Wann darf man jemanden festhalten bis die Polizei kommt?

Wird eine Person von der Polizei �vorl�ufig festgenommen� geschieht dies grunds�tzlich immer in der Absicht, die Person einem Richter vorzuf�hren, damit dieser die Person in U-Haft nehmen kann.

Die Befugnis zur vorl�ufigen Festnahme besteht aus zwei Teilen:

Teil 1

� 127 Abs. 1 StPO

Bei dieser Regelung handelt es sich um einen allgemeinen Rechtfertigungsgrund, der von einem �jedermann� in Anspruch genommen werden kann, wenn dieser �jedermann� eine Person auf frischer Tat betrifft oder verfolgt und die festgehaltene Person der Flucht verd�chtig ist oder die Identit�t dieser Person nicht sofort festgestellt werden kann.

Unter diesen Voraussetzungen kann ein �jedermann� eine Person jedoch nur so lange festhalten, bis die Polizei eingetroffen ist oder die Person der Polizei �bergeben wurde, damit die Polizei alle weiteren erforderlich werdenden Ma�nahmen treffen kann.

�Jedermann� im Sinne von � 127 Abs. 1 StPO ist aber auch die Polizei.

Dazu sp�ter mehr.

Teil 2

� 127 Abs. 2 StPO

Dieser Absatz regelt die vorl�ufige Festnahme durch die Polizei bei Gefahr im Verzug. Die Befugnis greift aber nur dann, wenn ein Haftgrund gegeben ist, den es zu begr�nden und mit �berzeugenden Fakten zu hinterlegen ist.

Das bedeutet, dass zum Zeitpunkt der vorl�ufigen Festnahme auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO der festnehmende Beamte dazu in der Lage sein muss, einen solchen Haftgrund begr�nden zu k�nnen.

Die damit verbundenen Probleme werden im Folgenden n�her er�rtert.

Zum Verst�ndnis der Zusammenh�nge ist es erforderlich, sich vorab mit gebotener fachlicher Gr�ndlichkeit der Festnahmebefugnis des � 127 Abs. 1 StPO zuzuwenden.

02 Polizei und � 127 Abs. 1 StPO

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Umstritten ist, ob die Polizei auch auf der Grundlage eines �Jedermannrechts� eine Person vorl�ufig festnehmen darf. Dagegen spricht, dass es im
� 127 Abs. 1 StPO (Vorl�ufige Festnahme) hei�t, dass sich die �Feststellung der Identit�t einer Person durch die Staatsanwaltschaft oder die Beamten des Polizeidienstes nach � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) richtet.

Das w�rde bedeuten, dass die Polizei auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO nicht dazu befugt ist, eine Person vorl�ufig festzunehmen.

Diese Sichtweise ist abzulehnen.

Die herrschende Meinung geht davon aus, dass auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO Personen vorl�ufig festnehmen d�rfen, wenn das �Festhalten� nicht dem Ziel dient, die �Identit�t der Person� festzustellen.

Mit anderen Worten:

Solange eine tatverd�chtige Person von der Polizei festgehalten wird, um deren Identit�t festzustellen, geschieht dies ausschlie�lich auf der Grundlage von
� 163b StPO (Identit�tsfeststellung), denn dar�ber hinausgehende Feststellungen l�sst � 163b StPO grunds�tzlich nicht zu.

[Position BVerfG:] In Anlehnung an ein Urteil des BVerfG vom 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 ist davon auszugehen, dass ein Festhalten einer Person zum Zweck der Identit�tsfeststellung rechtswidrig wird, sobald sich die Person mit einem g�ltigen Lichtbildausweis ausgewiesen hat. [En01] 1

Deshalb k�nnen Ermittlungen, die zur Pr�fung eines Haftgrundes erforderlich sind, nach der hier bevorzugten Rechtsauffassung, nicht mehr auf � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) gest�tzt werden, sobald sich die Person mit einem g�ltigen Lichtbildausweis ausweist.

Zumindest kann ein Festhalten auf � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) dann nicht mehr gest�tzt werden, wenn es darum geht, zu ermitteln, ob die festgehaltene Person

  • einer geregelten Arbeit nachgeht

  • �ber feste famili�re Bindungen verf�gt

  • h�ufig den Wohnort wechselt

  • einem geregelten Beruf nachgeht

  • arbeitslos ist oder

  • der Drogenszene, der Salafistenszene oder anderen radikalen Gruppen angeh�rt.

Zur Kl�rung solcher Fragen, die f�r die Begr�ndung des Haftgrundes (Fluchtgefahr) erforderlich sind, bietet � � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) kein Festhalterecht.

[Beispiel:] Ein Einbrecher wird auf frischer Tat betroffen. Er weist sich mit einem g�ltigen Lichtbildausweis aus. Die Identit�t des Mannes kann somit noch am Tatort festgestellt werden. Gr�nde, die dazu geeignet w�ren, einen Haftgrund begr�nden zu k�nnen, sind zurzeit noch nicht bekannt.

Daf�r bedarf es weiterer Ermittlungen.

Rechtslage?

Der Einbrecher darf auf der Grundlage von � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) nicht weiter festgehalten und der Polizeiwache zugef�hrt werden, wenn seine Identit�t bekannt ist.

In solchen F�llen greift � 127 Abs. 1 StPO, denn Fluchtverdacht im Sinne dieser Jedermannbefugnis besteht so lange, wie anzunehmen ist, dass gegen den Festgehaltenen das Strafverfahren nicht erfolgreich betrieben werden kann.

Um diese Zweifel ausr�umen zu k�nnen, muss zum Beispiel bekannt sein, ob der Mann tats�chlich an seiner Wohnanschrift zu erreichen ist, ob er einer geregelten Arbeit nachgeht oder ob er in zerr�tteten Familienverh�ltnissen lebt etc.

Solche Informationen k�nnen keinem Ausweispapier entnommen werden.

� 163b StPO (Identit�tsfeststellung) kann in solchen F�llen folglich nur dann (f�r das Verbingen zur Polizeidienststelle als einer der zugelassenen Rechtsfolgen dieser Befugnis) Anwendung finden, wenn die Rechtsfolgen dieses Paragraphen extensiv ausgelegt werden.

Dazu sp�ter mehr.

[Hinweis:] Ist ein Verbringen einer tatverd�chtigen Person auf der Grundlage von � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) nicht m�glich oder nicht mehr zul�ssig, dennoch aber erforderlich, um mit gebotener Sorgfalt pr�fen zu k�nnen, ob die Voraussetzungen eines Haftgrundes greifen, dann kann das Verbringen zur Polizeidienststelle nur auf � 127 Abs. 1 StPO (Vorl�ufige Festnahme) gest�tzt werden, weil eine vorl�ufige Festnahme auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO voraussetzt, dass bereits zum Zeitpunkt der vorl�ufigen Festnahme ein Haftgrund begr�ndet werden kann.

Das aber setzt voraus, dass Informationen bekannt sind, die die Polizei dazu in die Lage versetzen, einen Haftgrund begr�nden zu k�nnen. Die daf�r erforderlichen Erkenntnisse k�nnen keinem Ausweispapier entnommen werden.

02.1 Betreffen auf frischer Tat

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Auf frischer Tat betroffen ist, wer bei der Begehung einer rechtswidrigen Tat oder unmittelbar danach am Tatort oder in dessen unmittelbarer N�he gestellt wird.

Eine Tat iSv � 127 Abs. 1 StPO ist gegeben:

  • wenn der T�ter oder Teilnehmer alle Tatbestandsmerkmale einer Strafrechtsnorm verwirklicht hat (vollendetes Delikt)
    oder

  • wenn der T�ter unmittelbar zur Verwirklichung eines Tatbestandes ansetzt, bzw. dabei ist, den Tatbestand zu verwirklichen (Versuch).

Ein Versuch rechtfertigt eine vorl�ufige Festnahme aber nur dann, wenn der Versuch strafbar ist.

Der Versuch eines Verbrechens ist stets strafbar, der Versuch eines Vergehens nur, wenn das Gesetz das ausdr�cklich bestimmt (� 23 StGB - Strafbarkeit des Versuchs).

Wird ein Tatverd�chtiger von der Polizei bei der Begehung eines strafbaren Deliktes betroffen, h�ngt die weitere Vorgehensweise von den nachfolgend skizzierten Umst�nden ab.

  • Falls die Identit�t der Person nicht bekannt ist, kann der Tatverd�chtige zum Zwecke der Identit�tsfeststellung gem�� � 163b Abs. 1 StPO zur Dienststelle verbracht werden, wenn vor Ort die Identit�tsfeststellung nicht durchgef�hrt werden kann.

  • Ist die Identit�t bereits vor Ort bekannt, kann � 163 b Abs. 1 StPO die Mitnahme nicht mehr rechtfertigen.

Der Tatverd�chtige darf dann aber gem�� � 127 Abs. 1 StPO vorl�ufig festgenommen werden, wenn ein Festnahmegrund (Fluchtverdacht) besteht. Die vorl�ufige Festnahme kann dann so lange auf � 127 Abs. 1 StPO gest�tzt werden, solange von Fluchtverdacht ausgegangen werden kann.

[Beispiel:] Von der Polizei wird ein Einbrecher am Tatort auf frischer Tat betroffen. Der Mann kennt sich offensichtlich mit den bestehenden Rechtsvorschriften aus, denn unaufgefordert h�ndigt er einem Polizeibeamten seinen g�ltigen Bundespersonalausweis aus und bittet darum, seine Identit�t m�glichst schnell festzustellen, denn er hat es eilig. Rechtslage?

Da die Identit�t des Mannes am Tatort durch Einsichtnahme in einen g�ltigen Personalausweis festgestellt werden kann, ist es der Polizei aus Rechtsgr�nden nicht mehr m�glich, den Einbrecher zur Feststellung seiner Identit�t festhalten und zur Polizeiwache verbringen zu k�nnen. Die einschreitenden Beamten sind aber auch nicht dazu in der Lage, vor Ort entscheiden zu k�nnen, ob ein Haftgrund, zum Beispiel �Fluchtgefahr� gegeben ist, denn dazu fehlen der Polizei zurzeit die daf�r ben�tigten Fakten, denn um einen Haftgrund begr�nden zu k�nnen, sind Informationen erforderlich, die es der Polizei erlauben, einen Haftgrund glaubw�rdig begr�nden zu k�nnen. Diese Pr�fung setzt voraus, dass eine Person so lange von der Polizei festgehalten werden darf, bis der Nachweis erbracht wurde, dass ein Haftgrund besteht oder aber ein Haftgrund nicht greift.

Bei Personen, die auf frischer Tat betroffen oder verfolgt werden, kann auf der Grundlage von
� 127 Abs. 1 StPO (Vorl�ufige Festnahme) eine Person so lange festgehalten werden, bis die Pr�fung eines Haftgrundes abgeschlossen ist.

Die Dauer des Festhaltens ergibt sich im Zusammenhang mit vorl�ufigen Festnahmen auf der Grundlage von
� 127 Abs. 1 StPO (Vorl�ufige Festnahme), nicht aus � 128 StPO (Weiteres Verfahren), sondern aus � 163c StPO (Festhalten zur Identit�tsfeststellung).

Das bedeutet, dass f�r die Pr�fung eines Haftgrundes der Polizei anl�sslich von vorl�ufigen Festnahmen auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO maximal
12 Zeitstunden zur Verf�gung stehen.

� 128 StPO (Weiteres Verfahren) greift nur dann, wenn der Betroffene auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO (Vorl�ufige Festnahme) festgehalten wird.

02.2 Verfolgung auf frischer Tat

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Verfolgung auf frischer Tat liegt vor, wenn sich der T�ter bereits vom Tatort entfernt hat, sichere Anhaltspunkte aber auf ihn als T�ter hinweisen und die Verfolgung zum Zweck seiner Ergreifung aufgenommen wird.

Verfolgung auf frischer Tat ist auch dann gegeben, wenn:

  • der Verfolgende den T�ter selbst nicht in unmittelbarer N�he des Tatortes entdeckt hat

  • der Verfolgende anhand sicherer Anhaltspunkte einen T�ter verfolgt, um diesen zu ergreifen

  • hinzugezogene Hilfskr�fte sich an der Verfolgung beteiligen.

Auf Sicht und Geh�r braucht der T�ter nicht verfolgt zu werden.

Zwischen Tat, Tatort, Verfolgung und Ergreifung muss ein r�umlicher und zeitlicher Zusammenhang bestehen.

[Beispiel:] 10.30 Uhr, Alarmausl�sung in der Stadtsparkasse. Beim Eintreffen sehen die Beamten, wie ein Mann mit Segeltuchtasche aus dem Geb�ude st�rzt, auf ein Fahrrad steigt und wegf�hrt. Kurz darauf eilt der Kassierer nach drau�en und best�tigt, dass es sich um den T�ter handelt. Im Zuge der sofort eingeleiteten Fahndung wird der Mann 20 Minuten sp�ter mit der Beute gestellt. Wurde der Mann auf frischer Tat verfolgt?

Alle zur Tatzeit in der Kasse anwesenden Personen haben den Mann auf frischer Tat bei der Tatausf�hrung eines Raubes gesehen. Die eintreffenden Beamten haben ihn jedoch nicht mehr auf frischer Tat betroffen. Sie haben ihn aber aufgrund sicherer Anhaltspunkte unmittelbar nach der Tat und somit auf frischer Tat verfolgt.

Nicht erforderlich ist, dass derjenige, der den T�ter auf frischer Tat betroffen hat, ihn auch verfolgen und ergreifen muss.

Besteht kein r�umlicher und zeitlicher Zusammenhang mehr, kann � 127 Abs. 1 StPO nicht angewendet werden.

02.3 Festnahmegr�nde � 127 Abs. 1 StPO

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Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, darf die Person gem��
� 127 Abs. 1 StPO (Vorl�ufige Festnahme) nur dann vorl�ufig festgenommen werden, wenn ein Festnahmegrund besteht.

Festnahmegr�nde iSv � 127 Abs. 1 StPO sind:

  • Fluchtverdacht
    oder

  • Identit�t steht nicht fest.

Privatpersonen d�rfen beide Festnahmegr�nde, die Polizei nur den Festnahmegrund �Fluchtverdacht� in Anspruch nehmen. Dies folgt aus � 127 Abs. 1 Satz 2 StPO, wonach f�r Identit�tsfeststellungen durch Polizeibeamte auf � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) verwiesen wird.

Deshalb darf die Polizei in der Praxis jedoch nicht weniger als ein jedermann.

Das Gegenteil ist der Fall.

[Fluchtverdacht:] F�r die Begr�ndung von �Fluchtverdacht� reicht die Annahme aus, dass nach den jeweiligen Erkenntnissen der jeweils vorgefundenen Situation unter Ber�cksichtigung allgemeiner Erfahrungen vern�nftigerweise mit der Annahme zu rechnen ist, der Betroffene werde sich seiner Verantwortung durch Flucht entziehen, wenn er nicht festgehalten wird.

Die Entscheidung, ob eine Person auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO vorl�ufig festgenommen werden kann, ist eine Ad-hoc-Entscheidung, so dass im Zusammenhang mit der Begr�ndung von Fluchtverdacht subjektive Annahmen ausreichen m�ssen, um Fluchtverdacht begr�nden zu k�nnen.

