Warum sollte Bargeld nicht abgeschafft werden

Oft wurde schon darüber diskutiert, Bargeld abzuschaffen. Was sind die Pro- und Contra-Argumente? Symbolbild. Foto: moerschy/Pixabay.com (Symbolbild)

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  • Bar oder Karte: Was ist sicherer?
  • Nachteile von Bargeld
  • Vorteile von Bargeld
  • Fazit: Besser ein "Sowohl-als-auch"

Wer von uns kennt das nicht: Wir stehen vor einem Automaten mit Münzeinwurf und suchen verzweifelt nach den passenden Geldstücken. Auch wenn diese Geräte mittlerweile immer weniger werden oder uns zumindest die Wahl lassen, ob wir mit Münzen oder mit Karte zahlen möchten. Ohne Bargeld gerieten wir zumindest nicht mehr in derartige Verlegenheiten. Und sicherer ist die Karte im Alltag meist auch.

Bar oder Karte: Was ist eigentlich sicherer?

Denn wenn Bargeld einmal in die falschen Hände gerät, kann es kaum mehr seinem ursprünglichen Besitzer zugeordnet werden und ist dann oftmals dauerhaft verloren. Eine hundertprozentige Sicherheit bietet der bargeldlose Zahlungsverkehr selbstverständlich auch nicht. Ein Missbrauch ist so gut wie nie bei irgendetwas auszuschließen. Aber die Chancen, etwaige Betrüger oder Diebe ausfindig zu machen, ist zumindest deutlich höher als bei Banknoten oder Münzen. Auch muss Bargeld in der Regel erstmal von einem Geldautomaten abgeholt werden, was einen gewissen Aufwand darstellt. Und wer öfter im Ausland mit seinen unterschiedlichen Währungen unterwegs ist, der erspart sich bei digitalen Zahlungssystemen auch das Umtauschen. Das sind ganz eindeutige Vorteile und spricht durchaus für ein Leben ohne Bargeld.

Eins ist sicherlich jedem von uns klar: die Zeiten, zu denen die Werte auf unseren Geldmünzen wie noch bei DM und Pfennig auch deren tatsächlichem Materialwert entsprachen oder diesen sogar gelegentlich überstiegen, sind längst vorbei.

Dennoch lieben es viele Menschen, bei Geld im wahrsten Sinne des Wortes auch etwas Handfestes zu verwenden. Bargeld ist ein auch sinnlich erfahrbarer Wert, zudem wir meist eine persönliche Beziehung haben. Es fällt uns daher größtenteils auch deutlich schwerer, Bargeld - und ganz besonders bei hohen Beträgen - auszugeben, als einfach nur eine Karte in einen Automaten zu stecken. Und einmal ganz ehrlich: wer möchte schon seinem Kind das Taschengeld in Form eines digitalen Codes geben? Vielleicht erinnern wir uns sogar noch an unsere eigene Jugend und daran, welche Freude wir beim Füttern von Kaugummiautomaten hatten! Oder wir möchten anderen Menschen für ihre Arbeit gerne ein Extra geben. Das ist doch ohne Münzen oder einen Geldschein kaum vorstellbar, oder?

Fazit: Statt ein klares "Ja" oder "Nein" - besser ein "Sowohl-als-auch"?

Ohne Zweifel hat unser Bargeld sowohl Vor- als auch Nachteile. Dies gilt aber gleichermaßen für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Einen sorgsamen und verantwortungsvollen Umgang sollten wir bei beiden Zahlungssystemen alleine in unserem eigenen Interesse an den Tag legen.

Somit lässt sich kaum ernsthaft behaupten, nur eines von beidem habe alle Vorzüge auf seiner Seite. Vielmehr wurde beim Betrachten der verschiedenen Aspekte deutlich, dass wir auch in Zukunft gemeinsam mit Bargeld und Karte wohl am besten fahren.

Für so manche alten D-Mark-Münzen zahlen Sammler ein Vermögen - wenn sie diese Eigenschaften aufweisen.

Abschaffung des Bargelds als Wunderwaffe?

Hanno Beck, Aloys Prinz

Bargeld lacht – vielleicht nicht mehr lange: Nicht nur in Deutschland ist eine Debatte darüber entbrannt, ob man das Bargeld abschaffen soll. Die Notenbank Dänemarks hat angekündigt, ab 2017 keine neuen Banknoten mehr zu drucken – die Nachfrage sei zu gering.1 Auch in anderen europäischen Ländern ist Bargeld auf dem Rückzug: Seit 2011 sind Bargeldzahlungen in Italien nur bis zu einem Höchstbetrag von 999,99 Euro möglich,2 in Frankreich sind ab September nur noch Barzahlungen bis 1000 Euro erlaubt.3 Soll auch weiterhin Bargeld in Form von Banknoten und Münzen umlaufen?

Ziele des Vorschlags

Die Abschaffung von Bargeld soll zum einen die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Schwarzarbeit verbessern, zum anderen soll sie den Einsatz unorthodoxer Instrumente der Geldpolitik erleichtern. Weiterhin geht es darum, die Transaktionskosten des Zahlungsverkehrs zu senken.

Die Idee der Bekämpfung der Kriminalität zielt vor allem auf die Anonymität ab, die Bargeld verschafft: Es kann nicht zurück zum Ursprung verfolgt werden, und ist – vor allem in großen Scheinen – leicht und gut zu transportieren. Elektronisches Bargeld, so die Idee, lässt sich wegen fehlender Anonymität nicht mehr für kriminelle Zwecke nutzen.4 Schätzungen gehen davon aus, dass die Schattenwirtschaft im Falle der Abschaffung von Bargeld um bis zu 15% sinken würde.5

Bei der Idee, unorthodoxe Elemente der Geldpolitik zu nutzen, geht es vor allem um negative Zinssätze: In deflationären Situationen sollen durch negative Zinssätze die Investitionen angekurbelt werden. Bei der Nutzung von Bargeld in Form von Noten und Münzen, so das Argument, kann der Zinssatz nicht unter null gesenkt werden, da der Wert dieses Geldes aufgedruckt ist. Nur noch elektronisch verfügbares Bargeld, so die Idee, kann durch eine elektronische Entwertung leichter mit einem negativen Zins versehen werden. Damit würde das Bargeld zu Schwundgeld, was bereits Silvio Gesell6 vorgeschlagen hat. Ein weiteres Ziel des Vorschlags besteht darin, die Transaktionskosten des Bargeldverkehrs zu reduzieren. Dänemark begründet die geplante teilweise Aufhebung der gesetzlichen Annahmepflicht für Bargeld unter anderem auch mit den hohen Kosten für Unternehmen.7

Kann man mit einer Maßnahme wie der Abschaffung des Bargeldes drei Ziele zugleich erreichen? Und können die Ziele dieses Vorschlags effizient erreicht werden? Welche Nebeneffekte treten dabei auf?

Eine Welt ohne Bargeld?

