München: Hanser, 2012. Reheis, Fritz: Wo Marx Recht hat. Darmstadt: Primus, 2011. Über 20 Jahre nach dem Zusammenbruch des 'realexistierenden Sozialismus' im Osten Europas, als das marxistische Projekt in der Außen- und Selbstwahrnehmung als gescheitert und für immer diskreditiert erschien, gewinnen die Person Karl Marx und die Marx'schen Ideen wieder an Anziehungskraft. Es mag an der gegenwärtigen Weltwirtschaftskrise, dem wohl schärfsten Einbruch kapitalistischer Entwicklung seit dem Zweiten Weltkrieg liegen, dass in den letzten Jahren eine Vielzahl
von Darstellungen, Einführung und Verrissen auf den Buchmarkt geworfen wurde, die eine Renaissance des Marxismus vermuten lassen (siehe Auswahlbibliographie). Drei dieser Neuerscheinungen werden im Folgenden besprochen: > Inhaltsverzeichnis Wie man die Welt verändert
> Inhaltsverzeichnis Wo Marx Recht hat Und dennoch scheint heute, 20 Jahre später und 165 Jahre nach Erscheinen des Kommunistischen Manifests das 'Gespenst des Kommunismus' wieder in Europa umzugehen – Marx ist zurück! Das suggeriert zumindest eine Reihe von Neuerscheinungen auf dem deutschen Buchmarkt, die sich mit Leben und Werk des Philosophen und Ökonomen auseinandersetzen und in der Mehrheit einen
positiven Bezug dazu herstellen. Auch seine Werke – primär die ökonomischen, weniger die philosophischen mit ihren politischen Konsequenzen – werden nicht nur neu aufgelegt, sondern auch wieder gelesen. Eine neue 'Lesekreisbewegung' hat vorübergehend eine Minorität der deutschen Studierenden erfasst und selbst die bürgerlichen Feuilletons kamen im Angesicht der Weltwirtschaftskrise nicht umhin, den längst begrabenen Marx zu zitieren und gelegentlich festzustellen, dass manche seiner Analysen
nicht jeglicher Berechtigung entbehr(t)en. In eine ähnliche Kerbe schlägt Terry Eagleton, britischer
Literaturwissenschaftler, Gastprofessor an den Universitäten Lancaster, Indiana sowie der National University of Ireland und katholischer Marxist. Ungeachtet der genannten Anzeichen für eine Renaissance des Marxismus, ist eine positive Bezugnahme auf eben diesen in der deutschen Wissenschaftslandschaft noch immer unpopulär. Umso überraschender ist, dass sich mit Fritz Reheis ein weiterer Hochschullehrer hinter Marx stellt. Der Dozent am Lehrstuhl für Politische Theorie der Universität Bamberg nimmt in seinem 2012 in zweiter Auflage
erschienenen Buch allerdings eine weniger klar pro-marxistische Perspektive ein. Seine Überblicksdarstellung in neun Kapiteln mit je einer Fragestellung zur Kritik des Kapitalismus will nicht Anspruch und Wirklichkeit, sondern vielmehr Wirklichkeit und Möglichkeit vergleichen und für alle, die auf der Suche nach Alternativen zum kapitalistischen Gesellschaftsmodell sind, "möglichst viele Türen zu Marx" (S. 11) öffnen. Karl Marx' ökonomische Analysen seien aktueller denn je und hätten sich im 20.
