Alle menschen sind frei und gleich an würde und rechtem

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von Dr. Jos Schnurer
10.04.2015

Alle menschen sind frei und gleich an würde und rechtem
Collage, zusammengestellt von Dr. Jos Schnurer
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In der GLOBALEN ETHIK, wie die von den Vereinten Nationen am 10. Dezember 1948 proklamierte ALLGEMEINE ERKLÄRUNG DER MENSCHENRECHTE genannt wird, steht zuoberst das Bewusstsein, dass „die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet“. In Artikel 1 der Menschenrechtsdeklaration heißt es deshalb auch: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“. [1]. Dass diese Postulate bisher nicht als Allgemeingut der Menschheit gelten, erleben wir jeden Tag und an vielen Orten der Erde. Menschenwürde und  Menschenrechte werden je nach politischer, nationaler oder ideologischer Machtlage zurecht gebogen und interpretiert. Deshalb finden immer wieder Menschenrechtsverletzungen statt, denen oft nicht mehr entgegengesetzt werden kann als öffentliche und diplomatische Vorbehalte und Proteste. Sie scheitern meist an den Erklärungs- und Rechtfertigungsversuchen von Regimen, dass die angeprangerten Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen die Menschenwürde als mit dem herrschenden Recht, den Traditionen, sittlichen und kulturellen Bräuchen des jeweiligen Staates in Einklang stünden. Zum 50. Jahrestag der Verkündung der Menschenrechtsdeklaration, 1998, hat der damalige Generalsekretär der UNESCO, der Bildungs-, Kultur- und Wissenschaftsorganisation der Vereinten Nationen, Federico Mayor, dazu aufgerufen, eine „universelle Verantwortung“ zu entwickeln und von einer „Kultur des Krieges zu einer Kultur des Friedens“ zu kommen: „Wir müssen dazu unsere auf Gewalt und Zwang beruhenden Vorgehensweisen überdenken; wir müssen aber auch unsere kulturelle Einstellung revidieren und unser tägliches Verhalten tiefgreifend ändern. Gefordert ist, mit Phantasie und Willen an die Wurzeln der globalen Probleme zu gehen, neue Konflikte im Keim zu ersticken oder – noch besser – ihnen vorzubeugen. Gefordert ist, mit allen zu teilen, anders zu handeln, den Traum von einer besseren, sichereren, gerechteren und menschlicheren Welt zu bewahren. Gefordert ist, jeden Tag neu mit Mut und Entschlossenheit unsere Träume in die Realität umzusetzen“ [2]. Er bezog sich dabei auch auf die spätestens seit Anfang der 1970er Jahre geführten Diskurs, dass, wie dies im ersten Bericht an den Club of Rome zum Ausdruck kommt, die Grenzen des Wachstums erreicht seien, weiterhin in zahlreichen nationalen und internationalen Studien, Analysen und Prognosen ein Perspektivenwechsel im Denken und Handeln der Menschen gefordert wird, wie dies die Weltkommission „Kultur und Entwicklung“ 1995 eindringlich zum Ausdruck bringt: „Die Menschheit steht vor der Herausforderung umzudenken, sich umzuorientieren und gesellschaftlichen umzuorganisieren, kurz, neue Lebensformen zu finden“. Die folgenden, ausgewählten annotierten Hinweise sollen auf den aktuellen, wissenschaftlichen  Menschenrechtsdiskurs aufmerksam machen.

1. Menschenrechte - eine „unvollendete Revolution“ oder eine „Real-Utopie“?

Als am 10. Dezember 1948 die seinerzeit 56 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ohne Gegenstimmen, aber bei acht Enthaltungen (Sowjetunion mit Ukraine und Weißrußland, Polen, Jugoslawien, Tschechoslowakei, Südafrika, Saudi-Arabien), die bis heute wichtigste internationale Deklaration zur Wahrung der Menschenrechte verabschiedeten, da stand die Welt noch unter dem starken Eindruck des 1945 zu Ende gegangenen Zweiten Weltkrieges. „Künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal zu unseren Lebzeiten unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat“, so heißt es in der Präambel der Charta der Vereinten Nationen (1945). Die Idee, die Würde des Menschen zu schützen, ist allerdings älter. Aus der westlich-abendländischen Perspektive lässt sich bereits in den antiken Philosophien die Forderung nach der „Humanitas des Menschen“ erkennen, im Christentum die „Imago die a pirori durch Gott“, in der Aufklärung das „Naturrecht a priori durch die Natur“ [3]. Immer ging es den Menschen darum, Idealvorstellungen von der „Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und ihrer gleichen unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet“ [4] zu artikulieren und gleichzeitig den Schutz der Menschen gegen Mißbrauch von Gewalt aller Art zu fordern. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte setzt auf dieses „von allen Völkern und Nationen zu erreichende gemeinsame Ideal“ auch in besonderer Weise darauf, die allgemeine Achtung und Verwirklichung der Menschenrechte und Grundfreiheiten „durch Unterricht und Erziehung... zu fördern und durch fortschreitende Maßnahmen im nationalen und internationalen Bereiche ihre allgemeine und tatsächliche Anerkennung und Verwirklichung bei der Bevölkerung... zu gewährleisten“ [5]. In 30 Artikeln werden die Menschenrechte genannt. Sie beginnen mit dem 1.Hauptsatz, der sich in vielen demokratischen Verfassungen wiederfindet: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“, und sie enden gewissermaßen mit dem unverrückbaren Schlußsatz: „Nichts in dieser Erklärung darf dahin ausgelegt werden, daß es für einen Staat, eine Gruppe oder eine Person das Recht begründet, eine Tätigkeit auszuüben oder eine Handlung zu begehen, die auf die Abschaffung der in dieser Erklärung ausgesprochenen Rechte und Freiheiten hinzielt. Die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention), die am 4.November 1950 von den Regierungen des Europarats beschlossen wurde, bezieht sich auf die Universelle Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen. Sie geht in der Einleitung in besonderer Weise darauf ein, den Menschen in den europäischen Staaten, „die vom gleichen Geiste beseelt sind und ein gemeinsames Erbe an geistigen Gütern, politischen Überlieferungen, Achtung der Freiheit und Vorherrschaft des Gesetzes besitzen“, die in den insgesamt 66 Artikeln formulierten Menschenrechten anzuempfehlen [6]. In mehreren Zusatzprotokollen wird die Europäische Menschenrechtskonvention ergänzt, z.B. zu den Eigentumsrechten im Vertragsgebiet (20.3.52), zum „Europäischen Gerichtshof“ (6.5.63) und zu „Freiheitsrechten“, etwa Art.4: „Kollektivausweisungen von Ausländern sind nicht zulässig“ (16.9.1963). Die UNESCO spricht in der Präambel ihrer Verfassung vom 16.November 1945 ihren wesentlichen Auftrag wie folgt an: „... da Kriege im Geiste der Menschen entstehen, (müssen) auch die Bollwerke des Friedens im Geiste der Menschen errichtet werden“ [7]. „Frieden“ wird in diesem Sinne nicht mehr nur als „Abwesenheit von Krieg“ definiert, sondern

