Ist das lachen in Sitcoms echt?

wie es zum Beispiel in Sitcoms1 benutzt wird, fällt auf, dass dieses zwar als soziales Phänomen erkannt wurde, es jedoch nur wenige ausführliche Abhandlungen über selbiges existieren.

Doch ist ein methodischer Diskurs über die soziologische Bedeutung von nicht authentischem Lachen überhaupt zielführend?

Kern des vorliegenden Essays ist es daher, die Bedeutung des nicht authentischen Lachens soziologisch verstehen zu helfen. Dies soll am Beispiel der eingespielten Lachsequenzen2 einer Sitcom (Two and a half men, deutsche Fassung3 ) geschehen. Die Betrachtung erhebt nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, vielmehr soll sie lediglich auf die Wichtigkeit des Themas hinweisen und mögliche Ansätze für die weitere Forschung geben.

Zunächst gilt es jedoch, die Begrifflichkeiten zu klären.

Authentizität wird semantisch aus dem Griechischen abgeleitet und kann mit Urheber übersetzt oder auch als Bezeichnung für eine Person gebraucht werden, die etwas mit eigener Hand vollbringt. Häufig wird im alltäglichen Sprachgebrauch einer authentischen Person die Vorstellung von Echt sein oder Einzigartigem zugeschrieben. Nicht authentisch sein hingegen bedeutet dann nicht ursprünglich sein, nicht im originären Wesen einer Person begründet oder künstlich sein.

Betrachten wir das Lachen im Allgemeinen. Prinzipiell beschäftigt sich die Lachforschung als eigenständige Disziplin mit diesem Themenkomplex. Sie versteht darunter eine der grundlegenden Kommunikationsformen der Menschen, welche als Ausdruck der gegenseitigen Sympathie gilt und eine konfliktbegrenzende Wirkung in Gruppen hat. Grundsätzlich versteht Soziologie -trotz ihrer vielfältigen inhaltlichen Ausrichtungen- wiederum das gesellschaftliche Miteinander von Menschen vor allem als eine nicht aufhörende Sequentialität von Kommunikation, so ist auch die Kommunikationsform Lachen für sie relevant.

Der französische Philosoph und Literaturnobelpreisträger Henri-Louis Bergson gilt als erster Autor, der das Lachen als soziales Phänomen anerkennt. Er hat in seinem im Jahr 1900 veröffentlichten Essay die Frage nach der sozialen Funktion des Lachens

zu beantworten versucht und herausgestellt, dass seiner Meinung nach Sinn und Bedeutung des Lachens im sozialen Bereich liegen.

Eine ebenfalls viel beachtete Analyse über die Gründe des Lachens liefert der deutsche Soziologe Helmuth Plessner in seinem Mitte des vorherigen Jahrhunderts veröffentlichten Werk. Seiner Meinung nach lachen Menschen dann, wenn es für sie keine andere Antwort gibt. In diesem Sinne tritt das Lachen primär dann auf, wenn Menschen in Extremsituationen sind, in denen normale oder bisherige Verhaltensregulationen nicht mehr greifen. Dies gilt vor allem in Situationen, die nicht ernst sind oder nicht ernst genommen werden. Dabei verhalten sich Menschen eruptiv und unvermittelt. Damit sich die Situation für die lachenden Menschen objektiviert, ist es für sie wichtig, mit Anderen gemeinsam zu lachen. Dadurch wird der Anlass des Lachens gleichsam objektiviert.

Gelten diese Annahmen der soziologischen Betrachtung des Lachens auch für das nicht authentische Lachen in Sitcoms?

Eine Sitcom wird definiert als „eine halbstündige Serie, deren Augenmerk sich auf Episoden mit wiederkehrenden Charakteren unter denselben Prämissen richtet. Das heißt, wir begegnen jede Woche denselben Menschen am im Wesentlichen immer gleichen Handlungsort. Die Episoden sind abgeschlossen; was in einer Episode passiert, ist am Ende der halben Stunde gewöhnlich veranschaulicht, erklärt, versöhnt, gelöst.“4

Die ersten Sitcoms, die Anfang der 1950er Jahre in den USA im Fernsehen ausgestrahlt wurden, wurden noch auf der Studiobühne und vor einem Live-Publikum gespielt. Insofern konnte man von dem Studiogelächter im Großen und Ganzen als von einem authentischen oder im Sinne der oben bereits genannten Definition echten und ursprünglichen Lachen der Zuschauer sprechen.5

Im Zuge der Synchronisierung für die inländischen Märkte gab es technische Probleme, da das Publikumsgelächter auf derselben Tonspur wie die amerikanisch sprechenden Schauspieler lag. Die authentische Resonanz der Zuschauer wurde daher durch Lachkonserven im Sinne von eingespielten Lachsequenzen eines imaginären Publikums imitiert. Heute sind Lachkonserven bei Sitcoms die Regel und gelten als eines ihrer Markenzeichen.

