Mit dem nasenring durch die manege führen bedeutung

Es scheint gerade schwer in Mode zu sein, als Agentur strategische Partnerschaften mit Google und Facebook zu verkünden, siehe BBDO/Google und Mediacom/Facebook. Das ist, vorsichtig formuliert, schon bemerkenswert.

Jin Choi: Die Erfahrung zeigt: Wenn wir eng mit Agenturen und Kunden kooperieren, führt das zu extrem verbesserten Ergebnissen und mehr Werbewirkung. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Wir haben einen Spot von Beck’s für mobile Endgeräte optimiert und das Video gegen den klassischen TV-Schnitt laufen lassen, den wir einer Kontrollgruppe gezeigt haben. Das Delta im Ergebnis war gewaltig! Die Sehdauer hängt ganz maßgeblich von der Qualität des Videos ab. Ich könnte hier noch eine ganze Reihe anderer Beispiele anführen, bei denen eine Zusammenarbeit mit Agenturen einfach zu besseren Ergebnissen im Sinne der Werbungtreibenden führt.

Und dafür braucht man dann gleich strategische Partnerschaften?

Matthias Dang: Das Erstaunliche ist doch: Die Agenturen haben solche strategischen Partnerschaften nur mit Google und Facebook! Wieso ist das so? Wenn ich mit Agenturchefs darüber diskutiere, sagen die mir: Ich muss das machen, solche Allianzen gehören einfach zur Politik unseres internationalen Networks. Ich weiß nicht, ob sich die Agenturen damit wirklich einen Gefallen tun. Man kann in diesen strategischen Allianzen auch eine Bankrotterklärung sehen. Manche Agenturen lassen sich von Google und Facebook gerade am Nasenring durch die Manege ziehen.

Jin Choi: Wir führen ja nicht nur mit Agenturen solche Gespräche, sondern auch sehr aktiv mit Publishern, denen wir in unterschiedlichen Business-Situationen helfen wollen. Ich sehe uns da nicht als Wettbewerber, sondern als Partner.

Matthias Dang: Moment, ich kritisiere euch doch gar nicht dafür, solche Partnerschaften einzugehen. Aus eurer Sicht macht das ja zweifellos Sinn. Meine Frage geht an die Mediaagenturen: Warum gibt es keine einzige strategische Partnerschaft mit einem deutschen Vermarkter, warum nur mit Google und Facebook? Warum arbeitet Ihr nicht zum Beispiel mit Gruner+Jahr und Territory beim Thema Influencer Marketing zusammen?

© Maria Monetti

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Das ist ja eine berechtigte Frage: Warum gibt es diese strategische Allianzen nur mit Google und Facebook?

Christian Nienhaus: Da könnten auch gewisse Ängste eine Rolle spielen. Ich glaube, Werbe- und Mediaagenturen haben das Gefühl: Wenn Google und Facebook immer größer werden, braucht man uns vielleicht irgendwann gar nicht mehr. Also verbündet man sich lieber.

Matthias Dang: Ich habe es ja schon angedeutet: In den großen Networks sind solche Allianzen ein strategisches Must. Als Deutschlandchef einer Agentur muss man dann eben mitmachen, egal ob man will oder nicht. Die Antwort könnte aber auch sein: Vielleicht sind wir deutschen Vermarkter einfach nicht sexy genug. Das müssen wir uns schon selbstkritisch fragen.

Uwe Storch: Das zieht mir jetzt aber die Schuhe aus: Du sagst, Ihr seid nicht sexy genug?

Matthias Dang: Natürlich sind wir sexy. Aber genau das ist die Begründung der Agenturchefs, warum wir nicht dabei sind.

Uwe Storch: Weißt du, was für uns Werbetreibenden wirklich sexy ist? Guter Content ist sexy. Werbewirkung ist sexy. Nachweise von Werbewirkung sind sexy.

Matthias Dang: Das ist doch genau meine Meinung. Ich frage doch nur, warum die Agenturen solche Allianzen eingehen. An der Größe von Facebook kann es nicht liegen. Ich will jetzt nicht wieder über Zahlen sprechen, aber wenn es um Kontakte oder Netto-Reichweite geht, müssen sich die deutschen Medienhäuser vor Facebook wirklich nicht verstecken. Unsere Ad Alliance erreicht im Monat 99 Prozent der Bevölkerung, da gibt es eine Menge Möglichkeiten für Kooperationen und Allianzen. Es ist doch vollkommen absurd, so zu tun, nur mit Allianzen mit Facebook und Google ließe sich für die Werbungtreibenden etwas erreichen

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Diese Entwicklung muss Ihnen Sorgen machen.

Matthias Dang: Natürlich macht mir das Sorgen.

Christian Nienhaus: Wir müssen einfach wieder mehr über die klassischen Stärken unserer Medien sprechen, auch wenn das für manche konservativ oder unmodern klingt. Wenn jemand weiß, wie man Menschen fesselt und in Texte reinzieht, dann Journalisten. Journalistische Texte werden besonders lang und intensiv gelesen: Und das hat natürlich auch einen starken Effekt auf die Werbewirkung. Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass Medienmarken, die hochwertigen Journalismus und gute Unterhaltung produzieren, bessere Voraussetzungen für Werbewirkung mit Kaufentscheidungsimpuls bieten. Daher werden wir auch darum kämpfen, nicht in den Longtail abgetrennt zu werden, wo es nur um Kontakte und nicht um Umfeld und Werbewirkung geht. Ich bin durchaus optimistisch, dass diese Sichtweise auch bei den Werbungtreibenden wieder stärker in den Mittelpunkt rückt.

Jin Choi: Ich sehe die Sache vollkommen anders als Matthias. Es gibt einen signifikanten qualitativen Unterschied zwischen Facebook und anderen Vermarktern. Wir haben keine Panel-Logik, sondern können den ganzen Sales Funnel personenbezogen abbilden. Wir liefern ein sehr viel präziseres Tracking als es mit Cookies möglich ist, wir können den Kunden helfen, ihre Werbung sehr viel präziser auszusteuern. Gleichzeitig bieten wir als singuläres Netzwerk eine signifikante Reichweite mit einem hohen Mobile-Anteil. Wir bieten den Unternehmen ein ganzheitliches Paket aus Kreation, Strategie, Aussteuerung und Business-KPI. Wer mit uns zusammenarbeitet, bekommt Erkenntnisse, die er sonst nirgendwo bekommt. Mit unserem neuen "Advanced Measurement"-Hub lässt sich der Erfolg von Kampagnen über alle Kanäle sehr viel transparenter als bisher messen. Wir bieten dieses Tool frei zugänglich dem ganzen Markt an. Davon werden alle profitieren, auch Axel Springer und RTL.

Matthias Dang: Ihr tut immer so, als seid Ihr die Einzigen, die das können. Ihr seid Vermarkter und wollt so viele Werbe-Euros wie möglich. Das ist auch vollkommen in Ordnung, schließlich wollen wir das auch. Aber sich hier als einziger Heilsbringer für die Werbekunden darzustellen, ist wirklich lächerlich.

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