  • Frieden heißt Ehrfurcht vor dem Leben
  • Frieden ist das kostbarste Gut der Menschheit
  • Frieden ist mehr als das Ende bewaffneter Auseinandersetzung
  • Frieden ist eine ganz menschliche Verhaltensweise
  • Frieden verkörpert eine tiefverwurzelte Bindung an die Prinzipien des Freiheit, der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Solidarität zwischen allen Menschen
  • Frieden bedeutet auch eine harmonische Partnerschaft von Mensch und Umwelt [8].

Sensibilisierung für Menschenrechte

Es vergeht bis heute kaum ein Tag, an dem nicht in der Medienberichterstattung Fälle von Menschenrechtsverletzungen bekannt werden. Die Proteste dagegen, sowohl seitens der internationalen Menschenrechts-, als auch von nationalen, Nichtregierungs-Organisationen, führen gelegentlich dazu, dass die Regierungen, Polizeikräfte und Verwaltungen etwas vorsichtiger agieren und Menschenrechtsverletzungen verschleiern. Festzustellen aber ist, dass in vielen Teilen der Welt menschenfeindliche, nationalistische und fundamentalistische Entwicklungen zunehmen, bei denen Menschenrechte und  Menschenwürde auf der Strecke bleiben. "Ich bin frei" - damit jeder Mensch auf der Erde dies überzeugend zum Ausdruck bringen kann, bedarf es weiterhin des aktiven Eintretens für die in der Allgemeinen Erklärung von 1948 formulierten Menschenrechte. Zahlreiche nationale und internationale Regierungs- und unabhängige Menschenrechtsorganisationen sind Helfer und Partner bei diesem Bemühen um Aufklärung über die Bedeutung der Menschenrechte für die Menschheit. Auf Empfehlung des Deutschen Bundestages wurde im März 2001 in Berlin das Deutsche Institut für Menschenrechte eingerichtet. Das DIM hat die Aufgabe, über die Lage der Menschenrechte im In- und Ausland zu informieren und zur Prävention von Menschenrechtsverletzungen sowie zur Förderung und zum Schutz der Menschenrechte beizutragen [9]

