Eingeschränkte alltagskompetenz nach § 45a sgb xi

Aufstellen einer konkreten und individuellen Pflegeplanung

Für Menschen, die aufgrund einer eingeschränkten Alltagskompetenz besonders intensive Betreuung benötigen, gibt es spezielle Leistungen der Pflegekasse. Unter Alltagskompetenz wird grundsätzlich die Fähigkeit verstanden, die Tätigkeiten des alltäglichen Lebens selbstständig, unabhängig und eigenverantwortlich verrichten zu können. Von eingeschränkter Alltagskompetenz spricht man dann, wenn Menschen aufgrund von Demenz, geistiger Behinderung oder einer psychischen Erkrankung dauerhaft so eingeschränkt sind, dass sie ihren Alltag nicht mehr alleine bewerkstelligen können und außerdem besondere Betreuung und Beaufsichtigung benötigen – unter anderem auch, um Gefahren für sich selbst und andere zu verhindern.

Erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz feststellen

Die Feststellung einer eingeschränkten Alltagskompetenz muss bei der Pflegeversicherung beantragt werden und erfolgt genau wie die Feststellung einer Pflegebedürftigkeit durch ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK). Dabei wird bei einem Besuch vor Ort überprüft, ob ein erhöhter Bedarf an Betreuung und Beaufsichtigung besteht. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Betroffene die Wohnung unkontrolliert oder ohne Absprache verlassen möchte, gefährliche Gegenstände unsachgemäß verwendet und damit eine Gefahr für sich und andere darstellt, sich aggressiv verhält und tätlich wird oder die eigenen Bedürfnisse nicht korrekt einschätzen kann. Auch Beeinträchtigungen der Hirnfunktion, ein gestörter Tag-Nacht-Rhythmus sowie labiles und übermäßig emotionales Verhalten können unter anderem als Beurteilungskriterien herangezogen werden. Auf Basis der Einschätzung des Gutachters entscheidet die Pflegekasse über die Feststellung einer eingeschränkten Alltagskompetenz.

Pflegestufe 0

Personen, deren Hilfsbedürftigkeit bei der Grundversorgung und der hauswirtschaftlichen Tätigkeit nicht den Kriterien für eine Pflegebedürftigkeit entspricht, die aber wegen ihrer eingeschränkten Alltagskompetenz erheblichen Betreuungsaufwand haben, werden der so genannten Pflegestufe 0 zugeordnet. Sie haben Anspruch auf Pflegegeld in Höhe von 123 Euro oder den Bezug von Pflegesachleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst in Höhe von 231 Euro.

Besondere Leistungen der Pflege bei eingeschränkter Alltagskompetenz

Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz erhalten besondere Leistungen der gesetzlichen Pflegekasse. Je nach Ausprägung handelt es sich hier um 104 Euro bzw. 208 Euro, die monatlich für zusätzliche Betreuungsleistungen gezahlt werden. Diese Leistungen können in den Pflegestufen 0 bis 3 bezogen werden.

Die Höhe der zusätzlichen Betreuungsleistungen bemisst sich nach dem Ergebnis des Gutachtens des MDK. Erfüllt der Betroffene für mindestens sechs Monate mindestens zwei Kriterien aus den relevanten Bereichen, gilt seine Alltagskompetenz als eingeschränkt. Kommen zusätzlich weitere Kriterien dazu, erhält er den erhöhten Betrag für erheblich eingeschränkte Alltagskompetenz. Eingesetzt werden können die Leistungen sowohl für die Betreuung durch anerkannte Pflegedienste, zur Tagespflege, Verhinderungspflege oder um besondere Beratungsangebote in Anspruch zu nehmen. Pflegegeld und Pflegesachleistungen können kombiniert werden.

Seit Januar 2015 bestehen außerdem weitere Ansprüche für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz. Sie können neben Entlastungsleistungen auch einen Wohngruppenzuschlag, Verhinderungspflegeleistungen sowie Pflegehilfsmittel und Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung beziehen. Auch Leistungen zur Tages- und Nachtpflege, zur Kurzzeitpflege sowie zur Gründung einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft stehen ihnen zu. Weiterhin können sogenannte niederschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote wie etwa Selbsthilfegruppen, Alltagsbegleiter, Haushaltshilfen, der Besuch eines Demenz-Cafés oder Einzelbetreuung zu Hause beansprucht werden. Nicht in Anspruch genommene Leistungen lassen sich in das Folgejahr übertragen.

Im Rahmen des Pflegestärkungsgesetzes wurden diese Verbesserungen und Leistungsanpassungen für Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz eingeführt, um Demenzkranke, geistig Behinderte und psychisch erkrankte Personen zu unterstützen und ihre Betreuung zu vereinfachen. Für Betroffene und deren Angehörige ist es unbedingt empfehlenswert, die zusätzlichen Leistungen bei der Pflegekasse zu beantragen.

Auch ohne festgestellte eingeschränkte Alltagskompetenz haben Pflegebedürftige der Pflegestufen 1 bis 3 seit Januar 2015 Anspruch auf monatlich 104 Euro für zusätzliche Entlastungsleistungen.

So formlos und pauschal können Pflegebedürftige und Menschen ohne Pflegestufe, jedoch mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz gemäß § 45a SGB XI, ihren Anspruch auf alle Leistungen sichern, die ihnen aus der sozialen Pflegeversicherung zustehen.