Fluchtverdacht ist gegeben, wenn nach den Umst�nden des Einzelfalls vern�nftigerweise die Annahme gerechtfertigt ist, dass der T�ter sich dem Strafverfahren durch Flucht entziehen werde.

Das ist nicht bereits dann der Fall, wenn der T�ter sich lediglich vom Tatort entfernt.

Das ist sein gutes Recht.

Fluchtverdacht besteht, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass der auf frischer Tat betroffene oder verfolgte T�ter sich m�glicherweise der strafrechtlichen Verantwortung entziehen werde.

Tatsachen, tats�chliche Anhaltspunkte oder gar beweisbare Umst�nde werden zur Begr�ndung von Fluchtverdacht nicht verlangt.

Die Annahme, der T�ter werde sich m�glicherweise dem Strafverfahren entziehen, ist zumindest so lange begr�ndet, bis sein pers�nliches Umfeld (Lebensweise, Bindungen, Aufenthalt, Beruf, Familie) wenigstens grob �berpr�ft ist.

[BGH 1970:] In einem Urteil des BGH vom 05.11.1970 - 4 StR 349/70 hei�t es:

Fluchtverdacht ist gegeben, wenn zu bef�rchten ist, der T�ter werde sich dem Strafverfahren entziehen, oder wenn wenigstens mit Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss (...). Das ist nicht schon dann der Fall, wenn der auf frischer Tat betroffene (bekannte) T�ter im Begriff ist, sich vom Tatort zu entfernen. Dies ist ihm von Gesetzes wegen nicht verwehrt. Der Strafverfolgung entzieht sich ein T�ter nur, wenn anzunehmen ist, er werde seinen st�ndigen oder regelm��igen Wohn- oder Aufenthaltsort ver�ndern oder sich sonst f�r l�ngere Zeit verborgen halten, so dass er f�r die Strafverfolgungsorgane nicht oder nicht ohne weiteres zu erreichen ist.

Diese Entscheidung f�llte der BGH anl�sslich eines Sachverhalts, in dem eine Privatperson eine ihr namentlich bekannte Person daran hindern wollte, eine Trunkenheitsfahrt zu begehen, und sie deshalb den Fahrer, der unter Alkoholeinwirkung ein Fahrzeug f�hrte, anhielt und vorl�ufig festnahm.

[Hinweis:] Der BGH hatte nicht dar�ber zu entscheiden, in welch einem Umfang � 127 Abs. 1 StPO Anwendung findet, wenn Polizeibeamte einschreiten.

Wenn Polizeibeamte die Identit�t eines Tatverd�chtigen kennen oder diese festgestellt haben und weitergehende Informationen ben�tigt werden, um entscheiden zu k�nnen, ob ein Haftgrund greift oder nicht, dann geht die wohl h.M. davon aus, dass die daf�r erforderliche Zeit des Festhaltens sich aus � 127 Abs. 1 StPO ergibt.

[Identit�t steht nicht fest:] Dieser Festnahmegrund rechtfertigt eine vorl�ufige Festnahme, wenn der Betroffene:

  • Angaben zur Person verweigert,

  • sich nicht ausweisen will,

  • keine g�ltigen Ausweispapiere mit sich f�hrt,
    oder

  • an Ort und Stelle seine Identit�t nicht sicher festgestellt werden kann.

Der Festnahmegrund greift nicht, wenn dem Festnehmenden die Person bekannt ist, die von ihm auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wurde.

In den beiden folgenden Randnummern wird dieser Problemkreis n�her erl�utert.

02.4 T�ter weist sich aus

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Eine Mindermeinung geht davon aus, dass auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO die Polizei eine Person nicht vorl�ufig festnehmen kann, weil ausweislich des Gesetzestextes der Polizei das Recht zusteht, die Identit�t des Tatverd�chtigen auf der Grundlage von � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) feststellen zu k�nnen und das daf�r erforderliche Festhalten sich unmittelbar aus � 163b StPO ergibt.

Diese einengende Sichtweise f�hrt zu Begr�ndungsproblemen.

[Position BVerfG:] In einem Urteil des BVerfG vom 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 hei�t es, dass, wenn eine festgehaltene Person sich mit einem g�ltigen Lichtbildausweis ausweist, ein weiteres Festhalten zur Identifizierung der Person verfassungswidrig ist. [En02] 2

[Beispiel:] Ein Einbrecher wird bei der Begehung eines Wohnungseinbruchdiebstahls auf frischer Tat betroffen. Der Mann kann sich mit einem g�ltigen Personalausweis ausweisen. Er hat es eilig. Rechtslage?

Die Identit�t des Einbrechers ist bekannt. Konkrete Hinweise, die es den einschreitenden Polizeibeamten erlauben w�rden, einen Haftgrund begr�nden zu k�nnen, sind nicht zu erkennen. Folglich w�ren ein Festhalten des Einbrechers und das Verbringen der Person zur Polizeiwache rechtswidrig.

[VGH Baden-W�rttemberg:] Mit Urteil v. 14.12.2010 - 1 S 338/10 hat sich der VGH Baden-W�rttemberg zur Identit�tsfeststellung wie folgt positioniert:

Zur Personalienfeststellung gen�gt die Vorlage eines g�ltigen Personalausweises, sofern keine konkreten Anhaltspunkte f�r dessen F�lschung oder sonstige Unstimmigkeiten vorliegen. Eine �Sistierung� zur Personalienfeststellung ist nur dann zul�ssig, wenn sie zur Feststellung der Identit�t unerl�sslich ist. Vom Umfang her umfasst die Personenfeststellung alle, aber auch nur diejenigen Angaben �ber eine Person, die es erm�glichen, sie von anderen Personen zu unterscheiden und Verwechslungen auszuschlie�en. [En03] 3

[BVerfG zur ID-Feststellung:] Mit Beschluss vom 27.01.1992 - 2 BvR 658/90, hatte sich bereits das Bundesverfassungsgericht zum Umfang einer ID-Feststellung positioniert.

Im Beschluss hei�t es:

Die in � 163 Abs. 1 S. 2 StPO bzw. in den Polizeigesetzen des Bundes und der L�nder enthaltenen gesetzlichen Konkretisierungen des �berma�verbotes sollen sicherstellen, dass ein Eingriff in die pers�nliche Freiheit durch Festhalten nur in F�llen erfolgen darf, wenn das zur Feststellung der Identit�t unerl�sslich ist, z.B. dann, wenn nach Aussch�pfung der polizeilichen Befugnisse des Befragens nach den Personalien bzw. der Aufforderung, mitgef�hrte Ausweispapiere zur Pr�fung auszuh�ndigen, die Identit�tsfeststellung nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten m�glich ist. [En04] 4

[Extensive Auslegung von � 163b StPO:] Eine vorl�ufige Festnahme darf, obwohl kein Haftgrund gegeben ist, vorgenommen werden, wenn die Pers�nlichkeit des T�ters nicht sofort, d.h. grunds�tzlich augenblicklich und an Ort und Stelle festgestellt werden kann.

Das ist dann der Fall, wenn Angaben zur Person verweigert werden oder ein Ausweis nicht mitgef�hrt wird. Andererseits reicht allein das Feststellen einer ladungsf�higen Anschrift nicht aus, die Identit�t einer Person vor Ort zweifelsfrei festzustellen, wenn keine M�glichkeit besteht, nachpr�fen zu k�nnen, ob die Feststellungen auch tats�chlich zutreffen.

Allein das Bekanntsein einer Meldeadresse ist keine Gew�hr daf�r, dass die Person dort auch tats�chlich erreichbar ist. Auch ein erfolgter Datenabgleich vermag nicht sicherzustellen, dass - insbesondere die Erreichbarkeit der Person - tats�chlich gegeben ist.

Bei T�tern, die auf frischer Tat betroffen oder verfolgt werden, k�nnen diese �berpr�fungen grunds�tzlich nicht am Tatort mit gebotener sachlicher Gr�ndlichkeit durchgef�hrt werden. Um diesbez�glich Sicherheit zu erhalten, ist es auf der Grundlage von � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) zul�ssig, die Person zur n�chstgelegenen Polizeidienststelle zu bringen.

[Hinweis:] In der Zeit, in der die Angaben zur Person �berpr�ft werden, wird es in der Regel auch m�glich sein, zu pr�fen, ob Haftgr�nde greifen. Oftmals liegen bei T�tern, die auf frischer Tat betroffen wurden auch die Voraussetzungen einer erkennungsdienstlichen Behandlung im Sinne von � 81b StPO (Erkennungsdienstliche Behandlung) vor, so dass die zur Durchf�hrung einer erkennungsdienstlichen Behandlung erforderliche �Festhaltezeit, die sich unmittelbar aus � 81b StPO ergibt� auch daf�r genutzt werden kann, um zu pr�fen, ob ein Haftgrund gegeben ist.

[Fazit:] Es gibt verschiedene M�glichkeiten, die Rechtm��igkeit des Verbringens einer Person zur Pr�fung von Haftgr�nden zu rechtfertigen. Hier wird der einfacher zu begr�ndenen Rechtsauffassung gefolgt, die darin besteht, die Festhaltezeit zur Pr�fung der Haftgr�nde auf � 127 Abs. 1 StPO und auf den dort benannten Festhaltegrund des �Fluchtverdachts� zu st�tzen.

Diese Sichtweise d�rfte auch einem Beschluss des BVerfG aus 1992 zugrunde liegen.

N�heres dazu siehe folgende Randnummer.

02.5 � 163b StPO - Verbringen zur Polizeidienststelle

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� 127 Abs. 1 StPO (Vorl�ufige Festnahme) enth�lt die Regelung, dass Polizeibeamte nur im Rahmen ihrer Befugnisse nach � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) die Identit�t von Personen feststellen d�rfen.

Wenn daraus geschlossen wird, dass ein Festhalten auf der Grundlage von
� 127 Abs. 1 StPO f�r die Polizei nicht in Betracht kommt, muss � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) extensiv ausgelegt werden.

Diesbez�glich setzt jedoch ein Beschluss des BVerfG aus dem Jahr 1992 den zugelassenen Rechtsfolgen des � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) enge Grenzen.

[Anlass:] Anl�sslich eines Farbbeutel-Anschlags auf einen Ausstellungsstand eines s�dafrikanischen Reiseb�ros wurde 1989 von der Polizei auf dem M�nchener Messegel�nde eine dort agierende Protestgruppe von der Polizei kontrolliert. Der Beschwerdef�hrer wurde gefesselt und zum Polizeifahrzeug gebracht. Dort wies er sich durch einen Stadtratsausweis aus. Dennoch wurde der Beschwerdef�hrer zur n�chstgelegenen Polizeiinspektion verbracht, obwohl er den Beamten vor Ort auch angeboten hatte, Einsicht in seinen Personalausweis nehmen zu k�nnen. Nach einer Stunde wurde der Beschwerdef�hrer entlassen. Rechtslage?

Hier wird davon ausgegangen, dass die Identit�tsfeststellung zum Zweck der Strafverfolgung erfolgte und somit nur rechtm��ig sein kann, wenn die Voraussetzungen von � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) greifen. Andererseits w�rde bei einer Identit�tsfeststellung zum Zweck der Gefahrenabwehr eine fast wortgleiche Befugnis aus dem Polizeigesetz zur Anwendung kommen. In NRW w�re das der � 12 PolG NRW (Identit�tsfeststellung).

[Hinweis:] Bei einem �Farbbeutel-Anschlag� handelt es sich um eine Sachbesch�digung. Um diese begangene Straftat verfolgen zu k�nnen, muss die Identit�t der Tatverd�chtigen den Strafverfolgungsbeh�rden bekannt sein.

Im Folgenden wird die Rechtsauffassung des BVerfG wiedergegeben.

Im Beschluss des BVerfG vom 27.01.1992 - 2 BvR 658/90 hei�t es u.a.:

�Auf welche (der o.g. Befugnisse = AR) die Polizei ihre Ma�nahme st�tzte, kann indes dahinstehen, denn ein Festhalten des Beschwerdef�hrers zur Feststellung seiner Identit�t war in keinem Falle erforderlich.

Die beinahe wortgleichen Vorschriften (der o.g. Befugnisse = AR) lassen ein Festhalten zur Identit�tsfeststellung �bereinstimmend nur zu, wenn die Identit�t �sonst� (...) bzw. �auf andere Weise� (...) nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann. Diese gesetzliche Konkretisierung des �berma�verbotes (...) soll sicherstellen, dass ein Eingriff in die pers�nliche Freiheit nur in F�llen erfolgt, in denen er zur Feststellung der Identit�t unerl�sslich ist (...).

Hiervon kann vorliegend nicht die Rede sein:

Das Gesetz berechtigte die Polizeibeamten, den Beschwerdef�hrer zum Zwecke der Identit�tsfeststellung nach seinen Personalien zu befragen und ihn aufzufordern, mitgef�hrte Ausweispapiere zur Pr�fung auszuh�ndigen (...).

Nur, wenn die Identit�t des Beschwerdef�hrers nach Aussch�pfung dieser Befugnisse nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten h�tte festgestellt werden k�nnen, h�tten die Beamten ihn festhalten d�rfen.

Dieser an Intensit�t gesteigerte Eingriff in das Freiheitsgrundrecht des Beschwerdef�hrers kam ohnehin erst dann in Betracht, wenn die der Polizei bereits bekannten Daten des Beschwerdef�hrers noch nicht ausreichten, um dessen Identit�t eindeutig zu bestimmen (...).

Dies w�re etwa der Fall gewesen, wenn konkreter Anlass bestanden h�tte, an der Echtheit vorgelegter Ausweispapiere oder an der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdef�hrers zu zweifeln (...).

F�r eine solche Annahme bietet der vorliegende Fall indes keinen Anhalt:

Der Beschwerdef�hrer hatte seinen mit Lichtbild, Geburtsdatum und vollst�ndigem Namen versehenen, von der Landeshauptstadt M�nchen ausgestellten und vom Oberb�rgermeister unterzeichneten Stadtratsausweis den Polizeibeamten unaufgefordert vorgelegt. Die polizeirechtliche Fachliteratur h�lt eine solche mit Lichtbild versehene amtliche Urkunde f�r ein hinreichendes Ausweispapier (...), auch wenn sie nicht die vollst�ndigen Personalien des Inhabers enth�lt (...). Er hatte nach seinem unwidersprochenen Vorbringen den Polizeibeamten auch angeboten, seinen mitgef�hrten Personalausweis einzusehen. Schlie�lich hatte er den Polizeibeamten seine Personalien auch m�ndlich bekanntgegeben. Bei dieser Sachlage ist davon auszugehen, dass die Polizeibeamten die Identit�t aufgrund der m�ndlichen Angaben und der mitgef�hrten Ausweispapiere des Beschwerdef�hrers ohne nennenswerte Schwierigkeiten schon in der Ausstellungshalle, mithin ohne ein Festhalten h�tten bestimmen k�nnen (...).

Es sind keine Anhaltspunkte daf�r ersichtlich, dass die vom Beschwerdef�hrer gelieferten Daten zur Feststellung seiner Identit�t nicht ausgereicht h�tten. Ebenso ist nicht erkennbar, weshalb an der Richtigkeit dieser Daten Zweifel derart h�tten bestehen k�nnen, dass es einer Abgleichung mit der Einwohnermeldekartei bedurft h�tte. Dass sich die Personalien�berpr�fung auf der Polizeiinspektion demgegen�ber einfacher �praktikabler�) gestaltet haben mag, ist insoweit unerheblich (...).