2. Menschenrechtspädagogik

Pessimisten, nicht zuletzt bestätigt durch die vielfältigen, auch aktuellen Menschenrechtsverletzungen überall auf der Welt, stellen fest, dass die Menschheit bei ihrem Bemühen um Friedlichkeit und Menschenwürde gescheitert sei; Optimisten jedoch, wie etwa der Präsident der peruanischen Menschenrechtsorganisation und Vizepräsident der Internationalen Liga für Menschenrechte, Francisco Soberón, sprechen zum 50jährigen Bestehen der UN-Menschenrechtsdeklaration vom „langen Weg“, den die Menschen in unserer Einen Welt zurück legen müssten, um „alle Rechte für alle Menschen“ zu verwirklichen. Zu den Optimisten gehört auch der Erziehungswissenschaftler der Universität Heidelberg, Volker Lenhart. Mit seinem Buch greift er in den Diskurs ein, der sich in den Vergleichenden Erziehungswissenschaften zu Theorien und Didaktiken der Friedenspädagogik zaghaft etabliert hat. Er unternimmt den Versuch, die Forderungen nach Menschenrechtserziehung und –aufklärung konkret als eine allgemeinbildende, fächer- und disziplinübergreifende Lernaufgabe auszuweisen. Dazu verortet er „Menschenrechtspädagogik“ als Gegenstandsfeld in einer Systematik der Vergleichenden und Internationalen Erziehungswissenschaft. Grundlage seiner didaktischen Zuordnung ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948. Seine Auseinandersetzung zum international strittigen Anspruch der universellen Geltung der Verhaltenskodizes und die Einordnung von ausgewählten internationalen Dokumenten in ein zukünftiges Gebäude eines „Weltbildungssystems“, wie der World Plan of Action on Education for Human Rights and Democracy (1993), der Declaration... on Education for Peace, Human Rights and Democracy (1995) und dem International Plan of Action for the United Nations Decade for Human Rights Education (1998), machen die fortgeschrittene Verankerung in der internationalen Menschenrechtsdiskussion deutlich. Besonders für Bildungspraktiker dürfte seine Analyse von ausgewählten Informations- und Lernmaterialien zur Menschenrechtsbildung wertvolle Hilfe für den schulischen Unterricht sein. Lenharts Versuch, nach der Habermaschen Diktion der janusköpfigen Menschenrechte eine Didaktik zu entwerfen, kann nur begrüßt werden. Ausgehend von formulierten Lernzielen, wie z. B.: eigene Menschenrechte kennen und einfordern können; die Menschenrechte anderer kennen und für ihre Wahrung eintreten; die Menschenrechte als Werte der eigenen Moral anerkennen und handlungsleitend werden lassen, kommt er sehr bald zur „entwicklungsorientierten Werteerziehung“. Seine Anlehnung an die von Colby/Kohlberg 1987 entworfenen „Moral“-Stufen 1 – 6 und deren Zuordnung zum unterschiedlichen Kindes- und Erwachsenenalter irritiert allerdings bei der didaktischen Konzeption. Sie erinnern allzu sehr an die wohl überholten didaktischen Prinzipien des „später kommt...“. Es sollte vielmehr bei einer Menschenrechtsdidaktik der Anspruch einer „Gleichzeitigkeit und Gleichgültigkeit“, natürlich alters- und sachbezogen, erhoben werden. Nicht unwichtig ist Lenharts Plädoyer für eine qualifizierte Ausbildung von Personal in menschenrechtsrelevanten Berufsfeldern [10].

3. Menschenrechte sind unteilbar und real

Die Diskussion um die Verwirklichung der Menschenrechte, lokal, regional und global, ist immer verbunden mit der Frage nach dem Grad, wie sich eine Gesellschaft von einer mono- zu einer multikulturellen Gemeinschaft entwickelt und versteht. Der damalige Direktor des Deutschen Instituts für Menschenrechte, Heiner Bielefeldt, hat in der Reihe des Diskussionsforums X-Texte des transcript-Verlags eine Schrift vorgelegt, die auf die neue Aufmerksamkeit für multikulturelle und Integrationsfragen in unserer Gesellschaft reagiert. Dabei stellt er eine merkwürdige Diskrepanz in dem Diskurs fest: Während auf der einen Seite die „Integration ( ) zu einem zentralen Anliegen der deutschen Innenpolitik geworden (ist)“ und die „seit mindestens zwanzig Jahren offenkundig anachronistisch gewordene Frage, ob Deutschland ein Einwanderungsland sei, ( ) als offiziell erledigt gelten (kann), hat andererseits in der gesellschaftlichen Diskussion „der Begriff der multikulturellen Gesellschaft in Deutschland nie als konsensstiftende politische Idee fungiert“. Vielmehr wird in der Festlegung ausschließlich auf die Kultur(en), das Konzept des Multikulturalismus, nicht zuletzt mit der abwertenden Benennung „Multikulti“, einseitig belastet und missinterpretiert. Er unternimmt den Versuch, den Begriff des Multikulturalismus und die Anerkennung der Tatsache, dass Deutschland eine multikulturelle Gesellschaft ist, in einem aufgeklärten Diskurs darzulegen: „Integration statt Multikulti“. Sein „aufgeklärter Multikulturalismus“ erfordert zuerst einmal, sich einer neuen Interpretation von „Kultur“ zu stellen; nicht im Sinne eines unveränderlichen kollektiven Kulturbegriffs, sondern als individuelle Menschenrechte, die als Grundlage die freie Selbstbestimmung haben. In der sich immer interdependenter, nicht wenige sagen – ungerechter – entwickelnden Welt, bedarf es humaner Regulative. Die Richtschnur dafür können nur die Menschenrechte sein. Weil aber die in der Allgemeinen Erklärung vorliegenden Menschenrechte „eine Errungenschaft der Aufklärung (sind), die sich nur in der Fortführung der Aufklärung bewahren lässt“, bedarf es des interkulturellen Diskurses, lokal und global. Das Konzept eines „aufgeklärten Multikulturalismus“, wie es Heiner Bielefeldt vorlegt, könnte eine Basis dafür sein [11].

