Die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt Beispiel

Der Paritätische mit seinen Mitgliedsorganisationen steht für eine demokratische, offene, vielfältige Gesellschaft, in der alle Menschen gleichwürdig teilhaben und Schutz erfahren – unabhängig von Hautfarbe, Geschlecht, sozialer oder ethnischer Herkunft, Alter, Religion oder Weltanschauung, sexueller Identität, materieller Situation, Behinderung, Beeinträchtigung, Pflegebedürftigkeit oder Krankheit. Unser Verband wird getragen von der Idee der Parität, das heißt der Gleichwertigkeit aller in ihrem Ansehen und ihren Möglichkeiten.

©2022 Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband e. V.

…bedeuten die Grenzen meiner Welt. Dieses bekannte Zitat des Philosophen Ludwig Wittgenstein verstehen viele, die schon einmal im Ausland waren und versuchten, sich zu verständigen. Sprache ist die Grundlage unserer menschlichen Beziehungen und wandelt sich mit dem Zeitgeist…

Sich nicht verständigen zu können ist ein schreckliches Gefühl von Ohnmacht. Auf meiner letzten Reise in Hong Kong wurde mir das schmerzlich bewusst, ich erinnere mich noch am besten an eine Situation in einer kleinen Bäckerei: Zuerst versuchte ich es mit Englisch, aber die Dame hinter der Theke guckte mich nur verständnislos an. Dann versuchte ich es mit dem Touristen-Lexikon in meinem Reiseführer, was allerdings auch nicht klappte. Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als einfach auf irgendein Gebäckstück zu zeigen, die Zahl Eins mit meinen Fingern zu deuten und ihr einen Geldschein zu geben, der hoffentlich den Preis dieses Gebäcks decken sollte. Diese Sprachlosigkeit macht hilflos und es schränkt einen enorm ein - Natürlich sorgt sie auch für die ein oder anderen Lacher und lustige Situationen, und es ist auch immer wieder schön zu sehen, dass es auch ohne Sprache klappt, aber Sprache an sich ist schon essentiell in unserem Alltag und unseren Beziehungen. 

Sie ist mit das erste, was wir lernen: Bereits kleine Babys geben unterschiedliche Laute von sich, ein Lachen, ein Glucksen, ein Schreien. Auch Tiere kommunizieren untereinander und mit uns - Kommunikation bricht unsere Isolation und baut Bindungen auf. Und das ist überlebenswichtig, gerade in den ersten Jahren unseres Lebens. Je komplexer unser Leben und unsere Welt wird, desto komplexer wird auch unsere Sprache. So wie ein Baby die Welt für sich eindeckt und immer mehr kennenlernt, so versuchen auch Menschen mit der komplexen Moderne klar zu kommen, indem sie sie in komplexere Begriffe einfängt. Wer kennt das nicht, in Situationen, in denen wir überfordert sind, sind wir meistens erst einmal sprachlos: Wir versuchen das Geschehene in Begriffe und Worte zu fassen, in Kategorien, die wir bereits kennen. 

Gerade weil Sprache eine so individuelle Erfahrung ist, formt sie auch stark unser Wesen und unsere Perspektive. Ein türkisches Sprichwort sagt, „Eine Sprache, ein Mensch“ - Jede Sprache gibt uns also eine andere Persönlichkeit, eine neue Perspektive. Ich zum Beispiel fühle mich wirklich anders, wenn ich Deutsch, Englisch oder Spanisch rede - Natürlich ist mein Wortschatz auch teilweise eingeschränkt, aber die vielen, endemischen Wörter und Ausdrücke einer Sprache machen sie auch zu einer ganz besonderen Perspektive und Erfahrung. Menschengruppen grenzen sich auch durch Sprachen, durch Dialekte und Akzente voneinander ab: Sogenannte Soziolekte verbinden zum Beispiel soziale Gruppen, die Jugendsprache ist dafür ein gutes Beispiel. Interessanterweise sind es dann häufig andere Gruppen ( in dem Fall Erwachse), die versuchen, dieses Phänomen zu verstehen und zu verarbeiten - Das endet dann meistens Jugendlexika mit Jugendwörtern, die dann aber doch kein Jugendlicher benutzt. 

Sprache dominiert unsere Welt, sie formt unsere Kulturen. Deswegen muss man sie auch manchmal hinterfragen, weil sie nicht wertfrei verwendet werden kann. Unsere Sprache bringt Individuen bei, wie die Gesellschaft die Welt sieht und bewertet: So sind beispielsweise viele Wörter negativ konnotiert, die einmal als schlecht bewertet wurden. Der „schwarze Peter“, der „schwarze Mann“, der „schwarze Kater“ - Begriffe und Redewendungen wie diese demonstrieren, wie Sprache einmal dazu diente, Menschen anderer Hautfarbe abzuwerten und zu diskriminieren. 

Das beweist: Sprache ist auch ein Machtinstrument. Oftmals werden politischen, separatistischen Gruppierungen ihre eigenen Sprachen verboten und Nationalsprachen durchgesetzt - Dominieren auf Alltagsebene. 

Wir können Sprache aber auch nutzen, um die Welt positiv zu formen: Fremdsprachen sind mittlerweile integraler Bestandteil aller europäischer Schulen, und das fördert auch unsere Weltoffenheit. Das Internet und all seine sozialen Plattformen bieten Möglichkeiten, sich international und unterkulturell auszutauschen und unsere Sprachkenntnisse zu erweitern. Wenn wir all diese Möglichkeiten wahrnehmen und unseren Sprachgebrauch reflektieren, steckt hier ein großes Potential für die junge Generation, mehr Empathie, Bewusstsein und Frieden zu verbreiten. 

https://www.fluter.de/eine-sprache-muss-sich-staendig-aendern

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/hirnentwicklung-kein-bewusstsein-ohne-sprache-a-577594.html

Was bedeutet die Grenzen meiner Sprache sind die Grenzen meiner Welt?

Dieser Ausspruch stammt aus seinem Werk „Tractus Logico- Philosophicus", in welchem er sich mit der Bedeutung und Logik der Sprache auseinandersetzt. Dieser Annahme nach ist meine Sprache entscheidend dafür, in welchem Maße ich die Welt erfasse- sei es auf sozialer, naturwissenschaftlicher oder philosophischer Ebene.

Was wollte Wittgenstein mit seinem Tractatus ausdrücken?

Der Tractatus logico-philosophicus ist zunächst eine Auseinandersetzung mit der Sprachphilosophie Gottlob Freges und Bertrand Russells. Wittgenstein wollte die ideale Begriffssprache, die seine Vorgänger zum Zweck der Sprachanalyse entwickelt hatten, verbessern und logische Fehlschlüsse nachweisen.

Was man nicht sagen kann darüber soll man schweigen?

"Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen." Dieser letzte Satz aus dem "Tractatus" ist angeblich der am öftesten zitierte Satz Ludwig Wittgensteins (1889-1951).