Ausbildung gleich arbeitserfahrung

Arbeitswelt & Karriere

Ab­schluss oder Er­fah­rung: Was zählt ­bei der Be­wer­bung

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11. Dezember 2017In 8 min gelesen

Was ist bei einer Bewerbung eigentlich wichtiger? Hochschulabschluss und Ausbildung oder Berufserfahrung? Wer sich schon einmal beworben hat, weiß, dass in Stellenausschreibungen oft beides verlangt wird. Worauf aber legen die Entscheider tatsächlich Wert? Wir verraten es Ihnen. Lohnt sich eine Bewerbung auch ohne das passende Abschlusszeugnis? Oder soll ich noch eine Weiterbildung machen, um meinem Traumjob näher zu kommen?

Erinnern Sie sich an Gert Postel oder Christian E.? Zwei Mediziner, die keine waren. Und doch waren beide recht erfolgreich. Verstehen Sie mich nicht falsch – ihr Vorgehen war moralisch verwerflich und in höchstem Maße illegal. Dennoch wurde Christian E. beispielsweise trotz fehlender (und gefälschter) Abschlüsse ein Arbeitsvertrag vorgelegt und er konnte Erfahrungen in der Chirurgie sammeln. Aufgefallen sei das in der Praxis niemandem. Worauf möchte ich also hinaus? Nicht darauf, dass Sie keinen Wert auf einen (Hochschul-)Abschluss legen sollen, sondern dass es bei einer Bewerbung durchaus auf mehr ankommt als nur auf gute Noten. Denn je nach Berufsbild können gute Noten von äußerst relevant bis hin zu fast vernachlässigbar sein.

Was für einen (Hochschul-)Abschluss oder eine Ausbildung spricht:

  • In vielen Stellenausschreibungen werden Ausbildungen und Hochschulabschlüsse als Grundvoraussetzung für eine Bewerbung angesehen
  • Durch die zunehmende Digitalisierung verlagert sich der Schwerpunkt der Positionen vom Handwerk hin zur Wissensarbeit
  • Ein Hochschulzeugnis impliziert zudem oftmals Lernwillen, den Drang, sich ständig verbessern zu wollen, und Ehrgeiz – das kommt bei Bewerbungen gut an
  • Je nach Fachbereich können Abschlussnoten ein Hinweis auf zukünftige Leistungen sein

Warum Berufserfahrung so wichtig ist:

  • In den meisten Stellenausschreibungen ist stellenbezogene Berufserfahrung gefragt. Außerdem zeigen Befragungen unter Personalentscheidern, dass sie relevante Erfahrungen, die im Zuge von Praktika oder bei vorherigen Arbeitgebern gewonnen wurden, rein theoretischen Kenntnissen vorziehen
  • Alleinige Theoriekenntnisse oder praktische Kenntnisse aus Fallstudien sind kein Garant für Erfolg. Im Job kommen noch andere Einflussfaktoren zum Tragen, wie beispielsweise Teamfähigkeit, der Umgang mit Kritik oder Arbeiten unter Zeitdruck. Diese Eigenschaften lassen sich am ehesten durch Training-on-the-Job erlernen
  • Je nach Position können erfahrene Mitarbeiter oft sofort produktiv werden und bekommen daher den Vorzug vor Absolventen, die noch mühsam eingearbeitet werden müssen
  • Nehmen wir den Bereich Design oder andere kreative Berufe: Hier sind Abschlüsse oder eine solide Ausbildung sicherlich ein guter Grundstein, doch es kommt hauptsächlich auf Erfahrung und Talent an

Setzen Sie bei Ihrer Bewerbung auf eine Kombination aus beidem. Nicht umsonst sind in Stellenanzeigen „ein Hochschulabschluss im Fachbereich X oder vergleichbare Qualifikationen mit einschlägiger Berufserfahrung“ gefragt. Wenn ich mich mit Personalentscheidern über dieses Thema unterhalte, zeigt sich ein ähnliches Bild.

Gerade in Schnittstellenpositionen kommt Ihnen eine Kombination aus beidem bei Ihrer Bewerbung zugute. Um in der Elektronikindustrie zum erfolgreichen Außendienstler zu werden, benötigt es nicht immer ein makelloses BWL-Zeugnis. „Einem Ingenieur bringe ich eher bei, wie man eine Break-even-Berechnung macht, als einem Wirtschaftswissenschaftler, wie bei uns spezielle Teile gefertigt und eingesetzt werden“, so die Aussage eines Fertigungsleiters in der Elektronikindustrie.

Anders sieht es aber z. B. im Legal-Bereich aus. Ohne ein Abschlusszeugnis in Rechtswissenschaften werden Sie für viele Jobs einfach nicht infrage kommen. Auch Steuerberater dürfen ohne den Abschluss nicht als solche praktizieren.

Und wie sieht die andere Seite aus? Was sagen Quereinsteiger? Wären Vorkenntnisse aus einem Studium bei letzter Bewerbung hilfreich gewesen? Viele meiner Kollegen sind Quereinsteiger. Manche ohne Hochschulabschluss, andere mit Abschlüssen in Bereichen, die für einen Job in der Personalbeschaffung sicherlich auf den ersten Blick gar nicht relevant sind.