Bei dieser Sachlage h�tte schon das Landgericht zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Vorgehens der Polizei gelangen m�ssen. Die Verfassungsbeschwerde f�hrt somit dazu, dass die Verfassungswidrigkeit der beanstandeten polizeilichen Ma�nahmen und auch des angegriffenen Beschlusses festgestellt erden muss.� [En05] 5

[Hinweis:] Der Wortlaut dieses Beschlusses ist eindeutig. Andererseits hat das BVerfG diesen Beschluss im Zusammenhang mit einem Anlass gepr�ft, der unter strafrechtlichen Aspekten als �Bagatelldelikt� einzuordnen ist. Bei solchen Delikten verbietet sich allein aus Gr�nden der �Verh�ltnism��igkeit der Mittel� den Tatverd�chtigen vorl�ufig festzunehmen.

Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass das BVerfG m�glicherweise anders entschieden h�tte, wenn der Anlass des Festhaltens bedeutsamer gewesen w�re.

Mit anderen Worten:

Wenn ein weiteres Festhalten nach Einsichtnahme in einen Lichtbildausweis erforderlich gewesen w�re, um sich aus polizeilicher Sicht wirklich Sicherheit dar�ber verschaffen zu m�ssen, dass die Person, die sich mit einem Lichtbildausweis ausweist, tats�chlich an der im Ausweis angegebenen Anschrift zu erreichen ist, w�re die oben beschriebene Ma�nahme sicherlich �erforderlich� und somit auch verh�ltnism��ig gewesen.

Insoweit kann festgestellt werden, dass es Anl�sse gibt, in denen es nicht ausreicht, dass sich zum Beispiel ein Tatverd�chtiger lediglich mit einem amtlichen Lichtbildausweis, versehen mit vollst�ndigem Namen sowie dem Geburtsdatum und der Anschrift ausweist, denn die in einem Lichtbildausweis angegebene aktuelle Anschrift muss nicht die richtige sein.

Ebenso ist die Abfrage beim Einwohnermeldeamt nicht immer dazu geeignet, diesbez�glich jeden Zweifel auszur�umen.

Wenn sich z.B. eine Person, die im dringenden Tatverdacht steht, eine Straftat begangen zu haben, die es rechtfertigen w�rde, diese Person einem Richter vorzuf�hren (bei einer Sachbesch�digung ist das in der Regel nicht der Fall) einen Ausweis vorlegt und die Vermutung besteht, dass die Person an der im Ausweis angegebenen �Meldeanschrift� nicht erreichbar ist, dann kann ein Festhalten so lange auf � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) gest�tzt werden, bis diese Zweifel ausger�umt sind.

[Fazit:] Bei extensiver Auslegung der Rechtsfolgen von � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) kommt somit ein Festhalten der Person zur Pr�fung des Haftgrundes �Fluchtgefahr� auch dann in Betracht, wenn �berpr�ft werden muss, ob die Person tats�chlich an der jeweils angegebenen Wohnanschrift auch tats�chlich erreichbar ist.

Zum gleichen (und �berzeugenderen) Ergebnis f�hrt aber auch das Festhalten und die damit verbundene Pr�fung der Haftgr�nde auf der Grundlage von
� 127 Abs. 1 StPO (Vorl�ufige Festnahme).

[Warum diese Abgrenzung?:] Wird eine Person aufgrund eines dringenden Tatverdachts von der Polizei auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO vorl�ufig festgenommen, muss zu dem Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Ma�nahme an den Beschuldigten, die Ma�nahme rechtm��ig sein. Das ist eine vorl�ufige Festnahme in solchen F�llen aber nur dann, wenn zu diesem Zeitpunkt bereits ein Haftgrund gegeben ist. Die daf�r erforderliche Zeit steht Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten aber nicht zur Verf�gung, wenn sofort gehandelt werden muss.

Mit anderen Worten:

Es geht ausschlie�lich darum, eine Rechtfertigung f�r die Dauer des Festhaltens begr�nden zu k�nnen, die erforderlich ist, um in Ruhe pr�fen zu k�nnen, ob die Voraussetzungen eines Haftgrundes gegeben sind.

Die beiden oben aufgezeigten L�sungswege f�hren zur vertretbaren L�sungen.

03 Polizei und � 127 Abs. 2 StPO

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Gem�� � 127 Abs. 2 StPO (Vorl�ufige Festnahme)  sind Polizeibeamte auch dann zur vorl�ufigen Festnahme befugt, wenn folgende Voraussetzungen erf�llt sind:

  • Gefahr im Verzuge
    und

  • Voraussetzungen eines Haft- oder Unterbringungsbefehls (� 112 StPO)

sind gegeben.

� 127 Abs. 2 StPO (Vorl�ufige Festnahme) erweitert das Recht zur vorl�ufigen Festnahme f�r Beamte der Staatsanwaltschaft und der Polizei. Bei dem anordnenden Polizeibeamten braucht es sich nicht um eine Ermittlungsperson der StA zu handeln.

In der Praxis ist � 127 Abs. 2 StPO die f�r die Polizei bedeutsamere Befugnisnorm.

[Anwendungsbereich:] Wird eine Person auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO von der Polizei vorl�ufig festgenommen, dann handelt es sich in der Regel um eine tatverd�chtige Person, gegen die bereits ermittelt wird.

Das bedeutet, dass aufgrund von (meist l�ngeren) Ermittlungen der Polizei sowohl der Name als auch die Anschrift des Beschuldigten sowie dessen berufliches Umfeld, seine Lebenssituation und andere Besonderheiten bekannt sind, die ben�tigt werden, um einen Haftgrund gem�� � 112 StPO (Voraussetzung der U-Haft; Haftgr�nde) begr�nden zu k�nnen.

Verdichten sich der Tatverdacht gegen diese Person so weit, dass von einem dringenden Tatverdacht ausgegangen werden kann, dann kommt bei Gefahr im Verzug eine vorl�ufige Festnahme durch die Polizei auf der Grundlage dieser Befugnis in Betracht, wenn die Festnahme nicht geplant werden konnte.

Bei planbaren vorl�ufigen Festnahmen ist vor der Festnahme immer ein richterlicher Beschluss (Haftbefehl) zu erwirken.

[Beispiel:] Gegen A laufen seit l�ngerer Zeit Ermittlungen. Ein Haftbefehl konnte bisher nicht beantragt werden, weil A �ber ein wasserdichtes Alibi verf�gt, denn seine Freundin versichert glaubw�rdig, das A sich zur Tatzeit bei ihr aufgehalten hat. Weitere Ermittlungen ergeben aber, dass dieses Alibi wahrscheinlich nicht der Wahrheit entspricht. Die ermittelnden Beamten sprechen diesbez�glich die Freundin des A noch einmal an und konfrontieren sie mit den neuen Ermittlungsergebnissen. Daraufhin widerruft die Frau ihre Aussage. Als die Beamten von der Frau wissen wollen, wo sich A zurzeit aufh�lt, sagt die Frau zu den Beamten: �Meinen Freund finden Sie im Badezimmer.� A kann von den Beamten im Badezimmer vorl�ufig festgenommen werden. Rechtslage?

Der dringend Tatverd�chtige wurde von den Polizeibeamten in einer Situation festgenommen, in der es den festnehmenden Polizeibeamten aus Zeitgr�nden nicht m�glich war, zuvor eine richterliche Anordnung einzuholen, ohne dadurch den Erfolg der Ma�nahme zu gef�hrden. Insoweit bestand zum Zeitpunkt der vorl�ufigen Festnahme Gefahr im Verzug.

Aufgrund vorausgegangener Ermittlungen kennen die Beamten die n�heren Umst�nde des Tatverd�chtigen, so dass sie zum Zeitpunkt der Festnahme wissen, dass ein Haftgrund gegeben ist.

Davon wird in diesem Beispiel ausgegangen.

Deshalb kann in diesem Fall der dringend Tatverd�chtige auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO (Vorl�ufige Festnahme) vorl�ufig festgenommen werden, weil die Beamten dazu in der Lage sind, bereits zu diesem Zeitpunkt einen Haftgrund begr�nden zu k�nnen.

03.1 Gefahr im Verzuge

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Gefahr im Verzug besteht, wenn eine richterliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann, ohne dadurch die Verz�gerung der Festnahme zu gef�hrden.

Gemeint sind F�lle, in denen Personen nicht auf frischer Tat betroffen oder verfolgt werden, denn diese Personen k�nnen auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO (oder � 163b StPO) so lange vorl�ufig festgenommen werden, bis sich herausstellt, ob ein Haftgrund gegeben ist oder nicht.

Auch w�hrend der Gesch�ftszeiten des Gerichts ist in der Regel nicht sofort, etwa auf Anruf, eine richterliche Entscheidung zu erreichen. Ob die Voraussetzungen f�r Gefahr im Verzug gegeben sind, h�ngt somit im besonderen Ma�e von den jeweiligen Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Anordnung einer vorl�ufigen Festnahme ab.

Beispiel:] Das Opfer eines Raubes erkennt den T�ter beim Durchsehen einer Lichtbildkartei wieder. Es handelt sich um eine polizeibekannte Person mit �langer krimineller Karriere�. Den Beamten gelingt es, den T�ter ausfindig zu machen und vorl�ufig festzunehmen. Gefahr im Verzug?

Gefahr im Verzug besteht, wenn die Festnahme infolge der Verz�gerung, die eintreten w�rde, wenn zuvor eine richterliche Anordnung eingeholt w�rde, gef�hrdet w�re. Davon kann in diesem Falle ausgegangen werden, denn ob der ermittelte Straft�ter auch noch Stunden sp�ter (nach Erlass des richterlichen Haftbefehls) ergriffen werden kann, ist zumindest fraglich.

[Beispiel:] Von der Polizei wird an verschiedenen Tatorten molekulargenetisches Material sichergestellt. Im Laufe der Ermittlungen stellt sich heraus, dass dieses Material identisch ist mit dem DNA-Identifizierungsmuster eines 17-j�hrigen Tatverd�chtigen. Wegen der klaren Beweislage und der eindeutigen Zuordnung des sichergestellten DNA-Materials erl�sst ein Richter auf Antrag der StA einen Haftbefehl. Der junge Mann wird in der Wohnung seiner Eltern festgenommen.

Dieses Beispiel ist nur eines von vielen anderen m�glichen Beispielen, an dem nachvollzogen werden kann, dass im Laufe von Ermittlungen die Polizei dazu in der Lage ist, �Tatsachen� in Erfahrung zu bringen, die es der Polizei erlauben, einen Haftgrund begr�nden zu k�nnen.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann ist es meist ohne Gef�hrdung des Ma�nahmenerfolges m�glich, zuvor einen richterlichen Haftbefehl zu erwirken.

In solchen F�llen ist Gefahr im Verzug nicht gegeben.

Sobald ein richterlicher Haftbefehl vorliegt und die Polizei die festzunehmende Person antrifft, ist der Haftbefehl zu vollstrecken. Dabei handelt es sich dann nicht mehr um eine vorl�ufige Festnahme, sondern um die Vollstreckung eines Haftbefehls auf der Grundlage von � 161 Abs. 1 StPO (Ermittlungen).

Danach hat die Polizei Haft-, Vorf�hrungs- und Unterbringungsbefehle zu vollziehen.

03.2 Voraussetzungen eines Haftbefehls

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Die Voraussetzungen eines Haftbefehls sind im � 112 StPO (Voraussetzungen der U-Haft; Haftgr�nde) geregelt. Um einen Haftbefehl erwirken zu k�nnen, m�ssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Dringender Tatverdacht

  • Haftgrund (Flucht, Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr, Wiederholungsgefahr)

  • Verh�ltnism��igkeit.

[Hinweis:] Im Rahmen dieses Kapitels werden die Voraussetzungen f�r den Erlass eines richterlichen Haftbefehls nur mit den Inhalten �hinterlegt� die zum Verst�ndnis der vorl�ufigen Festnahme unverzichtbar sind. N�here Ausf�hrungen zu den Voraussetzungen eines Haftbefehls stehen in dem Kapitel:
� 112 StPO (Voraussetzung der U-Haft; Haftgr�nde) zur Verf�gung.

03.3 Dringender Tatverdacht

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Dringender Tatverdacht besteht, wenn nach den zur Zeit der Anordnung einer vorl�ufigen Festnahme erkennbaren Umst�nden die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Verd�chtige als T�ter oder Teilnehmer einer Straftat in Betracht kommt.

Dringender Tatverdacht besteht auch, wenn jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird.

Dringender Tatverdacht kann aber auch unabh�ngig von Betreffen oder Verfolgen auf frischer Tat gegeben sein, dann n�mlich, wenn erkennbare Umst�nde mit hoher Wahrscheinlichkeit auf T�terschaft schlie�en lassen.

Solche Umst�nde k�nnen z. B. sein:

  • Zeugenaussagen

  • Vergleichsspuren

  • Tat�bereinstimmungen

  • Beweismittel

  • Lichtbilder und Videoaufzeichnungen

  • Gest�ndnisse.

Blo�e Vermutungen reichen zur Begr�ndung dringenden Tatverdachts nicht aus.

Mit dem Wort �dringend� wird ein deutlich intensiverer Tatverdacht eingefordert, als das beim so genannten �einfachen� Anfangsverdacht im Sinne von
� 160 Abs. 1 StPO (Ermittlungsverfahren) bzw. � 152 Abs. 2 StPO (Offizial- und Legalit�tsprinzip) der Fall ist.

[Herrschende Meinung zum dringenden Tatverdacht:] Nach herrschender Meinung ist �dringender Tatverdacht� auch voraussetzungsvoller als ein �hinreichender� Tatverdacht, der im Hinblick auf die Er�ffnung eines Hauptverfahrens im Sinne von � 203 StPO (Er�ffnung des Hauptverfahrens) einzufordern ist und der dadurch gekennzeichnet ist, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit im Hauptverfahren mit einer Verurteilung zu rechnen ist.

Diese Sichtweise ist aber unzureichend, denn ein Beschuldigter kann bereits dann vorl�ufig festgenommen werden, wenn an eine Verfahrenser�ffnung noch gar nicht zu denken ist. Au�erdem kommt auch noch nach einer Verfahrenser�ffnung eine Festnahme in Betracht, dann n�mlich, wenn sich im Laufe des Verfahrens die Verdachtsintensit�t entsprechend versch�rft.

Deshalb sollte bei der Begr�ndung von dringendem Tatverdacht stets der �Schwerpunkt des besonderen Tatverdachts� begr�ndet werden.

[Schwerpunkt des dringenden Tatverdachts:] Dringender Tatverdacht ist gegeben, wenn mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen ist, dass die vorl�ufig festgenommene Person tats�chlich

  • einem Richter vorgef�hrt wird

  • dieser aufgrund der Verdachtslage einen Haftbefehl ausstellen wird
    und

  • mit einer Verurteilung des Beschuldigten zu rechnen ist.

