Von was stammt der Affe ab

Die Zeitrechnung der Evolutionsbiologen beginnt im Jahre 1859 mit der Veröffentlichung des Werkes „Über die Entstehung der Arten“ von Charles Darwin. Darwin hatte aufbauend auf dem Gedankengut seiner Zeit einen Mechanismus „entdeckt“, der die Entstehung von Arten ganz aus sich selbst heraus erklärte, ohne das Zutun einer überirdischen Macht. Eine Aussage des bedeutenden Zoologen G.G. Simpson verdeutlicht die Tragweite von Darwins Werk: „Ich möchte behaupten, dass alle Versuche, die Frage „Was ist der Mensch?“ vor dem Jahre 1859 zu beantworten, wertlos sind und dass es für uns besser ist, sie völlig zu ignorieren.“

Der Mittelpunkt der Erde?

Von was stammt der Affe ab
Die Annahmen Charles Darwins revolutionierten die Evolutionsbiologie. © gemeinfrei

Die herausragende Stellung des Menschen im Zentrum der Schöpfung hatte schon vor Darwins Werk durch drei wichtige wissenschaftliche Entwicklungen gelitten. Die kopernikanische Wende hatte die Erde und ihre menschlichen Bewohner aus dem Mittelpunkt des Kosmos gerückt. Sie verdeutlichte, dass nicht alles, was in der Bibel stand, wörtlich zu nehmen war.

Die Ergebnisse der Geologie, vor allem die Arbeiten von Charles Lyell verwiesen darauf, dass die Erde bereits wesentlich älter war als dies einige Gelehrte nach Angaben der „Heiligen Schrift“ errechnet hatten. Schließlich lieferten die ersten Fossilfunde Hinweise dafür, dass die belebte Welt eben nicht seit Anbeginn der Schöpfung unverändert geblieben war.

Der Mensch – ein Tier

Dann kam Charles Darwin und deutete nur vage an, was ihm bei der Veröffentlichung seiner „Entstehung der Arten“ 1859 längst klar war: „Licht wird auch fallen auf den Menschen und seine Geschichte“. Es war einer der letzten Sätze seines Buches und der einzige zum Ursprung des Menschen.

Aber jeder, der das Werk gelesen hatte, schlussfolgerte, was Darwin in seiner zurückhaltenden Art gemeint hatte: Genau wie alle Tierarten hatte auch die menschliche Spezies nicht unverändert seit Beginn der Zeit auf dem Planeten gelebt, sondern war das Produkt einer Evolution, einer allmählichen Entwicklung. Durch „natürliche Zuchtwahl“ – das Wort der ersten deutschen Übersetzung – war er zum aufrechtgehenden, haarlosen und über sich selbst reflektierenden Wesen geworden.

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Die Idee von einer Evolution des Lebendigen über viele Millionen Jahre hinweg, bei der eine Art aus einer anderen Art hervorgeht, war an sich schon für viele Zeitgenossen Darwins unbegreiflich, auch wenn es bereits vor Darwin Evolutionstheorien gegeben hatte. Dass aber auch der Mensch, das Abbild Gottes, aus einer anderen Art hervorgegangen sein sollte, schien für diejenigen, die die Bibelworte der Genesis als Schöpfungsbericht wörtlich nahmen, undenkbar.

Von Angst und Scham

Von was stammt der Affe ab
Dass der Mensch vom Affen abstammt, war zunächst unvorstellbar. © Tkgd2007/CC-by-sa 3.0

Schnell machte ein Satz die Runde und war Anlass für zahlreiche Karikaturen: „Der Mensch stammt vom Affen ab!“ Die Vorstellung ließ so manchen erschauern: Am Rande des Kosmos, hauste der Mensch auf einem uralten Planeten als Nachfahre blöder, unzivilisierter und stinkender Affen!

Als die Frau des Bischoffs von Worcester von den Ideen Darwins hörte, soll sie peinlich berührt und sorgenvoll gen Himmel gefleht haben: „Wenn es wahr ist, dann lasst und beten, dass es nicht allgemein bekannt wird!“ Ihr Wunsch wurde nicht erhört, auch wenn die Sache mit den Affen nur die halbe Wahrheit war.

Für den naturwissenschaftlich gebildeten Menschen steht es wohl heutzutage außer Frage, dass der Mensch, wie alle anderen Lebewesen auch, ein Produkt der Evolution ist und dass es einen gemeinsamen Vorfahren aller heute lebenden Primaten, einschließlich des Menschen, gegeben hat. Das Problem scheint daher eher ein semantisches zu sein: Wie bezeichnen wir unsere gemeinsamen Vorfahren? Wissenschaftlich korrekt ist in jedem Fall die Bezeichnung „Primat“. In der deutschsprachigen Wissenschaft bezeichnet man die Anthropoidea, jene Gruppe, die sich nach Aufspaltung der Trockennasenprimaten von den Koboldmakis getrennt hat als „eigentliche Affen“, in neuerer Literatur auch nur noch als „Affen“. Diese beinhalten alle Familien der Breitnasen- und Schmalnasenaffen, einschließlich Menschenaffen - und damit den Menschen. Wenn man also bereits diesen ersten Anthropoiden, der vor 64 Millionen Jahren lebte, als Affen bezeichnet, muss man folgerichtig davon ausgehen, dass unsere Vorfahren der letzten 64 Millionen Jahre Affen waren. Es bleibt also nur eine einzige logische Antwort auf die Frage: Der Mensch stammt nicht nur vom Affen ab, er ist auch einer.