Bargeld ist nach wie vor eine der größten Komponenten in der Bilanz der meisten Notenbanken: In der Bilanz der EZB belief sich der Banknotenumlauf 2014 auf rund 1 Billion Euro, das sind rund 46% der Bilanzsumme.8 In den USA beträgt der Bargeldumlauf rund 30% der Bilanzsumme des Federal Reserve Systems.9

Im Euroraum wird die Nachfrage nach kleinen Banknoten hauptsächlich von inländischen Transaktionen bestimmt, während die Nachfrage nach größeren Banknoten vom kurzfristigen Zinssatz, Schwankungen der Inflationsrate und dem Wechselkurs abhängt – letzteres als Ausdruck der ausländischen Nachfrage nach Euro-Noten.10 Die beiden zuletzt genannten Faktoren belegen, dass Bargeld in größerer Denomination auch als Wertaufbewahrungsmittel verwendet wird. Schätzungen zufolge wird nur 25% bis 35% der Euro-Bargeldmenge für inländische Transaktionen genutzt – die restliche Bargeldmenge wird gehortet oder zirkuliert außerhalb der Eurozone.11

Die Auswahl und Verwendung von Zahlungsinstrumenten wird von nur wenigen Faktoren bestimmt, vor allem den Kosten und der Sicherheit der Transaktion, der Benutzerfreundlichkeit und dem Alter des jeweiligen Nutzers. Unter Berücksichtigung verschiedener Erhebungsmethoden kann man sagen, dass das Volumen der Barzahlungen 2011 in Deutschland rund 600 Mrd. Euro betragen hat; dies entspricht einem Vielfachen der per Karte getätigten Umsätze. Gemessen an der Zahl der Transaktionen ist dieser Unterschied noch größer: Legt man einen geschätzten Durchschnittsbetrag von knapp 20 Euro je Transaktion zugrunde, kommt man für 2011 auf einen Schätzwert von rund 32 Mrd. Euro Barzahlungen. Auch dieser Betrag entspricht einem Vielfachen der rund 3 Mrd. Transaktionen via Kartenzahlungen, die sich aus der Zahlungsverkehrsstatistik ergeben.

Die trotz technologischen Fortschritts große Bedeutung des Bargelds zeigt sich auch in der Entwicklung der Bargeldbestände, deren Gesamtwert in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen ist (vgl. Abbildung 1). Verglichen mit anderen Industrienationen ist der Bargeldumlauf in Deutschland bemerkenswert hoch. Auch zeigt sich, dass das Verhältnis des Bargeldumlaufs zum Bruttoinlandsprodukt in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat, vor allem in Japan und Deutschland. Was den Gebrauch von Banknoten angeht, so ist die 50-Euro-Note die mit Abstand am häufigsten verwendete, 500- und 200-Euro-Noten haben das geringste Aufkommen (vgl. Abbildung 2).

Bekämpfung der Kriminalität?

Wird das Bargeld gegen den Willen der Bevölkerung abgeschafft, muss man vermuten, dass in der einen oder anderen Form nach einem Ersatz gesucht wird, vor allem wenn es darum geht, Transaktionen (warum auch immer) anonym durchzuführen. Hierzu gibt es eine Reihe von Möglichkeiten.

Im Bereich der Schwarzarbeit könnten sich alternative Bargeldformen etablieren: Die erste Reaktion könnte darin bestehen, das bisherige inländische Bargeld zu horten und nicht in digitale Währung umzutauschen. Das inländische Bargeld, das offiziell nicht mehr akzeptiert wird, degeneriert zur Schattenwährung. Wird dieses Bargeld nicht mehr gedruckt, mutiert es zu einer sehr wertstabilen Währung, die – berücksichtigt man den Schwund durch Nutzung – sogar an Wert gewinnen kann.12 Das wäre geldpolitisch das Gegenteil dessen, was man erreichen wollte. In den Staaten des ehemaligen Jugoslawien kursierte die D-Mark auch nach der Einführung des Euro lange Zeit als Parallelwährung.

Noch einfacher ist es, auf ausländische Währungen auszuweichen. Soll dies verhindert werden, muss entweder die Kapitalverkehrsfreiheit eingeschränkt werden oder aber alle wichtigen Währungen des internationalen Handels müssen Geldscheine und Münzen abschaffen. Ein wenig realistisches Szenario.

Alternativ könnte sich eine Art Warengeld etablieren: Man bezahlt mit Zigaretten, Briefmarken, Sammlermünzen oder anderen Wertgegenständen. Eine ähnliche Alternative wären Geldsysteme, die auf Gutscheinen basieren. Dazu eignen sich beispielsweise Gutscheine des Online-Versandhändlers Amazon, die zudem den Vorteil hätten, dass sie durch einen Warenwert gedeckt sind. Etablieren sich diese Gutscheine als Währung, hätte das den kuriosen Nebeneffekt, dass Amazon den Notenbankgewinn (Seigniorage) erzielt, der ansonsten der jeweiligen Zentralbank zugefallen wäre.

Eine noch ausgefeiltere Ausweichreaktion wären Investmentprodukte mit verbrieften Anteilen: Man investiert Geld in einen Fonds (Geldmarktfonds, Aktienfonds oder Ähnliches) und lässt sich die Anteile verbriefen; diese Verbriefungen können dann als vollständig besicherte Parallelwährung zum nicht-elektronischen Zahlungsverkehr genutzt werden.

Alternativen wären auch künstlich geschaffene Cyber-Währungen wie die digitale Währung Bitcoin, die man im Internet – bei der Nutzung eines entsprechenden Browsers – auch zu anonymen Transaktionen nutzen kann.13 Bitcoins eigen sich für illegale Transaktionen und Geldwäsche und haben schon entsprechendes Interesse gefunden.14

Weiterhin ist zu vermuten, dass auch die organisierte Kriminalität Wege finden wird, ihr Geschäft zu finanzieren: Das organisierte Verbrechen nutzt schon heute Warengeld, so werden beispielsweise wertvolle Gemälde als Zahlungsmittel bei kriminellen Operationen verwendet.15 Darüber hinaus hat die organisierte Kriminalität vermutlich auch die Möglichkeit, eine eigene Währung zu kreieren und in Umlauf zu bringen. Wenn die Nachfrage nach Bargeld groß genug ist, könnte sich diese Währung sogar in der Bevölkerung als Zahlungsmittel etablieren. Das hätte zur Folge, dass die Seigniorage statt an den Staat an die organisierte Kriminalität geht, mit dem skurrilen Ergebnis, dass jede Beschlagnahme dieser illegalen Barwährung durch die Polizei den Seigniorage-Gewinn des kriminellen Emittenten erhöht. Ganz unrealistisch ist das nicht: In den 1990er Jahren lieferten Piraten das Bargeld in Somalia, die Bevölkerung akzeptierte dieses Geld dennoch – die Piraten hielten die Geldmenge M1 bemerkenswert stabil.16

Man muss insgesamt vermuten, dass die Eliminierung von Bargeld der Kriminalität nicht den Boden entziehen wird; eher ist zu befürchten, dass neuer Raum für kriminelle Kreativität und Erwerbszwecke entsteht. Eine bargeldlose Volkswirtschaft wäre zudem ein breites Geschäftsfeld für Internet-Kriminalität, und auch ausländische Kriminelle können im Inland vermehrt Straftaten verüben.

Negative Zinsen

Wie sieht es mit der geldpolitischen Zielsetzung aus – kann hier eine Welt ohne Bargeld helfen? Zunächst einmal sollten negative Zinssätze eher eine Ausnahmesituation sein und kein dauerhaftes Instrument der Geldpolitik. Ist es also gerechtfertigt, einen solch starken Eingriff zu tätigen, um in Ausnahmesituationen negative Zinssätze zu ermöglichen, vor allem, wenn angesichts der bereits angesprochenen Ausweichreaktionen unklar ist, wie erfolgreich dieser Schritt wirklich sein kann? Solange negative Zinsen als unorthodoxes Instrument der Geldpolitik anzusehen sind, muss man sich fragen lassen, wieso das komplette Zahlungssystem auf den Einsatz solcher unorthodoxen Instrumente ausgerichtet werden sollte. Warum soll das gesamte Zahlungssystem verändert werden, wenn diese Politik nur in Ausnahmesituationen angebracht ist? Und es sollten auch Ausnahmesituationen bleiben: Makroökonomisch mag eine Welt mit Negativzinsen vorübergehend vorstellbar sein, mikroökonomisch hingegen auf Dauer mit Sicherheit nicht.