[SK-StPO II:] Dort hei�t es hinsichtlich des dringenden Tatverdachts: �Der Schluss, der Beschuldigte sei an der Tat in einer verurteilbaren Weise beteiligt, muss sich sozusagen aufdr�ngen.� An anderer Stelle hei�t es: �Die Praxis gibt sich nicht selten mit deutlich �weniger� zufrieden, so dass man sagen kann, ein Tatverdacht sei nach ihr bereits dann ein �dringender�, wenn der Haftrichter ihn aufgrund der bestehenden Beweislage �als dringend� bezeichnen w�rde. Eine Prognose, dass eine Verurteilung wahrscheinlich sei, verlange der �dringende Tatverdacht� nicht. Es gen�ge die M�glichkeit der Verurteilung�. [En06] 6

[Beispiel:] Ein Bankr�uber konnte entkommen. Er hat jedoch in der Kasse Fingerspuren hinterlassen. Nach mehreren Stunden steht fest, das A als T�ter in Betracht kommt. A kann am Flughafen festgenommen werden, als er gerade dabei ist, ein Flugticket zu kaufen. Dringender Tatverdacht?

Nur bei sehr extensiver Auslegung kann davon ausgegangen werden, dass die tatverd�chtige Person noch auf �frischer Tat verfolgt� wurde, und somit auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO ergriffen werden darf.

Offenkundig ist aber, dass es sich bei der Person um eine der Tat dringend verd�chtige Person handelt, denn mit einer hohen Wahrscheinlichkeit (vorhandene Vergleichsspuren) ist damit zu rechnen, dass die Person, die gerade ein Flugticket kauft, den Bankraub begangen hat und somit einem Richter vorzuf�hren ist, damit dieser aufgrund der bestehenden Verdachtslage ein Haftbefehl erlassen kann.

03.4 Haftgr�nde

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Die StPO kennt die nachfolgend aufgef�hrten Haftgr�nde:

  • Flucht (� 112 StPO)

  • Fluchtgefahr (� 112 StPO)

  • Verdunkelungsgefahr (� 112 StPO)

  • Wiederholungsgefahr (� 112a StPO)

  • Hauptverhandlungshaft (� 127b StPO).

Diese Haftgr�nde m�ssen zum Zeitpunkt der Anordnung einer vorl�ufigen Festnahme gegeben sein.

Eine vorl�ufige Festnahme auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO setzt immer voraus, dass aufgrund vorausgegangener Ermittlungen Tatsachen bekannt sind, die die Wahrscheinlichkeit begr�nden, dass sich eine dringend tatverd�chtige Person dem Strafverfahren entziehen wird, weil ein Haftgrund besteht.

03.5 Flucht

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Der Haftgrund �Flucht� ist gegeben, wenn der Beschuldigte fl�chtig ist oder sich verborgen h�lt. Solange der Beschuldigte fl�chtig ist oder sich verborgen h�lt, ist er dem Zugriff entzogen. Logischerweise kann er in dieser Phase nicht vorl�ufig festgenommen werden. Deshalb ist der Haftgrund �Flucht� f�r die Polizei nur selten von selbst�ndiger Bedeutung.

[Beispiel:] Nach einem �berfall auf einen Geldtransport sind die T�ter entkommen. Die Polizei ermittelt, dass mit hoher Sicherheit B als T�ter in Betracht kommt. B ist untergetaucht. Ist ein Haftgrund gegeben?

Laut Sachverhalt ist B dringend eines Raubes verd�chtig. Auch besteht der Haftgrund �Flucht�, denn es steht ja fest, dass B untergetaucht ist. Er h�lt sich also verborgen.

Jedoch fehlt Gefahr im Verzuge, denn B kann zurzeit nicht ergriffen werden.

Deshalb besteht die M�glichkeit, zuvor einen richterlichen Haftbefehl zu erwirken. Wird ein solcher Haftbefehl erlassen und gelingt es der Polizei im Anschluss daran, den Aufenthalt von B zu ermitteln, ist er zu verhaften.

Eine vorl�ufige Festnahme kommt also nicht in Betracht, es sei denn, B wird vor Erlass eines Haftbefehls (zuf�llig) ergriffen.

Ist ein Tatverd�chtiger fl�chtig, kann der Richter in dieser Phase einen Haftbefehl erlassen.

Aufgrund des Haftbefehls kann nach dem Beschuldigten gefahndet werden. Kann sein Aufenthalt im Zuge der Fahndung ermittelt oder festgestellt werden, ist der Haftbefehl zu vollstrecken. Haftbefehle hat die Polizei im Auftrage der Staatsanwaltschaft gem�� � 161 StPO (Ermittlungen) zu vollziehen.

Bei der Vollstreckung eines Haftbefehls handelt es sich nicht um eine vorl�ufige Festnahme.

[Beispiel:] Ein Einbrecher wird von einem Polizeibeamten auf frischer Tat betroffen. Dem T�ter gelingt es aber, den Beamten zu �berrumpeln und zu fliehen. Am Tag darauf erkennt der Beamte den Einbrecher vom Vortag im Rahmen der Streifent�tigkeit. Der Mann wird angehalten, belehrt und vorl�ufig festgenommen. Rechtslage?

Es handelt sich nicht mehr um einen Anwendungsfall von � 127 Abs. 1 StPO, denn es liegt weder ein �Betreffen auf frischer Tat� noch eine �Verfolgung auf frischer Tat� vor. Bei dem Mann handelt es sich aber um eine Person, die im dringenden Verdacht steht, am Tag zuvor einen Einbruchsdiebstahl begangen zu haben, denn der Beamte hat den Mann eindeutig wiedererkannt. Insoweit steht der Mann im dringenden Verdacht, einen Einbruchsdiebstahl begangen zu haben.

Als Haftgrund im Sinne von � 112 StPO (Voraussetzungen der U-Haft; Haftgr�nde) kommt der Haftgrund �Flucht� in Betracht. Dieser Haftgrund besteht, wenn der Beschuldigte fl�chtig ist oder sich verborgen h�lt.

Beides kann zusammentreffen.

In diesem Beispiel ist der T�ter vom Tatort geflohen und hat sich dadurch dem Zugriff des Polizeibeamten entzogen. Folglich handelt es sich um einen T�ter, der sich auf der Flucht befindet, um sich verborgen halten zu k�nnen. Auf jeden Fall wei� der T�ter, dass die Polizei gegen ihn das Strafverfahren betreiben wird.

[Ergebnis:] Der Mann kann auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO iVm
� 112 StPO vorl�ufig festgenommen und einem Richter vorgef�hrt werden.

03.6 Fluchtgefahr

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Fluchtgefahr besteht, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Wahrscheinlichkeit gro� ist, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entziehen werde. Die Anforderungen an Fluchtgefahr sind also deutlich enger als an Fluchtverdacht. Bei Fluchtverdacht i.S.v. � 127 Abs. 1 StPO reichte die nicht unbegr�ndete Annahme aus, dass sich der auf frischer Tat betroffene oder verfolgte T�ter m�glicherweise der strafrechtlichen Verantwortung entziehen werde.

Fluchtgefahr muss durch �bestimmte Tatsachen� begr�ndet sein.

Folgende Tatsachen sind geeignet, Fluchtgefahr zu begr�nden:

  • Kein fester Wohnsitz oder Aufenthalt

  • Hohe Straferwartung

  • Fluchtverhalten nach der Tat

  • Keine festen Bindungen

  • Durchreisender Ausl�nder

  • Unkalkulierbares Verhalten

  • H�ufig wechselnde Arbeitsstellen

  • Verwendung falscher Papiere.

Gegen Fluchtgefahr spricht:

  • Gesicherte Familienverh�ltnisse

  • Fester Wohnsitz

  • Geringe Straferwartung

  • Attraktiver Beruf.

[Beispiel:] Nach bewaffnetem Raub�berfall fl�chtet der T�ter mit Pkw K - AU ... Im Rahmen der Fahndung wollen Polizeibeamte an einer Kontrollstelle den Pkw anhalten und geben rechtzeitig Anhaltezeichen. Der Fahrer f�hrt auf die Beamten zu, ohne sich um die Haltezeichen zu k�mmern. Es handelt sich um den Pkw mit dem bekannten Kennzeichenfragment. Erst mehrere Kilometer weiter kann der Pkw angehalten werden. Fluchtgefahr?

Der Fahrer ist dringend eines �berfalles verd�chtig, � 250 StGB (Schwerer Raub). Gefahr liegt im Verzuge, weil eine richterliche Anordnung nicht eingeholt werden konnte, ohne die Strafverfolgung zu gef�hrden. Die Straferwartung bei Verbrechen ist hoch und der T�ter hat durch sein Verhalten nach der Tat gezeigt, dass er sich der Strafverfolgung entziehen will. Deshalb besteht Fluchtgefahr. Die f�r Fluchtgefahr sprechenden Umst�nde k�nnen sich verst�rken, falls eine �berpr�fung ergibt, dass der Tatverd�chtige keinen festen Aufenthalt, keine festen Bindungen und/oder keine gesicherten Eink�nfte hat.

03.7 Fluchtgefahr / Fluchtverdacht

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Fluchtverdacht kann eine vorl�ufige Festnahme gem�� � 127 Abs. 2 StPO nicht rechtfertigen. Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, darf jedoch seine Identit�t festgestellt werden (� 163b StPO).

Um den ergriffenen T�ter �ber die zur Identit�tsfeststellung erforderliche Zeit hinaus festhalten zu d�rfen, muss nicht von vornherein Fluchtgefahr gegeben sein.

Besteht nach Beurteilung der Beamten zun�chst nur Fluchtverdacht, darf der auf frischer Tat betroffene oder verfolgte T�ter auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO festgehalten werden, um alle f�r und gegen Fluchtgefahr sprechenden Umst�nde abzukl�ren.

Ergeben sich bei der �berpr�fung Tatsachen zur Begr�ndung von Fluchtgefahr, ist die vorl�ufige Festnahme gem�� � 127 Abs. 1 StPO in eine nach � 127 Abs. 2 StPO umzuwandeln. Das ist auch deshalb erforderlich, weil eine Vorf�hrung vor den Richter mit dem Ziel, einen Haftbefehl zu erwirken, nur dann Sinn hat, wenn ein Haftgrund (und nicht lediglich ein Festnahmegrund) begr�ndet werden kann, denn auch der Richter darf einen Haftbefehl nur erlassen, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls greifen.

[Beispiel:] Unfallflucht nach VU mit geringem Fremdschaden. Eine Stunde sp�ter wird der Fahrer aufgrund von Zeugenhinweisen ermittelt. Der Fahrer weist sich mit g�ltigem Personalausweis aus. Er hat einen festen Wohnsitz. An der Identit�t bestehen keine Zweifel. Auf Befragen bestreitet er, einen Unfall verursacht zu haben. Darf er vorl�ufig festgenommen werden?

Da die Identit�t feststeht, darf der Fahrer gem�� � 163b StPO nicht weiter festgehalten werden. Auch � 127 Abs. 1 StPO scheidet als Rechtsgrundlage aus.

� 127 Abs. 2 StPO w�re anwendbar, wenn u.a. Fluchtgefahr gegeben w�re.

Nach dem Sachverhalt ist zwar die Annahme gerechtfertigt, dass der Fahrer sich m�glicherweise der strafrechtlichen Verantwortung entziehen werde, weil er weggefahren ist. Blo�er Fluchtverdacht darf jedoch nicht als Fluchtgefahr bewertet werden. Eine vorl�ufige Festnahme gem�� � 127 Abs. 2 StPO muss deshalb unterbleiben.

Sie w�re im �brigen auch unverh�ltnism��ig.

03.8 Fluchtgefahr / hohe Straferwartung

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Allein die angedrohte hohe Strafe kann in der Regel Fluchtgefahr nicht begr�nden.

Die H�he der zu erwartenden Strafe spielt dennoch eine erhebliche Rolle bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr besteht oder nicht.

Doch wie will man das zu erwartende Strafma� zuverl�ssig ermitteln?

Auszugehen ist von der in der jeweiligen Strafrechtsnorm angedrohten Mindeststrafe.

  • Verbrechen sind im Mindestma� mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder dar�ber bedroht (� 12 Abs. 1 StGB)

  • Vergehen sind im Mindestma� mit einer geringeren Freiheitsstrafe als ein Jahr oder mit Geldstrafe bedroht (� 12 Abs. 2 StGB).

Dies gilt f�r erwachsene T�ter. F�r Jugendliche und Heranwachsende, also f�r T�ter der Altersgruppe von
14 bis 21 Jahren, gilt das Jugendgerichtsgesetz, � 1 JGG (Pers�nlicher und sachlicher Anwendungsbereich).

Danach sind f�r Jugendliche und Heranwachsende Freiheitsstrafen prim�r nicht vorgesehen.

Au�erdem bestimmen die Strafrechtsnormen h�ufig, dass in minder schweren F�llen die Freiheitsstrafe geringer bemessen werden kann, als in der Mindestandrohung vorgesehen. Auch von daher gibt die im Gesetz jeweils angedrohte Mindeststrafe in der Regel keinen zuverl�ssigen Hinweis auf die H�he der wirklich zu erwartenden Strafe.

[Beispiel:] Ein junger Mann wird im Kaufhaus beim Diebstahl einer Musik-CD betroffen. Als der Hausdetektiv ihn festnehmen will, rennt er den Detektiv um und entkommt zun�chst mit der Beute. Aufgrund der Personenbeschreibung wird 30 Minuten sp�ter ein junger Mann gestellt, auf den die Beschreibung zutrifft. Der Mann bestreitet die Tat. Weil vor Ort die Identit�t nicht festgestellt werden kann, nehmen die Beamten ihn mit zur Dienststelle. Dort stellt sich heraus, dass der Tatverd�chtige 22 Jahre alt ist. Darf A nach der Identit�tsfeststellung weiter festgehalten werden?

Nach dem Sachverhalt ist A dringend eines r�uberischen Diebstahls verd�chtig (Verbrechen gem�� �� 252, 249 StGB). Fraglich ist aber, ob nach Feststellung der Identit�t noch Fluchtgefahr besteht. Die im Mindestma� angedrohte Strafe ist hoch, jedoch reicht allein die angedrohte hohe Strafe in der Regel nicht aus, Fluchtgefahr zu begr�nden.

Es ist folglich im Rahmen der Pr�fung des Haftgrundes zu entscheiden, ob die Voraussetzungen f�r eine Vorf�hrung vor einen Richter tats�chlich gegeben sind, damit dieser die U-Haft anordnet.

Diese Entscheidung trifft aber nicht die Polizei, sondern der zust�ndige Richter.

03.9 Fluchtgefahr / Jugendliche

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Gegen�ber Jugendlichen, die das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, ist Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr nur in folgenden F�llen zul�ssig:

  • Der Beschuldigte hat sich dem Verfahren bereits entzogen

  • Der Beschuldigte hat Anstalten zur Flucht getroffen

  • Der Beschuldigte hat in der Bundesrepublik Deutschland keinen festen Wohnsitz, wobei ein fester Aufenthaltsort dem festen Wohnsitz gleichgestellt wird.

Diese Einschr�nkungen gegen�ber Jugendlichen, die 14 Jahre alt sind, aber das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, folgen aus � 72 Abs. 2 JGG (Untersuchungshaft).

