Montag, 11. Juni 2018 | Text: Jasmin Klein | Bild: Oliver Köhler Geschätzte Lesezeit: 3 Minuten „Wenn meine Heterosexualität davon abhinge, ob ich mich für Fußball interessiere, dann wäre ich wahrscheinlich schwul.“ Martin Perscheid grinst, als er einen seiner Cartoons zitiert, und setzt nach: „Aber die Weltmeisterschaft schaue ich mir schon an!“ Wir sitzen im Café Sur in
der Metzer Straße, wo pünktlich zu Beginn der Fußball-WM die „Mannschafts-Ausstellung“ startet: Kai Fobbe, Videokünstler und Kurator aus Wuppertal, hat für diese Schau die größten und bekanntesten Cartoonisten Deutschlands gewinnen können und 25 ihrer Werke in die Auswahl genommen. In kleiner Auflage werden auch alle Cartoons als handsignierte Drucke erhältlich sein. Die Stimmung hat sich für Cartoonisten verändert. Es begann 2005 mit den Mohammed-Karikaturen, und erst kürzlich geriet Dieter Hanitzsch für seine Karikatur von Netanjahu in die Kritik und wurde daraufhin von seinem langjährigen Auftraggeber, der Süddeutschen Zeitung, fallengelassen. Die Stimmung hat sich ganz klar geändert. Ich fand die Reaktion auf Hanitzschs Cartoon aber übertrieben. Hanitzsch ist ein Urgestein. Ich glaube auch nicht, dass er ein Antisemit ist. Da hätte man etwas gefühlvoller drangehen können als ihn gleich zu feuern. Hauck und Bauer schrieben dazu, dass Hanitzsch wohl heimlich Cartoons in die Süddeutsche gezeichnet und es keiner gemerkt hat. Ich habe einen Cartoon von Dir gesehen, wo sich ein Redakteur einen Cartoon anschaut und sagt: „Das ist super, aber das können wir nie drucken.“ Ist das die übliche Situation? ©Martin-Perscheid Die Marketingfrau vom Verlag rief mich damals an und sagte, es gibt bald den Cartoon No.3000, ob ich nicht was ganz Besonderes machen könne. Sowas klappt natürlich überhaupt nicht. Dann zeichnete ich den Cartoon, der aus der Situation besteht, dass man den vorgestellten Cartoon nicht sehen kann. Den kennt keiner, und es wird nie einer in Erfahrung bringen, was das war. Du traust Dich aber auch politisch was. Hast Du den Eindruck, Du hast Dich vor zehn Jahren mehr getraut? Beschneidest Du Dich schon beim Zeichnen? Nein, das nicht. Ich mache heute viel mehr Tagesaktuelles und Politisches. Früher waren die Vorlaufzeiten viel länger, um die sechs Wochen. Seit Facebook kann ich Arbeiten sofort posten und sofort Feedback erhalten. Wie wird man Cartoonist? Für humorvolle Szenen und Pointen gibt es beim Schreiben und im Improvisationstheater rhetorische Figuren, die man benutzt. Gibt es das auch im Cartoon? Hast Du Vorbilder und Kollegen, die Du empfehlen kannst? Und da betritt auch Kai Fobbe das Café Sur. Er kuratiert im Wuppertaler Café du Congo regelmäßig Ausstellungen. Wie kam es dazu? Ich kam Mitte der Achtziger Jahre nach Wuppertal und entdeckte das Satiremagazin ITALIEN, in dem abstruse Cartoons drin waren. Dadurch entdeckte ich auch, dass es in Wuppertal eine geballte Ansammlung von Cartoonisten gibt. Ich wollte ihnen eine Ausstellung widmen. So fing alles an. Anfang der 2000er Jahre lernte ich dann den Schriftsteller Thomas Gsella kennen, und über ihn viele weitere Cartoonisten. Als Dankeschön verschaffte ich Gsella seine erste Einzelausstellung mit seinen Texten. Und auch in dieser Ausstellung hier wird er mit Lyrik-Beiträgen dabei sein. Kai Fobbe holt die sechs Drucke raus, die er von Martin Perscheids Cartoon angefertigt hat und bittet ihn, sie schon mal zu signieren. Für 40€ pro Stück werden sie ab Donnerstag hier auch zu kaufen sein (in streng limitierter Auflage). Ich bedanke mich für das Interview, möchte aber zum Schluss noch wissen: Wer wird Weltmeister?
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