Doch nicht nur das: Es ist zu fragen, inwieweit die Abschaffung von Bargeld geeignet ist, den gewünschten Effekt – eine Zunahme des Konsums – zu erreichen. Auch hier sprechen einige Argumente dagegen. Zunächst einmal könnte die Umlaufgeschwindigkeit der elektronischen Währung steigen, wenn die Bürger versuchen, den Negativzinsen zu entkommen. Fatalerweise dürfte das mit einer elektronischen Währung einfacher, schneller und billiger möglich sein, beispielsweise indem digitales Geld auf ein Investment-Konto überwiesen wird.

Dieses Argument legt die wesentliche Schwachstelle einer Negativzinspolitik offen: Es kann zu einer Flucht in Sachwerte oder Kapitalmarktprodukte kommen – mit vielen negativen Folgen.17 Nun kann man argumentieren, dass dieser Portfolio-Effekt gewünscht ist: Das Angebot an Kapital nimmt zu, die Finanzierungsbedingungen verbessern sich und die Investitionstätigkeit steigt. Doch diese Entwicklung kann zu massiven Fehlinvestitionen führen, bei einer negativen Verzinsung könnte es zu Investitionen mit negativem Grenzertrag kommen – umgangssprachlich nennt man das Verschwendung. Die massiven Fehlinvestitionen und Abschreibungen im Zuge der New-Economy-Blase des Jahres 2000 deuten an, was geschehen kann. Nicht zuletzt ist fraglich, ob in einer Phase, in der Negativzinsen als notwendig erachtet werden, die Investitionsnachfrage noch zins­elastisch ist; ist dies nicht der Fall, läuft diese Maßnahme ohnehin ins Leere.

Zudem zeigen die Überlegungen zu den Ausweichreaktionen, dass der Effektivität einer Abschaffung von Bargeld Grenzen gesetzt sind, und ein negativer Zinssatz ein zusätzlicher Anreiz ist, die Flucht aus dem elektronischen Geld zu verstärken. Je höher der Negativzins ist, umso größer werden die Ausweichbemühungen sein, und umso geringer die Effektivität dieser Politik.

Sinkende Transaktionskosten

Bleibt noch die Reduktion der Transaktionskosten – können hier die Befürworter der bargeldlosen Welt punkten? Hinsichtlich Kosten und Nutzen einer rein elektronischen Währung geht die Literatur von einem Vorteil gegenüber papierbasierten Währungen aus. Allerdings variieren die Ergebnisse stark, je nachdem welche Bezugsgröße (je Transaktion, in % des BIP, in % des Umsatzes oder je Euro Umsatz) man verwendet. Zudem ist Vorsicht geboten, wenn aus den Kennzahlen Rückschlüsse auf die Effizienz eines Zahlungsmittels gezogen werden sollen.18

Zusätzliche Kosten einer rein elektronischen Währung entstehen allerdings durch eine höhere Rechnerkapazität, der Bedarf an einer größeren und leistungsfähigeren Infrastruktur, die aufgebaut und betrieben werden muss, und vor allem durch den erheblichen Aufwand, internetbasierte Kriminalität zu verhindern. Dieser Aufwand muss umso höher sein, je größer der Anteil elektronischer Zahlungen ist, denn umso mehr lohnen sich kriminelle Attacken auf die elektronische Infrastruktur. Die meisten Studien zu Nutzen und Kosten elektronischer Währungen vernachlässigen diesen Aspekt, so dass die Frage nach dem Transaktionskostenvorteil möglicherweise derzeit nicht eindeutig zu beantworten ist.

Datenschutz

Das politische Problem einer Abschaffung von Bargeld dürften die Bedenken der Bürger sein: Kann der Staat alle Geldtransaktionen zurückverfolgen, so kann er versucht sein, dies auch zu tun. Ob die mit der Idee der Abschaffung des Bargeldes verbundenen Ziele diesen massiven potenziellen Eingriff in die Freiheit des Einzelnen rechtfertigen, ist diskussionswürdig, zumal nicht einmal klar ist, ob diese Ziele auch wirklich erreicht werden. Ebenfalls als nachteilig könnten sich die verteilungspolitischen Wirkungen einer negativ verzinsten Währung erweisen – sie gehen vor allem zu Lasten der Bevölkerungsschichten, die kein Sachvermögen bilden können.

Fazit

Obwohl es Vorteile eines rein elektronischen Zahlungsverkehrs gibt, so spricht doch wenig dagegen, Kartengeld, Cybergeld und Bargeld solange nebeneinander zu verwenden, wie es die Bürger wünschen. Insbesondere ist die Skepsis gegen ein vollständig kontrollierbares staatliches Geldsystem nachvollziehbar, da nicht alle staatlichen Aktionen das Vertrauen der Bevölkerung in sie rechtfertigen. Es spricht darüber hinaus wenig dafür, dass kriminelle Phänomene wie Steuerhinterziehung, illegaler Handel oder Geldwäsche mit der Abschaffung von Bargeld wirkungsvoll und effizient bekämpft werden. Dies gilt in noch weit stärkerem Maße für die Durchsetzung negativer Zinsen in gesamtwirtschaftlichen Ausnahmesituationen.

  • 1 Vgl. G. Braunberger: Ein Schlag gegen das Bargeld, FAZ.net, 2015, //www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/geld-ausgeben/daenemark-zentralbank-willl-notendruck-stoppen-13582761.html.
  • 2 O.V.: Cash-Verbot ab 1000 Euro auch für Touristen, Focus online, 2012, //www.focus.de/reisen/service/italienisches-gesetz-betrifft-auch-touristen-barzahlungsverbot-ueber-1000-euro_aid_774749.html.
  • 3 Reuters: France steps up monitoring of cash payments to fight „low-cost terrorism“, Reuters online, 2015, //mobile.reuters.com/article/idUSKBN0ME14720150318?irpc=932.
  • 4 K. Rogoff: Costs and benefits to phasing out paper currency, Presented at NBER Macroeconomics Annual Conference, 11.4.2014, Version 5. Mai 2014, //scholar.harvard.edu/files/rogoff/files/c13431.pdf.
  • 5 M. Buhse: Warum die Welt ohne Bargeld nicht funktioniert, Handelsblatt online, 2015, //www.handelsblatt.com/politik/oekonomie/nachrichten/oekonomen-analysieren-warum-die-welt-ohne-bargeld-nicht-funktioniert/3752086.html.
  • 6 Siehe dazu S. Gesell: Die natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, 9. Aufl., Lauf bei Nürnberg 1949.
  • 7 Vgl. K. Rogoff, a.a.O.
  • 8 Vgl. Europäische Zentralbank: Konsolidierte Bilanz des Eurosystems zum 31. Dezember 2014, 2015, //www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/eurosystembalancesheet2014.de.pdf.
  • 9 Vgl. Board of Governors of the Federal Reserve System: Quarterly Report on Federal Reserve Balance Sheet Developments, März 2015, //www.federalreserve.gov/monetarypolicy/files/quarterly_balance_sheet_developments_report_201503.pdf (6.8.2015).
  • 10 Vgl. B. Fischer, P. Köhler, F. Seitz: The Demand for Euro Area Currencies: Past, Present and Future, European Central Bank Working Paper Series, Nr. 330, April 2004.
  • 11 Ebenda.
  • 12 Vgl. dazu bereits den Science-Fiction-Roman von W. Gibson: Neuromancer, New York 1984.
  • 13 Siehe dazu P. Vigna, M. J. Casey: The Age of Cryptocurrency. How Bitcoin and Digital Money are Challenging the Global Economic Order, New York 2015.
  • 14 Vgl. M. C. van Hout, T. Bingham: „Surfing the Silk Road“: A study of users’ experiences, in: International Journal of Drug Policy, 24. Jg. (2013), H. 6, S. 524-529, //dx.doi.org/10.1016/j.drugpo.2013.08.011; sowie D. Bryans: Bitcoin and Money Laundering: Mining for an Effective Solution, in: Indiana Law Journal, 89. Jg. (2014), H. 1, S. 441-472; S. Gruber: Trust, Identity, and Disclosure: Are Bitcoin Exchanges the Next Virtual Money Havens for Money Laundering and Tax Evasion?, in: Quinnipac Law Review, 32. Jg. (2013), H. 1, S. 101-173.
  • 15 Vgl. H. Beck, A. Prinz: Ordnungspolitik auf illegalen Märkten: Der Drogen- und Waffenmarkt, in: Perspektiven der Wirtschaftspolitik, 3. Jg. (2002), H. 1, S. 23-35.
  • 16 Vgl. G. Krabbe: Somalia hat keine Zentralbank mehr, aber immer noch sein Geld, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 4.4.1996, S. 16.
  • 17 Vgl. dazu H. Beck, A. Prinz: Die große Geldschmelze: Wie Politik und Notenbanken unser Geld ruinieren, München 2014.
  • 18 Vgl. B. Fischer, M. Krüger, F. Seitz, a.a.O.

