Rz. 54
Da das Straßenverkehrsrecht den Anlieger ebenso wenig wie den Anwohner definiert, ist bei der Bestimmung des Anliegers der allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich.[106] Zu den Begriffen siehe auch oben Rdn 1 ff.
Rz. 55
Die Anliegereigenschaft wird dabei durch rechtliche Beziehungen zu den an den gesperrten Straßen anliegenden (bebauten oder unbebauten) Grundstücken oder den auf ihnen errichteten Anlagen bestimmt.[107]
Rz. 56
Das Verkehrszeichen 250 (Verbot für Fahrzeuge aller Art) erlaubt im Hinblick auf das Zusatzzeichen "Anlieger frei" nicht nur eigentlichen Anliegern – also Personen mit durch rechtliche Beziehung zu den Grundstücken begründeter Anliegereigenschaft – die Durchfahrt, sondern auch den Verkehr mit ihnen und damit eine Zufahrt zu ihrem Grundstück durch Dritte.[108] Dabei ist dem Dritten aus Gründen des Schutzes seiner Privatsphäre nicht zuzumuten, den Anlieger zu benennen, mit dem er zum fraglichen Zeitpunkt verkehrte.[109] Nicht zum erlaubten Anliegerverkehr gehört es, wenn über die gesperrte Strecke von einem Punkt außerhalb der "Sperrstrecke" ein anderer Punkt jenseits der Strecke erreicht werden soll.[110]
Rz. 57
Um eine spezifische Form des Anliegerverkehrs handelt es sich bei "Lieferverkehr".[111] Das BVerwG versteht unter "Lieferverkehr" den geschäftsmäßigen Transport von Sachen von oder zu Gewerbetreibenden sowie von oder zu sonstigen Kunden eines Gewerbetreibenden.[112] Diese Auslegung bestimmt auch das Verständnis der Beschilderung nach dem verobjektivierten Empfängerhorizont.[113]
Rz. 58
"Hinterlieger-Anlieger" können Anlieger einer für den Verkehr gesperrten Straße sein, welche sie befahren müssen, um direkt (unmittelbar) zu der Straße zu gelangen, an der sie selbst anliegen oder in welcher der Verkehr mit einem Anlieger im vorbezeichneten Sinne erfolgen soll.[114] Kein Anlieger in diesem Sinne ist allerdings derjenige, der die Durchfahrt der gesperrten Anliegerstraße mit dem Zweck verbindet, über weitere Straßen die eigene Anliegerstraße zu erreichen oder in einer Straße mit einem Anlieger in Verkehr zu treten. Die Anliegereigenschaft wird nämlich durch rechtliche Beziehungen zu den an den gesperrten Straßen anliegenden (bebauten oder unbebauten) Grundstücken oder den auf ihnen errichteten Anlagen bestimmt. Dieser Bereich der geschützten rechtlichen Beziehungen würde verlassen, genügte gewissermaßen ein Netz bzw. eine Kette aneinander bzw. hintereinander geknüpfter Anliegerstraßen beliebiger Zahl, um jedem Verkehrsteilnehmer, der sich in Bezug auf irgendeine dieser Straßen berechtigterweise einer Anliegereigenschaft berühmt, die auf sämtliche Straßen des Netzes bzw. der Kette bezogene Anliegereigenschaft zu vermitteln.[115]
Rz. 59
Mit dem Zusatzschild (§ 39 Abs. 3 StVO) "Bewohner frei" zu dem Verkehrszeichen 242.1 Anlage 2 zur StVO "Beginn einer Fußgängerzone" werden die Bewohner der Fußgängerzone uneingeschränkt von den Verkehrsänderungen für den Kraftfahrzeugverkehr in einer Fußgängerzone befreit. Demzufolge umfasst der Gemeingebrauch für die Bewohner dieser Straße nicht nur den unbeschränkten Fußgänger-, sondern auch den unbeschränkten Kfz-Verkehr. Da der Kfz-Verkehr den ruhenden Verkehr einschließt, dürfen die Bewohner auch dort parken. Es handelt sich deshalb um keine Sondernutzung im Sinne des Straßengesetzes (im Fall: § 18 Abs. 1 S. 1 NStrG), wenn der Bewohner sein Fahrzeug in der Fußgängerzone parkt. Die Behörde darf deshalb auch keine Sondernutzungsgebühren von ihm erheben.[116]
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Bußgeld droht
"Anlieger frei": Unter welchen Umständen Sie durchfahren dürfen - und wann nicht
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Ella Gößelein
4.4.2022, 08:19 Uhr
© imageBROKER/Justus de Cuveland via www.imago-images.de Wer das Verkehrsschild "Anlieger frei" missachtet, dem droht ein Bußgeld.
- Viele Verkehrsteilnehmer beachten das Schild "Anlieger frei" oft nicht. Das kann zu einem Bußgeld führen. Doch wer gilt eigentlich als Anlieger?
Wer in Deutschland gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Doch das Verkehrsschild mit der Aufschrift "Anlieger frei" sorgt immer wieder für Verwirrung. Meist wird dieses in Verbindung mit dem Verkehrsschild "Durchfahrt verboten" aufgestellt. Für wen ist die Durchfahrt dann erlaubt und welche Bußgelder drohen bei Missachtung?
Wer gilt als Anlieger?
Eine gesetzliche Definition des Begriffs Anlieger gibt es nicht. Der ADAC erklärt jedoch: "Anlieger ist, wer ein an der Straße anliegendes Grundstück bewohnt oder zu einer Erledigung aufsuchen muss. Es genügt irgendeine Beziehung zum Anliegergrundstück." Das Durchfahrtsverbot erübrigt sich also für Personen mit einem Anliegen. Dazu gehören nicht nur Grundstückseigentümer und Anwohner, sondern auch Menschen, die zu Besuch kommen oder innerhalb der Straße arbeiten. Damit können auch Handwerker, Gäste eines Hotels oder Patienten einer Arztpraxis als Anlieger gelten.
Der ADAC betont, dass auch Verkehrsteilnehmer, die im Bereich des Fahrverbots lediglich eine andere Person abholen möchten, als Anlieger gelten. Vorsicht ist jedoch bei unbebauten Grundstücken wie Waldgebieten oder Wiesen geboten. Diese dürfen nur dann befahren werden, wenn dazu ausdrücklich oder stillschweigend eine Erlaubnis erteilt wurde. Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn sich in dem Gebiet ein See befindet, in dem das Baden erlaubt ist.
Welches Bußgeld droht?
Auch sollten Autos nicht für längere Zeit abgestellt werden. Denn das Durchfahrverbot gilt nicht nur für den fließenden, sondern auch für den ruhenden Verkehr. Die Polizei und die Behörden differenzieren bei der Kontrolle von Fahrzeugen in Zonen, in denen die Durchfahrt verboten ist, durchaus. Das Anliegen muss plausibel sein. Scheint es frei erfunden, so droht ein Bußgeld. Dieses ist abhängig von dem jeweiligen Fahrzeug. So müssen Autofahrer mit etwa 20 Euro rechnen. Motorrad und Fahrradfahrer mit 15 bis 25 Euro. Das widerrechtliche Abstellen eines Autos im Bereich des Durchfahrverbots kostet 35 Euro.
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