Psychologie Familie in Tieren Bedeutung Gorilla

Zu Beginn eine Geschichte aus der Praxis für Eltern als „Amateurpsychologen“: An einem trüben Sonntag kommt der Papa auf die Idee, statt Mikado oder gar Fernsehen einmal „Familie in Tieren“ (F.i.T.) zu spielen. Die große Anna (10) und der kleine Lorenz (6) legen begeistert los.

Anna zeichnet den Papa als Bären, die Mama als lustige Gans, ihr kleiner Bruder ist ein Hamster und sie selbst eine schnurrende Katze. Lorenz stellt sich selbst als Löwen dar, seine Mutter sieht aus wie Pikachu von Pokémon, Anna ist eine kleine Kuh und etwas am Rand des Blattes, das einem Wurm ähnet, der Papa.

Interpretation der gezeichneten „Idylle mit kleinen Schönheitsfehlern“: Ein Bär ist ein großes, gutmütiges Tier, mit dem es sich gut kuscheln lässt. Gänse schnattern viel, sind aber auch aufmerksam und mutige Wachtiere – das weiß Anna vom letzten Urlaub auf dem Bauernhof. Und ihr Bruder, der hamstert immer ihre Spielsachen. Sie selbst will schnurren und gestreichelt werden. „Ein Löwe kann brüllen“, sagt der kleine Lorenz. „Pikachu ist ganz, ganz lieb, Anna ist die dumme Kuh, die immer alles besser weiß. Und der Papa? Der ist ein Elefant, aber da war nur noch Platz für den Rüssel.“ Vorsicht. Spannungen gibt es in jeder Familie, aber wenn überwiegend furchterregende Tiere gezeichnet werden, kann die Situation schon als bedenklich gewertet werden. Univ .Prof. Dr. Brigitte Rollett vom Institut für Entwicklungspsychologie der Universität Wien warnt deshalb vor allzu leichtfertigem Umgang mit F.i.T., „weil sich dadurch Animositäten unter den Familienmitgliedern noch verschärfen können“.

Wissenschaftlicher Background?
„Familie in Tieren“ wurde in den 1950er-Jahren von der Münchner Psychologin Luitgard Brem-Gräser entwickelt – in einer Zeit, da psychologische Statistik bzw. Standardisierung von Testverfahren noch nicht so entwickelt waren. Hier setzt auch die Kritik „moderner“ Psychologen an. Diagnostiker der Wiener Uni weisen zunächst auf die praktisch unendliche Vielfalt der Darstellungen hin: Neben der Fülle von Tieren sind auch die formale Darstellung – Größenverhältnis, Gruppierung, Reihenfolge – sowie die Atmosphäre, in der ein Kind zeichnen will oder eben nicht, sehr komplex. Urteilende werden zu Spontanhypothesen verleitet, die naturgemäß auch subjektive Komponenten (des Auswerters nämlich) enthalten. Daher die Conclusio: Das Verfahren erfüllt nicht die nach heutigem Stand geforderten testtheoretischen Ansprüche. Eslässt sich also – obwohl das im Einzelfall natürlich sehr verlockend ist – nicht klar formulieren, was es heißt, wenn beispielsweise der Vater einen Gorilla und die Mutter einen Pfau abgeben. Oder etwa ein (vermutbar) defensiver Papa eine Maus und die dominante Mama einen Elefanten …

Trotzdem: In einer vom Wissenschaftsmagazin „Psychologie heute“ zusammengestellten Hitliste der am häufigsten angewendeten Testverfahren steht F.i.T noch immer weit oben. Tatsächlich wird dieser projektive Test in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gern am Beginn von psychologischen Untersuchungen herangezogen, wenn aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten eines Kindes Beobachtung angezeigt ist. Man setzt ihn auch dafür ein, mit den Kindern in Kontakt zu kommen, um das Eis zu brechen. Selbstverständlich ist es unumgänglich, mit dem Kind die subjektive Bedeutung der gezeichneten Tiere zu besprechen. Nicht zuletzt kann F.i.T. wie eingangs beschrieben als Spiel mit Tiefgang durchaus öfter – auch zur Betrachtung von Veränderungen – auf den Tisch gebracht werden.

  Vorteile Nachteile
Schlange: geschmeidig, klug, schnell tükisch, neidisch, eitel
Vogel: beschwingt, lustig, fliegend flüchtig, frech, kleinmütig
Hase: anmutig, sauber, harmlos feig, hastig, hoppelig
Hund: wachsam, treu, gelehrig bissig, ruppig, gefräßig
Pferd: edel, treu, stark, schön bissig, empfindlich,wiehernd
Elefant: stark, gescheit, gutmütig reizbar, eigensinnig, dick
Fisch: geschmeidig, stumm, geheimnisvoll ängstlich, langweilig, glitschig
Katze: putzig, verspielt, schmeichlerisch falsch, bissig, grausam
Ente: arglos, sauber, fürsorglich geschwätzig, gierig, streitsüchtig
Schwein: nützlich, geduldig, quitschvergnügt faul, plump, gefräßig

Foto: Shutterstock.com Ievgenia Tkach

Die Familie in Tieren nach Luitgard Brem-Gräser (1957) ist eine projektive Untersuchungsmethode für Kinder, bei der der Proband seine Familienmitglieder als Tiere zeichnerisch darstellen soll. Die Methode zählt wie der Rorschach-Test zu den projektiven Verfahren. Durch die zeichnerische Anwendung soll es dem Kind leichter fallen, sich rückschlussgebend zu äußern. Kinder können so Konflikte im familiären Zusammenhang darstellen, ohne sich dabei der Sprache zu bedienen. Die Durchführung erfolgt in einer ruhigen Atmosphäre. Die Instruktion lautet, dass das Kind sich seine Familie in Tieren vorstellen und diese Tiere jetzt zeichnen soll.