Bargeld und andere Bezahlverfahren

Christoph Sorge

Auf den ersten Blick muss die Verwendung von Bargeld im 21. Jahrhundert archaisch erscheinen, bezahlen wir doch wie seit Jahrhunderten mit geprägtem Metall und bedrucktem Papier – wenn auch Herstellungsprozess und Sicherheitsmerkmale erhebliche Fortschritte gemacht haben. Bargeld ist aufwendig in der Herstellung und Handhabung, ist Brutstätte für Krankheitserreger und erfordert den regelmäßigen Gang zum Geldautomaten. Neben diesen Schwierigkeiten des Alltags sprechen aber auch handfeste ökonomische Erwägungen gegen die Verwendung von Bargeld, und mit Giro- oder Kreditkarte stehen scheinbar in jeder Hinsicht überlegene Alternativen zur Auswahl. Was spricht also gegen die Abschaffung von Bargeld?

Um diese Frage zu beantworten, sollen an dieser Stelle drei Kategorien von Bezahlverfahren miteinander verglichen werden – eine solche Kategorisierung stellt zwar eine grobe Vereinfachung dar, kann jedoch grundlegende Probleme aufzeigen.

Bargeld als Bezahlverfahren

Die Handhabung von Bargeld ist für den Handel mit Aufwand und Kosten verbunden, doch gibt es auch praktische Vorteile: Jedermann kann ohne Vorbedingungen Bargeld ausgeben und akzeptieren – auch, wenn keine Internetverbindung zur Verfügung steht oder der Strom ausgefallen ist. Das Ausgeben von Geld ist zudem klar sichtbar – anders, als wenn lediglich eine Karte in ein Lesegerät gesteckt wird. Die Notwendigkeit, Geld vor dem Ausgeben in einer Bank oder an einem Geldautomaten abzuheben mag hingegen zwar ebenfalls das Bewusstsein für Ausgaben schärfen, macht aber unter Umständen auch wünschenswerte Spontaneinkäufe unmöglich.

Bargeld ermöglicht weitgehend anonymes Bezahlen: Banknoten sind mit einer Seriennummer versehen, die automatisiert eingelesen werden kann. Bezahlvorgänge anhand dieser Seriennummer einer Person zuzuordnen ist aber kaum möglich, da Bargeld durch viele Hände gehen kann, ohne dass deren Identität dabei mit der Nummer verknüpft würde. Eine direkte Folge ist allerdings, dass beim Verlust von Münzen oder Banknoten auch keine Sperrung möglich ist; geht die physische Repräsentation verloren, gilt dies auch für den zugehörigen Wert. Auch Strafverfolgungsbehörden können Zahlungen in Bargeld schwer nachvollziehen.

Elektronische Bezahlsysteme

Die heute verbreiteten elektronischen Bezahlsysteme (wie Debit- und Kreditkarten und sogenannte Mobile Wallets, also elektronische Geldbörsen auf dem Smartphone) unterscheiden sich in ihren Einzelheiten erheblich. Eine Gemeinsamkeit ist jedoch, dass bei den Systemen Konten geführt werden. Wer bezahlen möchte, autorisiert die Übertragung von Guthaben von seinem eigenen Konto zu dem des Zahlungsempfängers. Um sicherzustellen, dass nur der berechtigte Nutzer des Bezahlsystems dazu in der Lage ist, werden die Authentifizierungsprinzipien Besitz, Wissen oder Biometrie angewendet – beispielsweise der Besitz einer Girokarte in Kombination mit der Kenntnis der PIN. Da die Karte bzw. allgemein die Authentifizierungsmethode nur die Autorisierung zum Zugriff auf ein Konto nachweisen soll, kann sie bei den meisten gängigen elektronischen Bezahlsystemen gesperrt werden. Der berechtigte Nutzer verliert mit Verlust oder Diebstahl der Karte nicht sein Guthaben.

Eine Netzverbindung ist bei elektronischen Bezahlsystemen zwar gängig, um entweder die Bezahlung direkt zu verbuchen oder einen Abgleich mit einer Sperrliste vorzunehmen – doch ist eine ständige Verbindung nicht zwingend nötig. So wird im Fall der Geldkarte der Kontostand auf der Karte selbst, die durch den Nutzer zumindest nach bisherigem Stand der Technik nicht manipuliert werden kann, mitgeführt. Ein Schattenkonto vollzieht die Buchungen nach; sollte doch einmal die erfolgreiche Manipulation einer Karte möglich sein, können missbräuchliche Transaktionen im Nachhinein erkannt werden. Das Schattenkonto muss aber nicht unmittelbar nach der Buchung aktualisiert werden, so dass „Offline“-Transaktionen möglich bleiben. Kehrseite dieser technischen Entwurfsentscheidung ist die somit entfallende Sperrmöglichkeit.

Die Konten der genannten Verfahren sind in aller Regel jeweils fest einer Person zugeordnet, die dem Anbieter des Bezahlsystems bekannt ist. Es gibt jedoch Ausnahmen wie die sogenannte „kontounabhängige“1 Geldkarte oder Prepaid-Karten, die von diversen Kreditkartenfirmen angeboten werden und beim Bezahlen auch wie eine Kreditkarte genutzt werden können.

Anonyme Bezahlverfahren

Die dritte Kategorie sind anonyme Bezahlverfahren im engeren Sinne. Das Bundesdatenschutzgesetz definiert (in §3 Abs. 6) Anonymisieren als „Verändern personenbezogener Daten derart, dass die Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse nicht mehr oder nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand an Zeit, Kosten und Arbeitskraft einer bestimmten oder bestimmbaren natürlichen Person zugeordnet werden können“. Nun kann eine Prepaid-Karte durchaus nach dieser Definition anonym sein – sie erlaubt die Profilbildung unter einem Pseudonym (der Kartennummer), aber die Identität des Kartennutzers ist nicht bekannt. Sobald aber anhand einer Transaktion der Personenbezug hergestellt werden kann – was mit wachsender Transaktionszahl auf der gleichen Karte wahrscheinlicher wird –, gilt dies für die gesamte Transaktionshistorie der Karte. In einer Reihe von Anwendungsfeldern hat sich herausgestellt, dass sich unter einem Pseudonym gespeicherte Daten oft im Nachhinein konkreten Personen zuordnen lassen. Erst kürzlich wurde gezeigt, dass dies auch für Kreditkartentransaktionen gilt.2

Daher wird in der Informatik beim Entwurf von Systemen, die eine anonyme Nutzung erlauben sollen, in der Regel auf das Schutzziel der Unverknüpfbarkeit (Unlinkability)3 zurückgegriffen: Schon die Möglichkeit, mehrere Transaktionen desselben Nutzers miteinander in Verbindung zu bringen, wäre eine Verletzung dieses Schutzziels. Das Bilden von Nutzerprofilen, auch unter Pseudonymen, soll verhindert werden.

