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Die Entscheidung für Ursula von der Leyen und Christine Lagarde wird als Geschacher kritisiert. Das Ergebnis aber ist ermutigend – besonders für die EZB und die Wirtschaft Europas

Zwei starke Frauen werden voraussichtlich Europa führen. Noch wird geschäumt, gefeixt und kritisiert – aber das Ergebnis wird gut sein. Die Kandidatenkür für die Posten des Kommissionspräsidenten und des Chefs der EZB war ein unwürdiges Geschacher, aber das waren solche Wahlen schon immer. Erstaunlich ist eher, wer darüber noch erstaunt ist.

Die Inszenierung eines Spitzenkandidaten während der Wahl wird dann absurd, wenn alle vorher wissen, dass er es nicht wird, weil er zu schwach ist. Und wenn die, die an ihm als erstes sägen, später über eine Hinterzimmerpolitik klagen. Schon immer gab es in Europa die historische Arithmetik und den Proporz der Länder, und diese Entscheidung ist ein Triumph der Länder, des deutsch-französischen Kerns.

Das alles mag unschön sein, aber wie schon Helmut Kohl sagte: „Entscheidend ist, was hinten rauskommt.“ Und rausgekommen ist: Zwei starke Frauen werden zwei Spitzenämter Europas bekleiden, umzingelt im Übrigen von zu vielen zweifelhaften Männern mit zu großem Ego. Ein Hinterzimmer kann also auch gute Entscheidungen hervorbringen.

Im Ausland wird von der Leyen gelobt

Ursula von der Leyen war als Verteidigungsministerin angeschlagen, nahezu gescheitert. Sie wollte ein System ändern, hat dabei übertrieben, zu wenig kontrolliert – bis das System zurückschlug. Davor aber, als Familienministerin und Arbeitsministerin, hat sie gute Arbeit geleistet. Sie ist charismatisch, liberal, durchsetzungsstark. Interessant ist, wie anders im Ausland ihre Wahl kommentiert wird, während die Deutschen – allen voran die trostlose SPD – sich über ihre eigene Kandidatin zerfleischen. „Frau von der Leyen verfügt über die für eine erfolgreiche Präsidentschaft erforderlichen Qualitäten“, urteilte etwa die „Financial Times“ in ihrem Leitartikel, „intelligent und energisch, sie ist perfekt mehrsprachig und in ganz Europa hoch angesehen“.

Die in meinen Augen wesentliche Entscheidung ist die Nominierung von Christine Lagarde zur Präsidentin der EZB, denn in dieser Position bestimmt sie maßgeblich, wie sich die Wirtschaft der Eurozone in den nächsten Jahren entwickeln wird. Hier wurde kritisiert, dass Lagarde keine Erfahrung als Notenbankerin habe, noch nicht mal Ökonomin sei. Durch ihre vielen Jahre an der Spitze des Internationalen Währungsfonds aber wird dieser scheinbaren Malus mehr als ausgeglichen. Sie ist übrigens die zweite Juristin, die eine Notenbank führen wird, Fed-Chef Jerome Powell hat ebenfalls Rechtswissenschaften studiert und hatte von Geldpolitik keine Ahnung, bevor er vor ein paar Jahren zur US-Notenbank kam.

Entscheidend ist das „Whatever it takes“

Ich habe Christine Lagarde mehrmals, unter anderem auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, erlebt – und sie war für mich eine der beeindruckendsten Erscheinungen der globalen Wirtschaftselite, elegant und eloquent, von einer kühlen Intelligenz und geheimnisvollen Härte. Lagarde steckt tief in allen wirtschaftspolitischen Themen, die unseren Globus derzeit erzittern lassen: Handelskriege, Wachstumsschwäche, Ungleichheit, Niedrigzinsen. Sie kann vor allem kommunizieren; vielleicht noch nicht in den Feinheiten des Zentralbanksprechs. Hier aber werden ihr Redenschreiber, Experten und Kollegen schon die richtigen Verben und Adjektive einflüstern, um das Rauschen der Geldmenge zu kommentieren. Ein hoher EZB-Mann sagte uns dazu dieser Tage: „The staff reduces the world to four options. As the boss, you only have to take a decision.“

Entscheidend ist Mario Draghis Megaformel „Whatever it takes“, die den Euro gerettet hat. Lagarde kennt und versteht diese Formel natürlich, und sie würde sie vertreten und erneut aussprechen.

Die Illusion der deutschen Sparer

Das alles mag für den „deutschen Sparer“, vielleicht auch für Sie, liebe Leser, befremdlich wirken, ja wie Hohn und Häresie. Wie kann man nur Mario Draghi loben, der uns in Nullzinstal verbannte und dort schmoren lässt? Und wie kann man eine Fortsetzung der ultralockeren Geldpolitik gut finden?

Ich glaube, zu den größten Illusionen vieler Deutscher gehört, dass ein deutscher EZB-Chef Jens Weidmann den Sparern die Zinsen zurückgebracht hätte . Zum einen hat er im Gegensatz zu Martin Luther eh schon halb widerrufen und eingeräumt, dass der Ankauf von Staatsanleihen durch die EZB („Quantitative Easing“) notwendig war und möglicherweise weiter sein wird.

Die Zinsen werden, das sagen immer mehr Experten , auf Jahre im Nullzinsbereich bleiben. Darauf muss man sich einstellen, und das liegt nicht an Mario Draghi, sondern an einem Konstruktionsfehler der Eurozone (den die Deutschen nicht beheben wollen) und einem Finanzsystem mit Funktionsstörung und viel zu viel Kapital, weshalb niedrige Zinsen ein weltweites Phänomen geworden sind.

Da Notenbanken weltweit politisiert wurden, sei es, indem sie angegriffen werden, weil sie gefälligst für Wachstum sorgen sollen wie in den USA, sei es, weil sie Entscheidungen ausgleichen, die Politiker versäumt haben, ist Christine Lagarde die richtige Frau an der Spitze. Sie kennt das Spiel, auch wenn das Spiel selbst gespenstisch endlos geworden ist.

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