Jahrhundert als enorm fruchtbar erwiesen, so der Autor. Das Buch mit dem wohl breitesten Informationsgehalt in dieser Auswahl ist (nicht nur aufgrund des größeren Umfangs von 448 Seiten) die letzte Veröffentlichung des im letzten Jahr verstorbenen Historikers Eric Hobsbawm. 2011 auf Englisch publiziert,
erschien im Herbst 2012 die deutsche Version seines Werks Wie man die Welt verändert. Über Marx und den Marxismus, welches frühere Schriften aus den Jahren 1965 bis 2009 in überarbeiteter Fassung vereint. Hobsbawm zielt nicht auf eine Geschichte des Marxismus im Allgemeinen, sondern will die Entwicklung und das posthume Wirken der Ideen von Marx (und selbstredend auch Engels) nachzeichnen. Die hier in den Blick genommenen Bücher lösen ihr Versprechen weitestgehend ein, eine Einführung in Teile der Theorien und Gedankenwelt des Marxismus zu geben, allerdings in unterschiedlicher Intensität und mit
divergierenden Zugängen. Eagleton liefert eine populär geschriebene Verteidigung des Marxismus gegen die gängigsten Kritiken. Reheis bewegt sich auf einem höheren theoretischen Niveau, veranschaulicht seine Ausführungen jedoch durch aktuelle Beispiele. Hobsbawm fasst den Untersuchungsrahmen weiter und liefert auch den historischen Kontext zu Entstehung und Wirkung der marxistischen Theorien. Die Auswahl macht auch deutlich, dass der Marxismus nie eine homogene Erscheinung darstellte. Auswahlbibliographie:
Eagleton Terry: Warum Marx recht hat. Aus dem Englischen von Hainer Kober. 3. Auflage. Berlin: Ullstein, 2012. 285 S., geb., 18,00 Euro. ISBN: 978-3-550-08856-8 [Englische Erstausgabe: Why Marx Was Right.
New Haven u.a.: Yale Univ. Press, 2011] Reheis, Fritz: Wo Marx Recht hat. 2. durchges. Auflage. Darmstadt: Primus, 2012. 208 S., geb.,
19,90 Euro. ISBN: 978-3-86312-327-7 Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel: Himmel und Erde 13 2. Kapitel: Arbeit und Ausbeutung 28 3. Kapitel: Sinnlichkeit und Gier 47 4. Kapitel: Ordnung und Herrschaft 61 5. Kapitel: Vertrauen und Betrug 77 6. Kapitel: Risiko und Krise 96 7. Kapitel: Fortschritt und Revolution 114 8. Kapitel: Jenseits des Kapitalismus 135 9. Kapitel: Grundlagen des Lebens 155 Ausblick: Und was nun? 178 Hobsbawm, Eric: Wie man die Welt verändert: Über Marx und den Marxismus. Übersetzt aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn und Thomas Atzert. München: Carl Hanser, 2012. 448 S., geb., 27,90 Euro. ISBN: 978-3-446-24000-1 [Englische Erstausgabe: How to Change the World.
Reflections on Marx and Marxism. London: Little, Brown, 2011] Inhaltsverzeichnis Teil 1: Marx und Engels Teil 2: Marxismus Anmerkungen 399 »A spectre is haunting Europe?« – on the Repeated Renaissance of Marx and Marxism More than
20 years after the breakdown of 'real-existing socialism' in the eastern part of Europe, when the Marxist project, by its own measures as well as those of others, seemed to have failed and been discredited for all time, Karl Marx and his ideas gain appeal again. It may be due to the present worldwide economic crisis – probably the most serious collapse of capitalistic development since World War II – that during the last years a huge number of books, introductions, and criticisms appeared on the
book market (see References). This fact lets us conjecture about a Renaissance of Marxism. Three of these recent publications are discussed here: The last book of the recently deceased British historian Eric Hobsbawm How to Change the World: Reflections on Marx and Marxism is an extensive study of the historical influence of Marxist theories; the defence of Marx, Where Marx is
right, by the Catholic linguist Terry Eagleton tries to refute the top ten most popular aspects in criticism of Marxism; and Why Marx Was Right by the German sociologist Fritz Reheis wants to rehabilitate Marxist criticism of capitalism concerning the reproductive sphere with the aid of cross-reference with other theories. © beim Autor und bei KULT_online |