Das erste und bis heute prominenteste anonyme Bezahlverfahren ist das von Chaum.4 Es verwendet das Konzept digitaler Münzen: Der Nutzer erwirbt diese Münzen bei einer Bank. Dabei wird seine Identität in die digitalen Münzen codiert; bei jedem Bezahlvorgang muss er aber nur Teile der Münzen offenlegen, aus denen die Identität sich nicht rekonstruieren lässt. Die offengelegten Münzbestandteile werden durch den Händler, der sie angenommen hat, an die Bank weitergeleitet. Versucht ein Nutzer, dieselbe Münze ein zweites Mal zu verwenden, muss er andere Teile der Münze offenlegen. Die Bank kann aus der Kombination die Identität des Nutzers rekonstruieren und den Betrugsversuch verfolgen. Ähnlich wie bei der Geldkarte ist keine ständige Internetverbindung erforderlich; Münzen können durch die Händler gesammelt an die Bank weitergegeben werden. Das Verfahren wurde in die Praxis umgesetzt, konnte sich jedoch nicht am Markt behaupten. Neuere anonyme Bezahlverfahren5 verbessern einige Eigenschaften des Verfahrens von Chaum, beispielsweise, indem die (begrenzt häufige) Weitergabe von Münzen zwischen Nutzern ermöglicht wird, statt nach jedem Bezahlvorgang Kontakt zur Bank herstellen zu müssen.

Das Bitcoin-System6 zählt nicht zu den anonymen Bezahlverfahren im engeren Sinne, da es auf Konten basiert. Ein Nutzer kann dies teilweise umgehen, da man beliebig viele Konten (Bitcoin-Adressen) anlegen kann. Jedoch sind sämtliche Transaktionen öffentlich, so dass beispielsweise das Transferieren von Guthaben zwischen eigenen Konten deren Zusammengehörigkeit offenlegt. Es existieren Erweiterungen, die eine anonyme Nutzung von Bitcoin ermöglichen,7 aber diese haben bisher keine weite Verbreitung gefunden.

Folgen der Abschaffung von Bargeld

Welche Folgen hätte nun die Abschaffung des Bargelds aus Sicht des Datenschutzes? Auf den ersten Blick stehen anonyme Bezahlverfahren als angemessener Ersatz bereit. Allerdings basiert die Anomyität von Prepaid-Karten darauf, dass sie anonym erworben werden können – üblicherweise mit Bargeld. Wird die Prepaid-Karte hingegen von einem Bankkonto bezahlt, ist die Verknüpfung aller damit getätigten Transaktionen mit dem Inhaber des Bankkontos natürlich technisch möglich.

Theoretisch denkbar ist jedoch das Ausweichen auf die anderen skizzierten anonymen Bezahlverfahren. De facto ist von diesen momentan lediglich Bitcoin einschließlich der Ergänzungen verfügbar. Es leidet jedoch unter dem Nachteil seiner unzureichenden Skalierbarkeit: Eine steigende Transaktionszahl erfordert eine mitwachsende Menge an Speicherplatz für die Transaktionshistorie, die im Bitcoin-System zwingend vorgehalten werden muss. Gleichzeitig wächst die benötigte Datenübertragungsrate zwischen Teilnehmern des Bitcoin-Peer-to-Peer-Systems. Auch der Anreiz für Angreifer, Bitcoin-Transaktionen zu manipulieren, wird größer. Eine solche Manipulation ist mit genügendem Mitteleinsatz problemlos möglich, wenn auch zur Zeit nicht rentabel: Der Angreifer muss dazu mehr Rechenleistung zur Verfügung haben als die ehrlichen Teilnehmer des Systems zusammengenommen.8 Würde Bitcoin allerdings für einen drastisch höheren Anteil am Zahlungsverkehr genutzt als heute, wäre das System für Angreifer, die wirtschaftliche Verwerfungen auslösen möchten, interessant.

Bei all diesen Überlegungen stellt sich letztlich aber die Frage, ob die Möglichkeit zum anonymen Bezahlen überhaupt wünschenswert ist. Immerhin sind auch die Interessen der Finanz- sowie der Strafverfolgungsbehörden legitim, Zahlungsströme nachverfolgen zu können. Andererseits hat das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem wegweisenden Volkszählungsurteil ausgeführt:9 „Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß.“ Das Gericht folgert daraus: „Freie Entfaltung der Persönlichkeit setzt unter den modernen Bedingungen der Datenverarbeitung den Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten voraus.“

Informationelle Selbstbestimmung

Bereits die Erhebung von personenbezogenen Daten ist also ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung – sobald die Erhebung einmal stattgefunden hat, kann der Betroffene nur noch schwer nachvollziehen, wie seine Daten verarbeitet und an wen sie weitergegeben werden. Bezahlvorgänge können ein umfassendes Bild der Interessen einer Person zeichnen; umgekehrt kann das Verhalten dieser Person beeinflusst werden, wenn sie nicht weiß, wer von ihren Einkäufen oder in Anspruch genommenen Dienstleistungen erfährt. Spätestens mit den Snowden-Enthüllungen ist auch bekannt, dass die massenhafte Analyse personenbezogener Daten nicht nur eine abstrakte Gefahr darstellt.

Nun findet bei elektronischen Bezahlverfahren in der Regel keine Datenerhebung oder -verarbeitung durch staatliche Stellen statt. Grundrechte – wie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitet wird – sind zunächst Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat, was zu dem Ergebnis führen könnte, der Staat dürfe Datenerhebungen durch Private beliebig zulassen. Allerdings ergeben sich aus den Grundrechten auch Schutzpflichten des Staates.10 Im Datenschutzrecht wird der Schutzauftrag beispielsweise dadurch erfüllt, dass sich das Bundesdatenschutzgesetz nicht nur an öffentliche Stellen, sondern auch an Private („nicht-öffentliche Stellen“) richtet.

Das Bestehen einer Schutzpflicht in Bezug auf die informationelle Selbstbestimmung bedeutet aber nicht, dass der Staat elektronische Bezahlverfahren, die die Verarbeitung personenbezogener Daten erfordern, nicht zulassen dürfte. Der Einzelne kann nicht nur selbst entscheiden, in die Erhebung und Verarbeitung seiner Daten einzuwilligen; bereits im Volkszählungsurteil hat das Bundesverfassungsgericht darüber hinaus darauf hingewiesen,11 dass das informationelle Selbstbestimmungsrecht nicht schrankenlos gewährleistet ist. So bestehen auch keine Bedenken gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten in elektronischen Bezahlverfahren, solange sie sich im Rahmen des für die Vertragsabwicklung Notwendigen bewegt. Der Gesetzgeber hat im Geldwäschegesetz sogar Identifizierungspflichten festgelegt, die bereits heute die Möglichkeiten anonymen Bezahlens einschränken.

Die Abschaffung von Bargeld indes würde dem Einzelnen die Alternative nehmen; keines der bisher verbreiteten Bezahlverfahren erreicht einen ähnlich guten Schutz vor Profilbildung, wie er bei Bargeld gegeben ist. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung nicht per se verfassungswidrig ist.12 Ob sich diese Einschätzung, die sich auf Verkehrsdaten der Telekommunikation bezieht, auf den Zahlungsverkehr übertragen lässt, kann jedoch bezweifelt werden. Zwar läuft in beiden Fällen eine Konfliktlinie zwischen den Interessen von Strafverfolgungsbehörden und dem Datenschutz. Jedoch würde der Staat durch die Abschaffung von Bargeld überhaupt erst dafür sorgen, dass Daten anfallen, während er im Fall der Telekommunikationsvorratsdatenspeicherung lediglich die Speicherung ohnehin anfallender Daten anordnete. Andererseits ist mit bargeldlosem Zahlungsverkehr nicht zwingend eine längerfristige Aufbewahrung der Transaktionsdaten verbunden. Unterstellt, diese Daten würden tatsächlich nur so lange gespeichert, wie es für die Zahlungsabwicklung technisch nötig ist, wäre auch aus Sicht des Datenschutzes nichts gegen eine Abschaffung von Bargeld einzuwenden. Gleiches gilt, wenn anonyme Bezahlverfahren in der Praxis zur Verfügung stehen – die technischen Grundlagen sind schon seit langem gelegt. Ob auch nur eine von beiden Voraussetzungen eintreffen wird, darf jedoch bezweifelt werden – wecken das Vorhandensein von Daten oder die einfache Möglichkeit, diese zu sammeln, doch, wie vergangene Erfahrungen zeigen, schnell Begehrlichkeiten.

