Wird eine Erbschaft auf Grundsicherung angerechnet?

Das Erbrecht weist einige Schnittstellen zu anderen Rechtsgebieten auf, so zum Beispiel zum Sozialrecht. In der Praxis taucht daher auch immer wieder die Frage auf, ob und wann eine Erbschaft ein Einkommen des Sozialhilfeempfängers oder gegebenenfalls ein Vermögen darstellt. Die Abgrenzung ist für die Frage bedeutsam, ob und in welchem Umfang eine Anrechnung auf die Sozialhilfeleistungen zu erfolgen hat. Hier musste das Bundessozialgericht (BSG) entscheiden.

Durch den Tod des Großvaters im Jahr 2009 wurde die Enkelin als Teil einer Erbengemeinschaft Miteigentümerin an einem Grundstück zu 1/16. Ab November 2010 erhielt die Erbin sogenannte Aufstockungsleistungen durch den Sozialhilfeträger. Ab Januar 2012 stellte sie einen Weiterbewilligungsantrag für die Zeit ab Februar 2012 und gab an, dass sie aus dem Grundstücksverkauf durch die Erbengemeinschaft im Februar 2012 einen Betrag von 5.330 EUR erhalte. Der Sozialhilfeträger wertete die Auszahlung der Erbschaft als Einkommen, rechnete diese auf die Sozialhilfeleistungen an und verweigerte daraufhin seine Leistungen für sechs Monate.

Doch das BSG stand rechtlich auf Seiten der Erbin, dass es sich vorliegend nicht um ein Einkommen im Sinne des Sozialhilferechts handelt. Denn die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen bestimmt sich wie folgt: Einkommen ist grundsätzlich alles das, was jemand nach der Antragstellung des ersten Leistungsfalls (hier: November 2010) wertmäßig dazu erhält. Vermögen ist hingegen alles, was jemand vor der Antragstellung bereits hatte. Abzustellen ist daher grundsätzlich auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Geldzuflusses.

Hinweis: Im Fall einer Erbschaft liegt der Zufluss meist bereits zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vor. Der Erbe kann ab diesem Zeitpunkt bereits über seinen Anteil am Nachlass verfügen und diesen beispielsweise veräußern. Ob der Erbe diesen Vorteil aus der Erbschaft bereits gezogen hat, spielt dabei keine Rolle. Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist daher, ob der Erbfall vor oder nach der ersten Antragstellung des laufenden Leistungsfalls eingetreten ist. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung, handelt es sich um Vermögen. Im konkreten Fall musste dieses Vermögen deshalb nicht eingesetzt werden, weil es mit 5.330 EUR unterhalb der gesetzlichen Freibeträge lag.

In der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung werden Eltern oder Kinder nicht zum Unterhaltsrückgriff herangezogen. Dazu gibt es seit Einführung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung eine Einkommensgrenze von 100.000 EUR. Sie wird überschritten, wenn Unterhaltspflichtige ein Jahreseinkommen von mehr als 100.000 EUR haben. Die Jahreseinkommensgrenze gilt für jede unterhaltspflichtige Person und damit auch für jeden Elternteil, woraus sich für Eltern generell zusammen ein Jahreseinkommen von 200.000 EUR ergibt.

Bei der Jahresarbeitsverdienstgrenze handelt es sich um eine Vermutungsregelung. Es wird vermutet, dass die Einkommen der Unterhaltspflichtigen den Grenzbetrag nicht überschreiten. Deshalb sind keine generellen Einkommensprüfungen bei Eltern und Kindern vorgesehen.

 

Hinweis

Keine Erbenhaftung

Im Unterschied zur Hilfe zum Lebensunterhalt wird in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung keine Erbenhaftung nach § 102 Abs. 5 SGB XII durchgeführt. Das bedeutet, dass die Erben nach dem Tod eines Leistungsberechtigten nicht mit dem Erbe in Höhe des Schonvermögens für die gezahlten Leistungen haften.

Ich bekomme seit Anfang des Jahres Altersgrundsicherung. Nun steht eine kleine Erbschaft an. Wie viel darf ich davon behalten? Oder wird alles auf die Grundsicherung angerechnet?