So sieht es zumindest das Bundesversicherungsamt in seiner am 18. Januar 2016 veröffentlichten Rechtsauffassung zum Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI.

Carmen P. Baake fasst dieses Schreiben praxistauglich zusammen:

Pflegekassen müssen umfassend beraten

Das Bundesversicherungsamt betont in der genannten Rechtsauffassung, dass die Pflegekassen verpflichtet sind, ihre Versicherten umfassend über die im Einzelfall in Betracht kommenden Leistungen zu beraten. Diese Beratungspflicht umfasse auch zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI.

Die Zusendung von Broschüren, in denen die möglichen Leistungsansprüche beschrieben werden, erfüllen nach Überzeugung des Bundesversicherungsamtes diesen Anspruch nicht. Besonders zum Antragserfordernis sei unbedingt eine individuelle Beratung im Einzelfall erforderlich.

So könnten Missverständnisse der Versicherten hinsichtlich des Anspruchs auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI vermieden werden.

Versicherte müssen Leistungen beantragen

In § 45b Abs. 2 Satz 1 SGB XI ist explizit geregelt, dass Versicherte „… auf Antrag …“ Anspruch auf zusätzliche Betreuungs- und Entlastungsleistungen und die Erstattung ihrer in diesem Zusammenhang nachgewiesenen Aufwendungen haben.

Dieser Antrag kann, ebenso wie der Antrag auf Leistungen der Pflegeversicherung nach § 33 Abs. 1 SGB XI, formlos gestellt werden.

Dafür genüge laut Bundesversicherungsamt bereits der folgende Satz:
„Ich möchte alle Leistungen nach dem SGB XI, die mir zustehen.“

In diesem Fall müsse allerdings von der Pflegekasse genau dokumentiert werden, dass sich dieser Antrag auch auf die zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen nach § 45b SGB XI bezieht.

Zahlungsnachweise zum richtigen Zeitpunkt einreichen

Pflegekassen können für die Erstattung nachgewiesener Aufwendungen nur die Leistungsansprüche nach § 45b SGB XI verwenden, die bis zu dem Zeitpunkt entstanden sind, an dem ihnen die Versicherten entsprechende Belege einreichen. So werden Überzahlungen ausgeschlossen, die eventuell dadurch entstehen, dass der Versicherte in der Zukunft liegende Leistungsansprüche einbüßt, weil er z. B. in ein Pflegeheim einzieht.

Reicht z. B. ein Versicherter am 15. April 2016 Zahlungsnachweise für die im 1. Quartal 2016 erbrachten zusätzlichen Betreuungs- und Entlastungsleistungen in Höhe von 650 € ein, kann die Pflegekasse ihm maximal 416 € erstatten. Der Erstattungsbetrag resultiert aus den Leistungsansprüchen, die der Versicherte in der Zeit vom 1. Januar bis 30. April 2016 hat. Das sind pro Monat jeweils 104 €.

Hätte der im Beispiel genannte Versicherte seine Zahlungsnachweise über 650 € später eingereicht, z. B. erst im Juli 2016, hätte seine Pflegekasse ihm den kompletten Betrag erstatten können, da er bis Juli 2016 für weitere 3 Monate Leistungsansprüche erworben hätte, insgesamt 312 € zusätzlich. Das natürlich nur, wenn er weiter zu Hause versorgt wird.

Carmen P. Baake ist Diplomökonomin und berät seit 2011 Pflegedienste und Sozialstationen zu betriebswirtschaftlichen und strategischen Themen. Zuvor war sie viele Jahre bei gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen beschäftigt. Daneben arbeitet sie als freiberufliche Dozentin und Fachautorin. Über den WALHALLA Fachverlag bietet sie derzeit Seminare zum Thema „Pflegestärkungsgesetz II“ und „Neues Begutachtungsassessment“ an.

Was versteht man unter eingeschränkter Alltagskompetenz?

Von eingeschränkter Alltagskompetenz spricht man dann, wenn Menschen aufgrund von Demenz, geistiger Behinderung oder einer psychischen Erkrankung dauerhaft so eingeschränkt sind, dass sie ihren Alltag nicht mehr alleine bewerkstelligen können und außerdem besondere Betreuung und Beaufsichtigung benötigen – unter ...

Was heißt ohne eingeschränkte Alltagskompetenz?

Der Medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) definiert den Begriff Alltagskompetenz folgendermaßen: „Unter Alltagskompetenz versteht man, dass ein:e Erwachsene:r die alltäglichen Aufgaben innerhalb seiner/ihrer Kultur selbständig und unabhängig in einer eigenverantwortlichen Weise erfüllen kann.

Was bedeutet 45a?

§ 45a Angebote zur Unterstützung im Alltag, Umwandlung des ambulanten Sachleistungsbetrags (Umwandlungsanspruch), Verordnungsermächtigung.

Wann kann Verhinderungspflege in Anspruch genommen werden?

Ein Anspruch auf Verhinderungspflege besteht jedoch erst, nachdem die Pflegeperson die Pflegebedürftige beziehungsweise den Pflegebedürftigen mindestens sechs Monate in ihrer beziehungsweise seiner häuslichen Umgebung gepflegt hat.