  • 1 Gemeint ist die Unabhängigkeit von einem Bankkonto; ein Schattenkonto der Transaktionen mit der jeweiligen Geldkarte existiert trotzdem.
  • 2 Y.-A. de Montjoye, L. Radaeli, V. K. Singh, A. Pentland: Unique in the shopping mall: On the reidentifiability of credit card metadata, in: Science, Bd. 347, Nr. 6221 (2015), S. 536-539.
  • 3 Zur Terminologie vgl. A. Pfitzmann, M. Hansen: A Terminology For Talking About Privacy By Data Minimization: Anonymity, Unlinkability, Undetectability, Unobservability, Pseudonymity, and Identity Management, Version 0.34, //dud.inf.tu-dresden.de/Anon_Terminology.shtml (29.7.2015).
  • 4 D. Chaum, A. Fiat, M. Naor: Untraceable Electronic Cash. In Advances in Cryptology — CRYPTO’ 88, Berlin/Heidelberg 1990, S. 319-327; Lecture Notes in Computer Science, Bd. 403.
  • 5 So z.B. G. Fuchsbauer, D. Pointcheval, D. Vergnaud: Transferable Constant-Size Fair E-Cash, in: Cryptology and Network Security: 8th International Conference (CANS 2009), Berlin/Heidelberg 2009, S. 226-247; Lecture Notes in Computer Science, Bd. 5888.
  • 6 Siehe hierzu C. Sorge, A. Krohn-Grimberghe: Bitcoin – Das Zahlungsmittel der Zukunft?, in: Wirtschaftsdienst, 93. Jg. (2013), H. 10, S. 720-722, //www.wirtschaftsdienst.eu/archiv/jahr/2013/10/bitcoin-das-zahlungsmittel-der-zukunft/ (6.8.2015); bzw. C. Sorge, A. Krohn-Grimberghe: Bitcoin: Eine erste Einordnung, in: Datenschutz und Datensicherheit DuD, 36. Jg. (2012), S. 479-484.
  • 7 I. Miers, C. Garman, M. Green, A. Rubin: Zerocoin: Anonymous Distributed E-Cash from Bitcoin, in: 2013 IEEE Symposium on Security and Privacy, S. 397-411.
  • 8 Dies gilt zumindest, solange der Angreifer die Rechenleistung auf regulärem Weg erbringt und es nicht etwa schafft, dafür fremde Rechner zu „kapern“.
  • 9 Zum Folgenden Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 15.12.1983, Az. 1 BvR 209/83, BVerfGE 65,1.
  • 10 Zu den Schutzpflichten allgemein siehe E. Klein: Grundrechtliche Schutzpflicht des Staates, in: Neue Juristische Wochenschrift NJW 1989, S. 1633-1640; zu Schutzpflichten gegen Internetüberwachung siehe T. Hahn, P. C. Johannes, B. Lange: Schutzschilde gegen die NSA, in: Datenschutz und Datensicherheit DuD, 39. Jg. (2015), S. 71-77.
  • 11 Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 15.12.1983, a.a.O.
  • 12 BVerfG, Urteil vom 2.3.2010, Az. 1 BvR 256/08, BVerfGE 125, 260 – die konkrete Ausgestaltung der Vorratsdatenspeicherung von Telekommunikationsdaten wurde hingegen für verfassungswidrig erklärt.

Nachfrage nach Zahlungsinstrumenten

Heike Winter, Heike Wörlen

„Ist Bares noch Wahres?“, „Wie lange dauert es noch, bis das Bargeld verboten wird?“, „Nur Nicht-Bares ist wirklich Wahres“: so lauteten im Frühjahr 2015 die Überschriften einiger Artikel in überregionalen Zeitungen1 – und das waren nicht die einzigen. In der Presse wurde ausgiebig über die Zukunft des Bargelds diskutiert. Angestoßen haben die Debatte mehrere Ökonomen, die die Abschaffung des Bargelds forderten, darunter war auch ein Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Peter Bofinger. Er nannte Bargeld einen Anachronismus. Banknoten und Münzen würden seiner Ansicht nach den Zahlungsverkehr erschweren, Schwarzarbeit und Drogenhandel fördern sowie die Geldpolitik des Eurosystems behindern, da man die Zinsen in einer Welt mit Bargeld kaum unter null senken könne.2

Zahlungsverhalten in Deutschland im internationalen Vergleich

Nationale Zahlungsgewohnheiten sind das Resultat verschiedener Einflussfaktoren. Sie sind ein Zusammenspiel zwischen den Präferenzen der Zahlungsempfänger, insbesondere dem Handel, und denen der Zahler. Aus Sicht des Handels ist die Akzeptanz von Bargeld mit einem bestimmten Grundaufwand für die Bargeldhaltung verbunden. Bargeldlose Zahlungsinstrumente hingegen kosten den Zahlungsempfänger in der Regel pro Transaktion eine Gebühr. So hängt etwa die Akzeptanz von Kartenzahlungen im Handel stark davon ab, wie hoch die Gebühren dafür sind und wie weit verbreitet die Zahlungskarte bei der jeweiligen Kundschaft ist. Beide Faktoren variieren auch entlang von nationalen Grenzen.3

Vor diesem Hintergrund gibt es große Unterschiede bei der Nutzung von Bargeld im internationalen Vergleich. In Deutschland wird im Vergleich zu anderen wirtschaftlich hochentwickelten Ländern sehr häufig bar bezahlt. So lag der Anteil von Barzahlungen an allen innerhalb einer Woche getätigten Transaktionen in einer repräsentativen Umfrage 2014 bei 79,1%.4 Ähnliche Umfragen in anderen Ländern zeigen deutlich geringere Quoten. In Frankreich betrug der Bargeldanteil 2011 56%, in den Niederlanden 52%, in Kanada 2009 53% und in den USA 2012 nur 46%.5

Ein Grund für die hohe Bargeldnutzung in Deutschland dürfte darin liegen, dass aus Sicht der Zahler gerade bei Kleinbetragszahlungen der Handel Alternativen zum Bargeld wie Zahlungskarten nicht gern akzeptiert. Die Befragten in Deutschland gaben 2011 an, dass die von ihnen getätigte Zahlung in 57% der in der Umfrage protokollierten Transaktionen mit Karte möglich gewesen wäre, bei den Niedrigbetragszahlungen waren es nur 28%. In Kanada dagegen wären 2009 den Angaben der Befragen zufolge 73% der protokollierten Zahlungen auch mit Karte möglich gewesen, bei den Niedrigbetragszahlungen waren es 53%.6

Bargeld – ein Zahlungsmittel mit vielen Alleinstellungsmerkmalen

Wie die Studien zum Zahlungsverhalten zeigen, ist Bargeld in Deutschland ein im internationalen Vergleich immer noch weit verbreitetes Zahlungsmittel. In anderen Ländern ist die Verwendung dagegen bereits mehr oder weniger stark zurückgegangen. Sollte Bargeld daher auch in Deutschland zurückgedrängt bzw. gleich ganz abgeschafft werden?

