Drei Chinesen mit dem Kontrabass Original

Prüft man die deutsche Alltagssprache, finden sich einige Redensarten mit Chinabezug. Diese stehen vor allem für Komisches, Unglaubwürdiges und Exotisches. Nimmt man manches Witzchen hinzu, finden sich auch durchaus fremdenfeindliche Anklänge. Eines der bekanntesten Kinderlieder im deutschen Sprachraum könnte sogar aus einer Zeit stammen, in der Chinesen in Deutschland verfolgt wurden.

„Dann bin ich der Kaiser von China!“ – das sagt jemand, der die Aussage einer anderen Person ins Lächerliche ziehen möchte. „Und wenn in China ein Sack Reis umfällt…“ signalisiert, dass man kein Interesse an einem Thema hat oder ein Gespräch als bedeutungslos empfunden wird. Selbst bis in Nachrichtenmedien hat es diese Floskel schon geschafft. Ähnliches gilt für den Begriff „Fachchinesisch“, der im Duden als „Fachjargon“ beschrieben wird. Im Alltag steht „Fachchinesisch“ aber auch eher abwertend für verkomplizierte Ausdrucksweisen, die niemand verstehen kann oder soll.

  • Chinesenwitze – und Ignoranz gegenüber der chinesischen Sprache
  • Racial Profiling? Drei Chinesen mit dem Kontrabass…
  • Die Moral von der Geschichte?

Chinesenwitze – und Ignoranz gegenüber der chinesischen Sprache

„Wie heißt der chinesische Verkehrsminister? – Um-lei-tung.“ Derartige Witze erfreuen sich im deutschsprachigen Raum einiger Beliebtheit. Im Internet finden sich eigene Foren dafür, auf Instagram wurden komplette Accounts aufgebaut, in denen zig Tausende Follower täglich Witzchen mit vermeintlichem Chinesischbezug austauschen. Ist das kritisch zu bewerten? In jedem Fall zeugt es von Ignoranz gegenüber der chinesischen Sprache, da die wenigstens der Kunstbegriffe so im Chinesischen funktionieren würden. Die deutschen Spaßvögel wissen offenbar nicht, dass das Chinesische nur wenige Silben hat – und dass diese ganz anders ausgesprochen würden. Am obigen Beispiel: „Um“ gibt es im Chinesischen gar nicht, „lei“ würde am Ende wie „ey“ in „hey“ ausgesprochen, und „tung“ gäbe es höchstens als „dong“ – was ebenfalls anders klingt. Zudem driften zahlreiche Wortspiele auch ins Rassistische ab, auf Beispiele wird hier bewusst verzichtet.

Racial Profiling? Drei Chinesen mit dem Kontrabass…

Bei einem Vortrag über die deutsch-chinesische Wahrnehmung wurde kürzlich das Lied „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ diskutiert. Dabei handelt es sich doch einfach um ein sorgloses Kinderlied, das niemandem schadet, hieß es von einer Seite. Dass kleine Kinder mit dem Gesang nichts Böses meinen, lässt sich freilich annehmen. Zugleich wird mit dem Lied jedoch wiederum die chinesische Sprache verballhornt beziehungsweise ironisch darauf eingegangen, dass Chinesinnen und Chinesen die deutsche Sprache nicht beherrschten. Wie oft hat man schon Späßchen darüber gehört, dass chinesische Muttersprachler kein deutsches „R“ aussprechen könnten. Ist so ein Lied also für Kinder geeignet, die sich damit vermutlich zum ersten Mal mit China und dem Chinesischen befassen?

Drei Chinesen mit dem Kontrabass Original

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„Drei Chinesen mit dem Kontrabass“ in einer Knorr-Werbung aus dem Jahr 2010

Betrachtet man die Entstehungsgeschichte des Liedes, kommt noch ein bitterer Beigeschmack hinzu. Die genauen Ursprünge sind nicht bekannt, in früheren Varianten war noch die Rede von Japanern. Die Version mit chinesischen Musikern ist in Deutschland seit den 1930ern nachzuweisen – einer der schrecklichsten Phasen von Fremdenfeindlichkeit überhaupt. Es mag nur ein trauriger Zufall sein, aber bis zu dieser Zeit war auch ein kleines Chinesenviertel in Hamburg herangewachsen. Es wurde von vielen als kultureller Treffpunkt geschätzt, die Bewohner waren indes zunehmend rassistischen Anfeindungen ausgesetzt. Im Jahr 1944 wurde das Hamburger Chinatown entsprechend von den Nationalsozialisten brutal aufgelöst. Bei der sogenannten „Chinesenaktion“ wurden Menschen aus dem Viertel verhaftet, einige von ihnen gefoltert und getötet. Überlebende wurden in ein Arbeitserziehungslager gebracht, wo weitere starben, genaue Zahlen sind nicht bekannt.

Schaut man vor diesem Hintergrund auf die Zeilen in „Drei Chinesen mit dem Kontrabass“, hat das Lied wohl seine letzte Leichtigkeit verloren. Fraglos ist im Text von Polizeikontrollen die Rede, in denen gezielt ausländische Menschen angesprochen werden. Passiert so etwas heutzutage, wird es zu Recht als Racial Profiling kritisiert – also als Personenkontrolle zum Beispiel lediglich aufgrund einer bestimmten Hautfarbe.

Die Moral von der Geschichte?

Dann können wir doch gar nichts mehr singen, mag jetzt jemand einwenden. Das zwar nicht, aber es lohnt sich definitiv, gewisse Gesänge, Späße und Sprüche im Alltag auf rassistische Untertöne zu überprüfen. Viele Menschen mit asiatischen Wurzeln, die in Deutschland aufgewachsen sind, werden dies bekräftigen. Sie kennen den unterschwelligen Alltagsrassismus hierzulande allzu gut. Haben sie darauf hingewiesen, wurden sie vermutlich häufiger aufgefordert, nicht übersensibel zu reagieren. Kann das der richtige Umgang mit Fremdenfeindlichkeit sein? Sicher nicht.

Ganz nebenbei erwähnt, gehen aktuell sowohl an deutschen Schulen wie auch an Universitäten die Zahlen der Chinesischlernenden zurück. Während Chinas geopolitische Bedeutung weiter wächst, wird es in Deutschland künftig weniger Expertise für die chinesische Sprache und Kultur geben. Der Rückgang hängt vermutlich auch mit mangelnder Langfristigkeit von bildungspolitischen Maßnahmen zusammen. Ein weiterer wichtiger Grund liegt aber im deutschen Unwissen über China und die chinesische Sprache. Schräge Kinderlieder und Witzchen über Chinesen werden nichts daran ändern. Sie sind ein Teil des Problems.

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JP