[Beispiel:] Nach Handtaschenraub ist ein 15-j�hriger Jugendlicher weggelaufen. Er konnte im Rahmen der Tatortbereichsfahndung gestellt werden. Die �berpr�fung ergibt, dass er arbeitslos und verwahrlost ist und keine Bindungen an sein Elternhaus bestehen. Er h�lt sich jedoch vorwiegend in einem besetzten Haus der alternativen Szene auf. Darf der Beschuldigte gem�� 127 Abs. 2 StPO vorl�ufig festgenommen werden?

Bei gegebener Sachlage ist Fluchtgefahr begr�ndbar. Da der Beschuldigte jedoch das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind Einschr�nkungen zu beachten (� 72 JGG).

Der Umstand, dass er nach der Tat weggelaufen ist, kann nicht so gewertet werden, dass er dadurch Anstalten zur Flucht getroffen habe. Letzteres setzt mehr voraus, als lediglich Weglaufen nach der Tat.

Da er ferner zumindest vor�bergehend einen festen Aufenthalt hat, ist Untersuchungshaft gegen ihn nicht zul�ssig. Folglich liegen die Voraussetzungen eines Haftbefehls nicht vor.

Er darf deshalb nicht gem�� � 127 Abs. 2 StPO vorl�ufig festgenommen werden.

03.10 Fluchtgefahr / geringf�gige Straftaten

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Ist eine Tat nur mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bedroht, so darf gem�� � 113 StPO (Einschr�nkung der U-Haft) Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr nur angeordnet werden, wenn der Beschuldigte:

  • sich dem Verfahren bereits einmal entzogen hatte oder Anstalten zur Flucht getroffen hat oder

  • in Deutschland keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat oder

  • sich �ber seine Person nicht ausweisen kann

    Mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten sind zum Beispiel folgende Taten bedroht:

  • Beteiligung am unerlaubten Gl�cksspiel (� 285 StGB)

  • Abweichende Durchf�hrung von Versammlungen/Aufz�gen (� 25 VersG)

  • F�hren eines Kraftfahrzeuges, obwohl der F�hrerschein nach � 94 StPO in Verwahrung genommen, sichergestellt oder beschlagnahmt ist (� 21 Abs. 2 StVG).

03.11 Verdunkelungsgefahr

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Verdunkelungsgefahr besteht (� 112 Abs. 2 Ziff. 3 StPO), wenn aufgrund bestimmter Tatsachen das Verhalten des Beschuldigten den dringenden Verdacht begr�ndet, er werde:

  • Beweismittel vernichten, ver�ndern, beiseiteschaffen, unterdr�cken oder f�lschen oder

  • auf Mitbeschuldigte, Zeugen oder Sachverst�ndige in unlauterer Weise einwirken oder andere zu solchem Verhalten veranlassen

  • und wenn deshalb die Gefahr droht, dass die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde.

[Verdunkelungsgefahr / Beweismittel:] In welcher Weise verfahrenswidrig auf sachliche Beweismittel eingewirkt werden kann, ist in � 112 Abs. 2 Ziff. 3 a StPO beschrieben. Danach kommt Verdunkelungsgefahr in Betracht, wenn der Beschuldigte Beweismittel vernichtet, ver�ndert, beiseiteschafft, unterdr�ckt oder f�lscht.

Die Gefahr muss durch bestimmte Tatsachen begr�ndet sein.

Tatsachen k�nnen z.B. sein:

  • Zeugenaussagen

  • Verstecken von Beute

  • Aussagen von Mitbeschuldigten

  • Vernichten von Spuren

  • Wegschaffen von Beweisen

  • Sehr hohe Straferwartung

  • Zugeh�rigkeit zu einer kriminellen Gruppe

  • Bekannte Verhaltensweisen des T�ters.

Blo�e Vermutungen sind nicht geeignet, Verdunkelungsgefahr zu begr�nden.

[Beispiel:] Polizeibeamte halten nachts einen Pkw an, weil das R�cklicht nicht funktioniert. Der Fahrer (A) ist den Beamten bekannt. Gegen ihn wurde bereits h�ufiger wegen Diebstahls aus Kraftfahrzeugen ermittelt; ihm konnte jedoch nichts nachgewiesen werden. Im Pkw liegen 5 Autoradios auf der R�ckbank, die offensichtlich aus Pkw-Aufbr�chen stammen. A verweigert Angaben zur Sache. Darf A vorl�ufig festgenommen werden?

A ist dringend verd�chtig, schwere Diebst�hle (� 243 StGB) und/oder Hehlerei (� 259 StGB) begangen zu haben.

Erfahrungstatsache ist:

A hat in der Vergangenheit h�ufiger Beweise beiseitegeschafft und mit anderen Kriminellen zusammengearbeitet. Folglich besteht die Gefahr, dass er erneut Beweismittel beiseiteschaffen wird (Verdunkelungsgefahr).

Folglich darf A vorl�ufig festgenommen werden.

Die Tatsache, dass A zur Sache die Aussage verweigert, kann Verdunkelungsgefahr nicht begr�nden. Niemand braucht sich selbst zu belasten. Auf das Recht des Beschuldigten, dass es ihm freisteht, sich zur Sache zu �u�ern, ist er ausdr�cklich hinzuweisen, � 163a Abs. 4 StPO (Vernehmungen im Ermittlungsverfahren).

[Verdunkelungsgefahr / Zeugen:] In unlauterer Weise kann ein Tatverd�chtiger auch auf:

  • Mitbeschuldigte

  • Zeugen

  • Sachverst�ndige

  • Dritte.

einwirken.

Nicht jede Einwirkung auf Personen ist unlauter. So ist es durchaus zul�ssig, einen Zeugen oder Mitbeschuldigten zu bitten, von Zeugnisverweigerungsrechten Gebrauch zu machen. Dagegen ist es jedoch unlauter, Zeugen entgegen ihrer Zeugenpflicht zu beeinflussen, das Zeugnis zu verweigern oder falsche oder entstellte Aussagen zu machen.

[Beispiel:] Ein 15-j�hriges M�dchen ist gegen 21.00 Uhr mit erheblichen Prellungen und Platzwunden ins Krankenhaus eingeliefert worden. Dort gibt es an, von ihrem Vater missbraucht und geschlagen worden zu sein. Der Vater habe gedroht, jeden zum Kr�ppel zu schlagen, der das Maul aufmache. Der Arzt verst�ndigt die Polizei. Darf der Vater festgenommen werden?

Es besteht dringender Tatverdacht, dass der Vater eine Sexualstraftat
(�� 173 ff. StGB) und Misshandlung von Schutzbefohlenen begangen hat
(� 225 StGB - Vergehen). Wegen der ge�u�erten Drohungen begr�nden auch bestimmte Tatsachen den dringenden Verdacht, dass der Beschuldigte auf Mitwisser (Zeugen) in unlauterer Weise einwirken werde.

Folglich besteht Verdunkelungsgefahr.

03.12 Verdunkelungsgefahr / Aktivhandlungen

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Verdunkelungsgefahr setzt Aktivhandlungen auf Beweismittel oder Personen voraus. Unterlassungen, Aussageverweigerungen oder Verweigern des Mitwirkens an der Strafverfolgung gen�gen nicht.

Dies schon deshalb nicht, weil die Gefahr f�r Beweismittel in solchen F�llen durch eine vorl�ufige Festnahme nicht beseitigt werden kann.

Zweck einer vorl�ufigen Festnahme wegen Verdunkelungsgefahr ist es, die Gefahr f�r Beweismittel durch Festnahme auszuschlie�en oder zu reduzieren. Im �brigen braucht niemand an seiner eigenen Strafverfolgung aktiv mitzuwirken.

[Beispiel:] Aufgrund unzureichender Beweislage hat ein Richter vom Erlass eines Haftbefehls Abstand genommen. Einige Tage sp�ter erh�lt die Polizei Kenntnis davon, dass der Beschuldigte Zeugen unter Druck setzt und sie dazu auffordert, ihre Aussagen zur�ckzuziehen. Zwei betroffene Personen geben �bereinstimmend an, dass sie von dem Beschuldigten und weiteren Helfern nicht nur bedroht, sondern auch geschlagen worden sind. In Absprache mit der StA wird das zust�ndige Gericht erneut darum ersucht, einen Haftbefehl zu erlassen, weil Verdunkelungsgefahr gegeben ist. Rechtslage?

Die f�r den Haftgrund der Verdunkelungsgefahr erforderliche konkrete Gefahr der Verdunkelung setzt voraus, dass die potentielle Verdunkelungshandlung objektiv dazu geeignet ist, die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren. Daran fehlt es, wenn die Beweise bereits in einer Weise gesichert sind, dass der Angeklagte die Wahrheitsermittlung nicht mehr mit Erfolg behindern kann.

In diesem Fall wirkt der Beschuldigte auf unlautere und unzul�ssige Art und Weise durch Aktivhandlungen (Bedrohungen, Anwendung von Gewalt) auf Zeugen ein.

Ob er sein Ziel damit erreicht, kann zurzeit nicht abschlie�end beantwortet werden. Zumindest liegt es im Bereich der Lebenserfahrung, dass unter Druck gesetzte Zeugen sich oftmals aus Angst an nichts mehr erinnern wollen, oder bereits get�tigte Aussagen dahingehend relativieren, dass sie sich nicht mehr sicher sind, ob ihre Aussagen tats�chlich richtig sind.

In solchen F�llen ist Verdunkelungshandlung durch Aktivhandlungen gegeben.

03.13 Verdunkelungsgefahr / gesicherte Beweise

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Verdunkelungsgefahr ist nicht mehr gegeben, wenn die Beweise gesichert sind und/oder unbeeinflussbare Zeugen zur Verf�gung stehen. In solchen F�llen kann eine konkrete Gefahr f�r eine das Strafverfahren gef�hrdende Verdunkelung nicht mehr bestehen. Verdunkelungsgefahr kann auch durch Sicherstellung von Beweismitteln oder durch beweissichere Feststellung von Spuren entfallen.

[Beispiel:] Wenige Stunden nach einem Verkehrsunfall mit Flucht wird A als Unfallverursacher ermittelt. Die Polizei stellt fest, das A den Pkw zu einer Werkstatt gebracht hat, um den Schaden reparieren zu lassen. Darf A wegen Verdunkelungsgefahr vorl�ufig festgenommen werden?

Weil A den Pkw zur Werkstatt gebracht hat, um die Unfallsch�den beseitigen zu lassen, sind Tatsachen gegeben, die den dringenden Verdacht begr�nden, dass er in verfahrenswidriger Weise Beweismittel vernichten lassen werde.

Die Gefahr der Verdunkelung kann aber durch Sicherstellung des Pkw oder dadurch beseitigt werden, dass die Unfallspuren vor der Reparatur beweissicher festgestellt werden.

Eine vorl�ufige Festnahme zur Sicherung des Strafverfahrens ist nicht erforderlich und deshalb rechtswidrig.

03.14 Absoluter Haftgrund

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Gem�� � 112 Abs. 3 StPO (Voraussetzungen der Untersuchungshaft; Haftgr�nde) braucht ein Haftgrund nach Abs. 2 (Flucht, Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr) nicht gegeben zu sein, wenn der Beschuldigte dringend verd�chtig ist, eine der folgenden Straftaten begangen zu haben:

  • V�lkermord (� 6 Abs. 1 Nr. 1 des V�lkerstrafgesetzbuches)

  • Bildung terroristischer Vereinigungen (� 129 a Abs. 1 StGB)

  • Kriminelle oder terroristische Vereinigungen im Ausland

  • (� 129 b Abs. 1 StGB)

  • Mord und Totschlag (�� 211, 212 StGB)

  • Schwere K�rperverletzung (� 226 StGB)

  • Besonders schwere Brandstiftung (� 306 b StGB)

  • Brandstiftung mit Todesfolge (� 306 c StGB)

  • Herbeif�hren einer Sprengstoffexplosion (� 308 Abs. 1-3 StGB), soweit durch die Tat Leib oder Leben eines anderen gef�hrdet worden ist.

Die im Gesetz aufgef�hrten Straftaten sind F�lle besonders schwerer Kriminalit�t. Wer solche Delikte begeht, muss mit au�erordentlich hoher Freiheitsstrafe rechnen.

Das BVerfG h�lt jedoch aus rechtsstaatlichen Gr�nden, insbesondere aus Gr�nden der Verh�ltnism��igkeit, dringenden Tatverdacht eines der o.g. genannten Verbrechen f�r sich allein gesehen nicht f�r ausreichend.

Vielmehr m�ssten stets Umst�nde gegeben sein �dass, ohne Festnahme des Beschuldigten, die alsbaldige Aufkl�rung und Ahndung der Tat gef�hrdet sein k�nnte�. An den Nachweis werden allerdings nur geringe Anforderungen gestellt. Eine nach den Umst�nden des Falles nicht auszuschlie�ender �Flucht- oder Verdunkelungsverdacht� k�nne daf�r bereits ausreichen (BVerfG 19, 342 - Fall Wenecker).

In der Phase des ersten Zugriffs k�nnen Polizeibeamte bei Kapitaldelikten jedoch davon ausgehen, dass eine vorl�ufige Festnahme bei solchen Delikten zul�ssig ist.

[Beispiel:] Nach einem Sprengstoffanschlag auf Gleisanlagen der Bundesbahn konnte ein Schnellzug nur durch eine Notbremsung rechtzeitig angehalten werden. In Tatortn�he beobachten Polizeibeamte einen Mann, der sich auff�llig verh�lt. Der Mann kann sich vor Ort ausweisen, verstrickt sich aber bei der Befragung, warum er sich in der N�he eines Tatortes aufh�lt, in Widerspr�che. Darf A vorl�ufig festgenommen werden?

A ist dringend verd�chtig, eine Sprengstoffexplosion (� 308 StGB) herbeigef�hrt zu haben, durch die alle Insassen des Schnellzuges an Leib und Leben gef�hrdet wurden.

Unabh�ngig davon, ob Flucht- oder Verdunkelungsgefahr besteht, darf A vorl�ufig festgenommen werden, weil in einem solchen Fall gem�� � 112 Abs. 3 StPO ein Haftgrund nicht gegeben zu sein braucht.

[Hinweis:] Da die dringend tatverd�chtige Person nicht nur in unmittelbarer N�he des Tatortes, sondern auch in zeitlicher N�he zur festgestellten Straftat von der Polizei �berpr�ft wird, kann die vorl�ufige Festnahme des Mannes auch auf
� 127 Abs. 1 StPO gest�tzt werden, um zu pr�fen, ob ein Haftgrund besteht.

03.15 Festhalten oder freilassen?

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Eine ohne richterlichen Beschluss vorgenommene vorl�ufige Festnahme durch einen Polizeibeamten ist rechtswidrig, wenn weder die Voraussetzungen des
� 127 Abs. 1 noch die von � 127 Abs. 2 StPO greifen.

Wurde ein Tatverd�chtiger auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO vorl�ufig festgenommen, ist nach der Pr�fung der Haftgr�nde die Person zu entlassen, wenn ein Haftgrund nicht begr�ndet werden kann.

Sind die Voraussetzungen f�r einen Haftbefehl gegeben, ist eine vorl�ufige Festnahme auf der Grundlage von
� 127 Abs. 1 StPO dann in eine nach � 127 Abs. 2 StPO umzuwandeln.