Zunächst einmal sind Euro-Banknoten das einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel in Deutschland.7 Würde man die Verwendung von Bargeld einschränken wollen, ginge das also nicht ohne Gesetzesänderungen. Doch auch wenn man sich auf eine inhaltliche Diskussion über die angeblichen Nachteile des Bargelds einlässt, findet sich wenig Stichhaltiges. Das Argument, ohne Bargeld gäbe es keine Schwarzarbeit, Steuerhinterziehung oder Drogengeschäfte mehr, greift nicht. Einerseits könnten die handelnden Personen auf Fremdwährungen zurückgreifen, sofern das Bargeld nicht weltweit abgeschafft wird, oder alternative Tauschmittel nutzen. Andererseits ist das Problem auch unbarer Natur. Der französische Ökonom Gabriel Zucman schätzt, dass weltweit 5,8 Billionen Euro an privatem Vermögen nicht deklariert sind und sich in Steueroasen wie der Schweiz, Hongkong oder Singapur befinden.8

Auch das Argument, Bargeld erschwere den Zahlungsverkehr, weil an der Ladenkasse immer so lange nach Kleingeld gekramt werde, kann entkräftet werden. Gemäß der ersten Zahlungsverhaltensstudie der Deutschen Bundesbank sehen fast 90% der Bevölkerung Bargeld als schnelles und bequemes Zahlungsmittel an.9

Und schließlich muss man auch nicht auf Banknoten und Münzen verzichten, damit die europäische Geldpolitik wirkt. Das derzeitige Niedrigzinsniveau sei ein Symptom, das auf tieferliegende Ursachen – eine Wachstumsschwäche – zurückzuführen sei, führte Bundesbankpräsident Jens Weidmann jüngst aus; und weiter: „Wenn also die Wachstumsschwäche den Kern des Problems darstellt, dann gilt es, diese Schwäche zu überwinden, anstatt kühne Akrobatik in der Form zu betreiben, das Bargeld abschaffen zu wollen, damit die Geldpolitik noch expansiver wirken und langfristige Strukturprobleme kurzfristig mit billigem Geld überdecken kann.“10

Die Argumente, die gegen Bargeld und Barzahlungen vorgebracht werden, sind also nicht stichhaltig. Doch was spricht denn ganz konkret dafür, weiterhin mit Banknoten und Münzen zu zahlen? Offensichtlich entspricht Bargeld in hohem Maße den Bedürfnissen der Nutzer. Zum einen schützen Barzahlungen die Privatsphäre der Bevölkerung. Dass davon auch wenig rechtschaffene Personen profitieren, ist kein Grund, die ehrlichen Bürger immer gläserner werden zu lassen. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und Achtung des Privatlebens ist ein hohes Gut, das nicht aufgeweicht oder preisgegeben werden sollte. „Bargeld ist geprägte Freiheit“ – dieses abgewandelte Dostojewski-Zitat hat nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt.

Weiterhin ermöglichen Barzahlungen eine gute Kontrolle der Ausgaben – darauf greifen viele Haushalte, gerade weniger wohlhabende, gerne zurück. Bargeld kann außerdem ohne technische Infrastruktur eingesetzt werden und dient daher als beliebtes Zahlungsmittel zwischen Privatpersonen sowie als Ausfalllösung für den unbaren Zahlungsverkehr. Auch in Not- und Krisenzeiten wird Bargeld stark nachgefragt – sei es als Wertaufbewahrungs- oder als Zahlungsmittel, wenn z.B. die technische Infrastruktur im Fall von Naturkatastrophen zerstört ist. Und schließlich ermöglichen Barzahlungen die sofortige und endgültige Vertragserfüllung direkt am Point of Sale und schaffen somit unmittelbar Rechtssicherheit.

Es gibt also viele gute Gründe, weiterhin bar zu zahlen und nichts, was ernsthaft dagegen spricht. Aus diesem Grund ist Bargeld ein Zahlungsmittel von gestern, von heute und auch noch von morgen. Eine Zurückdrängung oder Abschaffung ist weder sinnvoll noch nötig und widerspricht auch deutlich den Wünschen der Bevölkerung.11 Gleichwohl verändern sich die Zahlungs- und auch die Einkaufsgewohnheiten. Der Internethandel erfreut sich steigender Beliebtheit und obwohl auch die Barzahlung von Internetbestellungen möglich ist, haben hier die unbaren Zahlungsinstrumente deutlich die Nase vorn.

Zunehmende Nachfrage nach bargeldlosen Zahlungsinstrumenten

Ob in Zukunft mehr mit der Karte oder dem Smartphone bezahlt wird, hängt entscheidend von den Präferenzen des Handels ab. Wesentliche Auswahlkriterien für ihr Angebot an Zahlungsinstrumenten sind dabei die komfortable und kostengünstige Nutzung und eine möglichst flächendeckende Verbreitung.

Zum einen könnte die Nutzung bargeldloser Zahlungsinstrumente im stationären Einzelhandel durch die Kontaktlostechnologie attraktiver werden. Mit Hilfe von Nahfeldkommunikation (Near Field Communication, NFC) kann eine Zahlung bis zu einer Distanz von 10 cm drahtlos übertragen werden. Inzwischen werden immer mehr Zahlungskarten mit NFC ausgestattet und immer mehr Terminals an der Ladenkasse sind in der Lage, diese zu verarbeiten.12 Für den Einzelhandel hätte die weiträumige Nutzung von NFC den Vorteil, dass sich der Bezahlungsvorgang an der Kasse weiter beschleunigt. Vor diesem Hintergrund zeigen neuerdings auch Discounter in Deutschland ein hohes Interesse an der Nutzung von NFC.13

Doch damit stoßen sie in neues Terrain vor. Denn in Deutschland sind bisher vor allem die Karten internationaler Kartensysteme kontaktlos einsetzbar. Bisher wurde an den Kassen der Discounter vielfach nur die Girocard (frühere EC-Karte) der Deutschen Kreditwirtschaft akzeptiert. Diese zeichnet sich besonders durch ihre flächendeckende Verbreitung aus,14 doch bisher ist sie an den meisten Kontaktlosterminals nicht nutzbar. Die Planungen der Deutschen Kreditwirtschaft sehen vor, dass ab 2016 die ersten Girocards mit NFC-Funktion herausgegeben werden sollen. Bis alle Karten ausgetauscht sind, wird es mindestens drei Jahre dauern.

Diese sich derzeit abzeichnende zunehmende Bereitschaft des Handels in Deutschland, Karten zu akzeptieren, hat aber nicht allein mit dem Aufkommen der Kontaktlostechnologie zu tun. Vielmehr sorgt die von der Europäischen Union den Kartensystemen verordnete Höchstgrenze für Interbankenentgelte auch für grundsätzlich sinkende Gebühren für den Handel bei der Abwicklung von Kartenzahlungen. Um Ertragsungleichgewichte zwischen kartenherausgebenden Banken und den Banken der Händler auszugleichen, werden im Kartengeschäft Entgelte zwischen den beteiligten Banken gezahlt. Am Ende werden diese Gebühren an den Händler weitergereicht, der sie dann in seiner Preiskalkulation berücksichtigen muss. Ab dem 9. Dezember 2015 dürfen diese Interbankenentgelte für Kreditkarten nicht höher als 0,3% vom Zahlungsbetrag und für Debitkarten (wie etwa die Girocard) nicht höher als 0,2% liegen.15 Vorher waren die Entgelte vor allem bei Kreditkarten deutlich höher. Auch betragsunabhängige Mindestgebühren, wie sie bis 2014 etwa im deutschen Girocard-System üblich waren, sind dann nicht mehr zulässig.

