Unterschied rhythmusstörungen im vorhof und in der herzkammer

Stand: 15.08.2021 14:20 Uhr

Vorhofflimmern gehört zu den häufigsten Formen von Herzrhythmusstörungen. Gesunde Ernährung und Bewegung können helfen. Eine Katheterablation und eine neue OP-Methode sind zudem eine mögliche Therapie.

In Deutschland sind etwa 1,8 Millionen Menschen von Vorhofflimmern betroffen. Am Anfang tritt es meist anfallartig auf (Paroxysmales Vorhofflimmern). Im Verlauf haben Betroffene dann oft eine dauerhafte Herzrhythmusstörung. Zu den typischen Symptomen gehören Schwächegefühl, Herzrasen, starkes Herzklopfen, Herzschmerzen, Angstgefühl und vor allem Atemnot bei körperlicher Belastung und schnellem Herzschlag. Oft werden jedoch überhaupt keine Symptome wahrgenommen.

Hauptproblem ist das große Risiko, das mit dem Vorhofflimmern verbunden ist: Es gehört zu den wichtigsten Ursachen eines Schlaganfalls. Um Vorhofflimmern frühzeitig zu erkennen und die Gefahr eines Schlaganfalls zu senken, fordern Experten ein Screening mit Pulsmessen und EKG für alle Menschen ab 65 Jahren. Das zweite Problem: Je länger das Vorhofflimmern andauert, desto eher wird das Herz durch die schnelle Herzschlagfolge geschädigt und es kann zu Herzschwäche kommen.

Risikogruppen für Vorhofflimmern

An Vorhofflimmern leiden vor allem Menschen im höheren Lebensalter. Zu den Ursachen gehören:

  • Bluthochdruck
  • koronare Herzkrankheit
  • Herzklappenfehler
  • Herzmuskelschwäche
  • Schilddrüsenüberfunktion

Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer. Nicht immer lassen sich eindeutige Ursachen finden.

Tabletten gegen Rhythmusstörungen und blutverdünnende Medikamente

Bei Vorhofflimmern schlagen die Vorhöfe des Herzens nicht im regelmäßigen Herzrhythmus. Sie pumpen das Blut nicht mehr vollständig in die Kammern. In manchen Bereichen kommt der Blutstrom zum Stillstand, zum Beispiel in einer kleinen Ausbuchtung des linken Vorhofs, dem sogenannten Herzohr. Bildet sich hier ein Gerinnsel, kann es mit dem Blutstrom ins Gehirn gespült werden und dort einen schweren Schlaganfall auslösen.

Deshalb sollten Betroffene mit Vorhofflimmern je nach individuellem Risiko blutverdünnende Medikamente bekommen, die die Gerinnselbildung verhindern.

Medikamente gegen die Herzrhythmusstörung selbst können bei anfallsweisem Vorhofflimmern das Herz bei Bedarf wieder in den richtigen Rhythmus bringen. Diese Therapie heißt "pill in the pocket" (auf Deutsch: Pille für die Hostentasche), da man die Pille immer bei sich tragen sollte.

Reichen Medikamente nicht aus, um den Herzrhythmus zu normalisieren, können Ärzte versuchen, das Herz mit Stromimpulsen von außen wieder in den richtigen Takt zu bringen (Elektroschocks, Kardioversion). Danach können dauerhaft eingenommene Herzmittel (Anti-Arrhythmika) helfen, das Herz im richtigen Rhythmus zu halten.

Gesunde Ernährung und Bewegung gegen Vorhofflimmern

Daneben gibt es noch eine weitere, ganz wichtige Therapiestrategie: Wer seinen Lebensstil ändert und mit gesunder Ernährung und viel Bewegung sein Körpergewicht deutlich reduziert, kann seine Rhythmusstörung und damit auch das Schlaganfallrisiko besiegen. Aktuelle Studien zeigen, dass jeder zweite Patient sein Vorhofflimmern durch Änderung seines Lebensstils und Verringerung des Körpergewichts lindern oder sogar loswerden könnte. Doch nur jeder zehnte Betroffene nimmt diese Chance auch tatsächlich wahr, schätzen Experten.

Herzzellen mit Katheterablation veröden

Wenn medikamentöse Therapie und Veränderung des Lebensstils nicht helfen und sich die Anfälle des Vorhofflimmerns häufen oder längere Zeit anhalten, kann eine Katheterablation helfen. Dabei werden die elektrischen Störquellen im Herzen verödet, um die Häufigkeit des Vorhofflimmerns deutlich zu reduzieren oder es komplett auszuschalten. Auf diese Weise lässt sich nicht nur die Lebensqualität des Betroffenen verbessern, sondern im besten Fall auch eine Herzschwäche verhindern. Die Erfolgschance dieses Verfahrens ist am größten, wenn das Vorhofflimmern noch von allein kommt und geht (paroxysmales oder anfallartiges Vorhofflimmern), und es höchstens eine Woche anhält. Dann liegt die Erfolgsquote bei über 80 Prozent.

