Warum darf zweite Ableitung nicht Null sein?

Du möchtest ein Haus an einem Fluss bauen. Im Sommer entnimmst Du dem Fluss Wasser für Deinen Gartenteich. Dies geht leider nur, solange der Fluss genügend Wasser führt. Zudem möchtest Du natürlich nicht, dass Dein Haus bei Hochwasser geflutet wird, und baust deshalb einen kleinen Damm.

Wäre es nicht cool, wenn Du eine Funktion hättest, die den Wasserstand dieses Flusses am Ort Deines Hauses beschreibt?

Die Funktion beschreibt im Intervall tatsächlich den Wasserstand des Flusses innerhalb eines Jahres, wobei x die Zeit in Monaten ist und die Höhe des Flusses in Metern. Jetzt könntest Du mit Hilfe dieser Funktion schauen, zu welchem Zeitpunkt der Fluss am wenigsten und wann am meisten Wasser führt und wie viel Wasser zu den jeweiligen Zeitpunkten im Fluss ist.

Wie Du das genau machst, erfährst Du in dieser Erklärung.

Extremstellen bestimmen

Tief- und Hochpunkte sind Extrempunkte. Sie stellen jeweils den tiefsten bzw. höchsten Punkt in der näheren Umgebung dar.

Existiert ein Tief- oder ein Hochpunkt mit , dann wird der x-Wert dieses Punktes auch Extremstelle genannt.

Der y-Wert dieses Punktes wird auch Extremwert genannt.

Doch welche Kriterien müssen für einen Tief- und einen Hochpunkt erfüllt sein?

Notwendige Bedingung für eine Extremstelle

Um die notwendige Bedingung zu überprüfen, wird zuerst die Ableitung einer Funktion gebildet.

Für die Ableitung einer Funktion an der Stelle gilt als notwendiges Kriterium für eine Extremstelle:

Überprüfe die notwendige Bedingung an dem Eingangsbeispiel.

Geprüft werden soll die notwendige Bedingung an der Funktion mit . Dafür wird zuerst die Ableitung benötigt.

Setze nun diese Ableitung gleich 0.

Da es später von Vorteil ist, mit dem exakten x-Wert weiterzurechnen, wird an dieser Stelle teilweise die Wurzel gezogen.

Die notwendige Bedingung ist also für und erfüllt.

Die notwendige Bedingung reicht noch nicht, um zu sagen, dass an der Stelle eine Extremstelle existiert.

Hinreichende Bedingung für eine Extremstelle

Zusätzlich zur notwendigen Bedingung muss die hinreichende Bedingung erfüllt sein.

Für die zweite Ableitung einer Funktion an der Stelle gilt als hinreichendes Kriterium für...

... einen Tiefpunkt:

... einen Hochpunkt:

Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung eines Tief- oder Hochpunktes ist die Betrachtung der ersten Ableitung an der Stelle . Liegt dort ein Vorzeichenwechsel von + nach - vor (entspricht ), dann existiert an dieser Stelle ein Hochpunkt. Liegt dort ein Vorzeichenwechsel von - nach + vor (entspricht ), dann existiert an dieser Stelle ein Tiefpunkt.

Dieses Vorgehen bietet sich meist dann an, wenn ein Schaubild gegeben oder die Bildung der zweiten Ableitung deutlich aufwendiger ist.

Überprüfe jetzt auch die hinreichende Bedingung für das Eingangsbeispiel.

Geprüft werden soll die notwendige Bedingung an der Funktion mit . Dafür wird zuerst die zweite Ableitung benötigt.

Nun kannst Du und in die zweite Ableitung einsetzen.

Dementsprechend existiert an der Stelle ein Hochpunkt und an der Stelle ein Tiefpunkt.

Das Schaubild der Funktion mit sieht folgendermaßen aus:

Abbildung 2: Schaubild einer Funktion 4. Grades

Es ist zu erkennen, dass die Funktion bei einen Extrempunkt besitzt.

Bilde zunächst die erste und zweite Ableitung.

Wende als Nächstes das notwendige Kriterium an.

Versuche nun das hinreichende Kriterium anzuwenden.

In diesem Fall ist auch die zweite Ableitung gleich 0. Hier greift die Möglichkeit, den Vorzeichenwechsel der ersten Ableitung an der Stelle zu betrachten. Schau Dir dazu das Schaubild der ersten Ableitung an.