Wie sich diese Regelung auf den Markt in Deutschland auswirken wird, ist noch nicht ganz abzusehen. Aber der Vorstoß der Discounter zeigt, dass sich hierzulande Chancen für die internationalen Kartensysteme eröffnen könnten. Ebenso könnte die Abschaffung der bisher bestehenden Mindestgebühr für Kartenzahlungen dazu führen, dass Karten nun auch stärker für Kleinbetragszahlungen genutzt werden könnten. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass diese Neuerungen nicht nur Kartenzahlungen im physischen Sinne betreffen, sondern auch gelten, wenn die Karte im Smartphone hinterlegt wird. Damit dürften sich diese aktuellen Entwicklungen im Kartengeschäft in Zukunft zu einer wichtigen Determinante für das Zahlungsverhalten in Deutschland entwickeln. In welcher Weise sich die Nutzung des Smartphones zum Bezahlen an der Ladenkasse durchsetzen wird, ist noch nicht abzusehen.

Fazit

Die etwas hitzig geführte Debatte um eine Abschaffung des Bargeldes führt in die Irre. Es ist ein Missverständnis, dass die zurzeit sehr expansive Geldpolitik des Eurosystems durch Bargeldhaltung konterkariert wird. Grundlegende Wachstumsschwächen verschiedener europäischer Länder können ohnehin nicht mithilfe von Geldpolitik geheilt werden. Auch sind kaum nennenswerte Effekte für die Vermeidung von Schattenwirtschaft und Kriminalität durch die Abschaffung von Bargeld zu erwarten. Demgegenüber steht die Einschränkung der Freiheit für die Bürger. Eine so tiefgreifende Maßnahme, wie im Extremfall die Abschaffung von Bargeld, ist überhaupt nur dann möglich, wenn es darüber eine politische Einigung gäbe. Die Bevölkerung steht dem jedenfalls ablehnend gegenüber und zahlt aus guten Gründen häufig mit Bargeld.

Die Forderung, Bargeld abzuschaffen, bedeutet eine Extremposition, die den Blick auf die neueren Entwicklungen im Zahlungsverhalten verstellt. Dabei ist kaum anzunehmen, dass die bisher sehr hohen Bargeldquoten in Deutschland so bestehen bleiben. Dafür sorgt zum einen die Zunahme des Onlinehandels, in dem bargeldlose Zahlungen der Standard sind. Zum anderen ist zu vermuten, dass insbesondere die sich abzeichnenden Umwälzungen am Kartenmarkt dafür sorgen werden, dass dieses Zahlungsinstrument für Zahler und Zahlungsempfänger deutlich attraktiver und damit signifikant häufiger eingesetzt wird.


Beide Autorinnen sind wesentlich beteiligt an der Konzeption der regelmäßig erscheinenden empirischen Studie der Deutschen Bundesbank zum Zahlungsverhalten. Der Artikel gibt die Auffassung der Autorinnen und nicht notwendigerweise die Sichtweise der Deutschen Bundesbank wieder.

  • 1 Vgl. dazu N. Häring: Ist Bares noch Wahres?, in: Handelsblatt vom 18.5.2015, S. 32; R. Tichy: Wie lange dauert es noch, bis das Bargeld verboten wird?, in: Bild am Sonntag vom 10.5.2015, S. 8; N. Häring: Nur Nicht-Bares ist wirklich Wahres, in: Handelsblatt vom 11.5.2015, S. 38.
  • 2 Vgl. o.V.: Bargeld ist ein Anachronismus, in: Der Spiegel vom 16.5.2015, S. 56.
  • 3 European Commission, Directorate-General for Competition: Survey on merchants’ costs of processing cash and card payments, final results, März 2015, S. 49.
  • 4 Vgl. Deutsche Bundesbank: Zahlungsverhalten in Deutschland 2014 – Dritte Studie über die Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsinstrumenten, Frankfurt a.M. 2015, //www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Bericht_Studie/zahlungsverhalten_in_deutschland_2014.html (20.7.2015).
  • 5 Vgl. J. Bagnall et al.: Consumer cash usage: a cross-country comparison with payment diary survey data, ECB-Working Paper, Nr. 1685, Frankfurt a.M. 2014, S. 38, //www.ecb.europa.eu/pub/pdf/scpwps/ecbwp1685.pdf (20.7.2015).
  • 6 Vgl. ebenda, S. 43.
  • 7 §14 Bundesbankgesetz, siehe auch Art. 128 AEUV für die europäische Ebene.
  • 8 Vgl. B. Brinkmann: Den Milliarden auf der Spur, Gabriel Zucman im Gespräch über Steueroasen, in: Süddeutsche Zeitung vom 23.7.2014, //www.sueddeutsche.de/wirtschaft/vermoegen-in-steueroasen-den-milliarden-auf-der-spur-1.2044154 (27.7.2015).
  • 9 Vgl. Deutsche Bundesbank: Zahlungsverhalten in Deutschland, Frankfurt a.M. 2009, S. 10 ff.
  • 10 J. Weidmann: Eröffnung des Zahlungsverkehrssymposiums der Deutschen Bundesbank unter dem Titel „Zahlungsverkehr in Deutschland im Jahr 2015“, //www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Reden/2015/2015_06_15_weidmann.html (3.7.2015).
  • 11 Vgl. dazu z.B o.V.: Die Deutschen wollen das Bargeld nicht aufgeben, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 29.5.2015, S. 25; S. Wolff: Nur Bares ist Wahres, in: Frankfurter Rundschau vom 19.5.2015, S. 15.
  • 12 Die internationalen Kartensysteme Visa und Mastercard haben durchgesetzt, dass alle ab 2016 neu aufgestellten Terminals NFC-Zahlungen verarbeiten können müssen, die alten Terminals sollen bis spätestens 2020 abgelöst werden.
  • 13 Aldi Nord, Lidl und Netto ebenso wie Media Markt und Saturn haben im Juni 2015 angekündigt, dass sie nun Karten internationaler Kartensysteme akzeptieren wollen.
  • 14 Von den in der Studie zum Zahlungsverhalten in Deutschland 2014 Befragten gaben 97% an, mindestens eine Girocard zu besitzen; vgl. Deutsche Bundesbank: Zahlungsverhalten in Deutschland 2014 – Dritte Studie über die Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsinstrumenten, Frankfurt a.M. 2015, S. 18, //www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Bericht_Studie/zahlungsverhalten_in_deutschland_2014.html (20.7.2015).
  • 15 Regulation (EU) 2015/751 of the European Parliament and of the Council of 29 April 2015 on interchange fees for card-based payment transactions.

Warum Bargeld nicht abgeschafft werden sollte – Effizienz-, Praktikabilitäts- und Implementierungsaspekte

Gerhard Rösl, Franz Seitz

Was würde passieren wenn das Bargeld abgeschafft wird?

Wer das Bargeld abschafft, riskiert ein starkes Geldmengenwachstum und damit die Gefahr von steigenden Preisen, prognostizierte schon vor 80 Jahren der berühmte Ökonom John Maynard Keynes in seinem Buch „Vom Gelde“.

Soll das Bargeld abgeschafft werden?

Nach Beschlussfassung in Bundestag und Bundesrat tritt es am 1. Januar 2023 in Kraft. Das Gesetz ist ein Meilenstein auf dem Weg zur Abschaffung des Bargelds und zur maximalen Steuertransparenz. Bereits jetzt ist Bargeld mit zweifelhaftem Ruf ausgestattet.

Warum soll das Bargeld abgeschafft werden?

Abschaffung des Bargeldes trifft vor allem die Arme hart In Indien wurden 2016 über Nacht wichtige Geldnoten abgeschafft, angeblich um Korruption und Schwarzgeldhandel einzudämmen. Die Folge: Verunsicherung und Existenzangst bei den kleinen Händlern, die bis dato nur mit Bargeld arbeiteten.

Was ist der Nachteil von Bargeld?

Nachteil: Verlustrisiko Bargeld kann leicht gestohlen werden oder verloren gehen. Zwar können Sie auch Ihr Smartphone oder Ihre Kreditkarte verlieren. Allerdings haben Sie mit dem Verlust Ihrer Karte oder Ihres Handys noch nicht unbedingt Geld verloren. Unter anderem können Sie Ihre Karte sperren lassen.

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