Ist das Vorhofflimmern dagegen rund um die Uhr vorhanden und schlägt das Herz überhaupt nicht mehr in einem normalen Rhythmus, ist die Erfolgschance deutlich geringer. Auch bei mehrmaliger Wiederholung der Ablation liegt die Erfolgsquote dann unter 50 Prozent.

So verläuft die Ablation

Bei der Ablation wird ein spezieller Katheter durch die Leistenvene bis in das Herz geführt. Mithilfe von Hochfrequenzstrom oder durch Kälte (Kryoballon-Ablation) versucht der Kardiologe, Herzmuskelzellen im Übergangsbereich von Lungenvenen und linkem Vorhof zu veröden. Dabei sollen die störenden elektrischen Impulse unterbrochen und das Vorhofflimmern beendet werden.

Wann eine Ablation sinnvoll ist

In jedem dritten Fall kehrt das Vorhofflimmern nach einiger Zeit zurück und die Ablation muss möglicherweise auch mehrmals wiederholt werden, bis die Anfälle komplett aufhören. Ob eine Ablation sinnvoll ist, muss individuell entschieden werden. Die Erfolgschance dieses Verfahrens ist auch abhängig von der Erfahrung des behandelnden Arztes. Betroffene sollten sich deshalb möglichst an ein Herzzentrum wenden, in dem die Katheterablation zu den Routineverfahren gehört. Bei der Suche nach passenden Spezialisten hilft zum Beispiel die Deutsche Herzstiftung.

Auch nach erfolgreicher Behandlung des Vorhofflimmerns mit Medikamenten, Kardioversion oder Ablation bleibt die Schlaganfallgefahr bestehen. Daher müssen die Tabletten zur Blutverdünnung meistens lebenslang eingenommen werden.

AV-Knoten-Verödung in besonders schwierigen Fällen

Führt die Katheterablation nicht zum Erfolg, gibt es inzwischen eine neue Option: Durch Verödung des AV-Knotens wird die elektrische Verbindung zwischen Vorhof und Hauptkammer komplett gekappt und durch einen Herzschrittmacher ersetzt.

Neue Methode: OP statt Blutverdünner

Mit einer neuen Methode kann ein Schlaganfall nach aktuellen Erkenntnissen genauso gut verhindert werden wie mit Blutverdünnern. Allerdings handelt es sich um einen Eingriff mit entsprechenden Risiken. Neue Erkenntnisse zeigen: Um rund ein Drittel lässt sich die Zahl der Schlaganfälle senken, wenn während einer Herz-Operation (zum Beispiel Bypass- oder Herzklappen-OP) bei Personen mit Vorhofflimmern das Vorhofohr mitverschlossen wird. Diese Erkenntnise könnten die Praxis verändern.

Schirmchen verschließt Herzohr

Ein kleines Schirmchen kann für Betroffene eine wirkungsvolle Alternative sein. Damit kein gefährliches Bluttgerinnsel im Vorhofohr entstehen kann, wird es verschlossen. Dafür wird ein spezieller Katheter in den rechten Vorhof geschoben. Dieser durchbohrt die Scheidewand zwischen den Herzvorhöfen und schafft so den Zugang zum Herzohr im linken Vorhof. Über einen Führungsdraht wird dann das Schirmchen in das Herzohr eingeführt und entfaltet. Durch kleine Widerhaken wird es fixiert und verschließt die Ausstülpung. Der Schutzschirm verbleibt dauerhaft im Herz. Mit der Zeit wächst dann Herzinnenhaut über das Schirmchen.

Auf Blutverdünner verzichten

Diese neue Methode könnte dazu führen, dass viele Betroffene zukünftig auf Blutverdünner verzichten können. Diese Medikamente sorgen dafür, dass das Blut so verdünnt wird, dass es gar nicht erst gerinnen kann. Diese Therapie muss aber regelmäßig kontrolliert werden, denn Nebenwirkungen wie Nierenprobleme oder Gewichtsabnahme können gerade bei älteren Betroffenen auftreten. Auch eine Unverträglichkeit ist möglich.