4. Die Menschenrechte und der „Faktor Kultur“

Der universelle Anspruch der Menschenrechte bedeutet ja  nichts anderes, als dass die in der „globalen Ethik“ formulierten Werte und Normen für jeden Menschen auf der Erde gelten, ohne Wenn und Aber. In Wirklichkeit aber ist der Anspruch nach transkultureller, globaler Legitimität der Menschenrechte äußerst umstritten. Woher kommen die Quellen, die in der Menschenrechtsdeklaration postuliert sind? Gründen sie auf abendländischen (westlichen) Vorstellungen, Philosophien oder gar Ideologien? Wird unterschiedliches  religiöses und weltanschauliches Denken dabei berücksichtigt? Wieso kommt es zu unterschiedlichen Menschenrechtserklärungen, etwa der arabischen, afrikanischen?  Die Auseinandersetzungen darüber  ziehen sich in eher unversöhnlicher Weise durch den gesamten Diskurs. Dabei jedoch kann es nicht darum gehen, mit einem „Basta“ die Gültigkeit der formulierten Menschenrechte festzulegen, sondern in einem ehrlichen, interkulturellen und interreligiösen Dialog „auf Augenhöhe“ die Vorbehalte und Bedenken zu diskutieren. Dabei nämlich könnte herauskommen, dass die Menschenrechte anschlussfähig an unterschiedliche religiöse und kulturelle Traditionen sind. Allerdings ist darauf zu achten, dass durch kulturbezogene Argumentationsgänge nicht die Unteilbarkeit der Menschenrechte relativiert wird. Dies gilt für die politische Ebene genauso wie für die Ebene ihrer philosophischen Begründung; denn unverzichtbar und nicht relativierbar muss sein, dass Menschenrechte auf den fundamentalen Grundsätzen, wie die Garantie der Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden, gründen müssen [12].

5. Philosophie der Menschenrechte

Die Auseinandersetzung darüber, aus welchen philosophischen und anthropologischen Quellen sich die Menschenrechtsdeklaration speist, muss den Spuren nachgehen, die auf dem Bewusstsein beruhen, dass die Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie zustehenden Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte die Grundlage der Freiheit, der Gerechtigkeit und des Friedens in der Welt bildet. Sie beruhen darauf, dass der anthrôpos ein mit Vernunft ausgestattetes Lebewesen ist, das in der Lage ist, Allgemeinurteile zu bilden und zwischen Gut und Böse zu unterscheiden vermag (Aristoteles). Es bedarf also einer Bestandsaufnahme zur „Gegenwart der Menschenrechte“. Der Philosoph und Ko-Direktor des Menschenrechtszentrums der Universität Potsdam, Christoph Menke, und Arnd Pollmann vom Institut für Philosophie der Universität Magdeburg, haben eine Einführung in die Philosophie der Menschenrechte vorgelegt, in der sie die grundlegenden Begriffe des Menschenrechtsdiskurses – Recht, Moral und Politik – historisch und im aktuellen Diskurs darstellen und nach der Akzeptanz und Reichweite von Menschenrechten fragen. Wichtig ist dabei das Postulat, dass die Menschenwürde ein aktives Menschenrecht ist,  was bedeutet, dass jeder Einzelne und jede Gesellschaft dafür verantwortlich ist, die Gültigkeit und Wirksamkeit der Menschenrechte im Alltag wie im gesellschaftlichen Leben durchzusetzen [13].

6. Die verschwindenden Grenzen zwischen Territorialität, Souveränität und Staatsbürgerschaft

Das Menschenrecht, als Bürger eines Staates anerkannt zu werden, wird in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (10.12.1948) in Artikel 15 eindeutig formuliert: „Jedermann hat Anspruch auf eine Staatsangehörigkeit“. Und in Absatz 2 wird festgelegt: „Niemandem darf seine Staatsangehörigkeit willkürlich entzogen noch ihm das Recht versagt werden, seine Staatsangehörigkeit zu wechseln“. Das Recht stützt sich auf die grundlegende Auffassung von der Würde des Menschen und wird subsumiert durch Art. 6: „Jedermann hat das Recht, überall als rechtsfähig anerkannt zu werden“. Wie das Staatsbürgerschaftsrecht erworben werden kann, regelt jedoch die Menschenrechtsdeklaration nicht. Es ist dem jeweiligen souveränen Staat überlassen, wie dieses Recht vergeben wird. Grundsätzlich werden nach den Rechtsauffassungen zwei Formen unterschieden: Nach dem „Abstammungsprinzip“ wird die Staatsbürgerschaft durch das „Recht des Blutes“ (ius sanguinis) erworben, das sich von der Staatsangehörigkeit der Eltern ableitet; oder nach dem „Recht des Bodens“ (ius soli), das durch den Geburtsort bzw. durch das Geburtsland entsteht. Weil in der sich immer interdependenter und territorial entgrenzender Welt die Grenzen der Nationalstaaten verschwimmen und durchlässiger werden, Menschen also von einem Land und einem Kontinent zum anderen sich bewegen und ihren Lebens- und Wohnort verändern, also immigrieren, bedürfen die traditionellen Rechtsauffassungen über den Erwerb einer Staatsangehörigkeit einer Revision. Die aus der Türkei stammende, an der Yale University in New Haven (Connecticut) lehrende Politikwissenschaftlerin Seyla Benhabib hat sich in ihrem 2004 erschienenem Buch „The Right of Others. Aliens, Residents and Citizens“ mit der Frage auseinander gesetzt, wie die bereits in den antiken Philosophien in unterschiedlicher Weise definierte Staatsbürgerschaft heute verstanden und angewandt werden sollte. Die Autorin stellt gleich zu Beginn ein Defizit im politischen und philosophischen Diskurs über die bisher in der Neuzeit zögerliche, wissenschaftliche Auseinandersetzung über die Frage, was ein Staatsbürger eigentlich sei, fest. Themen in den nationalen und internationalen Diskussionen, wie „Staatsangehörigkeit, Migration, Asyl und Flüchtlingsstatus“ gewinnen ja insbesondere deshalb an Gewicht, weil die Migration mittlerweile im „Jahrhundert der Flüchtlinge“ ein nicht mehr zu vernachlässigendes Phänomen im Zusammenleben der Menschen darstellt. Seyla Benhabib nimmt dabei die verschiedenen Ansätze und Vorstellungen von nationaler und internationaler Zugehörigkeit von Menschen zu einer politischen Gemeinschaft auf und entwickelt sie weiter zu einer „normativen Theorie der Zugehörigkeitsgerechtigkeit“ (just membership). Indem sie sich auf Kants Formel vom „Weltbürgerrecht“ bezieht, entwickelt die Autorin die bisherigen neokantianischen Überlegungen, etwa auch John Rawls Prämissen zur Immigration als des „nicht-idealen“, weiter, indem sie zu den Forderungen nach „globaler Verteilungsgerechtigkeit“ die „Zugehörigkeitsgerechtigkeit“ dazu denkt [14].