Dies ist auch bei der Sitcom „Two and a half men“ der Fall. Diese amerikanische, von

Chuck Lorre seit 2003 produzierte Serie, wird seit 2005 auch in Deutschland ausgestrahlt. Die Serie handelt von dem vierzigjährigen Werbejingle-Komponisten Charly, der ein freizügiges Leben in seinem Strandhaus in Malibu genießt und unzählige kurze Affären hat. Als sich sein Bruder Alan jedoch von seiner Frau trennt und mit seinem 10jährigen Sohn bei Charly einzieht, verändert sich dessen Leben grundlegend. Alan, der charakterlich das genaue Gegenteil von Charlie ist, hat es schwer, sich gegen seine Ex-Frau zu behaupten und ist mit Charlies Lebensstil gar nicht einverstanden. Zudem wird den Dreien durch die unerwünschte Mutter der beiden Brüder, der Haushälterin Berta sowie Charlies „persönlicher“ Stalkerin das Leben erschwert.

Wie üblich in Sitcoms stehen weniger die jeweiligen Situationen der Sendungen als vielmehr die Charaktere der Hauptfiguren im Vordergrund. Die Zuschauer können so schnell eine Sensibilität mit den Charakteren entwickeln und den Humor der Serie sowie das jeweilige Konfliktpotenzial rasch erschließen. Der Typus einer Person kann leicht an dessen Kleidung und seines wiederkehrenden Habitus erkannt werden.

Charly, der Protagonist der oben genannten Sitcom, trägt üblicherweise Bowling- Hemden und Shorts, was ihm zusammen mit seiner lockeren Art das Prädikat „charmanter Schwerenöter“ verleiht. Sein nur geringfügig älterer Bruder hingegen kleidet sich ausgesprochen konservativ, wirkt leicht tollpatschig und hat nicht nur aufgrund seiner Kontrollsucht wenig Chancen bei Frauen. Ein Zusammenleben dieser beiden Charaktere führt somit unweigerlich zu schweren Konflikten, welche durch die temporäre Anwesenheit des 10jährigen Sohns am Wochenende noch erschwert werden.

Eine Sitcom zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie Ideale einer Gesellschaft (bei der oben genannten Sitcom wäre das zum Beispiel das Ideal einer „heilen“ oder klassischen Familie) und deren Kultur (hier: dem scheinbaren Ideal entgegenstehende Scheidungsraten, Single-Dasein etc.) reflektiert. Sie kann Handlungsmuster für den Alltag (hier: der geschiedene Bruder lebt aus praktischen Gründen mit dem Single Charly zusammen) liefern, zeigt dabei aber durch Übertreibungen und mit Hilfe der Komik die der Gesellschaft bekannten Schwächen auf.

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1 Da der Begriff „Sitcom“ im deutschen Sprachgebrauch als etabliert zu sehen ist, wird er auch im Rahmen dieses Essays benutzt und nicht mit der deutschen Langfassung „Situationskomödie“ wiedergegeben.

2 Diese eingespielten Lachsequenzen werden auch als Lachkonserven bezeichnet und im vorliegenden Essay synonym mit dem Begriff des nicht authentischen Lachens (in Sitcoms) verwendet.

3 Ausgestrahlt in Deutschland auf Pro Sieben.

4 Lawrence E. Mintz, Situation Comedy in: TV Genres: A Handbook and Reference Guide, Hg. Brian G. Rose, Westport Greenwood Press, 1985, S. 108

5 Es gilt jedoch zu beachten, dass zum Teil schon damals damit begonnen wurde, auch das LivePublikum in die Dramaturgie einer Aufführung bewusst einzubinden, wobei die Zuschauer dann lachen mussten, wenn sie die Aufforderung von der Regie bekamen.

Ist das Lachen bei Friends echt?

Friends“ wurde vor einem realen Publikum gedreht. Nur besonders entscheidende Szenen wurden nicht vor Zuschauern gespielt, um mögliche Spoiler zu verhindern. Wenn du also in der Serie Lacher hörst, sind die meistens echt.

Warum lachen in amerikanischen Serien?

Um das Lachen authentischer und individueller erscheinen zu lassen, werden viele Sitcoms vor Publikum aufgezeichnet. In die Tonspur gelangen so auch Applaus, Zwischenrufe und Ausdruck der Überraschung, des Erstaunens oder Enttäuschung, wie zum Beispiel Stöhnen.

Welche Sitcoms werden vor Publikum gedreht?

Die meisten Sitcoms werden in den USA (in Deutschland eher selten) vor Live-Publikum aufgezeichnet. Das geschieht dann meistens im Mehr-Kamera-Verfahren mit drei bis fünf Kameras, weil es zeitsparender ist. Die Kameras sind dabei auf im Studiobetrieb üblichen, sogenannten Pumpstativen („Pumpen“) montiert.

Woher kommen die Lacher bei Friends?

Erstmals kam die Lachkonserve, also eingespieltes Lachen vom Tonband, 1950 in der US-amerikanischen Sitcom „The Hank McCune Show“ zum Einsatz. Die Produzenten nahmen an, dass Menschen, die allein fernsehen, nicht allein lachen würden und dazu animiert werden müssten.