�Die Beamten des Polizeidienstes d�rfen einen Verd�chtigen, den sie nach � 127 Abs. 1 oder Abs. 2 festgenommen haben oder der ihnen zugef�hrt wurde, nur in den Grenzen ihrer Amtspflichten wieder auf freien Fu� setzen, also insbesondere dann, wenn die Festnahme-Gr�nde nicht oder nicht mehr gegeben sind oder die Verh�ltnism��igkeit verletzt ist� (SK-Stpo II - Paeffgen, � 127, Rn. 34).

[Grundsatz:] Eine vorl�ufige Festnahme geschieht grunds�tzlich in der Annahme, dass die Voraussetzungen f�r eine Richtervorf�hrung gegeben sind und mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden kann, dass ein Richter einen Haftbefehl erlassen wird.

Stellt sich im Laufe der Ermittlungen heraus, dass damit nicht zu rechnen ist, ist damit der Grund des Festhaltens entfallen.

Die Person ist dann auf freien Fu� zu setzen.

03.16 Richtervorf�hrung

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Wird eine Person von der Polizei vorl�ufig festgenommen, so ist sie unverz�glich einem Richter vorzuf�hren.

Eine von der Polizei angeordnete Freiheitsentziehung ist sp�testens am Tag nach der Festnahme zu beenden, wenn die Person bis dahin nicht einem Richter vorgef�hrt worden sein sollte.

Der Wortlaut des � 128 StPO (Weiteres Verfahren) ist eindeutig.

Diese H�chstdauer einer von der Polizei angeordneten Freiheitsentziehung gilt jedoch nur f�r vorl�ufige Festnahmen auf der Grundlage von � 127 Abs. 2 StPO.

Eine vorl�ufige Festnahme auf der Grundlage von � 127 Abs. 1 StPO darf, weil die Vorschrift auf � 163b StPO (Identit�tsfeststellung) verweist, nur so lange dauern, wie das im � 163c StPO (Festhalten zur Identit�tsfeststellung) geregelt ist: maximal 12 Stunden.

[Beendigung der Ma�nahme:] �Die Beamten des Polizeidienstes d�rfen einen Verd�chtigen, den sie nach
� 127 Abs. 1 oder Abs. 2 festgenommen haben oder der ihnen (von einem jedermann = AR) zugef�hrt wurde, nur in den Grenzen ihrer Amtspflichten wieder auf freien Fu� setzen, also insbesondere dann, wenn die Festnahme-Gr�nde nicht oder nicht mehr gegeben sind oder die Verh�ltnism��igkeit verletzt ist� (SK-StPO II - Paeffgen, � 127, Rn. 34).

Die Polizei f�hrt eine Person erst dann einem Richter vor, wenn sie ihn vorher zur Sache vernommen hat.

Unverz�glich im Sinne von � 128 StPO (Weiteres Verfahren) bedeutet insoweit nicht: sofort.

Die gesetzlich zugelassene maximale Frist darf jedoch nicht �berschritten werden. Auch sollte es nicht zum Regelfall werden, dass die Vorf�hrung sich an der Einhaltung dieser �maximalen Festhaltezeit� orientiert.

Mit anderen Worten:

Eine Person ist einem Richter vorzuf�hren, wenn die Polizei dazu in der Lage ist, die daf�r erforderlichen Haftgr�nde begr�nden zu k�nnen und ein Richter zu diesem Zeitpunkt tats�chlich erreichbar ist. Sobald die Voraussetzungen f�r den Erlass eines Haftbefehls aus polizeilicher Sicht gegeben sind, ist auf jeden Fall mit dem zust�ndigen Richter ein Termin abzusprechen, an dem die Richtervorf�hrung stattfindet.

Insoweit h�ngt die Zeit bis zur Vorf�hrung vor den gesetzlichen Richter auch von den terminlichen Besonderheiten des zust�ndigen Richters ab.

03.17 Richterliche Aufgabe

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Wird eine Person einem Richter vorgef�hrt, ist es dessen Aufgabe, �ber die Zul�ssigkeit und die Fortdauer des Freiheitsentzuges im Sinne von Art. 104 Abs. 2 S. 1 GG zu entscheiden.

Dort hei�t es:

(2) �ber die Zul�ssigkeit und Fortdauer einer Freiheitsentziehung hat nur der Richter zu entscheiden.

Richterliche Aufgabe ist es nicht, dar�ber zu befinden, ob die Person zurecht von der Polizei vorl�ufig festgenommen wurde. Vielmehr ist es richterliche Aufgabe, die Voraussetzungen zu pr�fen, ob die vorgef�hrte Person:

  • weiterhin festgehalten werden darf
    oder

  • zu entlassen ist.

Fraglich ist, ob ein Richter eine vorgef�hrte Person zu vernehmen hat, wenn es ihm - bei der rechtlichen Bewertung der polizeilichen vorl�ufigen Festnahme - bereits am dringenden Tatverdacht mangelt.

Hier wird davon ausgegangen, dass ein Richter die festgenommene und vorgef�hrte Person zu entlassen hat, wenn er die Festnahme nicht f�r gerechtfertigt h�lt oder ihre Gr�nde f�r beseitigt oder unzureichend begr�ndet h�lt.

In der Regel wird ein Richter die vorgef�hrte Person auf der Grundlage von
� 115 StPO (Vorf�hrung vor den zust�ndigen Richter) vernehmen.

Bei der richterlichen Vernehmung ist der Beschuldigte auf die ihn belastenden Umst�nde und sein Recht hinzuweisen, sich zur Beschuldigung zu �u�ern oder nicht zur Sache auszusagen. Ihm ist Gelegenheit zu geben, die Verdachts- und Haftgr�nde zu entkr�ften und die Tatsachen geltend zu machen, die zu seinen Gunsten sprechen.

Wird die Haft aufrechterhalten, so ist der Beschuldigte �ber das Recht der Beschwerde und die anderen Rechtsbehelfe zu belehren.

04 � 126a StPO - Unterbringungshaftbefehl

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Polizeibeamte d�rfen gem. � 127 Abs. 2 StPO bei Gefahr im Verzuge auch dann eine vorl�ufige Festnahme anordnen, wenn die Voraussetzungen eines Unterbringungsbefehles gem�� � 126a StPO (Einstweilige Unterbringung) erf�llt sind.

Die Voraussetzungen eines Unterbringungsbefehls sind erf�llt, wenn dringende Gr�nde f�r die Annahme vorhanden sind, dass jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunf�higkeit oder verminderten Schuldf�higkeit begangen hat und dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt angeordnet werden wird.

Schuldunf�hig sind Personen, die bei Begehung der Tat wegen einer krankhaften seelischen St�rung, wegen tiefgreifender Bewusstseinsst�rung, wegen Schwachsinns oder einer schweren anderen seelischen Abartigkeit unf�hig sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln (� 20 StGB).

In solchen F�llen sind die Voraussetzungen eines Haftbefehles nicht gegeben. Jedoch k�nnen gem�� � 126a StPO (Einstweilige Unterbringung) die Voraussetzungen eines Unterbringungsbefehles erf�llt sein.

[Beispiel:] Gegen 03.00 Uhr brennt das Kaufhaus City lichterloh. Beim Eintreffen der Beamten bemerken die Beamten in der N�he einen Mann, der Freudent�nze auff�hrt und sich selbst daf�r lobt, solch ein sch�nes Feuer entfacht zu haben. Immer wieder verflucht er die Konsumlust und ruft: Die reinigende Kraft des Feuers hilft auch gegen den Konsumterror!� Der Mann ist offensichtlich geistesgest�rt. Darf er vorl�ufig festgenommen werden?

Er darf gem�� � 127 Abs. 2 StPO vorl�ufig festgenommen werden, wenn die Voraussetzungen eines Unterbringungsbefehles gegeben sind.

Nach den Umst�nden sind dringende Gr�nde vorhanden, dass der Mann im Zustande der Schuldunf�higkeit eine Brandstiftung (� 306 StGB) begangen hat und dass seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet werden wird.

Da Gefahr im Verzuge liegt, darf er vorl�ufig festgenommen werden. Der Mann wird einem Richter vorgef�hrt, der �ber dessen weiteren Verbleib zu entscheiden hat.

05 � 127b StPO - Hauptverhandlungshaft

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Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind gem��
� 127b StPO (Vorl�ufige Festnahme und Haftbefehl bei beschleunigtem Verfahren) zur vorl�ufigen Festnahme eines auf frischer Tat Betroffenen oder Verfolgten auch dann befugt, wenn:

  • eine unverz�gliche Entscheidung im beschleunigten Verfahren wahrscheinlich ist und

  • aufgrund bestimmter Tatsachen zu bef�rchten ist, dass der Festgenommene der Hauptverhandlung fernbleiben wird.

Diese Festnahmebefugnis kommt nur in Betracht, wenn jemand eine Straftat begangen hat, die mit hoher Wahrscheinlichkeit im beschleunigten Verfahren abgeurteilt wird.

Der T�ter darf festgenommen werden, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen zu bef�rchten ist, dass er der Hauptverhandlung fernbleiben wird. Ein Festnahme- oder Haftgrund iSv � 112 StPO (Fluchtverdacht, Fluchtgefahr oder Verdunkelungsgefahr) braucht nicht gegeben zu sein.

Gegen jugendliche Straft�ter kann � 127b StPO nicht angewendet werden, weil gegen Jugendliche das beschleunigte Verfahren nicht angewendet werden darf.

Insoweit gelten die Regelungen des � 2 JGG (Ziel des Jugendstrafrechts; Anwendung des allgemeinen Strafrechts).

Die rechtliche Zul�ssigkeit, geeignete Straftaten im beschleunigten Verfahren zu verfolgen, folgt aus
�� 417 - 420 StPO. Danach muss es sich um Delikte handeln, die auf Grund des einfachen Sachverhalts oder der klaren Beweislage zur sofortigen Verhandlung geeignet sind, siehe � 417 StPO (Zul�ssigkeit).

[Deliktsbereich:] Welche Delikte im beschleunigten Verfahren erledigt werden k�nnen, ist allgemeinverbindlich nicht festgelegt. Die Festlegungen erfolgen durch die Staatsanwaltschaften im Einvernehmen mit den Gerichten.

Die Regelungen k�nnen deshalb �rtlich unterschiedlich sein.

Zweck dieser Befugnis (genau genommen handelt es sich um einen besonderen Haftgrund) ist es, einen auf frischer Tat betroffenen oder verfolgten T�ter f�r die Hauptverhandlung zur Verf�gung zu haben, damit er in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Tat verurteilt werden kann.

[Beispiel:] Im Zust�ndigkeitsbereich des Polizeipr�sidiums P werden von der Staatsanwaltschaft u.a. Sachbesch�digungen und Ladendiebst�hle im beschleunigten Verfahren verfolgt. Ein Stadtstreicher wird auf frischer Tat bei einem Ladendiebstahl betroffen. Der T�ter ist bekannt. Nach eigenen Angaben steht er f�r eine Hauptverhandlung nicht zur Verf�gung. Darf der Stadtstreicher festgenommen werden?

Der Mann wurde auf frischer Tat bei einer Straftat betroffen, die im Zust�ndigkeitsbereich des Polizeipr�sidiums P im beschleunigten Verfahren verfolgt wird. Aufgrund seiner Aussage sprechen Tatsachen daf�r, dass er der Hauptverhandlung fernbleiben wird. Folglich sind die Voraussetzungen von
� 127b StPO (Vorl�ufige Festnahme und Haftbefehl bei beschleunigtem Verfahren) erf�llt.

Eine Festnahme w�re zul�ssig.

Mit der StA ist unverz�glich abzusprechen, wie zu verfahren ist.

06 Belehrung

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Im Zusammenhang mit einer vorl�ufigen Festnahme ist der Beschuldigte zu belehren. Die Belehrungspflicht folgt aus � 163a Abs. 4 StPO (Vernehmung im Ermittlungsverfahren).

Danach ist der Beschuldigte bei der ersten Vernehmung zu belehren. Als Vernehmung gelten Befragungen zur Person und zur Sache.

Dies gilt auch f�r zielgerichtete Befragungen vor Ort im Zusammenhang mit einer vorl�ufigen Festnahme. Wird der Beschuldigte zielgerichtet zur Tat, anderen Beteiligten und/oder zu seiner Person befragt, ist er zuvor �ber folgende Umst�nde zu belehren:

  • Zur Last gelegte Tat

  • Aussageverweigerungsrecht

  • Recht auf Verteidiger

  • Recht, entlastende Beweiserhebungen beantragen zu k�nnen.

[Beispiel:] Ein Mann hat eine Frau zur Seite gesto�en und ihr die Handtasche entrissen. Nach Lichtbildvorlage erkennt sie den T�ter wieder. Es handelt sich um einen 30-j�hrigen Arbeitslosen ohne feste Bindungen. Die Beamten sp�ren ihn auf und nehmen ihn vorl�ufig fest. Belehrung?

Der Mann ist eines Raubes dringend verd�chtig. Weil Gefahr im Verzuge gegeben ist und Fluchtgefahr besteht, darf er vorl�ufig festgenommen werden (�� 127 Abs. 2, 112 StPO).

Zu Beginn ist er etwa wie folgt zu belehren:

�Sie sind dringend verd�chtig, einen Handtaschenraub begangen zu haben. Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich eines Rechtsanwaltes zu bedienen. Sie k�nnen auch entlastende Beweiserhebungen beantragen.�

Selbstverst�ndlich kann die Belehrung auch in anderer Form, etwa im Rahmen eines Gespr�ches erfolgen.

07 Benachrichtigungsrecht

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Der Festgenommene hat das Recht, dass unverz�glich ein Angeh�riger oder eine Person seines Vertrauens benachrichtigt wird, siehe � 114b StPO (Belehrung des verhafteten Beschuldigten). Das setzt aber voraus, dass die Polizei die Identit�t des Festgenommenen kennt und dazu in der Lage ist, einen Angeh�rigen benachrichtigen zu k�nnen, oder aber von dem Festgenommenen eine Person benannt wird, die benachrichtigt werden soll.

H�ufig ist der vorl�ufigen Festnahme eine Mitnahme zur Wache zum Zwecke der Identit�tsfeststellung vorgelagert. Auch dann hat die festgehaltene Person ein Recht darauf, dass Angeh�rige benachrichtigt werden, siehe � 163c StPO (Festhalten zur Identit�tsfeststellung).

Wird im Zusammenhang mit oder nach der Identit�tsfeststellung die vorl�ufige Festnahme verf�gt, muss dem Beschuldigten nicht erneut Gelegenheit zur Benachrichtigung gegeben werden. Wird die vorl�ufige Festnahme von vornherein angeordnet, ist � 114b Abs. 2 StPO einschl�gig.

Das Recht, selber Angeh�rige oder Vertrauenspersonen zu benachrichtigen entf�llt, wenn diese Personen ebenfalls Straftaten verd�chtig sind und der Zweck der Untersuchung gef�hrdet w�rde. In solchen F�llen �bernimmt die Polizei die Benachrichtigung geeigneter Personen. Dies insbesondere auch dann, wenn die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte in unlauterer Weise auf die Vertrauensperson einwirken wird (Verdunkelungsgefahr) oder wenn der Beschuldigte zu einer Benachrichtigung nicht in der Lage ist.