Die Antworten auf meine Frage, was denn am meisten geholfen hätte in der Einarbeitung, waren ähnlich: meine Erfahrungen aus dem Praktikum, Arbeitserfahrung aus dem vorherigen Job (der manchmal gar nichts mit Personal zu tun hatte) oder das Training-on-the-Job. Nicht ein einziges Mal lautete die Antwort: ein Diplom in Wirtschaftswissenschaften.

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Nun ist es sicherlich so, dass ein Mitarbeiter in der Personalbeschaffung sehr von sogenannten People Skills profitiert, die man selten an einer Hochschule lernen kann. Es gibt jedoch auch Positionen, in denen es unabdingbar ist, ein fachbezogenes Abschlusszeugnis bei der Bewerbung vorweisen zu können. Und ich rede nicht nur von Ärzten oder Juristen.

In nahezu jeder Stellenausschreibung für IT-Projektmanager werden Sie beispielsweise die Anforderung von Zertifizierungen finden. „Scrum Master“, „PMP“ oder „Prince 2“ sind Schlagwörter, die Personalerherzen höherschlagen lassen. Sie können beispielsweise auch keine Rolle als „Sachkundige Person“ bzw. „Qualified Person“ ausfüllen, wenn Sie nicht einen der geforderten Hochschulabschlüsse (z. B. in Humanmedizin, Pharmazie, Chemie) vorweisen können. Sucht ein Unternehmen einen Wirtschaftsprüfer, so ist eine Einstellung ohne den passenden Abschluss nicht möglich.

Anders sieht es da beispielsweise im Vertrieb aus. Wenn Sie Erfahrung im Fachbereich besitzen oder eine fundierte Berufserfahrung mit gefeierten Erfolgen vorweisen können, ist es zumeist gleich, ob Sie eine Ausbildung im administrativen Bereich gemacht oder ein BWL-Studium absolviert haben.

Ähnliches gilt für verschiedene Gebiete im Engineering. Im Entwicklungsumfeld ist es für Arbeitgeber oft irrelevant, ob Sie ein Studium als Konstruktionsingenieur abgeschlossen oder Ihre Ausbildung als technischer Zeichner absolviert und weitreichende Berufserfahrung gesammelt haben. Die Grenze zwischen einem erfahrenen Prüftechniker und einem vielleicht etwas weniger erfahrenen Versuchsingenieur ist zumeist fließend.

Welche Schlüsse sollten Sie nun ziehen? Wenn Sie sich für ein Berufsfeld interessieren, dann recherchieren Sie bereits vorab, ob Sie unbedingt einen Hochschulabschluss brauchen oder ob Sie Ihrem Traumjob auch auf anderem Wege näherkommen können. Suchen Sie auch nach relevanten Weiterbildungen und investieren Sie Zeit, wenn das der einzige Weg zum Arbeitsvertrag ist.

Wenn Sie beispielsweise eine Ausbildung gemacht haben und davon träumen, irgendwann bei einem großen OEM wie Audi oder Porsche tätig zu werden, hier aber ein Hochschulabschluss gefragt ist, dann gehen Sie strategisch vor. Bewerben Sie sich entweder für Positionen innerhalb des Unternehmens, die Ihrer Wunschposition ähnlich sind und kein Diplom verlangen, und bahnen Sie sich durch Einsatzbereitschaft, Fleiß und Skills Ihren Weg zum Traumjob. Oder Sie bewerben sich beispielsweise bei Zulieferern oder Entwicklungsdienstleistern. Dort sammeln Sie Erfahrung, und dann bewerben Sie sich für die Position, bei der Sie auch mit Erfahrung punkten können. Und die Möglichkeit, ein Studium anzuschließen oder per Abendkurs nachzuholen, gibt es schließlich auch noch.

Am Ende gilt auch für Ihre Karriere: Ihre Einstellung und Ihr Erfolgswille entscheiden maßgeblich über den Weg, den Sie einschlagen werden. Wer weiß, was er möchte, und zielgerichtet darauf hinarbeitet, kommt oftmals mit Erfolg zum gewünschten Ziel.

Für weitere Karrieretipps besuchen Sie unser Karriere-Center.

Was zählt als Arbeitserfahrung?

Einschlägige Berufserfahrung: Eine einschlägige Berufserfahrung setzt voraus, dass du bereits eine für das Stellenprofil relevante, längere berufliche Tätigkeit vorweisen kannst. Je nach Dauer und Tätigkeit können auch fachbezogene Praktika oder Werkstudententätigkeiten dazugehören.

Was ist wichtiger Berufserfahrung oder Ausbildung?

Erfahrung ist mehr wert als Zeugnisse Auch im weiteren Berufsleben wiegt Erfahrung immer schwerer als die erreichten Abschlüsse. So stufen der Umfrage zufolge 78 Prozent der Personalverantwortlichen das Lernen durch Berufserfahrung als „sehr wichtig“ oder „wichtig“ für den Erfolg im Job ein.

Wie weist man Arbeitserfahrung nach?

Ihre bisherigen Stationen und Arbeitgeber sollten in Ihrem Lebenslauf aufgeführt werden. Eine kurze, stichpunktartige Beschreibung der jeweiligen Tätigkeiten hilft dem Personaler Ihre Berufserfahrung einschätzen zu können.

Wann gilt man als berufserfahren?

Die Formulierung „langjährige“ Berufserfahrung meint in der Regel ebenfalls Praxiserfahrung von mindestens drei Jahren. In Ausnahmefällen können Unternehmen hier jedoch auch längere Zeiträume von mindestens fünf, sieben oder sogar zehn Jahren voraussetzen.