Die Auswertung erfolgt in „freier“ Interpretation nach tiefenpsychologisch oder systemisch orientierten Kriterien zu bestimmten Gesichtspunkten. Die Autorin selbst gibt hier eine Hilfestellung mit einem Katalog der Tiereigenschaften. Als weiteres Kriterium gilt die Anordnung, Größe und Art der Tiere auf dem Bild:

  • Welche Familienmitglieder werden in der gleichen Ebene gezeichnet?
  • Wer wendet sich wem zu?
  • Wer wendet sich von wem ab?
  • Welche räumlichen Distanzen bestehen zwischen den Familienmitgliedern?
  • Wie groß sind die Tiere dargestellt?
  • Welche Übereinstimmungen bzw. Unterschiede gibt es hinsichtlich der Gattung der gezeichneten Tiere (zum Beispiel Haus- oder Wildtiere, Säugetiere, Insekten etc.)?

Anders als beim Rorschach-Test sind die Zeichnungen nicht zwingend a priori bedeutungslos. Sie werden vom Tester subjektiv bewertet.

Beurteilung des Verfahrens[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Testkuratorium deutscher Psychologenvereinigungen kommt in seiner Rezension von 2014 zu dem Ergebnis, dass "Familie in Tieren" aufgrund der ausschließlich auf Intuition beruhenden Interpretation die Mindestanforderungen an Gütekriterien psychodiagnostischer Verfahren nicht erfüllt und rät davon ab, "aufgrund eines bestimmten Testergebnisses eine bestimmte Entscheidung über das Kind [...] zu treffen."[1] Petermann hält die Verwendung von „Familie in Tieren“ daher als Test für nicht verantwortbar und die Verwendung als Explorationshilfe für spekulativ.[2] Christiane Lutz wies diese Einschätzung zurück.[3]

Ritter und Zizek arbeiteten anhand einer Untersuchung auf der Basis der Objektiven Hermeneutik nach Ulrich Oevermann heraus, in welchem Maße sich Familienbeziehungen und Objektrepräsentationen mit diesem Verfahren erfassen lassen.[4]

Variationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Variationen sind u. a. die Testanordnung Verzauberte Familie von Marta Kos-Robes und Gerd Biermann (Untersuchungen ab 1956) und Zoo-Familien-Spiel der italienischen Kinderpsychotherapeutin Sabina Manes (1993).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Luitgard Brem-Gräser: Familie in Tieren – die Familiensituation im Spiegel der Kinderzeichnung. 9. Auflage. Reinhardt-Verlag, München 2006, ISBN 3-497-01887-2.
  • Marta Kos, Gerd Biermann: Die verzauberte Familie, ein tiefenpsychologischer Zeichentest. 5. Auflage. Reinhardt-Verlag, München 2002, ISBN 3-497-01592-X.
  • Sabina Manes: La mamma è una farfalla, papà un delfino. Verlag Arnoldo Mondadori, Milano 1993. (deutsch: Mama ist ein Schmetterling, Papa ein Delphin: Kinderzeichnungen verstehen.) Verlag Piper, München 1998, ISBN 3-492-22558-6.
  • Rezension des Testkuratoriums der Föderation deutscher Psychologenvereinigungen (PDF; 727 kB), Stand 2011
  • Informationen zum projektiven Test Familie in Tieren und Tiercharakteristik

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. F. Baumgärtel, R. Thomas-Langel: TBS-TK Rezension: Familie in Tieren. In: Report Psychologie. 11/12, 2014, S. 453–454.
  2. F. Petermann: Familie in Tieren – Die Familiensituation im Spiegel der Kinderzeichnung. In: Zeitschrift für Differentielle und Diagnostische Psychologie. 18, 1–2, 1997, S. 90–92.
  3. Christiane Lutz: Projektive Verfahren und ihre Verwendung für die psychodynamische Diagnostik bei Kindern und Ugendlichen. In: Hans Hopf, Eberhard Windaus (Hrsg.), (2007). Lehrbuch der Psychotherapie, Band 5: Psychoanalytische und tiefenpsychologisch fundierte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. München: CIP Medien. (S. 159 – 174)
  4. Bertram Ritter;Boris Zizek: Aufschlusspotentiale – Zur schöpferisch-ausdruckshaften Aneignung der Primärgruppe und der eigenen Positionalität in Kinderzeichnungen. In: Klaus Kraimer (Hrsg.): Aus Bildern lernen. Optionen einer sozialwissenschaftlichen Bild-Hermeneutik. Klaus Münstermann Verlag, 2014, ISBN 978-3943084085.