08 Durchf�hrung von Haftbefehlen

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Gem�� � 161 Abs. 1 StPO (Ermittlungen) hat die Polizei Haft-, Vorf�hrungs- und Unterbringungsbefehle zu vollziehen.

Die Befehle k�nnen vom Gericht oder von der Staatsanwaltschaft erlassen sein.

Aufgrund eines Haft- oder Unterbringungsbefehls k�nnen Richter oder Staatsanwalt - bei Gefahr im Verzuge auch die Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft - gem�� � 131 StPO (Ausschreibungen zur Festnahme) veranlassen. Gem�� � 131b StPO ist auch die Ver�ffentlichung von Abbildungen zul�ssig.

Ist ein Haft-, Vorf�hrungs- oder Unterbringungsbefehl erlassen worden und wird der zu Verhaftende oder Vorzuf�hrende nicht angetroffen, veranlasst die StA in der Regel die Ausschreibung zur Festnahme und die Eingabe zur Fahndung in das INPOL-System der Polizei.

[Beispiel:] Ein Mann zeigte sich zwei jungen M�dchen in schamverletzender Weise. Er konnte in Tatortn�he ergriffen werden. Die Personen�berpr�fung ergibt, dass er mit Haftbefehl gesucht wird. Darf der Mann verhaftet werden?

Der Mann ist dringend verd�chtig, eine exhibitionistische Handlung (� 183 StGB) begangen zu haben. Unabh�ngig davon, ob er auch wegen dieser Tat vorl�ufig festgenommen werden darf, ist er zu verhaften, weil ein Haftbefehl gegen ihn besteht.

Der Haftbefehl ist dem Beschuldigten bei der Verhaftung auszuh�ndigen, ist das nicht m�glich, ist ihm mitzuteilen, welches die Gr�nde f�r die Verhaftung sind und welche Beschuldigungen gegen ihn erhoben werden. In diesem Fall ist die Aush�ndigung der Abschrift des Haftbefehls sowie einer etwaigen �bersetzung (wenn es sich um einen Ausl�nder handelt) unverz�glich nachzuholen, siehe
� 114a StPO (Aush�ndigung des Haftbefehls; �bersetzung).

[18 Haftbefehle wegen 555 Euro:] Hamburger Polizisten haben einen Mann verhaftet, gegen den insgesamt 18 Haftbefehle vorlagen. Hintergrund waren nach Angaben der Polizei diverse nicht bezahlte Bu�gelder wegen Verkehrsverst��en in H�he von insgesamt 555 Euro. Jetzt sitzt der 49-J�hrige in Untersuchungshaft. (WN vom 06.11.2015).

09 � 164 StPO - Festnahme von St�rern

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Gem�� � 164 StPO (Festnahme von St�rern) darf der polizeiliche Einsatzleiter vor Ort Personen festnehmen lassen, die seine strafprozessualen Ermittlungshandlungen vors�tzlich st�ren.

Das Festnahmerecht gem�� � 164 StPO hat mit vorl�ufiger Festnahme gem��
� 127 StPO nichts zu tun.

Die Befugnis richtet sich auch nicht nur gegen Beschuldigte, sondern gegen alle Personen, die eine amtliche T�tigkeit vors�tzlich st�ren.

Amtliche T�tigkeit iSv. � 164 StPO sind ausschlie�lich Amtshandlungen strafprozessualer Art. Da zur Erforschung und Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten mit Ausnahme von Verhaftungen und vorl�ufigen Festnahmen die Befugnisse der StPO gelten, gilt � 164 StPO auch f�r Ermittlungshandlungen, die anl�sslich von Ordnungswidrigkeiten erforderlich werden, weil es sich bei einer Festnahme nach
� 164 StPO nicht um eine vorl�ufige Festnahme iSv � 127 StPO handelt.

[Beispiel:] Ermittlungen haben ergeben, das A als Hehler in Betracht kommt. Daraufhin wird ein richterlicher Durchsuchungsbeschluss erwirkt. W�hrend der Durchsuchung der Wohnung stellt sich A den Beamten st�ndig in den Weg, beschimpft sie lautstark und schiebt ihnen M�belst�cke vor die F��e. Darf A gem�� � 164 StPO festgenommen werden?

A st�rt eine strafprozessuale Ermittlungshandlung. Weil die St�rung auf andere Weise nicht abgewendet werden kann, darf der polizeiliche �rtliche Einsatzleiter A festnehmen lassen. A muss jedoch freigelassen werden, wenn St�rungen von ihm nicht mehr zu erwarten sind. Er ist freizulassen, wenn die Amtshandlung beendet ist.

Wohnungsinhaber, die eine Wohnungsdurchsuchung nachhaltig st�ren, k�nnen sich nicht auf � 106 StPO (Hinzuziehung des Inhabers eines Durchsuchungsobjekts) berufen. Das dort geregelte Anwesenheitsrecht setzt voraus, dass der Wohnungsinhaber die Durchsuchung duldet.

[Beispiel:] Anl�sslich eines Verkehrsunfalls mit gro�em Sachschaden behindern Neugierige die Arbeit der Polizei. Trotz Aufforderung, den Gefahrenbereich zu verlassen, betritt ein Neugieriger immer wieder die Unfallstelle. Der Mann wird daraufhin von einem Polizeibeamten vor�bergehend festgehalten. Rechtslage?

Bei einem Verkehrsunfall mit Sachschaden steht im Mittelpunkt der polizeilichen Unfallaufnahme die Feststellung des Unfallverursachers, der im Verdacht steht, eine Verkehrsordnungswidrigkeit begangen zu haben. Insoweit wird hier auf der Grundlage von � 164 StPO (Festnahme von St�rern) eine Person festgehalten, die polizeiliche Ermittlungshandlungen im Zusammenhang mit der Feststellung von Ordnungswidrigkeiten st�rt.

Da es sich bei der Festnahme gem�� � 164 StPO nicht um eine vorl�ufige Festnahme handelt, die verbietet n�mlich das Gesetz anl�sslich von Ordnungswidrigkeiten, siehe � 46 Abs. 3 OWiG (Anwendung der Vorschriften �ber das Strafverfahren). � 164 StPO kann somit auch im Zusammenhang mit polizeilichen Ermittlungst�tigkeiten anl�sslich festgestellter Ordnungswidrigkeiten angewendet werden.

Werden Amtshandlungen gest�rt, die ausschlie�lich der Gefahrenabwehr dienen, darf � 164 StPO nicht angewendet werden. In solchen F�llen greifen die einschl�gigen Befugnisse der Polizeigesetze, die gleiche Rechtsfolgen zulassen.

Werden der Gefahrenabwehr dienende Amtshandlungen massiv gest�rt, ist eine Gefahr f�r die Funktionsf�higkeit staatlicher Organe gegeben. Zur Gefahrenabwehr sind nach den Polizeigesetzen Platzverweise zul�ssig. So darf z. B. gem�� � 34 PolG NW (Platzverweisung) die Polizei zur Abwehr einer Gefahr eine Person vor�bergehend von einem Ort verweisen oder ihr vor�bergehend das Betreten eines Ortes verbieten. Die Platzverweisung kann ferner gegen eine Person angeordnet werden, die den Einsatz der Feuerwehr oder von Hilfs- oder Rettungsdiensten behindert.

Ferner bestimmt � 35 Abs. 1 Nr. 4 PolG NW (Gewahrsam), dass die Polizei eine Person in Gewahrsam nehmen darf, wenn das unerl�sslich ist, eine Platzverweisung nach � 34 durchzusetzen.

[Beispiel:] Gasexplosion mit Toten und Verletzten. Die Polizei bem�ht sich, den Gefahrenbereich abzusperren und die Rettungswege frei zu machen. Ein Mann versucht aus Neugierde mehrfach, die Absperrung zu �berwinden. Platzverweise werden nicht beachtet. Darf der Mann gem�� � 164 StPO festgenommen werden?

Der Mann st�rt vors�tzlich polizeiliche Amtshandlungen.

Da es sich nicht um strafprozessuale Amtshandlungen handelt, scheidet eine Festnahme gem�� � 164 StPO aus. Er darf jedoch aufgrund polizeirechtlicher Befugnisse (z. B. � 35 PolG NRW) in Gewahrsam genommen werden, wenn das unerl�sslich ist, einen rechtm��igen Platzverweis durchzusetzen.

Diese Voraussetzungen sind gegeben.

[Hinweis:] Weiterf�hrende Informationen zu � 164 StPO stehen in einem besonderen Kapitel zur Verf�gung.

10 � 87 StVollzG - Entwichene Gefangene

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Gem�� � 87 StVollzG (Festnahmerecht) d�rfen entwichene Gefangene durch die Vollzugsbeh�rde oder auf ihre Veranlassung hin auch von der Polizei festgenommen und in die Anstalt zur�ckgebracht werden.

Wird die Fahndung nach einem entwichenen Strafgefangenen oder einem nicht vom therapeutischen Freigang zur�ckgekommenen Insassen eines Landeskrankenhauses durch die Vollzugsbeh�rde ausgel�st, greift
� 87 Strafvollzugsgesetz.

[Beispiel:] Ein wegen mehrfacher Vergewaltigung in ein Landeskrankenhaus eingewiesener sexueller Gewaltt�ter ist vom Freigang nicht zur�ckgekommen. Die Polizei wird davon in Kenntnis gesetzt. Wenige Stunden sp�ter wird der Mann von einer Streife in der N�he des Landeskrankenhauses angetroffen. Rechtslage?

Es liegt ein Festnahmeersuchen des Landeskrankenhauses vor.

Der Mann, der vom Freigang nicht rechtzeitig zur�ckgekommen ist, wird von der Polizei auf der Grundlage von
� 87 StVollzG (Festnahmerecht) ergriffen und zur�ck ins Landeskrankenhaus gebracht.

Liegt seitens der Vollzugsbeh�rde noch kein Fahndungsersuchen vor, weil z.B. das Entweichen noch nicht festgestellt wurde, kann die Polizei nach Polizeirecht entwichene Strafgefangene/Freig�nger in polizeilichen Gewahrsam nehmen.

[Beispiel:] Die Polizei �berpr�ft einen Verkehrsteilnehmer. Dabei stellt sich heraus, dass der Mann vor einer Woche bei Au�enarbeiten aus dem Bereich der JVA geflohen ist. Ein Fahndungsersuchen der JVA ist nicht bekannt. D�rfen die Beamten den Mann festhalten?

Da eine �Veranlassung� der JVA nicht bekannt ist, darf der Mann gem�� � 87 Strafvollzugsgesetz nicht festgenommen werden.

Jedoch kann dann Polizeirecht zur Anwendung kommen. So bestimmt z.B.
� 35 Abs. 3 PolG NRW (Gewahrsam) dass die Polizei eine Person, die aus dem Vollzug von Untersuchungshaft, Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehenden Ma�regeln der Besserung und Sicherung entwichen ist oder sich sonst ohne Erlaubnis au�erhalb der Justizvollzugsanstalt aufh�lt, in Gewahrsam genommen und in die Anstalt zur�ckgebracht werden kann.

Wer l�ngere Zeit als Polizeibeamter im Umkreis eines Landeskrankenhauses Polizeidienst geleistet hat, wei�, welche Personen ihren Freigang �berzogen haben. Ich selber habe l�ngere Zeit Polizeidienst im Umkreis des Landeskrankenhauses Eickelborn versehen und mehrere Freig�nger in dieses Landeskrankenhaus zur�ckgebracht, ohne dass es der Aufsicht zuvor aufgefallen war.

In diesem Sinne, manches erkennen Polizeibeamte einfach schneller als andere.

11 � 19 IRG - Vorl�ufige Festnahme

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Gem�� � 19 des Gesetzes �ber die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) sind Polizeibeamte auch dann zu einer vorl�ufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Auslieferungshaftbefehles vorliegen, siehe
� 19 IRG (Vorl�ufige Festnahme).

Die Vorschrift ist f�r die Polizei von Bedeutung, wenn ein Ausl�nder im Ausland eine Straftat begangen hat, f�r die das deutsche Strafrecht nicht gilt und der T�ter in Deutschland angetroffen wird. Die Voraussetzungen f�r einen (vorl�ufigen) Auslieferungsbefehl sind erf�llt, wenn folgende Umst�nde gegeben sind:

  • Ersuchen einer zust�ndigen Auslandsdienststelle
    oder

  • dringender Tatverdacht und Fluchtgefahr oder Verdunklungsgefahr.

[Beispiel:] Bewaffneter �berfall auf eine Bank in Polen. Zwei T�ter fl�chten mit Pkw Ford �ber den Grenz�bergang Frankfurt/Oder (Kennzeichen wird mitgeteilt). Die bundesdeutsche Polizei wird um Mitfahndung gebeten. Eine Stunde nach der Tat bemerkt eine Funkstreife in Frankfurt/Oder den gesuchten Pkw auf einem Parkplatz. Im Fahrzeug befinden sich zwei Personen. Beide weisen sich mit g�ltigen polnischen P�ssen aus. Im Kofferraum wird eine Plastiktasche mit verschiedenen Devisen gefunden. D�rfen die M�nner festgenommen werden?

Wenn ein Ausl�nder im Ausland einen Raub begeht, gilt das deutsche Strafrecht grunds�tzlich nicht
(�� 6, 7 StGB). Folglich hat die bundesdeutsche Polizei nicht die Befugnisse der StPO.

Jedoch ist dann das IRG einschl�gig.

Eine zust�ndige Dienststelle in Polen hat um Mitfahndung ersucht. Au�erdem besteht dringender Tatverdacht und, weil die beiden Polen in Deutschland keinen festen Wohnsitz haben, Fluchtgefahr.

Die beiden Polen d�rfen somit gem�� � 19 IRG vorl�ufig festgenommen werden.

12 Europ�ischer Haftbefehl

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Seit Juli 2004 k�nnen Deutsche aufgrund eines Europ�ischen Haftbefehls von deutschen Beh�rden den Strafverfolgungsorganen eines Mitgliedslandes �bergeben werden.

Durch das Gesetz zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses �ber den Europ�ischen Haftbefehl und die �bergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europ�ischen Union (Europ�isches Haftbefehlsgesetz - EUHbG) vom 21. Juli 2004 wurde das Gesetz �ber die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) in weiten Teilen entsprechend neu gefasst.

In diesem Zusammenhang sind die �� 73, 80, 81 IRG von besonderer Bedeutung.

Gegen eine Auslieferung aufgrund eines Europ�ischen Haftbefehls hat sich ein Betroffener mit einer Verfassungsbeschwerde an das Bundesverfassungsgericht gewendet und darum ersucht, eine von einem deutschen Gericht (OLG) best�tigte Auslieferung f�r unzul�ssig zu erkl�ren, weil folgende Grundrechte verletzt worden seien:

  • Art. 16 Abs. 2 GG (Auslieferungsverbot)

  • Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie)

  • Art. 103 Abs. 2 GG (R�ckwirkungsverbot)

Au�erdem trug der Beschwerdef�hrer vor, dass es sowohl dem deutschen Europ�ischen Haftbefehlsgesetz als auch dem Rahmenbeschluss des Rates an der demokratischen Legitimation fehle. Das Parlament habe nicht dar�ber entscheiden k�nnen, so der Beschwerdef�hrer, dass deutsche B�rger f�r Verhaltensweisen mit Kriminalstrafe belegt werden, die nach deutschem Recht straflos sind.