Abbildung 3: Schaubild einer Ableitungsfunktion

Im Schaubild kann erkannt werden, dass an der Stelle ein Vorzeichenwechsel von - nach + vollzogen wird. Alternativ kann der Vorzeichenwechsel wie folgt bestimmt werden.

Durch diese Rechnung wird ebenfalls deutlich, dass an der Stelle ein Vorzeichenwechsel von - nach + vollzogen wird. Es handelt sich demnach um einen Tiefpunkt an der Stelle .

e-Funktion

Einen weiteren Sonderfall in Bezug auf Extremstellen stellt die e-Funktion dar.

Um Extremstellen der e-Funktion zu berechnen, müsstest Du zuerst die Nullstellen der ersten Ableitung berechnen.

Damit die Ausdrücke 0 werden können, muss einer der Faktoren sein. Die Parameter b und c sind so definiert, dass sie nicht 0 sein dürfen. Dementsprechend müsste ecx dem Wert 0 entsprechen.

Da Du bereits weißt, dass die reine und die erweiterte e-Funktion keine Nullstellen besitzt, kann auch ecx nicht 0 sein.

Damit hat die e-Funktion keine Extremstellen, also weder einen Hochpunkt noch einen Tiefpunkt, und keine Wendepunkte.

Sattelpunkt

Eine weitere Möglichkeit, wenn die zweite Ableitung gleich 0 ist, ist ein sogenannter Sattelpunkt. Da dieser jedoch ein Wendepunkt und damit KEIN Extrempunkt ist, wird dieser hier nur kurz betrachtet.

Um eine genauere Vorstellung zu haben, was ein Sattelpunkt ist, kannst Du Dir die folgende Abbildung anschauen.

Abbildung 4: Graph eines Sattelpunktes

Schau Dir jetzt das Ganze noch einmal mathematisch an.

Wenn für die Stelle

gilt, existiert ein Sattelpunkt. Dieser Punkt ist KEIN Extrempunkt, sondern ein Wendepunkt.

Bei einem Sattelpunkt existiert bei der ersten Ableitung an der Stelle KEIN Vorzeichenwechsel, sondern eine doppelte Nullstelle.

Extrempunkte – Hochpunkte und Tiefpunkte berechnen

Da Du nun bereits das notwendige und hinreichende Kriterium für Extremstellen kennst, kannst Du Dich an folgendem Rezept orientieren, um Extrempunkte zu berechnen.

  1. Berechnen der Extremstellen (Notwendiges Kriterium)
  2. Berechnen der Art des Extrempunktes (Hinreichendes Kriterium)
  3. Berechnen des Extremwerts des Extrempunktes

Schritt 2 und 3 können mehrmals durchgeführt werden, wenn die Funktion mehrere Extremstellen besitzt.

Beim Eingangsbeispiel fehlen jetzt noch die passenden Extremwerte zu den Extremstellen.

Dazu werden die Extremstellen und in die Funktion mit eingesetzt.

An dieser Stelle kannst Du den Ausdruck jeweils einmal mit + und einmal mit - in den Taschenrechner eingeben.

Damit existiert ein Hochpunkt und ein Tiefpunkt .

Abbildung 5: Schaubild und Extremstellen der Eingangsaufgabe

Lokale und Globale Extremstellen

Es wird bei Extremstellen nicht nur zwischen Tief- und Hochpunkt unterschieden, sondern auch noch zwischen lokalen und globalen Extremstellen.

Existiert ein Tiefpunkt , dann ist ein lokales Minimum.

Existiert ein Hochpunkt , dann ist ein lokales Maximum.

Super, jetzt weißt Du, dass bei jedem Extrempunkt , ein lokales Extremum ist. Doch was ist dann ein globales Extremum?

Den größten Funktionswert, den eine Funktion im Definitionsbereich annehmen kann, wird auch als globales Maximum bezeichnet.

Den kleinsten Funktionswert, den eine Funktion im Definitionsbereich annehmen kann, wird auch als globales Minimum bezeichnet.

Dies kann entweder der y-Wert des größten Hochpunktes/tiefsten Tiefpunktes sein oder mit dem globalen Verlauf zusammenhängen und damit auch oder sein. Du kannst Dir dafür auch immer den Wertebereich zur Hilfe nehmen.