7. Kinderrechte sind Menschenrechte

Das vom Institut für Entwicklung und Frieden  (INEF) der Universität Duisburg-Essen herausgegebene Jahrbuch der Menschenrechte kann als eines der wichtigsten Taktgeber und Analyseinstrumente zu Frage nach dem Zustand des Menschenrechtsdiskurses und der Realisierung von Menschenrechten in Deutschland und weltweit angesehen werden. Die jeweiligen Themenschwerpunkte verdeutlichen dies. z. B. 2011: „Nothing to hide, nothing to fear – Datenschutz, Transparenz – Solidarität“; 2012/13: Meinungsfreiheit – Quo vadis?. Im Jahrbuch 2010 setzen sich die Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft, Politik und Menschenrechtsorganisationen damit auseinander, wie sich die Entwicklung der Forderungen und Prämissen vollzogen hat, die von der UN-Kinderrechtskonvention ausgehen. Dabei geht es beim sperrigen Thema „Kinderrechte als Menschenrechte“ um Fragen nach der wirksamen Umsetzung der Normen, um die Darstellung von  Probleme in unterschiedlichen Ländern und Religionen und um die Diskussion über die dabei auftretenden Kontroversen. Dass die Verwirklichung der Rechte des Kindes eine dringliche und unverzichtbare Aufgabe im internationalen Menschenrechtsdiskurs darstellt, wird allein dadurch deutlich, dass rund 1,5 Milliarden Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 12 und 24 Jahren auf der Erde leben, 1,2 Milliarden davon in den Ländern des Südens. Die Beiträge zeigen, dass es bei den Fragen der Normsetzung von Menschenrechten für Kinder und Jugendliche, wie erst recht bei der Umsetzung der in der Kinderrechtskonvention festgelegten Grundsätze noch erhebliche Anstrengungen geben muss, um sie in die individuelle und gesellschaftliche Wirklichkeit der Betroffenen bringen zu können [15].

8. Die Sprache der Menschenrechte

1998, 50 Jahre nach der Proklamation der „globalen Ethik“, der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ vom 10. Dezember 1948 durch die Vereinten Nationen, wurde im UNESCO-Kurier, dem Sprachrohr der Sonderorganisation der UN, mit einem großen Aufmacher eine Art Bestandsaufnahme über die Entwicklung und Wirkung der Menschenrechtsdeklaration mit der Aufforderung vorgenommen: „Der Kampf geht weiter!“. Der damalige Präsident der peruanischen Menschenrechtsorganisation und Vizepräsident der Internationalen Liga der Menschenrechte, Francisco Soberón, weist dabei darauf hin, dass „der lange Weg“, der notwendig ist, um „Alle Rechte für alle“ durchzusetzen, als Aufgabe und Herausforderung für jeden Menschen auf der Erde gilt; er registriert aber auch „den Siegeszug einer weltweiten Menschenrechtskultur, die von der Bereitschaft getragen wird, Bürgerrechtsorganisationen das Recht auf Kontrolle staatlichen Verhaltens zuzugestehen“. Die seinerzeitige Europakommissarin für humanitäre Angelegenheiten, Emma Bonino, reklamiert: „Schluss mit zweierlei Maß!“ und plädiert für eine auf der Grundlage der Menschenrechte basierenden Realpolitik: „An der Wahrung der Menschenrechte muss Tag für Tag gearbeitet werden“. Und die französisch-tunesische Historikerin und Journalistin Sophie Bessis thematisiert mit ihrer Warnung „Hände weg von meiner Erklärung!“ die Tendenzen, die unantastbare, nicht relativierbare und allgemeingültige Menschenrechtsdeklaration durch ethnische und kulturelle Besonderheiten zu verändern. Die Auseinandersetzungen um die universelle Geltung oder der Berücksichtigung von Besonderheiten der Menschenrechte bestimmen bis heute den Diskurs. Zahlreiche Menschenrechtsverletzungen werden tagtäglich und in vielen Ländern und Gesellschaften der Erde registriert; immerhin wenigstens „registriert“, werden die einen sagen, „mehr nicht?“ werden die anderen fragen. Der Historiker von der Universität Freiburg, Jan Eckel, analysiert in einer globalhistorischen Studie die Ursachen der sich weltweit erstreckenden, in unterschiedlichen Weltregionen sich verknüpfenden transnationalen Verflechtungen und fragt nach den politischen, kulturellen und weltanschaulichen Imponderabilien und Problemstellungen: „Sie kreist um den Zusammenhang von Gewalt- oder Unrechtswahrnehmungen und Schutzpolitik …(und) sie rückt Probleme der Herrschaftslegitimation und Wirkmechanismen der Öffentlichkeit in den Fokus“. Im ersten Teil der zeitgeschichtlichen Betrachtung über die internationale Menschenrechtspolitik wird die Entwicklung von den 1940er bis zu den 1960er Jahren thematisiert; und im zweiten Teil wird das Jahrzehnt der 1970er bis 1980er Jahre betrachtet. Im Prolog, der zwischen der Einleitung und dem ersten Teil angeordnet ist, diskutiert der Autor die Vorgeschichte der internationalen Menschenrechtspolitik vor 1945 als historiographische Fragestellung. Dabei setzt er sich mit zwei grundsätzlich unterschiedlichen, historischen und analytischen Betrachtungsweisen auseinander: Zum einen sind es die wissenschaftlichen Versuche, „die die Menschenrechtsgeschichte als einen großen, vor sich hinfließenden Strom der Entwicklung darstellen, der in allen Epochen sehr eng verwandte oder sogar identische Phänomene hervorgebracht hat“; zum anderen sind es die geneologischen Zugänge, die sich überwiegend an religiösen, philosophischen, staats- oder rechtstheoretischen Vorstellungen orientieren. Eckels (weiterführender und nunancierter) Ansatz besteht in einer „fundamental retrospektive(n) und damit auch … konstruktivistische(n) Operation“, was besagt, „man bestimmt ein historisches Phänomen zu einem gegebenen Zeitpunkt und untersucht dann frühere Phasen darauf hin, was es vorbereitet haben oder wo es schon ähnlich aufgetreten sein könnte“ [16].