Grundsicherungsleistungen erhält, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen beschaffen kann. Eine Erbschaft gilt dabei als Einmaleinkommen, wenn sie während des Bedarfszeitraums „zufließt“.

Nachdem sich mehrere Sozialgerichte mit ihrer grundsätzlichen Einstufung der Erbschaft als Vermögen gegen höhere Instanzen nicht durchsetzen konnten, hat man den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts und für das Gebiet des SGB II dem Bundessozialgericht und seinem Urteil vom 30.Juli 2008 zu folgen. Danach gilt: Alles, was vor Antragstellung beim Grundsicherungsträger zufließt, ist Vermögen und alles, was danach kommt, ist Einkommen.

Die Folgen sind gravierend. Ist die Erbschaft Vermögen, kann nämlich das Schonvermögen nach Paragraf 90 Absatz 2 SGB X behalten werden. Das zahlt sich aus: Für Alleinstehende macht das einen Barbetrag von 2600 Euro aus. Aber auch eine angemessene Hausratsausstattung oder Gegenstände, deren Verwertung eine Härte bedeuten würde, dürfen die Erben behalten, wenn die Erbschaft als Vermögen gilt. Und das unter Vorwegabzug einer eventuellen Erbschaftsteuer oder der Kosten für den Erbschein.

Diese Kosten werden auch beim Einmaleinkommen abgezogen, der Rest der Erbschaft wird dann aber auf zwölf Monate aufgeteilt. Wenn damit der Lebensunterhalt einschließlich der Beiträge zur Krankenversicherung bestritten werden kann, ist kein Bedarf mehr da für Grundsicherung. Behalten kann man von der Erbschaft, die in Geld besteht, also nichts. Ob Familienerbstücke einen Geldeswert haben oder ob deren Veräußerung eine Härte bedeuten würde, ist im Einzelfall zu beurteilen. Hier kann man keine pauschale Linie vorgeben.

Sollte man die Erbschaft ausschlagen, wäre das eine Möglichkeit? Ein Erbverzicht zugunsten Dritter empfiehlt sich nicht, außer es liegen gute sozialrechtliche Gründe vor. Das Nachlassgericht meldet den Verzicht dem Finanzamt – Paragraf 34 ErbStG –, und dieses gleicht die Daten wiederum mit dem Grundsicherungsamt gemäß Paragraf 118 SGB XII ab. Dies kann dann zur Leistungsminderung bei dem Erben führen, der die Erbschaft ausgeschlagen hat.

Zum entscheidenden Faktor wird der Bedarfszeitraum. Er beginnt mit dem Ersten des Monats der Antragstellung und dauert in der Regel ein Jahr.

Wer das Glück haben sollte, die Erbschaft erst zum Ende des Bedarfszeitraumes zu erhalten, sollte nicht vorschnell einen neuen Antrag stellen. Es könnte sich lohnen, einen Monat auszusetzen. Das kann dazu führen, dass man unterm Strich von der Erbschaft mehr behalten kann, als es sonst der Fall wäre.Foto: Thilo Rückeis

Was passiert wenn man erbt und Grundsicherung bekommt?

Im Unterschied zur Hilfe zum Lebensunterhalt wird in der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung keine Erbenhaftung nach § 102 Abs. 5 SGB XII durchgeführt. Das bedeutet, dass die Erben nach dem Tod eines Leistungsberechtigten nicht mit dem Erbe in Höhe des Schonvermögens für die gezahlten Leistungen haften.

Ist eine Erbschaft ein Einkommen?

Erbschaften sind kein Einkommen im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG und damit dem eindeutigen Wortlaut des § 135 Abs. 1 SGB IX nach, nicht bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen.

Was wird nicht auf Grundsicherung angerechnet?

Unterhaltsansprüche gegenüber Kindern und Eltern werden bei der Grundsicherung nicht angerechnet. Voraussetzung ist, dass deren jährliches Gesamtein kommen jeweils nicht mehr als 100 000 Euro beträgt.

Was zählt zum Vermögen bei Grundsicherung?

Es gilt: Das gesamte verwertbare Vermögen ist bei der Bewertung des Grundsicherungsanspruchs einzusetzen. Dazu zählen sowohl Bargeld, Wertpapiere, ein Sparguthaben, Haus- oder Grundvermögen als auch ein Kraftfahrzeug.

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