Auch in diesem Fall kannst Du Dir wieder das Eingangsbeispiel anschauen.

Da das Eingangsbeispiel nur im Intervall betrachtet wird, werden auch nur in diesem Bereich die Extremwerte auf ihre Lokal- bzw. Globalität untersucht.

Die Funktion mit besitzt zwei Extrempunkte und .

Bei Funktionen, die nur in Intervallen angeschaut, müssen noch die Randwerte betrachtet werden, um ggf. ein globales Minimum bzw. Maximum herauszufinden.

Die Randwerte sind bei der Funktion bei und .

Damit ist zeitgleich ein lokales und globales Maximum, während zeitgleich ein lokales und globales Minimum ist.

Extremstellen - Übung

Kümmere Dich zum Schluss noch um die Interpretation des Eingangbeispiels.

Nun möchtest Du wissen, wie hoch Du Deinen Damm mindestens bauen musst, wenn sich das Flussufer über der niedrigsten Stelle im Flussbett befindet. Der Damm soll so hoch sein, dass Dein Haus kein Wasser abbekommt, sollte das globale Maximum erreicht werden.

Das globale Maximum beträgt und das globale Minimum ist . Damit muss der Damm mindestens

hoch werden.

Der Gartenteich lässt sich nur mit dem Flusswasser bewässern, wenn der Wasserstand im Fluss mindestens beträgt.

Damit ist eine ganzjährige Bewässerung des Gartenteichs nicht gewährleistet, da das globale Minimum nur beträgt.

Zudem kannst Du von der nachfolgenden Abbildung ablesen, in welchen Monaten Du auf die Bewässerung des Gartenteichs verzichten musst, wenn das Intervall den Januar, den Februar usw. darstellt.

Abbildung 6: Interpretation der Eingangsaufgabe

Der erste Schnittpunkt liegt circa bei und der zweite circa bei . Damit ist die Bewässerung des Gartenteichs von Anfang September bis Ende November nicht möglich.

Extremstellen - Das Wichtigste

  • Existiert ein Tief- oder ein Hochpunkt mit , dann wird der x-Wert dieses Punktes auch Extremstelle genannt.

  • Berechnen eines Extrempunktes

    1. Berechnen der Extremstellen (Notwendiges Kriterium)
    2. Berechnen der Art des Extrempunktes (Hinreichendes Kriterium)
    3. Berechnen des Extremwerts des Extrempunktes
  • Sonderfall
  • Lokales und globales Extremum
    • Jeder y-Wert eines Tief-/Hochpunktes ist ein lokales Minimum bzw. Maximum.
    • Den größten/kleinsten Funktionswert, den eine Funktion im Definitionsbereich annehmen kann, wird auch als globales Maximum/Minimum bezeichnet.

Was wenn zweite Ableitung 0 ist?

Basiswissen. f''(x) = 0, also die zweite Ableitung von f(x) ist an einer Stelle null: dort kann der Graph einen Wendepunkt haben (auch Sattelpunkte sind Wendepunkte) oder aber linear verlaufen, also eine Gerade oder konstant sein.

Was sagt die zweite Ableitung aus?

Die zweite Ableitung hilft zu entscheiden, ob sich eine Kurve im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn dreht, wenn wir uns im Koordinatensystem von links nach rechts bewegen. Die blaue Kurve dreht sich im Uhrzeigersinn. Man sagt auch, dass sie konkav ist. Die rote Kurve dreht sich im Gegenuhrzeigersinn.

Warum darf die dritte Ableitung nicht Null sein?

Wenn die dritte Ableitung gleich null ist, dann hat man f'''(x)=0 und somit f''(x)=b (oder f''(x)=0 aber das würde dann gar nicht funktionieren, weil die erste Ableitung auch 0 sein müste und die Funktion selber auch). Dadurch, dass man f''(x)=b hat, müssten dann f'(x)=mx+b sein.

Warum wird die erste Ableitung gleich Null gesetzt?

Wenn ein Extremum vorliegt, dann ist die erste Ableitung gleich Null. Ableitung gleich Null ist, dann liegt entweder ein Extremum oder ein Sattelpunkt vor: Wir sehen also, dass die Bedingung f '(x)=0 keinen eindeutigen Schluß zuläßt, ob tatsächlich ein Extremum vorliegt (denn es kann ja auch ein Sattelpunkt sein).

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