9. Sind rationale Letztbegründungen möglich?

Immer, wenn es um grundlegende Fragen des Menschseins und um das euzôia, das gute Leben (Aristoteles) geht, werden Paradigmen formuliert, die als Gebote / Verbote gesetzt, als nichtkritisierbare und unumstößliche Gesetzlichkeiten und Selbstverständlichkeiten postuliert, oder als religiöse und naturrechtliche Voraussetzungen betrachtet werden. Die Festlegung von Werten und Normen, die menschliches Verhalten bestimmen, aber unterliegt immer auch Traditionen und kulturellen Entstehungsprozessen. Weil der Anspruch auf Allgemeingültigkeit der Menschenrechte aber immer wieder in Frage gestellt und durch spezifische Deklarationen, wie z. B. die von den Mitgliedsstaaten der Organisation der Islamischen Konferenz 1990 ratifizierte „Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam“, oder die bereits 1981 von den Staats- und Regierungschefs der Organisation der Afrikanischen Einheit (OAU) beschlossene „Afrikanische Charta der Menschenrechte und der Rechte der Völker“, relativiert wird, ist es wichtig, der Frage nach der Entstehung der Menschenrechte nicht nur historisch, sondern auch genealogisch nachzugehen. Der Soziologe und Sozialphilosoph Hans Joas schreibt eine „affirmative Genealogie des Universalismus der Werte“, indem er erst einmal feststellt: „Ich glaube nicht an die Möglichkeit einer rein rationalen Begründung letzter Werte“. Dabei freilich will er nicht an den Grundfesten und Denkgebäuden rütteln, wie sie in der Philosophie über die Jahrtausende hin gedacht und postuliert wurden; vielmehr geht es ihm darum, auf die Trennbarkeit von Genesis und Geltung im Argumentationsprozess um die Begründbarkeit von Menschenrechten zu verweisen: Es „kann nämlich die Geschichte der Entstehung und Ausbreitung von Werten selbst so angelegt werden, dass sich in ihr Erzählung und Begründung in spezifischer Weise verschränken“. Dabei weist er die seiner Meinung nach unfruchtbare Debatte zurück, ob „die Menschenrechte eher auf religiöse oder auf säkular-humanistische Ursprünge zurückzuführen sind„; vielmehr stellt der Autor fest, dass es eine fundamentale Alternative zu den genannten Positionen gibt: „Sakralität, Heiligkeit…, den Glauben an die Menschenrechte und die universale Menschenwürde als das Ergebnis eines spezifischen Sakralisierungsprozesses aufzufassen…, in dem jedes einzelne menschliche Wesen mehr und mehr und in immer stärker motivierender und sensibilisierender Weise als heilig angesehen und dieses Verständnis im Recht institutionalisiert“ wird. Das mögliche Missverständnis, dass Sakralität vornehmlich als religiös aufgefasst werden könne, räumt er dadurch beiseite, indem er darauf verweist, dass „subjektive Evidenz und affektive Intensität“ die Grundpfeiler eines so verstandenen sakralen Denkens und Handelns darstellen und die „Sakralisierung der Person“ zum Ziel hat [17]. Hans Joas ergänzt seine Überlegungen zur „Sakralisierung der Person“, indem er mit der Frage „Sind die Menschenrechte westlich?“ vor einem (westlichen) kulturellen Triumphalismus warnt und zu einem kritischen Umgang mit der Geschichte der Menschenrechte mahnt [18].