Um welche Straftaten es sich im Einzelnen handelt, die einen Europ�ischen Haftbefehl bewirken k�nnen, kann dem Rahmenbeschluss der Europ�ischen Union zum Europ�ischen Haftbefehl entnommen werden, der in den L�ndern der EU umzusetzen ist.

Der EU-Haftbefehl soll das Auslieferungsverfahren zwischen den Mitgliedstaaten der Europ�ischen Union vereinfachen und verk�rzen. Er erspart den Mitgliedstaaten mit einer so genannten �Positivliste� bei �ber 30 Deliktgruppen die aufwendige Pr�fung, ob die Tat in beiden Staaten strafbar ist. Zurzeit pr�ft der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts, ob der seit August 2004 geltende EU-Haftbefehl Grundrechte verletzt und ob der Bundestag auch eventuell verfassungswidrige Vorgaben der EU f�r die Strafverfolgung umsetzen muss.

Im Rahmen eines Eilverfahrens hat das Bundesverfassungsgericht am 24. November 2004 die �bergabe eines Beschwerdef�hrers an spanische Strafverfolgungsbeh�rden im Eilverfahren einstweilen ausgesetzt (BVerfG - 2 BvR 2236/04).

[Nichtigkeit des Europ�ischen Haftbefehlgesetzes:] Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat mit Urteil vom 18. Juli 2005 das Europ�ische Haftbefehlsgesetz f�r nichtig erkl�rt (BVerfG - 2 BvR 2236/04). �Das Gesetz greife,� so die Verfassungsrichter, �unverh�ltnism��ig in die Auslieferungsfreiheit (Art. 16 Abs. 2 GG) ein, da der Gesetzgeber die ihm durch den Rahmenbeschluss zum Europ�ischen Haftbefehl er�ffneten Spielr�ume nicht f�r eine m�glichst grundrechtsschonende Umsetzung des Rahmenbeschlusses in nationales Recht ausgesch�pft habe.�

Die Richter stellten fest, dass das Europ�ische Haftbefehlsgesetz nichtig sei, und forderten den Gesetzgeber auf, das Gesetz neu zu regeln. �Solange der Gesetzgeber keine neue gesetzliche Regelung geschaffen habe�, so die Karlsruher Richter, �sei die Auslieferung eines deutschen Staatsangeh�rigen an einen Mitgliedstaat der Europ�ischen Union nicht m�glich.�

Auslieferungen k�nnen zurzeit nur auf der Grundlage des Gesetzes �ber die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Europ�ischen Haftbefehlsgesetzes erfolgen.

13 Einlieferung ins Polizeigewahrsam

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Soll eine verhaftete oder vorl�ufig festgenommene Person dem Richter vorgef�hrt werden, ist sie in der Regel vor�bergehend in das Polizeigewahrsam einzuliefern.

Das Polizeigewahrsam ist keine Vollzugsanstalt, jedoch handelt es sich um gesicherte R�ume, in denen vor�bergehend Personen verwahrt werden k�nnen, deren Festnahme, Verhaftung oder Gewahrsamnahme angeordnet worden ist.

[Gewahrsamsf�higkeit:] In das Polizeigewahrsam d�rfen grunds�tzlich nur Personen eingeliefert werden, die gewahrsamsf�hig sind.

Diese Verpflichtung folgt aus den Polizeigesetzen iVm den Polizeigewahrsamsordnungen.

Bestehen Zweifel an der Gewahrsamsf�higkeit, ist eine �rztliche Untersuchung zu veranlassen. Wird die Gewahrsamsf�higkeit best�tigt, darf die Person eingeliefert werden. Wird die Gewahrsamsf�higkeit nicht best�tigt, darf die Person nur eingeliefert werden, wenn im Gewahrsam eine �rztliche Betreuung, etwa durch einen Polizeiarzt, erfolgen kann. Ist auch das nicht m�glich, muss notfalls die Person in ein Krankenhaus eingewiesen und dort von der Polizei bewacht werden, bis die Justiz die Person �bernimmt.

Selbstverst�ndlich ist daf�r Sorge zu tragen, dass eine in das Polizeigewahrsam eingelieferte Person ben�tigte Medikamente erh�lt. Suizidgef�hrdete Personen sind besonders zu bewachen.

Notfalls sind sie unter Dauerbewachung zu stellen.

Kommt es zu St�rf�llen, ist sofort ein Notarzt hinzuzuziehen. Die Sanit�tskenntnisse der Polizei reichen nicht aus, um die Frage der Gewahrsamsf�higkeit hinreichend sicher beurteilen zu k�nnen.

Mit der Gesundheit von Straft�tern darf nicht leichtfertig umgegangen werden, insbesondere dann nicht, wenn sie unter Alkoholeinfluss oder unter dem Einfluss von Rausch- oder Bet�ubungsmitteln stehen. Im Zweifel ist ein Arzt hinzuziehen oder die Einweisung in ein Krankenhaus zu veranlassen.

Eingelieferte Personen sind regelm��ig zu kontrollieren. Die Kontrollzeiten sind zu dokumentieren.

[Beschr�nkungen im Polizeigewahrsam:] Sobald die Polizei eine Freiheitsentziehung anordnet, befindet sich die Person in einem besonderen unfreiwillig begr�ndeten Gewaltverh�ltnis. Auch innerhalb solcher Gewaltverh�ltnisse gilt, dass Rechtseingriffe nur aufgrund eines Gesetzes zul�ssig sind. Gesetzliche Vorschriften in diesem Sinne sind die Polizeigesetze.

So bestimmt z.B. � 37 Abs. 3 PolG NRW (Behandlung festgehaltener Personen), dass festgehaltenen Personen nur solche Beschr�nkungen auferlegt werden d�rfen, die der Zweck der Freiheitsentziehung oder die Ordnung im Gewahrsam erfordern.

Wortgleiche Regelungen enthalten auch andere Polizeigesetze.

Welche Beschr�nkungen im Einzelnen f�r erforderlich gehalten werden, ist in NRW in der Gewahrsamsordnung geregelt.

In der Gewahrsamsordnung wird im Einzelnen geregelt, welche Beschr�nkungen der Zweck der Freiheitsentziehung oder die Ordnung im Gewahrsam erfordern.

Folgende Regelungen sind u. a. in der Gewahrsamsordnung enthalten:

  • Durchsuchung

  • Abgabe von Gegenst�nden

  • Rauchen

  • Alkoholgenuss

  • Gewahrsamsf�higkeit

  • Verpflegung

  • K�rperpflege

  • Arbeiten

  • Aufenthalt im Freien

  • Zuwendungen

  • Besuche

  • Verkehr mit Verteidiger

  • Kontrollzeiten

  • Belegung

  • Todesf�lle

  • Ausstattung des Gewahrsams

  • Vernehmungen u. a.

Die Gewahrsamsordnungen sind allgemeine Verwaltungsvorschriften. F�r die Beamten enthalten sie verbindliche Auslegungs- und Ermessensrichtlinien.

14 RiStBV

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F�r die Polizei haben die Richtlinien f�r das Strafverfahren und das Bu�geldverfahren (RiStBV) keine rechtlich bindende Wirkung, weil sie vornehmlich f�r die Staatsanwaltschaft bestimmt sind. Wegen der Justizf�rmigkeit von Strafverfahren sollten die f�r die StA geltenden Regelungen der RiStBV jedoch auch von der Polizei beachtet werden.

Im �brigen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Polizei und Staatsanwaltschaft nicht nur sinnvoll, sondern geboten.

Insoweit liegt es im Interesse des gemeinsamen Strafverfolgungsauftrages, die Regelungen der RiStBV auch im Rahmen polizeilicher Ermittlungen anzuwenden, soweit das sachgerecht ist.

[Hinweis:] Die RiStBV enthalten keine Regelungen, die sich direkt an die Polizei wenden, wohl aber viele Hinweise darauf, welche staatsanwaltschaftlichen Vorgaben und Weisungen von der Polizei zu befolgen sind.

[Feststellung der pers�nlichen Verh�ltnisse des Beschuldigten:] In diesem Zusammenhang sind die Nummern 13 und 14 der RiStBV einschl�gig. Sie machen deutlich, welche personenbezogenen Daten �ber Beschuldigte im Rahmen eines Strafverfahrens von den Strafverfolgungsbeh�rden zu ermitteln sind, wenn das erforderlich ist.

13 RiStBV
Feststellung der pers�nlichen Verh�ltnisse des Beschuldigten

(1) Die pers�nlichen Verh�ltnisse des Beschuldigten, besonders die richtige Schreibweise seines Familien- und Geburtsnamens, sein Geburtstag und Geburtsort und seine Staatsangeh�rigkeit, sind sorgf�ltig festzustellen; f�hrt er einen abgek�rzten Vornamen, so ist auch der volle Vorname anzugeben. Bei Ausl�ndern sind die Passnummer und die Namen der Eltern (einschlie�lich deren Geburtsnamen) festzustellen. Wird bei einer Vernehmung auf die Angaben zur Person in einer fr�heren polizeilichen Vernehmung verwiesen, so sind diese mit dem Beschuldigten im Einzelnen durchzusprechen und, wenn n�tig, zu erg�nzen. K�nnen die Eintragungen im Bundeszentralregister f�r die Untersuchung von Bedeutung sein und ist eine Registerauskunft bei den Akten, so ist der Beschuldigte auch hier�ber zu vernehmen. Bestreitet er, die in der Auskunft genannte Person zu sein, oder behauptet er, die Eintragungen seien unrichtig, so ist auch dies in die Niederschrift aufzunehmen.

(2) Der Beschuldigte soll ferner befragt werden, ob er sozialleistungsberechtigt ist (Angaben �ber Rentenbescheid, Versorgungsbescheid, Art der Verletzung), ob er Betreuungen, Vormundschaften oder Pflegschaften f�hrt, ob er die Erlaubnis zum F�hren von Kraft-, Luft- oder Wasserfahrzeugen, eine gewerbliche Erlaubnis oder Berechtigung, einen Jagd- oder Fischereischein, eine waffen- oder sprengstoffrechtliche Erlaubnis oder Genehmigung, ein Schiffer- oder Lotsenpatent besitzt (Angabe der ausstellenden Beh�rde und der Nummer des Ausweises), ob er f�r die laufende oder f�r die n�chste Wahlperiode als Sch�ffe gew�hlt oder ausgelost ist (Angabe des Ausschusses nach � 40 GVG) und ob er ein richterliches oder ein anderes Ehrenamt in Staat oder Gemeinde aus�bt.

(3) Ist der Beschuldigte ein Soldat der Bundeswehr, so sind der Dienstgrad, der Truppenteil oder die Dienststelle sowie der Standort des Soldaten festzustellen. Bei Reservisten der Bundeswehr gen�gt die Angabe des letzten Dienstgrades.

(4) Besteht Fluchtgefahr, so ist festzustellen, ob der Beschuldigte einen Pass oder einen Personalausweis besitzt.

(5) Nach dem Religionsbekenntnis darf der Beschuldigte nur gefragt werden, wenn der Sachverhalt dazu Anlass gibt.

(6) Die Angaben des Beschuldigten sind, soweit veranlasst, nachzupr�fen; wenn n�tig, ist eine Geburtsurkunde anzufordern.

14 RiStBG
Aufkl�rung der wirtschaftlichen Verh�ltnisse des Beschuldigten

(1) Die Einkommens- und Verm�gensverh�ltnisse des Beschuldigten sind aufzukl�ren. Es ist festzustellen, welchen Beruf der Beschuldigte erlernt hat und welchen er aus�bt (Angabe des Arbeitgebers). Bei verheirateten Beschuldigten ist auch der Beruf des Ehegatten, bei Minderj�hrigen auch der der Eltern anzugeben. Es ist ferner zu ermitteln, wie viel der Beschuldigte verdient, welche anderen Eink�nfte, z.B. Zinsen aus Kapital, Mieteinnahmen er hat, ob er Grundst�cke oder anderes Verm�gen besitzt und welche Umst�nde sonst f�r seine Zahlungsf�higkeit von Bedeutung sind. In geeigneten F�llen soll der Beschuldigte befragt werden, ob er die Finanz- und Steuerbeh�rden erm�chtigt, den Justizbeh�rden Auskunft zu erteilen. Dabei kann er auch darauf hingewiesen werden, dass seine Eink�nfte, sein Verm�gen und andere Grundlagen f�r die Bemessung eines Tagessatzes gesch�tzt werden k�nnen (� 40 Abs. 3 StGB).

(2) Ist der Beschuldigte erwerbslos, so ist zu ermitteln, wie viel Unterst�tzung er erh�lt und welche Kasse sie zahlt.

(3) Bestehen gegen die Angaben des Beschuldigten �ber seine wirtschaftlichen Verh�ltnisse Bedenken oder wird vermutet, dass sie sich nachtr�glich wesentlich ge�ndert haben, so kann sich der Staatsanwalt der Gerichtshilfe (� 160 Abs. 3 StPO) bedienen. In manchen F�llen wird es gen�gen, eine Auskunft des Gerichtsvollziehers oder des Vollziehungsbeamten der Justiz oder eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts einzuholen. Ist es nicht vermeidbar, eine Polizei-, Gemeinde- oder andere Beh�rde um eine Auskunft �ber die wirtschaftlichen Verh�ltnisse des Beschuldigten zu ersuchen, so soll sich das Ersuchen m�glichst auf bestimmte Fragen beschr�nken.

Der Text wurde der bundeseinheitlich geltenden Fassung entnommen, die von den L�ndern durch eine Vielzahl von Erlassregelungen ge�ndert wurden. [En07]

Ende des Kapitels

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� 127 StPO (Vorl�ufige Festnahme)
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15 Quellen

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Wie lange festhalten?

104 Abs. 2 Satz 1 GG ein Richtervorbehalt für die Freiheitsentziehung besteht. Die Höchstdauer der Festhaltung beträgt nach Absatz 3 insgesamt 12 Stunden. Diese Frist ist zwingend einzuhalten.

Wer darf mich festnehmen?

Das Festnahmerecht nach § 127 StPO steht „jedermann“, also jeder Privatperson zu. Dies schließt auch Minderjährige (Kinder und Jugendliche) mit ein. Der Festnehmende muss selbst nicht Opfer der Tat sein. Auch Dritte können von dem Recht Gebrauch machen, wenn sie von der Straftat erfahren.

Wie nimmt man jemanden fest?

Nach § 127 Abs. 1 Satz 1 der Strafprozessordnung ist jedermann befugt, eine Person ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen, wenn diese Person auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird und wenn sie der Flucht verdächtig ist oder ihre Identität nicht sofort festgestellt werden kann.

Welche Voraussetzung müssen erfüllt sein um eine vorläufige Festnahme nach 127 StPO durchführen zu dürfen?

Strafprozeßordnung (StPO) § 127 Vorläufige Festnahme (2) Die Staatsanwaltschaft und die Beamten des Polizeidienstes sind bei Gefahr im Verzug auch dann zur vorläufigen Festnahme befugt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls oder eines Unterbringungsbefehls vorliegen.