Individuelles Risiko für Schlaganfall ermitteln

Das individuelle Schlaganfall-Risiko bei Vorhofflimmern lässt sich durch die Berechnung des sogenannten CHA2DS2-VASc-Scores abschätzen. Der Wert gibt Auskunft über die Wahrscheinlichkeit, innerhalb eines Jahres einen Schlaganfall zu erleiden. Er wird ermittelt, indem Punkte für unterschiedliche Risikofaktoren zusammengezählt werden:

  • Alter zwischen 65 und 74 Jahre: 1 Punkt
  • Alter ab 75 Jahre: 2 Punkte
  • Schlaganfall in der Vergangenheit: 2 Punkte
  • Diabetes mellitus: 1 Punkt
  • Bluthochdruck: 1 Punkt
  • ausgeprägte Herzschwäche: 1 Punkt
  • weibliches Geschlecht: 1 Punkt
  • Gefäßverengungen infolge einer Arteriosklerose (Koronare Herzkrankheit, periphere Verschlusskrankheit): 1 Punkt

Das Addieren der Punkte ergibt einen Wert zwischen 0 und 9, der dem individuellen Risiko entspricht. Dabei steht die "0" für "keine weiteren Risikofaktoren" und die "9" für "maximale Risikofaktoren".

Bei einem Gesamtwert von "5" kommt es laut Statistik bei 84 von 1.000 Menschen mit diesem Risiko innerhalb von einem Jahr zu einem Schlaganfall. Wenn 1.000 Menschen mit diesem Risiko dagegen blutverdünnende Medikamente einnehmen, bekommen nur 29 von ihnen einen Schlaganfall.

Wenn neben Vorhofflimmern keine weiteren Risikofaktoren vorliegen, kommt es statistisch gesehen bei zwei von 1.000 Betroffenen innerhalb eines Jahres zu einem Schlaganfall. In diesem Fall muss der Arzt abwägen, ob die Einnahme eines Blutverdünners zur Vorbeugung eines Schlaganfalls sinnvoll ist. Durch die Therapie steigt jedoch das Risiko für Blutungen.

Hamburg City Health Study

Vorhofflimmern ist auch ein zentrales Thema der Hamburg City Health Study (HCHS). Sie ist die größte lokale Gesundheitsstudie der Welt und findet auf Initiative des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) statt. Ziel der Studie ist es, das Zusammenspiel von Umwelt, Biologie, Genetik und Lebensstil zu verstehen, das möglicherweise hinter der Entstehung von Erkrankungen steht. Dazu sollen insbesondere Risikofaktoren für die häufigsten Volksleiden wie Herzinfarkt, Vorhofflimmern, Schlaganfall oder Demenz identifiziert werden. Seit dem Frühjahr 2015 werden 45.000 Hamburgerinnen und Hamburger im Alter von 45 bis 74 Jahren untersucht.

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Visite | 17.08.2021 | 20:15 Uhr

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Unterschied rhythmusstörungen im vorhof und in der herzkammer

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Was ist der Unterschied zwischen Vorhof und Kammerflimmern?

Was ist der Unterschied zwischen Vorhofflimmern und Kammerflimmern? Im Gegensatz zum Vorhofflimmern verliert beim Kammerflimmern die Herzkammer ihren Pump-Rhythmus. Dies ist sehr viel gefährlicher, da nun kein Blut mehr koordiniert in das Gehirn und den Körper gepumpt werden kann.

Was ist der Unterschied zwischen Vorhofflimmern und Rhythmusstörungen?

Von einer Herzrhythmusstörung (Arrhythmie) wird gesprochen, wenn das Herz unregelmässig schlägt. Beim Vorhofflimmern (der sogenannten absoluten Arrhythmie) schlägt das Herz unkoordiniert, wobei die kleinen Kammern, also die Vorhöfe, nicht mehr schlagen, sondern lediglich unkontrolliert flimmern.

Was unterscheidet das Vorhofflimmern vom Vorhofflattern?

Bei Menschen mit Vorhofflimmern ist der Puls unregelmäßig und in der Regel schnell. Beim Vorhofflattern ist der Puls gewöhnlich schnell und kann regelmäßig oder unregelmäßig sein. Die eingeschränkte Pumpleistung des Herzens kann Schwäche- und Ohnmachtsgefühle sowie Kurzatmigkeit hervorrufen.

Welche Rhythmusstörungen sind gefährlich?

Herzrhythmusstörungen werden in der Regel nur dann gefährlich, wenn sie bei einer schweren Herzkrankheit auftreten, zum Beispiel einer Erkrankung der Herzkranzgefäße, einem Herzinfarkt oder einer Herzschwäche”, sagt Prof. Meinertz.