10. „Es braucht nicht besonders nachgewiesen zu werden, dass bis zur vollen Verwirklichung der Menschenrechte noch ein weiter Weg ist...“

Die Ohnmacht ist gravierend und deprimierend, angesichts der weiterhin weltweit sich vollziehenden Menschenrechtsverletzungen und Missachtung der Würde des Menschen. Die UNESCO, die Kultur-, Wissenschafts- und Bildungsorganisation der Vereinten Nationen wird nicht müde, immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Verwirklichung der Menschenrechte sowohl bei jedem Einzelnen der menschlichen Gemeinschaft beginnen muss, tagtäglich und aktiv, als auch zur Pflicht jeder Regierung gehört. Klaus Hüfner, Wolfgang Reuther  und Norman Weiss aus dem Umfeld der Deutschen UNESCO-Kommission, haben ein Handbuch vorgelegt, in dem sie die Frage stellen: Was kann ich gegen Menschenrechtsverletzungen tun? Das Handbuch soll praktische Hilfestellungen für Einzelpersonen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ermöglichen, „damit die komplexe Materie des Menschenrechtsschutzes auf der weltweiten und europäischen Ebene transparenter wird“. Dabei wird dem deutschen regierungsamtlichen Handeln wie der gesellschaftlichen Praxis ein besonderer Schwerpunkt zugemessen. Die Autoren lenken dabei mit ihrer Arbeit nicht nur den Blick auf die internationale Rechts- und Vertragssituation zur Frage der Allgemeingültigkeit von Menschenrechten überall in der Welt; sie bieten nicht nur eine Fülle von Quellenmaterialien, Vertragstexte und Formbeispiele zur Umsetzung von individuellen Beschwerdeverfahren an; sie weisen auch darauf hin, dass neben dem Regierungs- und Staatshandeln zur Förderung und Verteidigung der Menschenrechte auch und vor allem das zivilgesellschaftliche Engagement von Menschenrechtsorganisationen (NGOs) die Durchsetzung der Grundfreiheiten und Menschenrechte möglich machen. In der Bundesrepublik Deutschland hat sich 1994 das „Forum für Menschenrechte“ gegründet, als „handlungsorientierte und themenbezogene Arbeitsgemeinschaft von Nichtregierungsorganisationen“. Die im Forum und in den jeweiligen Arbeitsgruppen (Menschenrechtsverteidiger, Frauenrechte, Innenpolitik, Menschenrechtserziehung, Antirassismus, Kinderrechte, Entwicklung und Menschenrechte, u.a.) tätigen rund 50 Initiativen sind mit ihren Adressen und Informationsportalen im Buch aufgeführt. Der mit großer Offenheit, Unabhängigkeit und Transparenz verfasste Situations- und Aktionsbericht zur Frage der Förderung der Menschenrechte und von Anregungen zum individuellen und gesellschaftlichen Handeln, die Diskussion von Erreichtem im Menschenrechtsdiskurs, aber auch von Defiziten, und schließlich den Ausblicken und Vorschlägen zur weltweiten Durchsetzung der Menschenrechte, machen das Handbuch zu einem wichtigen Baustein für das unverzichtbare, positive Werk, zu realisieren, was Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte unmissverständlich ausdrückt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen“ [19].

11. Fällt der "gerechte Friede" vom Himmel - oder sind Interventionen notwendig, ihn zu schaffen?

Die  Projektgruppe „Gerechter Friede“ der Deutschen Kommission Justitia et Pax stellt sich der Frage, wie der Weltfrieden und die internationale Sicherheit gewährleistet werden können. In den Jahren 2000 bis 2003 hat die Forschungsgruppe Vorschläge entwickelt, welche Informations-, Diskussionsprozesse und Interventionsmaßnahmen für einen friedensstiftenden Diskurs hilfreich sein können. . Besonders bei humanitären und menschenrechtlichen Situationen in Krisengebieten wird immer wieder die Frage nach der Legitimation von Interventionsaktivitäten, sowohl von zwischen- und überstaatlich bestimmten (militärischen) Akteuren, als auch von zivilrechtlich und nichtstaatlich motivierten, gestellt. Dabei ist es entscheidend wichtig, dass die agierenden und kooperierenden Kräfte die eigenen Interessen eindeutig benennen, wie auch auf die unverzichtbaren Forderungen nach für eine friedliche Eine Welt verweisen. Die in der Studie diskutierten vielschichtigen Kriterien und Aspekte von friedensstiftenden und -erhaltenden Maßnahmen und Interventionsansätzen, wie auch die Erfahrungsberichte aus der Praxis der Interventionspolitik seit 1990, etwa in Afrika, in Asien und Europa, wie auch die Fingerzeige auf die Defizite der aktuellen internationalen Rechtslage und Ethikdiskussion, machen das Buch zu einem wertvollen Baustein im Diskurs um den noch zu schaffenden Frieden in der Welt [20].

