Wie tief darf man mit Wattestäbchen ins Ohr?

Ich bin noch in dem Glauben aufgewachsen, dass Wattestäbchen erfunden wurden, um bequem die Ohren zu säubern. 

Seit einiger Zeit sind die Stäbchen allerdings in Verruf geraten: 

Sie seien für die Ohren nicht nur ungeeignet, sie könnten sogar zu dramatischen Verletzungen führen, heißt es. Aber wie soll ich meine Ohren dann sauber machen? 

Und sind Wattestäbchen wirklich so ungesund? Wir haben Michael Deeg, HNO-Arzt und Vorstandsmitglied des Deutschen Berufsverbands der Hals-Nasen-Ohrenärzte, befragt. Das sind die Ergebnisse:

1. Wattestäbchen sind ungeeignet.

"Die Reinigung der Ohren mit Wattestäbchen ist weit verbreitet, aber man sollte es nicht tun“, stellt der Experte klar. "Schon anatomisch gesehen ist das nicht zu empfehlen."

Der Gehörgang ist im Normalfall nicht viel weiter als der Durchmesser eines Wattestäbchens.

Dr. Deeg

Das bedeutet: Wenn man ein Wattestäbchen ins Ohr schiebt, werden Ohrenschmalz oder Dreck nach innen gedrückt. "Dort verdichtet es sich und lagert sich ab“, sagt Dr. Deeg. "Man erreicht also genau das Gegenteil von dem, was beabsichtigt war.“

2. Wattestäbchen sind zu rau.

Und auch das Material der Wattestäbchen ist nicht fürs Ohr gemacht: "Wattestäbchen sind vergleichsweise rau und die Oberfläche des Gehörgangs ist relativ empfindlich. Im äußeren Bereich gibt es noch ein nachgiebiges Weichgewebe, aber fast ab der Hälfte kommt ein Bereich, in dem nur noch Haut über dem Knochenbereich liegt.“ Wer diese empfindliche Stelle zu hart mit einem Wattestäbchen bearbeitet, verletzt sich dort selbst.   

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3. Es sind viele Verletzungen möglich.

Oft merken wir gar nicht, welche kleinen Verletzungen wir mit den Wattestäbchen verursachen. "Bei Patienten, die selbst schon mit Wattestäbchen versucht haben Beschwerden zu lösen, sehen wir oft Kratzspuren, kleine Blutergüsse, auch mal eine Blutung“, sagt Deeg. Oft heilt alles von selbst und hinterlässt keine bleibenden Schäden – doch es geht auch anders. "Wenn man Pech hat, verletzt man sich sogar das Trommelfell“, erklärt der Arzt. "Im schlimmsten Fall kann es dann nur operativ verschlossen werden und wenn man nicht schnell genug handelt, kann es einen bleibenden Hörverlust geben.“ Das passiert zwar nur selten, aber es kommt vor. 

4. Es kann zu üblen bis kuriosen Zwischenfälle kommen.

"Wir erleben kuriose Dinge“, sagt Deeg. "Manchmal steht jemand im Bad, reinigt sich das Ohr mit einem Wattestäbchen, dann öffnet jemand die Tür und stößt ihn – dann verletzt man sich.“ Es kann passieren, dass das Wattestäbchen in so einer Situation mit einem heftigen Ruck ins Trommelfell eindringt. Und dann gilt wieder: Im schlimmsten Fall ist das Hören dauerhaft geschädigt. Deshalb der klare Rat des Experten: Bei gefährlichen Zwischenfällen sofort zum HNO-Arzt gehen – hier zählt jede Minute.

5. Viele Menschen übertreiben es mit der Hygiene.

Was die meisten von uns vor allem tun sollten: einen Gang herunterschalten. "Oft gibt es ein vollkommen übertriebenes Hygieneverhalten“, sagt Deeg. Viele Menschen müssen sogar gar nichts an ihren Ohren machen – sondern einfach alles ihrem Körper überlassen. "Es ist ja keine dumme Laune der Natur, dass Ohrenschmalz produziert wird. Das ist eine ganz dünne Fett- und Gleitschicht, die unsere Haut schützt.“ 

6. Warmes Wasser genügt.

Aber was dann? Gibt es Alternativen zu Wattestäbchen? Im Normalfall – wenn wir also nicht übermäßig viel Ohrenschmalz produzieren – reicht es, die Ohren unter der Dusche mit etwas Wasser zu reinigen. Nur mit den Händen, ganz ohne weiteres Werkzeug. "Soweit die Finger reichen, ist es unkompliziert – das hat die Natur gut eingerichtet“, sagt Deeg.

Im warmen Wasser löst sich alles und wird ausgespült.

Dr. Deeg

Shampoo oder Seife sollte man dabei besser nicht benutzen. Wer das nasse Gefühl unangenehm findet, kann aus einem Kosmetiktuch eine kleine Spitze formen und damit das Ohr und den Beginn des Gehörgangs trocknen. Die Tücher sind so weich, dass sie keine Schäden anrichten können. Wer danach Wasser im Ohr hat: Einfach etwas schütteln, dann löst sich das Problem meist von selbst.

7. Bei Problemen hilft nur der HNO-Arzt.

Es gibt Menschen, die genetisch bedingt übermäßig viel Ohrenschmalz haben – dadurch können sich Pfropfen im Ohr bilden. Aber auch dann sind Wattestäbchen die falsche Lösung: "Wer in dieser Situation mit einem Wattestäbchen ins Ohr geht, verschlimmert die Lage im Zweifelsfall, weil er alles tiefer in den Gehörgang hineinbefördert“, erklärt Deeg. Hier hilft nur der Besuch beim HNO-Arzt, der den Pfropfen mit speziellen Instrumenten entfernt.

"Wer viel Ohrenschmalz produziert, sollte regelmäßig zur ohrenärztlichen Säuberung in die Praxis gehen“, sagt der Experte. "Viele Menschen haben da Hemmungen, aber das ist völlig unbegründet.“ Denn das ist die einzige Lösung, die wirklich hilft – und wenn die Reinigung nötig ist, wird sie auch von der Krankenkasse bezahlt.

Kann man mit einem Wattestäbchen das Trommelfell verletzen?

Wer mit Wattestäbchen im Ohr stochert, kann leicht sein Trommelfell verletzen. Ein Riss oder Loch entsteht aber auch durch starke, plötzliche Druckschwankungen, etwa im Flugzeug, beim Tauchen, bei einer Explosion.

Was passiert wenn man zu tief ins Ohr geht?

Wenn das Trommelfell dem Druck nicht mehr standhalten kann, reißt es und das Sekret fließt ab. Die Ohrenschmerzen und das Druckgefühl lassen sofort nach. Das kleine Loch im Trommelfell wächst in der Regel innerhalb kurzer Zeit von alleine wieder zu.

Kann man von Wattestäbchen taub werden?

Wattestäbchen verstopfen das Ohr noch mehr Dabei entsteht eine Schallleitungsschwerhörigkeit, die häufigste Ursache einer Schwerhörigkeit. Diese sorgt dafür, dass man dumpfer und leiser hört. Es kommt auch vor, dass ein Tinnitus wahrgenommen wird.

Wie lang ist der Gehörgang bis zum Trommelfell?

Der äußere Gehörgang ist etwa 3,5 cm lang und endet vor dem Trommelfell. Er hat einen S-förmigen Verlauf, so dass das Trommelfell nicht direkt sichtbar ist. Er besteht aus einem äußeren knorpeligen und einem knöchernen Anteil.

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