Manchmal braucht es ein wenig Geduld, so Jean-Jacques Jaeger, bevor man in der Wissenschaft Antworten auf eine Frage findet. Die Frage, die den Paläontologen von der französischen Université de Poitiers seit Jahrzehnten selbst antreibt, konnte er nun beantworten.

"Dieser Fund schließt eine Lücke in unserer Theorie, dass der Ursprung der höheren Primaten Afrikas in Asien liegt. Wir haben diese Überlegung zwar schon vor zwei Jahren vorgestellt, aber uns fehlte damals noch der wirklich entscheidende Beweis. Den haben wir jetzt erbracht."

Bei dem Beweis handelt es sich um vier Zähne eines Primaten, die Jean-Jacques Jaeger und seine Kollegen in Myanmar entdeckt haben.

"Wir haben rund sechs Tonnen Material durchsucht, bevor wir gerade einmal diese vier Zähne dieses eigentümlichen, kleinen Tieres entdeckt haben."

Mit bloßem Auge sind die Zähne von Afrasia jedoch nicht auszumachen. Hochgerecht brachte der Affe zu Lebzeiten vor rund 37 Millionen Jahren gerade einmal 100 Gramm auf die Waage.

"Diese Zähne sind extrem klein. Wir mussten Lupen und Mikroskope benutzen, um sie zwischen den ganzen Steinchen des Abraumes zu finden. Wir haben wirklich Sandkorn für Sandkorn sortiert, um einzelne Zähne zu entdecken."

Wie der Gattungsname Afrasia andeutet, soll der Fund die Verbindung Asiens und Afrikas hervorheben. Denn er beweist, dass sich die höheren Primaten erst und ausschließlich in Asien entwickelten, bevor sie nach Afrika zogen. Damit passen auf einmal auch die Primatenfossilien ins Theoriegebäude, die Jean-Jacques Jaeger vor zwei Jahren in Libyen entdeckt hatte. Diese Knochen waren 39 Millionen Jahre alt und gelten als älteste Vertreter der Affen, die je in Afrika gefunden wurden. Jedoch war damals nicht klar, wo die Entwicklung hin zu den höheren Primaten stattgefunden hat: in Asien oder Afrika. Die neuen Knochen jedoch zeigen nun eindeutig, dass der Weg von Asien nach Afrika ging. Denn in Asien können die Forscher nun die stete Entwicklung der Primaten anhand von Fossilien nachweisen. In Afrika hingegen tauchen diese Tiere erst sehr spät auf. Erstaunlich sei jedoch die Ähnlichkeit der alten Funde aus Libyen und den neuen aus Myanmar, so Jean-Jacques Jaeger.

"Die oberen Backenzähne sehen sich nicht nur ähnlich, sondern sie sind identisch! Und genau das macht den Fund so bedeutsam. Es geht nicht um Ähnlichkeiten, sondern um tatsächliche Gemeinsamkeiten. Lediglich bei den unteren Backenzähnen gibt es winzige Unterschiede, aber es gibt keinen Zweifel an der Tatsache, dass wir es hier mir zwei eng verwandten Spezies zu tun haben."

Wie diese frühen Primaten vor rund 40 Millionen Jahren die 8000 Kilometer von Asien bis nach Nordafrika zurückgelegt haben, wissen die Forscher noch nicht. Fest steht nur, dass diese Tiere Afrika eroberten. Viele Millionen Jahre später entwickelten sich aus ihnen unter anderem jene Vertreter, aus denen unsere Vorfahren hervorgegangen sind. Jedoch sind solche frühen Entwicklungen der Affen in Bezug auf die Menschwerdung reine Spekulation. Denn auch noch vor 20 Millionen Jahren, und damit 19 Millionen Jahre nach dem Auftreten der ersten kleinen Affen in Afrika, lebten immer noch die gemeinsamen Vorfahren aller Menschenaffen, einschließlich des Menschen selbst.

Was ist der Vorfahre des Affen?

Den Feuchtnasenprimaten gegenüber stehen die Trockennasenprimaten, die sich vor rund 64 Millionen Jahren in Koboldmakis (Tarsiiformes) und eigentliche Affen (Anthropoidea) aufgespalten haben. Die Familie der kleinen nachtaktiven Koboldmakis mit den großen Augen lebt mit elf Arten in Südostasien.

Was ist der gemeinsame Vorfahre von Mensch und Affe?

Der gemeinsame Vorfahr von Menschen und Schimpansen lebte vor rund sieben Millionen Jahren. Tatsächlich kommen auch Grabowski und Jungers zu dem Schluss, dass er die Größe eines Schimpansen hatte. „Diese Annahme konnten wir erstmals auch mit quantitativen Berechnungen belegen“, sagt Grabowski.

Wo kommen die Affen her?

Die evolutionäre Herkunft der Affen ist bisweilen unklar: Sie könnten in Afrika entstanden oder sich aber in Asien entwickelt haben und von dort nach Afrika eingewandert sein. Funde aus Libyen legen nun nahe, dass die zweite Theorie stimmt.

Wer war der erste Affe?

Damit passen auf einmal auch die Primatenfossilien ins Theoriegebäude, die Jean-Jacques Jaeger vor zwei Jahren in Libyen entdeckt hatte. Diese Knochen waren 39 Millionen Jahre alt und gelten als älteste Vertreter der Affen, die je in Afrika gefunden wurden.