12. Menschenrechte basieren auf der Würde des Menschen

Die Joassche Auffassung, dass Menschenrechte jedem Menschen qua Menschsein inhärent und deshalb sakral sind. „Sie bestehen in nichts anderem als der absolut bindenden Pflicht aller Menschen, gegenüber einem beliebigen Menschen bestimmte Handlungen, die dessen Menschenrechte verletzen würden, zu unterlassen“ [21]. Sie bedürfen also keiner gesonderten staatlichen Festlegung, und sie verweigern sich auch allen wie auch immer gearteten und begründeten Relativierungen. Dieses Bewusstsein ist in vielen Gesellschaften noch nicht angekommen. Um so wichtiger ist es deshalb, es durch Bildungs- und Aufklärungsprozesse in die Köpfe und Herzen der Menschen zu bringen. Dass dabei Verstand und Empathie eine Verbindung eingehen müssen, hat z. B. die US-amerikanische Soziologin und Philosophin Martha C. Nussbaum in ihrem Buch [22] deutlich gemacht. Autor
Dr. Jos Schnurer
Ehemaliger Lehrbeauftragter an der Universität Hildesheim
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[1] Deutsche UNESCO-Kommission, Menschenrechte. Internationale Dokumente, Bonn 1981, S. 48ff

[2] UNESCO-Kurier, 10/1998, S. 7

[3] vgl. dazu: Axel Herrmann, Menschenwürde, Menschenrechte, Lehrerheft 11, sowie Arbeitsheft 11, Reihe: Thema im Unterricht, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn, Sept.1997, S.4

[4] Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (künftig AEM abgekürzt), in: Deutsche UNESCO-Kommission (DUK), Menschenrechte - Internationale Dokumente, Bonn 1981, S.48 (die Sammlung kann von Schulklassen kostenlos bezogen werden bei: DUK, Colmantstr. 15, 53115 Bonn)

[5] a.a.o., S.49

[6] DUK, a.a.o., S.61

[7] DUK, a.a.o., S.28

[8] International Congress on Peace in the Minds of Men, 26 Juni - 1 July 1989, Yamoussoukro, Deklaration von Yamoussoukro, Deutsche UNESCO-Kommission, Internationale Verständigung, Menschenrechte und Frieden als Bildungsziel. Drei Texte der UNESCO, Bonn, 2.Aufl, 1992, S.39

[9] http://www.institut-fuer-menschenrechte.de

[10] Volker Lenhart, Pädagogik der Menschenrechte, 2003, zur Rezension; vgl. auch: Claudia Mahler / Anja Mihr, Hrsg., Menschenrechtsbildung. Bilanz und Perspektiven, 2004, zur Rezension; und: Claudia Lohrenscheit, Das Recht auf Menschenrechtsbildung. Grundlagen und Ansätze einer Pädagogik der Menschenrechte, 2004, zur Rezension

[11] Heiner Bielefeldt, Menschenrechte in der Einwanderungsgesellschaft. Plädoyer für einen aufgeklärten Multikulturalismus;2007, zur Rezension

[12] Nicole Janz / Thomas Risse, Hrsg., Menschenrechte - Globale Dimensionen eines universellen Anspruchs, 2007, zur Rezension

[13] Christoph Menke / Arnd  Pollmann, Philosophie der Menschenrechte zur Einführung, 2007, Berliner Literaturkritik, 27.08.2007

[14] Seyla Benhabib, Die Rechte der Anderen. Ausländer, Migranten, Bürger, 2008, zur Rezension

[15] Heiner Bielefeldt / Volkmar Deile / Brigitte Hamm / Franz-Josef Hutter / Sabine Kurtenbach u.a., Hrsg., Kinder und Jugendliche. Jahrbuch Menschenrechte 2010, 2009, zur Rezension

[16] Jan Eckel, Die Ambivalenz des Guten. Menschenrechte in der internationalen Politik seit den 1940ern, 2014, zur Rezension

[17] Hans Joas, Die Sakralität der Person. Eine neue Genealogie der Menschenrechte, 2011, zur Rezension

[18] Hans Joas, Sind die Menschenrechte westlich?, Kösel-Verlag, München 2015, 96 S.

[19] Klaus Hüfner / Wolfgang Reuther / Norman Weiss, Menschenrechtsverletzungen: Was kann ich dagegen tun? Menschenrechtsverfahren in der Praxis, 2004, zur Rezension

[20] Thomas Hoppe, Hrsg., Schutz der Menschenrechte. Zivile Einmischung und militärische Intervention, 2004, zur Rezension

[21] Martin Gessmann, Philosophisches Wörterbuch, 2009, zur Rezension

[22] Martha Craven Nussbaum, Politische Emotionen. Warum Liebe für Gerechtigkeit wichtig ist, 2014, zur Rezension

Was bedeutet Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten?

Diese enthält grundlegende Ansichten über die Rechte, die jedem Menschen zustehen sollten, „ohne irgendeinen Unterschied, etwa nach Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, Religion, politischer oder sonstiger Überzeugung, nationaler oder sozialer Herkunft, Vermögen, Geburt oder sonstigem Stand.

Wo bzw wann sind alle Menschen gleich und frei?

Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Unterschied Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. Alle haben Anspruch auf gleichen Schutz gegen jede Diskriminierung, die gegen diese Erklärung verstößt, und gegen jede Aufhetzung zu einer derartigen Diskriminierung.

Was bedeutet Artikel 1 Menschenrechte?

Artikel 1 (Freiheit, Gleichheit, Solidarität) Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Solidarität begegnen.

Wie lautet Artikel 2 der Menschenrechte?

Niemand darf diskriminiert werden Niemand darf benachteiligt und in seinen Menschenrechte eingeschränkt werden wegen seines Geschlechts, seiner Hautfarbe, Religion, seiner nationalen Zugehörigkeit, politischen Überzeugung, seines Besitzes oder anderer Unterschiede.